Oberfläche

3,70 Stern(e) 3 Bewertungen
T

Trainee

Gast
Lieber Manfred,

dein Gedicht berührt mich sehr. Und es gefällt mir in seiner gewählten Form.

Jetzt, beim nochmaligen Lesen, überlege ich, ob

Zu lange blind

gehauchte Tage tauchen
aus dem Kindheitsgewölle

Seltsam
immer war Sommer
und wir liefen
uns entgegen

Keiner kam davon
nicht zureichend, vielleicht sogar einen Tic besser wäre ...
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Mir tut es nicht etwa um das 8erle leid, das allemal verdient ist - doch ließest du die "Oberfläche" weg, schlösse sich die Verbindung zwischen dem neuen Titel und dem Endvers perfekt: Zu lange blind - keiner kam davon.

Das ist sicherlich (auch) Geschmackssache.

Die Oberfläche kann die eines alten Fotos oder eine Rückbesinnung an Kindertage sein, ein Nachdenken über den Anfang aller Hoffnung, ein Aufeinanderzustreben, das letztendlich durch das Leben selbst oder den Tod beendet wurde.
Und natürlich kann ein beschlagener Spiegel gemeint sein, der zurückwirft was da ist, nicht aber, was einmal gewollt war.
So ergeht es wohl (fast) allen.

Für mich ein wirklich starkes Gedicht. :)

Trainee
 
Lieber Manfred,
ein kurzes und dennoch vielsagendes Gedicht. Hat mich sehr beeindruckt, zumal auch mich gerade jetzt im relativ hohen Alter (74) diverse Kindheitsgefühle einholen.
Herzliche Grüße
Karl
 

Perry

Mitglied
Hallo Franke,

wenn Erinnerungen an die "Oberfläche" kommen, sind es meist "schöne". Ich glaube, das nennt man "kreatives Vergessen", bei dem nur mit großen Emotionen verbundene Ereignisse in Erinnerung bleiben und die sind zum Glück bei den meisten Menschen positiv.
Konstruktiv bin ich an der 1. Strophe etwas hängengeblieben, wobei ich nicht genau sagen kann, ob es am
"zu lange blind" oder dem
"Kindheitsgewölle"
liegt.

LG
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Trainee!

Ja, das alte Problem mit dem Titel. Zuerst habe ich "Auftauchen" überlegt, aber da hat mir die Doppelung von tauchen nicht gefallen.
Dein Vorschlag gefällt mir gut, aber das "blind" gehört eigentlich zu "gehauchte". In der Ursprungsversion hieß es "Blindgehauchte Tage". Hier bietet sich aber die Trennung an, weil es neue Lesarten anbietet und die Aussage verstärkt. Wegen der Ursprungsversion, die auch meine Intention ist, möchte ich das Gedicht so belassen.

Danke für deine wie immer intensive Beschäftigung mit dem Gedicht. Es ist schön zu erfahren, dass auf der Leselupe doch noch wirkliche Textarbeit stattfindet und man nicht nur von einer feigen Flachpfeife anonym mit 5 bewertet wird.

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Karl,

das Gedicht ist nach einem Gespräch mit einem alten Freund entstanden. Als wir über alte Zeiten gequatscht haben, fiel uns plötzlich auf, dass wir uns fast nur Begebenheiten im Sommer erinnern können.

Liebe Grüße
Manfred
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Perry,

das "blind" gehört eigentlich zu "gehauchte". Aber die Trennung hat sich hier angeboten (siehe meinen Kommentar an Trainee).
Gewölle sind unverdauliche, hochgewürgte Nahrungsreste (v.a. bei Raubvögeln). Das schien mir in dem Zusammenhang passend.

Danke und liebe Grüße
Manfred
 



 
Oben Unten