Oberweite lächelt

1,50 Stern(e) 2 Bewertungen

Bursch

Mitglied
Pubertierenden passiert so etwas. Spätpubertierenden ebenfalls. Mir doch nicht. Nicht mehr.

Mitte 30 überwältigt dich, wie üppig auch immer ausgestattet, eine weibliche Erscheinung doch nicht mehr. Interesse und Neugier bleiben, sicher. Allgemein die Anziehungskraft, bis du unter der Erde liegst. Aber mit den Jahren hebt dich keine mehr aus den Sandalen, macht dich hilf- und fassungslos.

War ich fest von überzeugt. Hatte seit Jahren derlei auch nicht mehr erlebt. Bis gestern Morgen.

Ich reiße mich nicht darum, gehe aber gern am Morgen vor unserer Frühstückspause im Büro rasch zum Bäcker des Reviers und besorge für mich und meine Kollegen die wechselnden Bestellungen an frischen Brötchen, Croissants und Teilchen für die Süßvernarrten. Wir bewegen uns alle wenig genug, hocken den ganzen Tag vor'm Computer. Da sind die drei-, vierhundert Fußmeter Gold.

Alles eingespielt mittlerweile, selten besondere Vorkommnisse. Die Enddreißiger Chefin, sanft erotische Ausstrahlung, und ihre meist jungen Verkäuferinnen - in der eher kleinen Bäckerei ist in der Regel nur eine im Einsatz - sind durchweg appetitlich anzusehen, nett und korrekt im Bedienen - alles gut.

Gestern erwartete mich eine Neue. Schätze, so Anfang 20, mittelgroß, ein bisschen füllig, aber nicht zu sehr, kurzes hellblondes Haar, leuchtend weiße Bluse. Zwei Kunden waren vor mir an der Reihe. Die Verkäuferin war nicht neu im Fach, im Gegenteil, sie bediente souverän, schnell. Dabei nett wie die anderen, um nicht zu sagen: harmlos.

Alles andere als harmlos an ihr war nur eins. Das hob sich vollkommen ab und mich aus den Angeln: ihre unbeschreibliche, von der Bluse eng umschlossene und gerade eben zusammen gehaltene Oberweite. Mein Gott! stöhnte es in mir gleich beim Eintritt. Vermischt mit der Frage: ist das echt? Trägt die einen normalen BH? Sind Implantate im Spiel? Oder was?

Als sie den ersten Kunden an einer Stelle fragt, ob's von bestimmten Plätzchen "mehr sein soll", war ich drauf und dran zu antworten: "Nein, es reicht!" Als ich an der Reihe war, bekam ich meine Bestellung mit Mühe zusammen, atmete draußen regelrecht auf, erzählte bei uns niemandem davon.

Diese Begegnung war nichts gegen die von heute. Offenbar war es der jungen Dame - uns allen - an diesen Spätsommer-Hundstagen schon am Morgen zu heiß. Nur ein weißes T-Shirt hatte sie sich übergestreift und auch gleich den lästigen BH weggelassen. Womit die eine Frage vom Vortag geklärt war: an einem manipulierten Wäschestück lag es nicht. Die Implantat-Hypothese tauchte kurz wieder auf, tröstete mich aber mitnichten. Er machte mich einfach platt, der Anblick dieser wogenden Massen. Dazu dieses vollkommen unschuldige, dieses naive Lächeln. Eines, das von innen kam.

Wieder zwei Kunden vor mir. Ich war so fixiert, dass ich, endlich an der Reihe, erstens den Mund nicht auf bekam und zweitens meine halbe Bestellung vergessen hatte. Auf zwei Bauernbrote verwies, die nie jemand bei uns geordert hatte, "jaja, die runden da hinten, die ..., die Riesendinger". Körnerbrötchen mutierten bei mir zu "denen mit den Knospen, genau, die Noppen da". Und betreffend Laugenbrötchen stammelte ich irgendetwas von "den Langen, also den Geschwollenen ... bitte".

Beim Bezahlen kippte mir mein ganzes Kleingeld aus dem Portemonnaie auf Taschenablage und Fußboden. Eine Kundin half mir beim Einsammeln. Draußen bemerkte ich, dass ich eine von zwei Tüten vergessen hatte, und kehrte nochmal zurück. Sicher mit puterrotem Kopf, man sieht sich ja nicht selbst.

"Wo sind denn meine Croissants?" beschwerte sich gleich bei meiner Rückkehr Urs aus dem Büro nebenan. "Du hast ja die Hälfte vergessen." Lachte gehässig, als ich mit knappen Worten das Drama schilderte. "Na, Jung, die Bauernbrote isst du mal selbst auf. Komm, ich renn nochmal rasch, guck mir dabei das Wunderwerk mal an. Wohl besser, ich übernehme überhaupt diese Woche. Nächste Woche du wieder. Wenn du willst. Und wenn du dich bis dahin beruhigt hast."
 



 
Oben Unten