Österreichische Nekrofilmie

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Meine Freundin Natasha ist Russin. Ist das an sich schon schlimm genug, so ist sie obendrein noch eine leidenschaftliche Kinogeherin. Seit Jahren sind die Freitagabende für sie einzig und allein dazu da, vor den Kinos in San Francisco Schlange zu stehen, um die neuesten Hollywoodschinken noch am Erscheinungstag zu sehen. Kein Fehler im Plot, kein noch so schlechter Schauspieler und keine negative Filmkritik kann sie davon abbringen, mich in die Kinosäle zu schleifen.
Die Filme, die wir im Kino nicht sehen können, werden später gnadenlos im Heimkino auf DVD betrachtet. Nur in Guerillaaktionen gelingt es mir, ab und zu einen französischen Spielfilm in den DVD-Spieler zu schieben.

Unlängst brachte ich ein paar Komödien aus dem Schaffen der österreichischen Filmindustrie nach Hause. Ich wollte damit einen Beitrag zur Hebung des intellektuellen Niveaus in unserem Häuschen heben.

Der erste Film: Köstlich! Ein Film mit zwei Genies des österreichischen Kabaretts, Alfred Dorfer und Josef Hader in „Indien“. Zum in die Hose machen, wie die beiden als Gasthausinspekteure durch die niederösterreichische Einöd fahren, und der Gegensatz der beiden Charaktere von gegenseitiger Ignoranz zu offener Feindseligkeit und schlussendlich zu berührender Freundschaft führt. Selten habe ich mich so amüsiert.

Nur Natashas Gesichtsausdruck liess mich vermuten, dass irgend etwas nicht stimmte.
„Da stirbt zum Schluss der eine an Krebs, und Du findest das spassig?“ warf sie mir verständsnislos vor und stampfte angewidert aus dem Wohnzimmer.
Ich fühlte mich mies und schäbig. Nicht nur hatte ich den Film lustig, sondern als schreiend komisch empfunden. Noch immer schmerzte mein Zwerchfell und nun das. Ich war geknickt.

Bei nächster Gelegenheit schob ich unter bösen Blicken Natashas einen anderen humoristischen Spielfilm in den DVD-Player. Wiederum waren drei grosse Kaliber des österreichischen Kabaretts beteiligt, Andreas Vitasek, Erwin Steinhauer und Wolfgang Böck in „Brüder“. Irritierend war nur Natashas Gezeter im Hintergrund, ich liess mich aber nicht beeindrucken.
Die Geschichte ist rasch erzählt, auch Natashas Reaktion. Zu Beginn - stirbt – die Mutter und ihre drei aufeinander nicht gut zu sprechenden Söhne finden zueinander. Ich lag flach vor dem feinsinnigen Humor, konnte kaum an mich halten.
Natasha hatte bereits nach fünf Minuten ihren Platz vor dem Fernseher verlassen.

Meine Verzweiflung wuchs. Gibt’s denn keine österreichische Komödie ohne Toten? Ich versuchte es unter heftigem Protest Natashas mit folgendem Film: „Komm, süsser Tod“, in dem zwei Wiener Rettungdienste einander die Patienten abstreitig machen und letztere dabei auf der Strecke bleiben. Der Film strotzt nur so vor Humor durch die zahlreich dort mitspielenden österreichischen Kabarettisten. Ich hatte Bauchkrämpfe vor Lachen, konnte mich nicht beherrschen, aber eben wieder ein paar Tote.
Natasha räumte die Koffer aus dem Keller hervor. Auf Knien beschwor ich sie, hierzubleiben. Zerknirscht versprach ich Besserung, der zu ihrer Besänftigung für sie erworbene Schmuck ruinierte mich.

Als letzte Chance gewährte sie mir noch einen Film. „Und wenn der wieder..., dann Gnade Gott!“
Ich legte zitternd „Kottan ermittelt“ ein, eine österreichische Krimiserie, gespickt mit überragenden Komödianten, ergänzt durch einen sadistischen Kaffeeautomaten, hilfreich assistiert durch Schrammel, dem einfältigen Polizeihelfer. Was will man mehr? Ach ja: Tote in jeder Serie, ist doch schliesslich ein Krimi, nicht wahr?
Natasha zog zu ihrer Mutter.

Jetzt schreibe ich auch an einem Drehbuch. Ein Film über Terror in Wien, Angst und Panik, Drama, Liebe, Action, intellektuell anspruchsvoll und zeitgemäss, mit den besten Kabarettisten Österreichs. Ob jemand im Verlauf der Handlung sterben wird? Natürlich! Wär’s sonst eine Komödie?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
bei

der lektüre drängt sich mir die frage auf, ob es in östereich nur kabarettisten gibt und keine schauspieler.
lg
 

Loo Water

Mitglied
tagauch,

der einfachheit halber könnte man anführen, dass sich böck und steinhauer in erster linie als schauspieler verstehen. auch "komm, süßer tod" wird in erster linie durch die mitwirkung von wirklichen, echten schauspielern zum film. und dass hader als kabarettist bekannt wurde ist, äh, ein blöder zufall. *g*

die geschichte hat mir jedenfalls gut gefallen - und ehrlich: wer gibt schon was auf die meinung einer russin in san francisco? *g*

lg loo
 
Ich stimme Dir zu. Man muss dazu aber auch sagen, dass Kabarettisten auch eine gute Portion an Schauspielkunst beherrschen müssen, um ihre Stücke rüberzukriegen.
Das ist so, als ob man den Verfasser einer Satire oder humoristischen Geschichte nicht als Schriftsteller ansehen würde, nur weil die Geschichte lustig ist. Gerade dabei ist sehr genau auf die Wortwahl und den Spannungsaufbau zu achten.

Jemand zum Weinen kriegen ist einfacher, als jemand zum Lachen. Die Pointe und der Humor müssen präzise geliefert werden.

Mario
 

huwawa

Mitglied
Hallo Mario

Ja, wenn du es ihn Wien versuchst, wo die höchste Lebenserfüllung "a scheene Leich" ist, kommst du um Tote kaum herum. Als Alternative kann ich dir nur das blutrünstige Western-Genre vorschlagen, Deutsch-Italienisch ("Vier Fäuste für ein Halleluja"), oder nur Deutsch ("Der Schuh des Manitou"), dort kommt man ohne Leichen aus. Dafür ist der Humor dort aber wahrlich zum "Totlachen" :D.

Liebe Grüße
huwawa
 



 
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