Oh, Bruno

4,00 Stern(e) 1 Stimme
1.

Der Antrieb bockte wieder einmal.
Joe, der Commander und auf Nachtwache, wurde aus dem Pilotensessel geworfen.
"Shit!" Knurrte er, nachdem er seine Zähne aus der Polsterung des Co-Pilotensessels gelöst hatte.
"Shit! Da kommt`s mir hoch!" Er spuckte aus und torkelte zu seinem Sitz zurück.
Die Schlingerbewegungen des Raumschiffs hörten auf. Auf den Bildschirmen der Aussenortung zeigte sich weiterhin ewiges Schwarz, durchsetzt von leuchtenden Punkten: den Sternen des Alls.
"Hoffentlich sind wir bald da!" murmelte Joe und las die Kontrollen ab. Die meisten funktionierten nicht mehr, aber immerhin war es ihm noch möglich, das Schiff zu steuern und die Richtung anzugeben.
"Immer das gleiche," ertönte es vom Zentraleschott her, "nicht mal ne Sitzung kann man auf dem Pott abhalten. Die Hälfte meines Schisses landete neben der Schüssel!"

Willi Charodok, stellvertretender Commander des Unternehmens und einziges Mannschaftsmitglied, schniefte. Im Gegensatz zu Joe Panther war er eine stattliche Erscheinung von fast einem Meter neunzig. Joe hingegen wirkte wie ein dicker Fußball auf Beinen.
"Übung macht den Meister..."
"Ach - so kann es nicht weitergehen. Es wird Zeit, dass wir unser Flugziel erreichen. Fast sechs Monate sind wir unterwegs, ohne Feten und Frauen. Ich möchte wissen, wer die Schnapsidee hatte, dass wir den Unmöglichen Planeten wieder aufsuchen..."

Joe zuckte mit den Schultern und grinste Willi an. Er sagte: "Der Wissenschaftliche Rat fährt auf diesen Planeten voll ab. Und wer ist für so einen Planeten besser geeignet als das Sternenduo Willi und Joe, he!? Vom Unmöglichen Planeten geht es dann weiter nach
Trinidad - und das lassen wir die Sau raus!"
"Dein Wort in meinem Gehörgang!" Will rückte den Co-Pilotensitz gerade und überprüfte die Kontrollarmaturen.
"Jetzt ist die Kontrollautomatik für Triebwerk vier ausgefallen!"
meldete er ruhig.
"Okay, ich übernehme mit Triebwerk drei."

Leises Summen erfüllte die Zentrale des kleine Kugelraumers.
Einige Bildschirme flackerten, vor dem Schott piepte die Akustik des Reinigungsroboters, der Willis Fäkalien ordentlich entsorgte - zumindest versuchte er es. Lautes Scheppern zeugte vom Aufeinanderprallen verschiedener Metallteile. Beim Robot waren einige Schrauben locker und so fuhr er ständig gegen die Schiffsinnenwandung.
"Wie wär's mit Bauernskat?" fragte Willi.
"Lieber wäre mir Ausziehpoker..." meinte Joe.
"Aber nur mit der Reinigigungstante aus Blech. Ich find's geil, wenn sich beim Robot nacheinander die Verkleidungen lösen..."
"Okay. Bis wir da sind..."


2.


"Als Kakerlake hat man es schwer!" seufzte Esther und zielte mit ihren Fühlern in Richtung Mathilde, ihrer Freundin.
"Wieso als Kakerlake...Wer lebt denn sonst noch in dieser Welt außer unserem Volk?" wunderte sich Mathilde.

Ester winkte mit einem ihrer Beine ab. "War nur so ein Spruch. Du musst ja nicht alles so ernst nehmen, was ich sage."
"Aber in letzter Zeit bist zu so sauer und verbittert. Was ist los. Ist es Karol, dein Begatter? Oder Heribert, dein Hausfreund? Oder Bogomil, der immer..."
"Schweig!" rief Esther "Lass diese Anzüglichkeiten. Was kann ich denn dafür, dass ich so begehrt bin. Die Männer stehen halt auf mich."
Neiderfüllt starrte Mathilde ihre Freundin an. Sie selbst war eine kleine, hässliche Kakerlake, eben richtig schäbig. Und sie konnte natürlich nicht voller Stolz auf so eine tolle Behausung blicken wie Ester.
"Dass es immer noch Trottel gibt, die dir deine Unterkunft durch das Leben schleppen."

Mitleidig schaute sie auf die acht Kakerlaken, die sich mit Esters Haus abmühten. An gesponnenen F„den gekettet, zerrten sie das majestätische Bauwerk hinter ihnen her.
"Sie sind mir hörig," meinte Ester nur und liebkoste mit den Fühlern Bruno, der den Antreiber ihrer Lebensdiener mimte. Augenblicklich trieb dieser seine Leidensgenossen zu noch mehr Leistung an.
"Lass gut sein Bruno. Für heute ist genug. Wir bleiben hier. Ich möchte ruhen."
Die Sklavenkakerlaken streckten alle Glieder von sich und nahmen Ruhestellung ein. Nichts ging mehr.
"Komm Mathilde, ich lade dich in meine Behausung ein."

Sie krabbelten durch eine ovale Öffnung hinein. Kleine Löcher in den Wänden spendeten düsteres Licht. Die Behausung glich einem geschlossenen Zylinder. So hatte man nur auf dem tiefsten Punkt der Rundung Platz, sich niederzulegen. Eine falsche Bewegung und das Haus rollte nach rechts oder links. Meistens stützten des die Zugkakerlaken mit ihren ruhenden Körpern ab.
"Herrlich, nicht wahr!" meinte Ester und bot ihrer Freundin etwas zu knabbern an.
"Tja - nicht jeder erbt so etwas Tolles."

Seit Generationen war dieses Haus in Besitz von Esters Familie. Hier wurden die Kinder geboren und die Greise verabschiedeten sich in die Anderwelt.
"Es könnte wieder einmal etwas Farbe gebrauchen. Ich werde mir die nötige Erde in den nächsten Tagen mischen."
Behaglich lehnte ließ sie ihre Fühler baumeln.
Mathilde wurde schläfrig und so beschlossen die beiden Freundinnen wieder einen Tag in ihrem Leben.


3.


"Es ist bald soweit. Wir schwenken in die Umlaufbahn von IMPOSSIBLE ein."
Willis Stimme klang ruhig und sachlich. Er war voll konzentriert. Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, denn der Autopilot des Raumers hatte vor Stunden seinen Geist aufgegeben. Nun war Handarbeit gefragt.
"Oh, Joe, der Computer wirft sogar richtige Daten aus.!"
"Echte Wertarbeit. IBM - schätze ich!"

Auf dem Hauptbildschirm erschienen lange Zahlenkolonnen, im Hintergrund zeigte der Computer das System des Unmöglichen Planeten.
Als einziger, riesiger, atmosphäreloser Satellit umkreiste er einen rotgrünen Doppelstern. Auf dem Planeten herrschten Wirbelstürme bis Windstärke 80, elektrische Ladungen im Gigawattbereich waren an der Tagesordnung. Es gab keine Erhebung über 50 m über Normalnull. Die Stürme plätteten regelrecht
die Oberfläche. Aber das Innere des Planeten barg gewaltige Geheimnisse. Ausgedehnte Höhlensysteme, gefüllt mit Maschinen einer längst ausgestorbenen Rasse, brachten die Phantasie der letzten terranischen Expeditionen in Wallung. Diese gewaltigen Maschinen sorgten dafür, dass der völlig instabile Planetenkörper innerhalb seiner exzentrischen Umlaufbahn zwischen den beiden Sonnen hindurch nicht zerbröselt wurde. Sie machten eine Schwerkraft von 0,8 g und atembare Luft möglich.

Joe und Willis Aufgabe war es, auf diesem Planeten nach dem Rechten zu sehen. Es gab keine Lebewesen auf IMPOSSIBLE und so sollte es bleiben. Das Sternenduo musste sich dessen vergewissern, denn die nächste Expedition von Wissenschaftlern sollte in einigen Monaten starten.
"Wir sind im Landeanflug auf Checkpoint Charlie." meldete Joe. "Wir ziehen die Schutzanzüge an und dann geht's ab in die Station."

Willi veranlasste in der Zwischenzeit den Start von einigen Dutzend Sonden, die den Planeten vermessen und überprüfen sollten.
Ein Reihe von Sonden zerschellte schon beim Start.
"Wo soll das nur hinführen!?" schimpfte Willi und gab der Konsolenverkleidung einen kräftigen Tritt. Aus dem Lautsprecher des Computers erklang ein Wehklagen.
"Jetzt quäl IBM nicht so!" forderte Joe seinen Partner auf. "
Es geht los!"
Das Raumschiff lag im sicheren, unterirdischen Dock.
"Mal sehen, ob es immer noch so sauber wie beim letzten Mal ist!"
Willi verließ als erster die Schleuse.
"Höchstens ein bisschen Staub..."


4.


Der Morgen brach an. Nicht, dass man dies sehen konnte, aber die Kakerlaken spürten so etwas. Sie kannten es auch nicht anders.

Wohlig räkelten sich Esther und Mathilde auf dem Boden der Behausung.
"Auf, wir müssen weiter, Mathilde. Heute möchte ich meinem Cousin
Bertram die Aufwartung machen. Er hat meine Behausung noch nicht gesehen."
Mathilde krabbelte aus der Öffnung und Esther folgte ihr.
Bruno und seine Gesellen standen schon bereit. Ein Wink Esthers - und sie würden das Haus bis an das Ende der Welt schleppen.
"Bruno !" Der Antreiber spitzte seine Fühler "Auf, marsch, marsch."

Aber bevor Bruno das Kommando weitergeben konnte, fiel eine gewaltige Schwärze über den Trupp der Kakerlaken. Eine Schwärze, wie sie sie nur im Schatten gewaltiger Erhebungen kannten.

Einige Sklavenkakerlaken erlagen dem Schock. Mathilde streckte ihre Gebeine von sich und fiel in Ohnmacht.
Bruno aber warf sich vor Esther, um sie zu schützen.
Ein gewaltiger Brocken stürzte vom Himmel und walzte Esthers Behausung nieder.
Es war der Weltuntergang...


5.

"Sieh dir das einmal an, Willi," rief Joe Panther und rempelte seinen Freund, der sich im Gang zur terranischen Expeditionszentrale neugierig die Fotos vergangener Expeditionsteilnehmer betrachtete.
"Was..."
"Schau doch mal..."

Willi starrte verblüfft auf den Boden und trat dann zu. Es knackte vernehmlich.
"Ich dachte, das Reinigungskommando hätte hier alles entseucht und aufgeräumt," schimpfte Joe, "das hier ist eine Riesensauerei. Wir werden das melden müssen: Eine leere Coca-Cola-Dose und ein Haufen Kakerlaken. Igitt."
Willi orderte augenblicklich ihren Reinigungsrobot, dem zwar nach dem Strippoker einige Blechteile fehlten. Aber seine Arbeit konnte er noch leidlich verrichten.
In Sekundenschnelle waren die zerquetschte Coladose und die Kakerlaken im Konverter des Robot verschwunden.


Epilog

Esther zitterte am ganzen Leib. Bruno lag auf ihr und gab ihr Schutz. Sie hatten sich in eine kleine Nische retten können. Alle anderen waren ins Anderland gegangen, aufgesogen von einem gewaltigen Monstrum - samt der Behausung.
Sie genoss die Wärme von Brunos Körper. Leichte Erregung überkam sie. Das Monstrum hatte sie enterbt - wahrhaftig. Aber andererseits - diese ewige Schlepperei, diese vielen, widerlichen Schleimer, die ihr wegen der Behausung den Hof gemacht hatten. Dies gab es jetzt nicht mehr. Geblieben war nur Bruno.
"Ohhh, Brunooo...."


ENDE
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
die

geschichte gefällt mir ausgezeichnet und hat mich zum schmunzeln gebracht. kommt in meine sammlung. ganz lieb grüßt
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hab geschmunzelt. Danke!

Einige Details stimmen nicht. Ausführlichere Bemerkungen erwünscht?

Große Frage:
„Als einziger, riesiger, atmosphäreloser Satellit umkreiste er einen rotgrünen Doppelstern. Auf dem Planeten herrschten Wirbelstürme bis Windstärke 80, ..." WIND auf einem ATMOSPHÄRELOSEN Planeten??
 
Das mit dem Planeten hat so seine Bewandnis. Mehrere Leute mußte kurze Beschreibungen geben: einen Planeten oder Storyhintergrund und eine Personenbeschreiben. Alles wurde gemischt und jeder bekam dann eine Hintergrund- und eine Personenbeschreiben willkürlich zugewiesen. Daraus sollte eine Story gemacht werden. Und deshalb ist z.B. der Planet etwas ungewöhnlich. Aber ehrlich, im Nachhinein betrachtet, hätte ich das aus korrigieren können. Habe aber darauf nicht geachtet, da die ganze Sache ein Joke war. Ansonsten mußt der Hintegrund schon stimmen. Das ist korrekt.
 



 
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