Oktoberfest

JennyP.

Mitglied
Ein feiner Job im Oktober

Es hat schon jedes Mal etwas ganz Besonderes an sich. Ich arbeite auf Abruf. Im Höchstfall werde ich einen oder zwei Tage vor Beginn angerufen, sodass ich mich halbwegs mental dar-auf einstellen kann. Ich weiß nie, was mich erwartet, aber das ist kein Grund, davor Angst zu bekommen oder nervös zu sein. Ich lasse es einfach auf mich zukommen.
Ob nun auf einer Jubiläumsveranstaltung für Professoren oder dem jährlichen Bikertreffen für jedermann, es verliert nie seinen Reiz. Die Leute sind einfach unglaublich. Man erwartet ver-snobte Lackaffen oder durchgeknallte Saufkumpanen, die einem die Stimmung vermiesen. Natürlich sind diese Leute keine Seltenheit, aber sie wissen, wie sie die Menge in Partylaune versetzen können.
Wo ich arbeite? Ein Tresen, ein Partyzelt, eine Bühne, Holzgarnituren und vor allem Massen von Menschen mit ohrenbetäubender Stimmung.
Als kleine blonde Schülerin hat man am Anfang erhebliche Probleme mit der guten Laune anderer. Man ist froh, wenn man sein Tablett einigermaßen getragen bekommt, nichts ver-schüttet und man sich nicht all zu oft bei den Rechnungen vertut. Das Lächeln fällt einem dabei sichtlich schwer. Wenn sich dieses Unwohlsein nicht mit der Zeit legt, ist dies der fal-sche Job.
Für mich ist er es nicht. Die Bezahlung spielt nur eine mindere Rolle. Natürlich achte ich bei der Abrechnung auf die Korrektheit und Genauigkeit. Aber ich zähle während der Arbeit nicht, wie viel Geld ich jetzt nun wieder verdient habe. Ich lasse mich nicht über den Tisch ziehen. Schließlich kann einem das im Leben noch so oft passieren, darüber muss man sich als Schülerin schon im Klaren sein. Abzocken liegt in der Natur des Menschen, auch bei mei-nen Gästen passiert mir das ab und an, natürlich ganz unbewusst.
Die Belegschaft weist nicht unbedingt die perfekte Professionalität auf, die sie sollte, aber das macht sie gerade perfekt. Immer gut gelaunt, mit Späßen auf des Schülers Kosten und meis-tens unter der Gürtellinie, machen wir uns bereit für die anstehende Party. Gegenseitiges An-grapschen oder Umrennen gehört dazu und wird gern mit einem ironischen Spruch oder einer bestimmten Handbewegung erwidert. Solche Sachen verleiten zu Hochstimmung.
Gäste Bedienen ist schon ein feiner Job, wenn man nicht seinen Chef im Nacken sitzen hat. Es ist schon ziemlich hart. Die Anstrengung zehrt an der körperlichen Verfassung, aber es trainiert. Man bekommt mit der Zeit das Gefühl dafür und den entsprechenden Bizeps.
Anfänglich macht man dabei eine eher jämmerliche Figur. Man ist klein, nicht übermäßig kräftig gebaut und wird von den Gästen übersehen. Das stylische dunkelblaue T-Shirt mit dem Firmennamen bewirkt dann auch nicht das, was es soll. Aber wenn man den Dreh raus hat, ist es ganz einfach, die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich zu ziehen. Man kann sozusa-gen seine „Macht“ ausüben. Man muss das von einer ganz einfachen Seite betrachten. Die Gäste haben Hunger und die Gäste haben Durst. Die einzige Person, von der sie diese Dinge bekommen und ihre Bedürfnisse befriedigen können, bin ich.
Stellen sich die Gäste gut mit mir, geht alles ganz schnell. Von der Anfrage bis zum Servieren dauert es wenige Augenblicke. Schnauzen mich die Gäste an oder versuchen sie mir an die Wäsche zu gehen, brauche ich schon mal so zwanzig Minuten um ein einfaches Bier zu zap-fen. Das kann schon mal passieren, wenn das Fass gerade leer ist, der Druck zu hoch ist oder einfach zu viel Betrieb ist. Im übrigen verrechnet man sich viel leichter, wenn man von seinen muffligen Gästen unter Druck gesetzt wird.
Allgemein gültig ist die Formel für die Stimmung. Je schneller der Alkoholpegel steigt, um so besser wird die Laune. Ausnahmen bestätigen die Regel. Da geht dann auch schon mal der eine oder andere Tisch in die Brüche. Zehn Mal etwa sechzig Kilo kann er nur schwer tragen. Um es kurz anzuschneiden. Minderjährigkeitsgesetze und -verbote gelten nicht über einem Wert von 1,0 Promille.
Wenn dann der Bedienung absichtlich an den schönsten Teil ihres Körpers gegriffen wird, so dass diese stolpert und womöglich fällt und etwas verschüttet, haben wenigstens alle etwas zu lachen.
Der DJ verscherbelt für billige Spielchen T-Shirt, Kulis etc. Die Belegschaft bekommt es auch ohne einen Nagel in ein Stück Holz zu schlagen, dass lose auf zwei Fässern liegt und nicht hinunter fallen darf.
Drei-Liter-Saufen. Eine Spezialität. Übermütige Jungschausteller wagen es, mit dem Ziel, die Belegschaft zu ärgern. Denn diese ist dazu gebrandmarkt, tägliche Mahlzeiten von der Tanz-fläche zu kehren. Nicht, dass deshalb nicht getanzt wird. Das trocknet schon.
Peinlich werden nur Männer über vierzig nach drei Maßbier. Mit Visitenkarten und Telefon-nummern schmeißen sie dann nur so um sich, bevorzugt in Richtung der Bedienung. Mit der Zeit kenne ich dann auch meine Pappenheimer. Ob sympathisch oder abartig, jeder bekommt seine spezielle persönliche Behandlung. Die rechtsradikalen Teenies mit ihren Bomberjacken, Springerstiefeln und ihren angeleinten “Tussis“ bekommen alle zwei Stunden die Möglichkeit bei mir eine Bestellung aufzunehmen. Eine falsche Bewegung oder ein dummer Spruch zuviel und es sind sofort mindestens fünf starke Männer zu meinem Schutz zur Stelle. Die Teenies vertragen halt nicht so viel und lassen dann ihr Frühstück oder Mittag in unserem Zelt zurück oder fangen mit Unbeteiligten sinnlose Schlägereien an. Eins wie’s andere ist typisch und nicht gerade selten. Noch weniger erfreulich ist das ständige Herannahen der Polizei und des Krankenwagens. Irgendeiner muss doch immer über die Stränge schlagen.
Die lieben netten Opis, die mit dem Trinkgeld nicht geizen und alte Storys vom Krieg erzäh-len, dürfen mich auch beim Namen rufen.
Familienväter mit anwesender Familie versuchen offensichtlich in aller Öffentlichkeit ihre Frauen zu hintergehen. Da habe ich meine Grenzen. Alkohol gibt es da nicht von mir.
Anstrengend wird es eigentlich erst, wenn die einzigen Nüchternen die Bedienungen und die Barkeeper sind. Selbst der DJ hat Probleme sich aufrecht zu halten. Das ist aber auch ein Zei-chen, dass es bald dem Ende zugeht. Wenn ich nach Kleingeld frage, öffnet mein Gast das Portemonnaie mit lauter Zwei- und Eineurostücken und entgegnet mir, „Ich hab kein Klein-geld mehr“. Am besten wird es, wenn die Gäste zu wenig für die Rechnung bezahlen und sa-gen, „stimmt so“, oder passend zahlen und sagen, „stimmt so“.
Mit dem Leiserwerden der Musik wird es auch Zeit, die letzten Gäste, die es noch nicht er-wischt hat, zu vergraulen. Allein das Wort „Schankschluss“ erweckt in einigen von ihnen Horrorvisionen und veranlasst diese zu heftigen Endlosdiskussionen.
Für mich aber ist es eher ein Segen. Nun können wir uns endlich daran machen die Aschenbe-cher zu entleeren oder besser gesagt zu desinfizieren, die Magenausschüttungen wegzukehren und die Alkoholleichen mit abgenutzten Bundeswehrdecken zuzudecken.
Mit aufgerissenen Händen, nach Qualm und Alkohol stinkendem Haar und spröden Lippen, mache ich mich auf den Weg, meinen Chef mit den leicht geröteten glasigen Augen nach Hause zu fahren, um mich fit für den nächsten Tag zu schlafen, aber auf jeden Fall erst einmal ausgiebig zu duschen.
 
P

Parsifal

Gast
Hallo Jenny,

mit Interesse und einigen Vergnügen habe ich Deine Betrachtungen über das Oktoberfest gelesen, obwohl sie keine eigentliche Geschichte sind. Vielleicht könntest Du eine besonders amüsante oder auch ärgerliche Erfahrung aus Deiner Erinnerung herausgreifen und sie mit Hilfe von Dialogen, die einer Geschichte erst Lebendigkeit verleihen, zu einer Kurzgeschichte ausbauen.

Weiterhin viel Freude am Schreiben!
Parsifal
 
D

damaskus

Gast
Hmmmm ... also Parsifal: Ob ein Dialog drin ist oder nicht, ist eigentlich schnurzegal (außer es handelt sich um eine Krimi-Story, dann ist es eine wirklich Sünde).

Und wegen dir, Jenny: Du hast Talent, das spürt man. Alles ist ganz nett geschrieben, ein nettes Plaudergespräch. Alles im bla-bla Stil. Aber dír geht oft genug der Faden aus der Hand. Du "laberst" (ich entschuldige mich für den Ausdruck, muss aber sein) eigentlich mehr, als dass du eine Geschichte erzählst. Der Text sollte massiv gekürzt werden. Überleg mal, was wirklich wichtig ist und notwendig für die Geschichte an sich. Z. B. kannst du gleich den ersten Satz rausstreichen. Am Anfang weiß man auch nicht, von was du redest.
Aber insgesamt ist es niedlich geschrieben, von einem netten Mädchen, dem man gerne zuhört, auch wenn's mehr ´ne Plaudertasche als ´ne Geschichtenerzählerin ist. Das heißt nicht, dass du nicht schreiben kannst, im Gegenteil. Du kannst was. Aber du solltest dir besser überlegen "was" du eigentlich wirklich erzählen willst.

Liebe Grüße
Damaskus
 



 
Oben Unten