One-Night-Stand?

Harlequin

Mitglied
One-Night-Stand?


Sie blickt an die Decke. Sie ist weiß. Die meisten Decken sind weiß. Das fällt auf, wenn man öfter an verschiedene Decken in verschiedenen Wohnungen blickt.

Sie blickt neben sich. Ein Mann. Auch wie meistens. Das Leben wiederholt sich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Sie weiß, auch sie ist ein Gewohnheitstier. Ihre Gewohnheit ist der Wechsel. Sie wechselt wiederholt; Männer und Decken und es sind doch immer dieselben.

Sie muss gehen, bevor der Mann wach wird, denn sie kennt ihn nicht und kennt ihn doch. Sie weiß, sie muss gehen, sonst wer-den Worte fallen.

Und wenn Worte fallen, dann fällt auch sie; fällt aus dem Schweigen, dass sie so dringend braucht. Keine Worte, keine Seele. Nur Körper. Das ist der Deal.

Sie zieht sich an, mechanisch und leise. Sie hat sich den Weg gemerkt von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Der Mann dreht sich um. Sie erschrickt. Der Mann schläft weiter. Gut.
Sie geht leise zur Tür, verlässt die Wohnung, verlässt das Haus. Sie ist erleichtert. Keine Worte sind gefallen. Ihre Seele ist rein geblieben.

Sie geht nach Hause. Dort kennt nur sie den Weg von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Sie zieht sich aus und geht unter die Dusche. Gewohnheit. Die Kleider kommen in den Müll. Auch Gewohnheit.

Das Telefon klingelt, als sie gerade fertig ist. Sie nimmt den Hörer ab.

Hallo?
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Harlequin,

willkommen auf der Leselupe!

Dein Text ist durchdacht; ich habe trotzdem ein paar Kürzungsvorschläge, weil ich der Meinung bin, dass Leser gerne mitdenken:

One-Night-Stand?


Sie blickt an die Decke. Sie ist weiß. [strike]Die meisten Decken sind weiß. Das fällt auf, wenn man öfter an verschiedene Decken in verschiedenen Wohnungen blickt.[/strike]
[blue]Vorschlag: Wie meistens.[/blue]
Sie blickt neben sich. Ein Mann. Auch wie meistens. [Absatz]Das Leben wiederholt sich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Sie weiß, auch sie ist ein Gewohnheitstier. Ihre Gewohnheit ist der Wechsel. Sie wechselt wiederholt; Männer und Decken[red]Komma[/red] und es sind doch immer dieselben.

Sie muss gehen, bevor der Mann wach wird, denn sie kennt ihn nicht und kennt ihn doch. Sie weiß, sie muss gehen, sonst wer-den Worte fallen. [Kein Absatz]

Und wenn Worte fallen, dann fällt auch sie; fällt aus dem Schweigen, dass sie so dringend braucht. Keine Worte, keine Seele. Nur Körper. Das ist der Deal.

Sie zieht sich an, mechanisch und leise. Sie hat sich den Weg gemerkt von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Der Mann dreht sich um. Sie erschrickt. Der Mann schläft weiter. [Absatz]Gut.[Absatz]
Sie geht leise zur Tür, verlässt die Wohnung, verlässt das Haus. Sie ist erleichtert. Keine Worte sind gefallen. [blue]Ihre Seele ist rein geblieben.[/blue] ... würde ich streichen
Sie geht nach Hause. Dort kennt nur sie den Weg von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Sie zieht sich aus und geht unter die Dusche. Gewohnheit. Die Kleider kommen in den Müll. Auch Gewohnheit.

Das Telefon klingelt, als sie gerade fertig ist. Sie nimmt den Hörer ab.

[blue]Hallo?[/blue] Würde ich streichen.

Grüße von Zeder
 
O

Open Mike

Gast
Wenn all jene Wechsel-Männer für die Protagonistin "immer dieselben" sind, ist das Fragezeichen sicher berechtigt, wenngleich so was als Prosatitel ein wenig irritiert. Doch warum nicht.

Sie blickt an die Decke. Sie ist weiß. Die meisten Decken sind weiß.
Sie blickt an die Decke. Sie ist weiß. Wie meistens.
Das eine hat einen gewissen Stil. Das andere dagegen ist allenfalls missverständlich.
Nur durch die nachfolgende Erläuterung ("Das fällt auf, wenn ...") wird's wahrlich etwas dicke.

Alles in allem passt die Sprache recht gut zum Geschilderten.

om

PS
"dass sie" → das sie
Auch durch "wer-den" wird hier nichts gewonnen.
 

Harlequin

Mitglied
Erst mal vielen Dank an Euch für die Beiträge. Es hat mich sehr gefreut, dass Euch meine kleine Geschichte zumindest im Großen und Ganzen gefallen hat.

@ Mike:
Ich wusste gar nicht, dass Fragezeichen so ungewöhnlich sind. Mir fällt zwar jetzt kein passender Titel ein, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es zumindest in Kapitelüberschriften schon öfter gesehen habe. Aber wie Du schon gesagt hast, warum denn auch nicht? Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass ich ein kleines Faible für das Fragezeichen und seine Bedeutungen habe. Man kann sich nie so ganz sicher sein und das mag ich.

@Zeder:
Wahrscheinlich darf man es dem Leser wirklich nicht zu leicht machen. Ich bin mir nur immer nicht sicher, wo die Grenze zwischen hochsymbolischem aber unverständlichem Geschwafel und einem poetischen Text liegt. Aber ich arbeite dran.
 
B

bluefin

Gast
was ich an dem text interessant finde, @harlequin, ist die anmutung, worte wären der eigentliche schmutz.

natürlich ist diese these nicht wirklich haltbar, denn erweislich ist sprachlsogkeit mit ein auslöser prmitiv-meachnischer lebensführung; die behauptung, einer sei wie der andere, gilt nicht mal für die schwänze selbst oder wie damit umgegangen wird, und die verdrängung von gedanken geht bei den meisten viel rascher und bequemer vonstatten als das umständliche rubbeln mit seife und waschlappen.

der leser versucht gleichwohl, sich in die protagonistin hineinzuversetzen. was wär wohl passiert, hätte der mann gesagt "geh noch nicht fort", oder "wie schön, dass du da warst", oder "wann kommst du wieder?" wer bräuchte so eine botschaft nicht? wärs nicht so, hätt keiner den parzival aufgeschireben.

vielleicht legt sich da eine immer nur neben den teufel und hat angst, von dem gesagt zu bekommen, dass auch sie einer wär?

anyway.

die vorschläge @zeders würd ich beherzigen.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 
O

Open Mike

Gast
Mir fällt zwar jetzt kein passender Titel ein
"Wie kommt der Elefant in mein Schlafzimmer?" – eine Erzählung von Jo Kyung Ran
"Was für ein kleines Moped mit verchromtem Lenker steht da auf dem Kasernenhof?" – eine Erzählung von Georges Perec

Wobei diese beiden mich nicht irritieren*. Also liegt's nicht bloß am Zeichen.

om

* Ein Wort, das, bezogen auf Deinen Titel, allerdings auch nicht negativ gemeint ist.
 

nachts

Mitglied
Hallo Harlequin

Jetzt hast du schon so viel Anregungen und sonstiges bekommen und nun geb ich auch noch meinen Quark dazu
First of all: Der Text gefällt mir sehr, besonders weil die Sprache absolut übereinstimmt mit dem Thema, lakonisch - kühl - leicht melancholisch und ernüchtert gehalten. Was ich da rumgekritzelt hab, darüber brauchst du dir keinen großen Kopf machen - wenn du was brauchen kannst, okay ansonsten klopp es in die Tonne

LG Nachts - viel Spaß beim Scheiben


One-Night-Stand?


Sie blickt an die Decke. Sie ist weiß. Die meisten Decken sind weiß. [strike]Das fällt auf, wenn man öfter an verschiedene Decken in verschiedenen Wohnungen blickt.[/strike]

Sie blickt neben sich. Ein Mann. [strike]Auch wie meistens[/strike]. Das Leben wiederholt sich.[blue]oder: wie weiße Decken[/blue] Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.[blue] bisschen oft gebraucht - oder: nur eine Hülle für Gewohnheiten[/blue]
Sie weiß, auch sie ist ein Gewohnheitstier. Ihre Gewohnheit ist der Wechsel. Sie wechselt wiederholt; Männer und Decken und es sind doch immer dieselben.

Sie muss gehen, bevor der Mann wach wird, denn sie kennt ihn nicht und kennt ihn doch. Sie weiß, sie muss gehen, sonst wer-den Worte fallen.

Und wenn Worte fallen, dann fällt auch sie; fällt aus dem Schweigen, dass sie so dringend braucht. Keine Worte, keine Seele. Nur Körper. Das ist der Deal.[blue] oder: hat sie sich versprochen[/blue]

Sie zieht sich an, mechanisch und leise. Sie hat sich den Weg gemerkt von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Der Mann dreht sich um. Sie erschrickt.[blue]oder: hält den Atem an[/blue] Der Mann schläft weiter. Gut.
Sie geht leise zur Tür, verlässt die Wohnung, verlässt das Haus. Sie ist erleichtert. Keine Worte sind gefallen. Ihre Seele ist rein geblieben.[blue] oder: kein Gedanke soll hier bleiben[/blue]

Sie geht nach Hause. Dort kennt nur sie den Weg von der Tür bis zum Schlafzimmer und zurück. Sie zieht sich aus und geht unter die Dusche. Gewohnheit. Die Kleider kommen in den Müll. Auch Gewohnheit.

Das Telefon klingelt, als sie gerade fertig ist. Sie nimmt den Hörer ab.

[strike]Hallo?[/strike]
 



 
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