Orchideen für Morgan

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Sie lag auf der "Mohnwiese". Es war kühl. Doch obwohl sie kurze Kleidung trug, fror sie nicht. Es war Vollmond und man konnte Tausende von Sternen am Himmel sehen. Sie war durstig, verdammt durstig. Aber sie würde diesen Durst nicht stillen! Das hatte sie sich geschworen.
Sicher, dann und wann mußte sie trinken aber dann handelte es sich bei ihren Opfern um Mörder, Diebe, Vergewaltiger und ähnlicher Abschaum!
Sie stand auf und im selben Augenblick spürte sie, das Daniel hinter ihr erschienen war. "Hallo Morgan! Du siehst aus, als ob du noch nichts getrunken hättest. Sei doch vernünftig! Du bist ein Vampir und als Vampir muss man Blut trinken um zu überleben! Wenn du dich mit deinem Schicksal abfinden würdest, könntest du dem Leben als Vampir sicher einige Vorteile abgewinnen!". "Du weißt genau, wie sehr ich es hasse ein Vampir zu sein! Ich werde mich nie damit abfinden und trotzdem versuchst du immer wieder es mir schmackhaft zu machen! Hör auf damit!" brauste Morgan auf. "Ich hab dich nun mal sehr gern! Und ich mach mir Sorgen um dich! Wenn du nicht genug trinkst, wirst du sterben, endgültig! Und du weißt, das du als Vampir niemals in Frieden ruhen könntest!" Daniel verstand ihre Gefühle nicht! Er liebte es ein Vampir zu sein und so ging es den meisten anderen Vampiren, die er kannte, auch. "Verschwinde! Wenn du mich nicht verstehst, dann macht es auch keinen Sinn, dass du noch länger hier bleibst!" Morgans' Stimme war tonlos, man konnte ihr nicht entnehmen, was sie fühlte. "Gut, ich verschwinde! Aber ich komme wieder, da kannst du sicher sein!" antwortete Daniel bitter und löste sich in eine dunkle Rauchwolke auf.
Die Morgendämmerung brach bereits an, als Morgan die "Mohnwiese" verließ und sich auf den Weg zum nahegelegenen Bergwerk machte. Wie alle Vampire mied auch Morgan das Sonnenlicht , denn es war tödlich für sie.
Das Bergwerk war schon lange lahmgelegt und dort war es immer dunkel und kühl! Morgan liebte die Abgeschiedenheit. Sie hatte einmal mit einigen anderen Vampiren in einer alten Gruft geschlafen und damals hatte sie sich geschworen, so etwas nie wieder zu tun!
Als sie es sich im Bergwerk bequem gemacht hatte war sie bereits sehr erschöpft! Wenn sie bei Beginn der Dämmerung wieder aufwachen sollte, mußte sie trinken! Wie sehr sie es auch verabscheute!

In der Nähe rief eine Eule. Aber Morgan bemerkte es kaum. Mit letzter Kraft stand sie auf. Jetzt mußte sie trinken, sonst wäre es ihr Ende! Mit letzter Kraft schlang sie ihren Umhang fest um sich und flüsterte: "London".
Wenige Sekunden später stand sie in einer schäbigen Gasse in einer der heruntergekommensten Gegenden Londons. Als sie einige Schritte gegangen war, spürte sie, dass sie jemand verfolgte. Als sie sich umdrehte sah sie in das widerliche Gesicht eines Mannes, der dermaßen nach Bier stank, dass ihr übel wurde! Es ging blitzschnell. Sie machte einen Satz auf ihn zu und ehe er wußte wie ihm geschah grub sie ihre Zähne in seinen Hals und trank. Dann stieß sie seinen leblosen Körper gegen eine Häuserwand und machte sich auf den Weg zum "Shadow".
Das "Shadow" war eine heruntergekommene Spelunke in der sich hauptsächlich Gauner, Verbrecher und dergleichen aufhielten. Doch auch andere Vampire suchten diesen Ort oft auf um zu trinken.
Nachdem Morgan sich noch von drei weiteren Verbechern genährt hatte, setzte sie sich an die Bar und wartete. Vielleicht würde jemand auftauchen, den sie kannte. Und es kam jemand. Doch Morgan war nicht sehr interessiert an einem Treffen mit Lucia.
Lucia war einst ihre beste Freundin gewesen. Zu Lebzeiten! Doch jetzt hatte sich eine tiefe Kluft zwischen ihnen aufgetan.
"Morgan! Freut mich dich zu sehen! Ich hab dich in letzter Zeit kaum noch gefunden!" begrüßte Lucia sie fröhlich. "Und du weißt auch ganz genau warum!" erwiderte Morgan bitter. "Soll das heißen du bist immer noch sauer?!" fragte Lucia ungläubig. "Verdammt Lucie, ich hatte noch mein ganzes Leben vor mir!" rief Morgan. "Aber freust du dich denn gar nicht, dass wir jetzt für immer zusammen sein können?" erwiderte Lucia gekränkt. "So versteh doch! Natürlich war ich unendlich traurig nach deinem Tod! Du warst ja auch meine beste Freundin, oder! Aber als Freundin hättest du gewollt, dass ich weiter lebe und wieder glücklich werde, zumindest als echte Freundin! Aber du mußtest mich mit in den Tod reißen! Obwohl du wußtest, wie sehr ich das Leben geliebt habe, hast du mich auch zu einem Vampir gemacht- gegen meinen Willen!" brauste Morgan auf. "Du warst meine beste Freundin! Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich nie wieder zu sehen!" verteidigte sich Lucia. "Du hast ganz recht! Ich war deine beste Freundin! Aber nachdem was du mir angetan hast, werde ich in dir nie wieder meine beste Freundin sehen!" Morgan wandte sich ab. "Was wirst du jetzt tun?" fragte Lucia leise. "Keine Ahnung. Vielleicht werde ich mal in meine tolle Zukunft zu sehen!" antwortete Morgan sarkastisch. "Das ist eine Fähigkeit, die einen Vampir, wenn er es damit übertreibt, zu Tode schwächen kann! Das ist dir bewußt?" in Lucia's Stimme lag Besorgnis. "Ich weiß." Erwiderte Morgan gleichgültig und verschwand.
"So kann es nicht weitergehen!". Lucia hatte gemerkt, dass Daniel hinter ihr aufgetaucht war, ohne sich umzudrehen antwortete sie: "Ich weiß! Aber was sollen wir denn tun?". "Ihr helfen, den endgültigen Tod zu sterben!". Lucia zuckte zusammen: "Aber, ich will sie nicht verlieren!". "Ich auch nicht aber sie wäre dann glücklicher und das wollen wir doch beide, oder?!". "Natürlich, aber..." . "Kein aber, ich werde ihr helfen und beistehen, wenn du es nicht willst, kann ich dich nicht zwingen!" Daniel sprach leise, doch in seiner Stimme schwang Entschlossenheit mit. Lucia gab einen mißmutigen Laut von sich, den Daniel als "Ja" auslegte.

Zur gleichen Zeit saß Morgan im Bergwerk. Sie hatte alle Kräfte aufgebracht, die sie besaß und versuchte in die Zukunft zu sehen.
Zuerst waren nur verschwommene Bilder, die mit Zeit immer mehr Gestalt annahmen. Das war sie! Sie schien glücklich! Sie trug ein weißes Kleid und es sah aus, als ob sie über den Wolken tanzte! Doch gleichzeitig sah sie Lucia- sie weinte! Die Bilder wurden wieder verschwommen. Aber Morgan wollte nicht das es aufhörte! Sie wollte sehen, wie ihr Leben, wenn man es als solches bezeichnen konnte, weiterging!
Eine dunkle Schwärze umfing sie. War das der endgültige Tod? Wenn er es war, dann war er gar nicht so übel! Es wurde immer dunkler aber sie hatte keine Angst. Sie fühlte nur eins: Frieden!

"Morgan!" Lucia schrie entsetzt auf als sie ihre Freundin bei Einbruch der Dämmerung in ihrem Bergwerk fand. Daniel kniete sich neben Morgan: "Die Anstrengung war mehr, als sie ertragen konnte! Lucie, Morgan ist tot!". "Nein!", Lucia schrie erneut auf, "Sie darf nicht tot sein!". "Es tut mir leid! Es tut mir sehr, sehr leid! Aber das einzige, was wir jetzt noch für sie tun können, ist ihr ein würdiges Begräbnis zu schenken!".
Mit vereinten Kräften erschufen Lucia und Daniel einen wunderschönen Sarg in den sie Morgan's kalten, leblosen Körper legten. Sie stellten den Sarg aus glänzendem weißen Marmor in die Mitte der Bergwerkskammer. Sie verließen das Bergwerk und formten es zu einer prächtigen runden Kuppel. Lucia hob die Hand und legte sie beinahe zärtlich auf die kalte Erde, worauf der Hügel von Blumen umrankt wurde. "Ich hoffe für sie, dass sie jetzt den Frieden findet, den sie immer gesucht hat! Ich wünsche es ihr von ganzem Herzen!". Daniel legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie weg. Was sie nicht wußten, als Lucia den Hügel berührt hatte waren auch im Inneren der Gruft Blumen aufgeblüht!
Unvergängliche weiße Orchideen...
 



 
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