Ort

Kyra

Mitglied
Ort

Die Finsternis ist so dicht, ich kann sie beinahe riechen – der Geruch von feuchtem Stein und Trauer, vermischt mit dem meines Schweißes. Meine Füße ruhen auf abschüssigem Grund, ich taste mit beiden Händen durch die Dunkelheit, ich bewege mich so wenig wie möglich, tauche vorsichtig meine Arme in die Schwärze. Die Angst lässt mich kaum atmen, trotzdem scheint jeder meiner Atemzüge vielfach verstärkt, aus dem Dunkel zu mir zurückzufinden, mich zu verspotten, mein Grauen zu verhöhnen. Meine Augen sind schmerzhaft weit geöffnet, doch kein Lichtstrahl berührt sie, die Nacht um mich kennt keinen Schatten. Ich weiß weder wo ich bin, noch wie ich hierher kam; als ich erwachte fand ich mich an diesem Ort, von dem ich nicht mehr kenne, als den Boden unter mir. Aber nicht einmal der scheint sicher zu sein, denn ich bemerke wie er sich kaum merkbar hebt und senkt, als stünde ich auf langsam pulsierendem Leben. Kaum wage ich es mich zu bücken, um mit flacher Hand neben meine Schuhe zu fassen – ich greife ins Leere. Worauf ich mich auch immer befinde, es ist nicht größer als der Platz auf dem ich stehe. Ich schlage meine Hände vor das Gesicht und versuche zu verstehen, allein ich kann mich nicht konzentrieren, meine Gedanken versuchen halt zu finden, schwärmen aus, suchen und kommen schließlich wie müde Tauben zu mir zurück. Unvorstellbar ist dieses Nichts, mein Verstand stemmt sich verzweifelt gegen diese Einsicht, versucht einzugrenzen wo keine Grenzen sind, bemüht sich zu vergleichen wo kein Vergleich möglich ist. Ich schluchze, ein schwaches Geräusch auf dem meine Gefühle in die Unendlichkeit zu entfliehen suchen. Ob ich hier ganz alleine bin? Vielleicht stehen hier, ganz in meiner Nähe, andere so wie ich auf ihren kleinen atmenden Parzellen und warten auf einen befreienden Laut – einen Schrei in den sie einstimmen können, der zu einem hellen, alles durchdringenden Ruf wird. Nur hätten sie sicher mein Weinen gehört, oder ist die Düsternis so hungrig, dass sie selbst die Geräusche in ihre Schwärze saugt? Plötzlich wird das Rauschen in meinen Ohren durch ein leises Wimmern unterbrochen, ich drehe mich vorsichtig, versuche die Richtung zu bestimmen, will schon antworten – da ist es wieder still um mich.
Ich sollte rufen, aber ich weiß genau, wenn ich riefe und keine Antwort erhielte, wäre dies mein Tod. So werde ich keinen Laut von mir geben, hier bis zu meinem Ende ruhig stehen bleiben, weil ich die Gewissheit vielleicht nicht ertragen könnte.
 



 
Oben Unten