Ort mit wenig Einwohnern

3,60 Stern(e) 5 Bewertungen

Perry

Mitglied
Ort mit wenig Einwohnern


Wo im einzigen Laden auch die Post verteilt wird
und die alte Frau auf der Bank in der Sonne sitzt.
Wo der Junge mit dem Stock das Eisen treibt
und Mädchenhaare beim Schaukeln hochfliegen.

Wo die Wolken sich am Kirchturm stoßen
und der Name auf dem Ortsschild unleserlich ist.
Wo der Hund die Katze ins Gebüsch jagt
und die Gänse giftig nach nackten Waden picken.

Da war ich zuhause, bis eines Tages ein Brief kam
und mich wegholte, zu einer Lehrstelle in der Stadt.
Die alte Frau winkte, das Eisen trudelte aus
und Marias Zöpfe hingen traurig herab. Ich hab

ihr nie geschrieben.
 
Lieber Perry,
das ist Melancholie pur. Und das soll ein ganz großes Kompliment sein.
Dein Gedicht gefällt mir sehr.
Müsste es im Titel nicht richtiger heißen : Ort mit
wenig e n Einwohnern?
Gruß
Karl
 

Perry

Mitglied
Hallo Karl,
danke für das Kompliment. Eigentlich sollte der Titel "Ort mit wenig Einwohner" heißen, aber bei der Mehrzahl wäre natürlich "wenigen" angebracht.
LG
Manfred
 

Perry

Mitglied
Ort mit wenig Einwohner


Wo im einzigen Laden auch die Post verteilt wird
und die alte Frau auf der Bank in der Sonne sitzt.
Wo der Junge mit dem Stock das Eisen treibt
und Mädchenhaare beim Schaukeln hochfliegen.

Wo die Wolken sich am Kirchturm stoßen
und der Name auf dem Ortsschild unleserlich ist.
Wo der Hund die Katze ins Gebüsch jagt
und die Gänse giftig nach nackten Waden picken.

Da war ich zuhause, bis eines Tages ein Brief kam
und mich wegholte, zu einer Lehrstelle in der Stadt.
Die alte Frau winkte, das Eisen trudelte aus
und Marias Zöpfe hingen traurig herab. Ich hab

ihr nie geschrieben.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Perry!

Ja, die Melancholie passt hier irgendwie, wobei hier m.E. fast schon zuviel dörfliche Allgemeinplätze aufgezählt werden. Aber gut, das gibt der Melancholie einen zusätzlichen Kick.
Was mich stört sind die ständigen Wiederholungen von "wo" und "und". Das ist nicht schön und wäre durch etwas Verdichtung leicht zu vermeiden gewesen.

Liebe Grüße
Manfred
 

JeanJeudi

Mitglied
Lieber Perry,

Deine Zeilen malen mir nach wenigen Schritten Bilder in mein Herz. Mein Geist bricht auf zu Orten. Vielen Dank!

"Wo" - "und" empfinde ich passend, unterstützt es doch die Monotonie des Dorfalltags. Ich fände es schön, wenn der letzte Abschnitt mit "Da" - "und" zum "Wo" - "und" korrespondierte.
Möglichkeit:
"Da winkte die alte Frau,...".
Sicher bin ich zu harmoniesüchtig. :)

Liebe Grüße von
JeanJeudi
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Problem ist nur, dass diese Bilder vom Dorfalltag relativ wenig mit der Realität zu tun haben.
Ich stamme auch aus einem kleinen Dorf und dass da keiner mehr schreibt, ist ganz normal. Wer weggeht ist froh, diesen Mikrokosmos hinter sich zulassen und die bleiben, finden es in Ordnung, wie es ist.
Nachträgliche Sentimentalität kommt eigentlich nicht vor.

Liebe Grüße
Manfred
 

Perry

Mitglied
Hallo Franke,
die Aufzählungen folgen einem Schema:
1.Vers: Örtlichkeit/Menschen
2.Vers: Örtlichkeit/Tiere.
Insgesamt ist die Form mit Absicht gewählt und
dient als Unterbau für die Aussage im 3. Vers.
Aus deinen Formulierungen (dörfliche Allgemeinplätze, da gibt es keine Sentimentalitäten) entnehme ich, dass du eine nüchtere Sicht der Dinge hast. Die darfst du gerne haben, solltest sie aber nicht als Qualitätsmerkmal verwenden.
LG
Manfred

Hallo Jean Jeudi,
danke für dein Hineinversetzen in die Kindheitserinnerungen.
Was die Harmoniesucht anbelangt reizt sie natürlich, aber ich denke, man sollte es nicht übertreiben.
LG
Manfred
 



 
Oben Unten