Papierboot (Argonauta argo)

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ENachtigall

Mitglied
Papierboot (Argonauta argo)

Einst war ich Papierboot... Und Du Argonaut
hast mir evers
in den Mantel geschaut
von Pheromonen zusammengetrieben:
Couvert und ein Blatt
nicht ganz unbeschrieben

Taktil versiegelt mit sechzehn Armen
ging die Post amourös ab
Du schicktest den Samen
im Schwinden begriffen noch fix retour
per Hectocotylus
Was war das denn nur…

Der Arm, den Du beim Winken verloren
aus dem ich unsere
Früchtchen geboren!
Nun treib ich allein mit der kostbaren Fracht
- noch immer Papierboot -
durch tiefseeste Nacht

In meinen drei Herzen spür ich den Stich:
Du bissest ins Seegras
ganz ohne mich
So schreibe zum Abschied ich diesen Vers
auf Segel mit Tinte
und zwink ’re evers


© Elke Nachtigall
27. Aug. 2006
 

Magic

Mitglied
Liebe Elke,

ich muss gestehen, anfangs habe ich mich etwas schwer getan, dein Gedicht recht zu verstehen. Aber es gibt ja zum Glück ein paar "Schlau-mach-seiten" ;)
Nun weiß ich eine Menge über das Liebesleben der Kraken und finde dein Gedicht äußerst gelungen.
Es fließt perfekt und ist mit einem kleinen, feinen Humor gewürzt. Fast ein wenig menschlich...

Alles Liebe
Karin
 

ENachtigall

Mitglied
Eine Zumutung...

sind meine Gedichte tatsächlich öfter!

Danke, Karin, dass Du sie angenommen, Dich "schlau gemacht", das Krakenspektakel aus der Versenkung gezogen und Gefallen daran gefunden hast.

Fast ein wenig menschlich...
Tatsächlich hat es einen gewissen Bezug:
Ich gebrauchte dieses Krakenbild öfter, um zu zu beschreiben, wie "gezerrt" ich mir vorkam (als zögen "sie" mich an 8 Armen gleichzeitig in verschiedene Richtungen). Bei meinen Recherchen sah ich, dass Kraken eher selbst sehr kräftig mit den Armen ziehen - und wie interressant ihr Verhalten im Allgemeinen ist. Was das Liebesleben angeht, fand ich sogar einige unglaubliche Parallelen zur eigenen "Familienbildung", die wohl den Ausschlag zum Gedicht gaben.

Außerdem fand ich es an der Zeit, selbst mal was Gereimtes beizusteuern.

Ganz herzliche Grüße

Elke
 
N

nachtlichter

Gast
Liebe Elke,

auf dass Dein Papierboot mit den beiden wertvollen Schätzen auch in dunkelster Nacht, von Herbststürmen gepeitscht, niemals sinken möge! Dein Gedicht wogt so rhythmisch wie die Wellen des Meeres, voller Harmonie vereint es zärtliche Gefühle, (selbst)ironische Elemente, Schmerz, Angst, Glück, Mut, Tapferkeit, Durchblick – ein so breites Gefühls-Spektrum wie die sich im Wasser spiegelnden Regenbogenfarben. Besonders gut gefällt mir die Wortschöpfung: „in tiefseester Nacht“ und die Formulierung „Du bissest ins Seegras“.

Dein Gedicht empfinde ich wie ein liebevolles Lächeln mit Tränen in frech zwinkernden Augen.

nachtlichter
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe nachtlichter,

Dein lobender Kommentar geht runter wie Öl und macht mich etwas verlegen. Sag´ bloß, ich konnte auch Dich zum googlen bewegen, oder bist Du "biologisch vorbelastet" - womöglich durch maritime Segelabenteuer?

Nächtliche Grüße

Elke
 
N

no-name

Gast
Liebe ENachtigall,

diese intelligenten, für mich teilweise schwer zu lesenden Zeilen habe ich sehr beeindruckt gelesen...
Wirklich ein Text, der noch lange nachwirkt.

Herzliche Grüße von no-name.
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, no-name, dass Du dieses Gedicht gelesen und Deinen Eindruck wiedergegeben hast. Es ist ein sehr spezielles Thema; die einzelnen Bilder und Begriffe versteht man wirklich nicht ohne Erläuterungen. Vielleicht füge ich ein kleines Glossar an ... Danke für die Idee!

Ein sonniges Osterwochenende wünscht Dir

Elke
 

noel

Mitglied
zumutung nööö nich

wennn man zu gefällig
über texte hin
_weg lesen kann;
wenn sie so absehbar sind, dass fast nUr
unterbewusstsein noch liest DANN
wäre ein text eine zumutung
der hier ist fabulös

merci
 

ENachtigall

Mitglied
Zumutung

Danke, noel, für die konkrete Aussage zugunsten einer Lyrik, die den Leser anregt, sich einzulesen, einzudenken, einzufühlen in die wohlgesetzten Worte.

Nun werde ich aber doch den Titel ändern, der dem Inhalt insofern nicht ganz gerecht wird, das es sich bei Argonauta argo nicht um Kraken, sondern um Tintenfischähnliche handelt. Dabei komme ich den geneigten Lesern entgegen, indem ich ihnen mittels des Titels die Spur zur einfachen Recherche lege. Das erscheint mir feiner, als das Hinzufügen eines Glossars.

Ich habe mich sehr über den Kommentar gefreut!

Herzlich grüßend

Elke
 



 
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