Pathologisches Déjà-vu

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Duisburger

Mitglied
Es riecht durchdringend nach Formaldehyd und von den alten weißen Kacheln hallt das Klappern von Metall zurück. Das langsame Schlurfen wird lauter. Jemand nähert sich. Ein verhaltenes Husten klingt wie ein Pistolenschuss in dieser Stille. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass die linke hintere Ecke des Raumes in ein Halbdunkel getaucht ist; die Leuchtstoffröhre an der Decke glimmt nur noch schwach. Über mir schwebt ein grelles Licht, welches mich kaum etwas anderes erkennen läßt. Es ist unangenehm kalt.

Ich versuche mich zu erinnern, was geschehen war. Meine Gedanken wandern zurück bis zu jenem Moment, als ich in der Hotelbar diese Frau sah. Ich hatte sie angestarrt, konnte meine Augen nicht abwenden. Sie bemerkte es und hielt meinem Blick stand. Ich hatte schon viele faszinierende Frauen gesehen, doch diese hier war anders. Man konnte sie nicht einmal als schön bezeichnen. Doch da war etwas an ihr, das es mir unmöglich machte, mich abzuwenden. Bevor ich ergründen konnte, was an dieser Frau so besonders war, befand ich mich mit ihr schon im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben. Bis dahin wurde kein Wort gewechselt. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen sollte, war ein Gefangener meiner aufgewühlten Emotionen. Wir befanden uns plötzlich in einem Hotelzimmer.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wie in Trance nahm ich das Glas, das sie mir reichte. Ich merkte nicht einmal, dass ich es in einem Zug leerte. Das letzte, was ich sah, war ihr Lächeln. Ein unnatürliches, wie aufgesetzt wirkendes Lächeln. Zufrieden, dachte ich noch. Dann war da nichts mehr. Stille, Dunkelheit.

Über mir sehe ich eine Hand, die an irgendetwas hantiert. Ein Räuspern.
Klick.
„Männliche Leiche, ca. 180 cm, 85 Kilo, kurze braune Haare, keine besonderen Merkmale.“
Mein Horizont kippt zur Seite, verharrt einem Moment und schwingt wieder zurück.
„Der Körper weist keine sichtbaren Verletzungen auf, Blutungen und Blutergüsse sind nicht erkennbar. Keine sichtbare Fremdeinwirkung von außen.“
Klick.
Schritte entfernen sich, Papier knistert.
„Verdammt, schon wieder kein Senf. Dabei weiß sie genau, dass ich auf meine Leberwurst Senf haben will.“
Ich kann hören, dass gegessen wird. Backenzähne mahlen. Aus einer Sprudelflasche entweicht zischend die Kohlensäure. Die Schritte nähern sich wieder und ich kann einen warmen Hauch auf meiner nackten Brust spüren. Nackt. Ich bin nackt? Langsam wird mir bewusst, wo ich mich befinde; wird mir klar, was passiert, was passieren würde. Angst kriecht in mir hoch. Beginnende Panik.
Ich muss ihm sagen, dass ich noch lebe.
In meinem Kopf formen sich die Worte, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Bleiben stumm, können nicht.
Ich bin nicht tot, hörst du?
Siehst du das nicht.
Nicht tot.
Doch der Mann über mir zeigt keine Reaktion.
Klick.
„Die Zunge sieht normal aus, keine Verfärbungen oder auffällige Beläge.“
Ein glatter Finger wühlt in meiner Mundhöhle. Es schmeckt nach Gummi. Latexhandschuhe, schießt es mir durch den Kopf. Finger auch in den Ohren.
„Kein Blut in den Gehörgängen, die Nase ist frei.“
Verdammt, er muss doch spüren, dass mein Körper warm ist; dass mein Blut noch pulsiert.
Diese Frau. Das musste es sein. Sie hat mir irgendetwas in meinen Martini gemischt. Eine Droge vielleicht, die mich daran hindert, mich zu bewegen, zu sprechen, die mich lähmt.
„Nachdem äußere Einwirkungen ausgeschlossen werden können, werde ich nun die inneren Organe in Augenschein nehmen.“
Klick.
Meine Gedanken rasten.
Was tun.
Die Panik lässt mich keinen klaren Gedanken fassen.
Muss mich bewegen, muss schreien.
Nichts.
So sehr ich mich auch anstrenge; ich bin nicht in der Lage, etwas zu tun. Metallgeklapper.
„Einmalskalpelle, Unfug. Ich hatte immer schon ein Faible für Edelstahl.“
Klick.
„Ich werde nun die Bauchdecke öffnen, um die inneren Organe in Augenschein zu nehmen. Besonders der Mageninhalt offenbart häufig einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Todesursache. Ich beginne mit dem Schnitt unterhalb des Brustbeins und schneide ...“
Ich schreie.
Durchdringend, panisch, in höchster Verzweiflung.
Höre meine Stimme.
Höre?
Aber...

„Was ist mit Ihnen?“, fragt jemand besorgt.
Ich greife an meinen Bauch, reiße die Knöpfe vom Hemd. Warum habe ich plötzlich ein Hemd an? Verstört schaue ich mich um. Mir gegenüber sitzt die Frau aus der Hotelbar.
Sie ist seltsam ruhig.
Fixiert mich.
Das Martiniglas in ihrer Hand bewegte sich leicht und das Eis schlägt gegen das Glas.
Klick.
„Beruhigen Sie sich doch, Sie waren wohl mit ihren Gedanken einen Moment woanders.“
Sie hält mir das Glas hin.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“
Ich starre abwechselnd das Glas und die Frau an.
„Ich... Nein, ich möchte nichts trinken. Muss jetzt gehen“
Ich stürme aus dem Zimmer.
Renne.
Ziellos.
Die Frau starrt hinter mir her. Plötzlich befinde ich mich einem Hinterhof. Außer Atem versuche ich mich zu orientieren.
Beruhige dich, Junge.
Ein Traum, es war nur ein verdammter Traum. Allmählich gelingt es mir, meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Als ich nach oben schaue, blicke ich geradewegs auf ein riesiges Werbeplakat.
Ich erschauere und beginne unkontrolliert zu zittern. Das ist unmöglich.
Auf dem Plakat sitzt eine faszinierende Frau auf einem Sofa, ein Glas Martini in der Hand.
Doch nicht irgendeine Frau, sondern jene aus der Hotelbar.
Sie scheint mich direkt anzusehen.
Lächelt.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragt jemand hinter mir. Ich schaue mich um, da ist kein Hoteleingang, kein Portier, nur ein Mann im weißen Kittel mit Gummihandschuhen. Er lächelt. Ich bin völlig nackt.
Mein Kopf ruckt wieder nach vorne.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wie befinden im Hotelzimmer und ich bin vollkommen angezogen.
Sie lächelt mich an.
Klick …
 

MarenS

Mitglied
Faszinierend aber für mich harter Tobak.

Hier ein kleiner Fehler und es fehlt wohl ein Wort:
Wi[red]e[/red] befinden [blue]uns[/blue] im Hotelzimmer und ich bin vollkommen angezogen.
Sie lächelt mich an.
Klick …


Grüße von Maren
 

Duisburger

Mitglied
Es riecht durchdringend nach Formaldehyd und von den alten weißen Kacheln hallt das Klappern von Metall zurück. Das langsame Schlurfen wird lauter. Jemand nähert sich. Ein verhaltenes Husten klingt wie ein Pistolenschuss in dieser Stille. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass die linke hintere Ecke des Raumes in ein Halbdunkel getaucht ist; die Leuchtstoffröhre an der Decke glimmt nur noch schwach. Über mir schwebt ein grelles Licht, welches mich kaum etwas anderes erkennen läßt. Es ist unangenehm kalt.

Ich versuche mich zu erinnern, was geschehen war. Meine Gedanken wandern zurück bis zu jenem Moment, als ich in der Hotelbar diese Frau sah. Ich hatte sie angestarrt, konnte meine Augen nicht abwenden. Sie bemerkte es und hielt meinem Blick stand. Ich hatte schon viele faszinierende Frauen gesehen, doch diese hier war anders. Man konnte sie nicht einmal als schön bezeichnen. Doch da war etwas an ihr, das es mir unmöglich machte, mich abzuwenden. Bevor ich ergründen konnte, was an dieser Frau so besonders war, befand ich mich mit ihr schon im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben. Bis dahin wurde kein Wort gewechselt. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen sollte, war ein Gefangener meiner aufgewühlten Emotionen. Wir befanden uns plötzlich in einem Hotelzimmer.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wie in Trance nahm ich das Glas, das sie mir reichte. Ich merkte nicht einmal, dass ich es in einem Zug leerte. Das letzte, was ich sah, war ihr Lächeln. Ein unnatürliches, wie aufgesetzt wirkendes Lächeln. Zufrieden, dachte ich noch. Dann war da nichts mehr. Stille, Dunkelheit.

Über mir sehe ich eine Hand, die an irgendetwas hantiert. Ein Räuspern.
Klick.
„Männliche Leiche, ca. 180 cm, 85 Kilo, kurze braune Haare, keine besonderen Merkmale.“
Mein Horizont kippt zur Seite, verharrt einem Moment und schwingt wieder zurück.
„Der Körper weist keine sichtbaren Verletzungen auf, Blutungen und Blutergüsse sind nicht erkennbar. Keine sichtbare Fremdeinwirkung von außen.“
Klick.
Schritte entfernen sich, Papier knistert.
„Verdammt, schon wieder kein Senf. Dabei weiß sie genau, dass ich auf meine Leberwurst Senf haben will.“
Ich kann hören, dass gegessen wird. Backenzähne mahlen. Aus einer Sprudelflasche entweicht zischend die Kohlensäure. Die Schritte nähern sich wieder und ich kann einen warmen Hauch auf meiner nackten Brust spüren. Nackt. Ich bin nackt? Langsam wird mir bewusst, wo ich mich befinde; wird mir klar, was passiert, was passieren würde. Angst kriecht in mir hoch. Beginnende Panik.
Ich muss ihm sagen, dass ich noch lebe.
In meinem Kopf formen sich die Worte, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Bleiben stumm, können nicht.
Ich bin nicht tot, hörst du?
Siehst du das nicht.
Nicht tot.
Doch der Mann über mir zeigt keine Reaktion.
Klick.
„Die Zunge sieht normal aus, keine Verfärbungen oder auffällige Beläge.“
Ein glatter Finger wühlt in meiner Mundhöhle. Es schmeckt nach Gummi. Latexhandschuhe, schießt es mir durch den Kopf. Finger auch in den Ohren.
„Kein Blut in den Gehörgängen, die Nase ist frei.“
Verdammt, er muss doch spüren, dass mein Körper warm ist; dass mein Blut noch pulsiert.
Diese Frau. Das musste es sein. Sie hat mir irgendetwas in meinen Martini gemischt. Eine Droge vielleicht, die mich daran hindert, mich zu bewegen, zu sprechen, die mich lähmt.
„Nachdem äußere Einwirkungen ausgeschlossen werden können, werde ich nun die inneren Organe in Augenschein nehmen.“
Klick.
Meine Gedanken rasten.
Was tun.
Die Panik lässt mich keinen klaren Gedanken fassen.
Muss mich bewegen, muss schreien.
Nichts.
So sehr ich mich auch anstrenge; ich bin nicht in der Lage, etwas zu tun. Metallgeklapper.
„Einmalskalpelle, Unfug. Ich hatte immer schon ein Faible für Edelstahl.“
Klick.
„Ich werde nun die Bauchdecke öffnen, um die inneren Organe in Augenschein zu nehmen. Besonders der Mageninhalt offenbart häufig einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Todesursache. Ich beginne mit dem Schnitt unterhalb des Brustbeins und schneide ...“
Ich schreie.
Durchdringend, panisch, in höchster Verzweiflung.
Höre meine Stimme.
Höre?
Aber...

„Was ist mit Ihnen?“, fragt jemand besorgt.
Ich greife an meinen Bauch, reiße die Knöpfe vom Hemd. Warum habe ich plötzlich ein Hemd an? Verstört schaue ich mich um. Mir gegenüber sitzt die Frau aus der Hotelbar.
Sie ist seltsam ruhig.
Fixiert mich.
Das Martiniglas in ihrer Hand bewegte sich leicht und das Eis schlägt gegen das Glas.
Klick.
„Beruhigen Sie sich doch, Sie waren wohl mit ihren Gedanken einen Moment woanders.“
Sie hält mir das Glas hin.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“
Ich starre abwechselnd das Glas und die Frau an.
„Ich... Nein, ich möchte nichts trinken. Muss jetzt gehen“
Ich stürme aus dem Zimmer.
Renne.
Ziellos.
Die Frau starrt hinter mir her. Plötzlich befinde ich mich einem Hinterhof. Außer Atem versuche ich mich zu orientieren.
Beruhige dich, Junge.
Ein Traum, es war nur ein verdammter Traum. Allmählich gelingt es mir, meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Als ich nach oben schaue, blicke ich geradewegs auf ein riesiges Werbeplakat.
Ich erschauere und beginne unkontrolliert zu zittern. Das ist unmöglich.
Auf dem Plakat sitzt eine faszinierende Frau auf einem Sofa, ein Glas Martini in der Hand.
Doch nicht irgendeine Frau, sondern jene aus der Hotelbar.
Sie scheint mich direkt anzusehen.
Lächelt.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragt jemand hinter mir. Ich schaue mich um, da ist kein Hoteleingang, kein Portier, nur ein Mann im weißen Kittel mit Gummihandschuhen. Er lächelt. Ich bin völlig nackt.
Mein Kopf ruckt wieder nach vorne.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wir befinden uns im Hotelzimmer und ich bin vollkommen angezogen.
Sie lächelt mich an.
Klick …
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Maren,
danke für deine Aufmerksamkeit, ich habe den Fehler sofort korrigiert.
Harter Tobak?
Jibbt doch gar kein Blut und fällt kein garstig Wort. :D

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Es riecht durchdringend nach Formaldehyd und von den alten weißen Kacheln hallt das Klappern von Metall zurück. Das langsame Schlurfen wird lauter. Jemand nähert sich. Ein verhaltenes Husten klingt wie ein Pistolenschuss in dieser Stille. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass die linke hintere Ecke des Raumes in ein Halbdunkel getaucht ist; die Leuchtstoffröhre an der Decke glimmt nur noch schwach. Über mir schwebt ein grelles Licht, welches mich kaum etwas anderes erkennen läßt. Es ist unangenehm kalt.

Ich versuche mich zu erinnern, was geschehen war. Meine Gedanken wandern zurück bis zu jenem Moment, als ich in der Hotelbar diese Frau sah. Ich hatte sie angestarrt, konnte meine Augen nicht abwenden. Sie bemerkte es und hielt meinem Blick stand. Ich hatte schon viele faszinierende Frauen gesehen, doch diese hier war anders. Man konnte sie nicht einmal als schön bezeichnen. Doch da war etwas an ihr, das es mir unmöglich machte, mich abzuwenden. Bevor ich ergründen konnte, was an dieser Frau so besonders war, befand ich mich mit ihr schon im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben. Bis dahin wurde kein Wort gewechselt. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen sollte, war ein Gefangener meiner aufgewühlten Emotionen. Wir befanden uns plötzlich in einem Hotelzimmer.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wie in Trance nahm ich das Glas, das sie mir reichte. Ich merkte nicht einmal, dass ich es in einem Zug leerte. Das letzte, was ich sah, war ihr Lächeln. Ein unnatürliches, wie aufgesetzt wirkendes Lächeln. Zufrieden, dachte ich noch. Dann war da nichts mehr. Stille, Dunkelheit.

Über mir sehe ich eine Hand, die an irgendetwas hantiert. Ein Räuspern.
Klick.
„Männliche Leiche, ca. 180 cm, 85 Kilo, kurze braune Haare, keine besonderen Merkmale.“
Mein Horizont kippt zur Seite, verharrt einem Moment und schwingt wieder zurück.
„Der Körper weist keine sichtbaren Verletzungen auf, Blutungen und Blutergüsse sind nicht erkennbar. Keine sichtbare Fremdeinwirkung von außen.“
Klick.
Schritte entfernen sich, Papier knistert.
„Verdammt, schon wieder kein Senf. Dabei weiß sie genau, dass ich auf meine Leberwurst Senf haben will.“
Ich kann hören, dass gegessen wird. Backenzähne mahlen. Aus einer Sprudelflasche entweicht zischend die Kohlensäure. Die Schritte nähern sich wieder und ich kann einen warmen Hauch auf meiner nackten Brust spüren. Nackt. Ich bin nackt? Langsam wird mir bewusst, wo ich mich befinde; wird mir klar, was passiert, was passieren würde. Angst kriecht in mir hoch. Beginnende Panik.
Ich muss ihm sagen, dass ich noch lebe.
In meinem Kopf formen sich die Worte, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Bleiben stumm, können nicht.
Ich bin nicht tot, hörst du?
Siehst du das nicht.
Nicht tot.
Doch der Mann über mir zeigt keine Reaktion.
Klick.
„Die Zunge sieht normal aus, keine Verfärbungen oder auffällige Beläge.“
Ein glatter Finger wühlt in meiner Mundhöhle. Es schmeckt nach Gummi. Latexhandschuhe, schießt es mir durch den Kopf. Finger auch in den Ohren.
„Kein Blut in den Gehörgängen, die Nase ist frei.“
Verdammt, er muss doch spüren, dass mein Körper warm ist; dass mein Blut noch pulsiert.
Diese Frau. Das musste es sein. Sie hat mir irgendetwas in meinen Martini gemischt. Eine Droge vielleicht, die mich daran hindert, mich zu bewegen, zu sprechen, die mich lähmt.
„Nachdem äußere Einwirkungen ausgeschlossen werden können, werde ich nun die inneren Organe in Augenschein nehmen.“
Klick.
Meine Gedanken rasten.
Was tun.
Die Panik lässt mich keinen klaren Gedanken fassen.
Muss mich bewegen, muss schreien.
Nichts.
So sehr ich mich auch anstrenge; ich bin nicht in der Lage, etwas zu tun. Metallgeklapper.
„Einmalskalpelle, Unfug. Ich hatte immer schon ein Faible für Edelstahl.“
Klick.
„Ich werde nun die Bauchdecke öffnen, um die inneren Organe in Augenschein zu nehmen. Besonders der Mageninhalt offenbart häufig einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Todesursache. Ich beginne mit dem Schnitt unterhalb des Brustbeins und schneide ...“
Ich schreie.
Durchdringend, panisch, in höchster Verzweiflung.
Höre meine Stimme.
Höre?
Aber...

„Was ist mit Ihnen?“, fragt jemand besorgt.
Ich greife an meinen Bauch, reiße die Knöpfe vom Hemd. Warum habe ich plötzlich ein Hemd an? Verstört schaue ich mich um. Mir gegenüber sitzt die Frau aus der Hotelbar.
Sie ist seltsam ruhig.
Fixiert mich.
Das Martiniglas in ihrer Hand bewegte sich leicht und das Eis schlägt gegen das Glas.
Klick.
„Beruhigen Sie sich doch, Sie waren wohl mit ihren Gedanken einen Moment woanders.“
Sie hält mir das Glas hin.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“
Ich starre abwechselnd das Glas und die Frau an.
„Ich... Nein, ich möchte nichts trinken. Muss jetzt gehen“
Ich stürme aus dem Zimmer.
Renne.
Ziellos.
Die Frau starrt hinter mir her. Plötzlich befinde ich mich einem Hinterhof. Außer Atem versuche ich mich zu orientieren.
Beruhige dich, Junge.
Ein Traum, es war nur ein verdammter Traum. Allmählich gelingt es mir, meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Als ich nach oben schaue, blicke ich geradewegs auf ein riesiges Werbeplakat.
Ich erschauere und beginne unkontrolliert zu zittern. Das ist unmöglich.
Auf dem Plakat sitzt eine faszinierende Frau auf einem Sofa, ein Glas Martini in der Hand.
Doch nicht irgendeine Frau, sondern jene aus der Hotelbar.
Sie scheint mich direkt anzusehen.
Lächelt.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragt jemand hinter mir. Ich schaue mich um, da ist kein Hoteleingang, kein Portier, nur ein Mann im weißen Kittel mit Gummihandschuhen. Er lächelt. Ich bin völlig nackt.
Mein Kopf ruckt wieder nach vorne.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“ Wir befinden uns im Hotelzimmer und ich bin vollkommen angezogen.
Sie lächelt mich an.
Klick …
 
B

bluefin

Gast
hallo @duisburger

mit
Es riecht durchdringend nach Formaldehyd und von den alten weißen Kacheln hallt das [red]Klappern von Metall [/red]zurück. Das langsame [red]Schlurfen wird lauter[/red]. Jemand nähert sich. Ein verhaltenes Husten klingt wie ein Pistolenschuss [red]in dieser Stille[/red]. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, dass die linke hintere Ecke des Raumes in ein Halbdunkel getaucht ist; die Leuchtstoffröhre an der Decke [blue]glimmt nur noch schwach[/blue]. Über mir schwebt ein grelles Licht, welches mich kaum etwas anderes erkennen läßt. Es ist unangenehm kalt.
nimmst du dem leser die lust, weiter der (recht vorhersehbaren) paranoia deines lyrichs zu folgen: [red]wo's scheppert und schlurft, herrscht keine stille[/red]; [blue]leuchtstoffröhren sind aus oder an oder flackern - glimmen können sie nicht[/blue]. wie kann ein geblendeter die hintere linke ecke eines raumes als dunkel ausmachen und warum ist hintere hintere linke ecke des raumes so wichtig? sie spielt im folgenden ja gar keine rolle mehr.

das vorhandesein von körpergrundflüssigkeiten in gehör- und nasengängen wird nicht durch das hineinstopfen von gummierten fingern in dieselben geprüft, sondern mit einem speculum, und der gerichtsmediziner diktiert während der pathologisch-anatomischen untersuchung keine sätze wie:
Klick. „Ich werde nun die Bauchdecke öffnen, um die inneren Organe in Augenschein zu nehmen. Besonders der Mageninhalt offenbart häufig einen brauchbaren Anhaltspunkt für die Todesursache. Ich beginne mit dem Schnitt unterhalb des Brustbeins und schneide ...“,
sondern leiert nur seinen befund herunter, statt zu dozieren: das band geht unmittelbar danach zur tippse.

wer phantasmagorien wirksam zur geltung bringen möchte, sollte sie stets direkt neben die wirklichkeit stellen. sonst merken die kiddies, dass ihnen der onkel aus duisburg nur was vormacht, und sie werden unruhig.

liebe grüße

bluefin
 

Duisburger

Mitglied
Hallo bluefin,

danke für deine Kommentar und das aufmerksame Lesen. Ich habe den Eingangsteil etwas angeändert, deine Einwendungen waren richtig.
Den Einstieg in die Geschichte an sich möchte ich nicht ändern, denn ein Spannungsaufbau muss schon sein, um dem Leser einen Einstieg zu ermöglichen.
Deine anatomischen und pathologischen Kenntnisse in Ehren, jedoch wollte ich keine medizinische Abhandlung schreiben, sondern eine unterhaltsame Kurzgeschichte. Sicherlich wird es sich meist so abspielen, wie du es angedeutet hat, aber wer will das schon lesen und ausserdem gibt es durchaus sehr seltsame Pathologen, welche vieleicht ein wenig anders arbeiten. Der erste Augenschein wird demnach auch nicht vor Gründlichkeit strotzen und ist wohl eher eine grobe Beurteilung, die später durch detailierte Untersuchungen bestätigt oder widerlegt wird.

Mein Pathologe ist nunmal ein seltsamer Kautz, der am Pathologietisch sein Leberwurstbrötchen isst, der gerne auch mal mit sich selbst spricht (wobei seine Sekretärin dann schon weiss, was davon in den Bericht kommt) und "seine" Leichen erst einmal grob mit den Fingern untersucht. Na und?
Das ist meine Fiktion und warum sollte es solch einen Pathologen nicht gegen? In einer Kurzgeschichte muss dem Leser etwas geboten werden, was ihm am Text hält. Da muss es nicht so genau sein, wass nicht heisst, das man Unsinn schreibt, sondern die Wirklichkeit ein wenig dehnt.

Das mit den Kiddis habe ich nicht verstanden, möchte es auch nicht.

lg
Duisburger
 
B

bluefin

Gast
lieber duisburger,

enge körperöffnungen wie gehörgänge und nasenlöcher sind mit behandschuhtem finger nicht hinreichend zu explorieren - der passt da nicht weit genug rein, und weil das jedes kind weiß, stolpert es über solcherlei märchen. der kalte trichter eines speculums und das ihm innewohnende licht sind im übrigen mindestens so spannend wie der unsinn mit dem finger.

dass pathologen oder andere fleischbeschauer neben der untersuchung etwas kauen, ist nichts beonderes, wohl aber, dass sie (klick!) sachen diktieren, die in kein protokoll passen und die eine tippse zwangsläufig vom band abschreiben wird. dass in dieser geschichte eine person im hintergrund säße, die medizinische protokolle selbständig zu korrigieren befähigt oder befugt wäre, ahnt niemand. abgesehen davon: es bestewht ja auch gar keine notwendigkeit für die platitüde, dass der mageninhalt einer womöglich vergifteten person aufschlussreich sein könnte.

nichts gegen verfremdung, lieber duisburger, die zielgerichtet herbeigeführt wird. unkenntnis oder handwerkliche schwächen aber sind, wie du ganz sicher selbst weißt, keine grundlagen für gute literarische arbeit. daher nochmals: wen du mit solchem text(ansatz) wirklich jemandem unter die haut willst, müssen die details stimmen - sonst beißt sich die katze in den eigenen schwanz. darauf zu vertrauen, dass sich ein (hier in diesem forum ja nicht vorhandenes) publikum an deinen sog. "wirklichkeitsdehungen" (was für ein wort!) nicht stößt, wäre wohl kaum der richtige ansatz. du willst doch nicht für simpel schreiben, oder?

liebe grüße aus dem literarischen zerwirkgewölbe

bluefin
 

Duisburger

Mitglied
Hallo bluefin,

danke für deine Re-Kommentar. Ich werde mir Gedanken über seine Einlassungen machen und ggf. Änderungen vornehmen.

lg
Duisburger
 
H

Heidrun D.

Gast
Guten Abend, Duisburger,

denn gut wird er schon noch, wenn ich auch erst "das Böse" äußern will: Bluefin hat wohl Recht; in einer Kurzgeschichte sollte Recherche nicht fehlen, gerade, wenn es sich um ein Spezialgebiet handelt, wie das Arbeiten im und am menschlichen Körper. - Mir wären die kleinen Mängel allerdings nicht aufgefallen, weil ich mich in der Pathologie (noch) nicht so gut auskenne (grinst).

Aber: Insgesamt gefällt mir der Text sehr gut, insbesondere die sich überlagernden Ebenen, die an einen Filmdreh erinnern, mit wechselnden Protagonisten oder einem unschlüssigen Regisseur.

Auch den Anfang, in poescher Scheintodtradition, finde ich gelungen, gerade deshalb, weil diese dann zerschlagen, wiederholt und nochmals zerschlagen wird. Das finde ich kunstvoll.

Liebe Grüße
Heidrun

Eigentlich müsstest du nur den Monolog des Arztes verändern, meine ich ...
 

Duisburger

Mitglied
Hallo Heidrun,

danke für deinen freundlichen Kommentar. Es freut mich, wenn die Geschichte gefällt.
Ich will mich vernünftigen Argumenten nicht verschließen und habe daher einige Änderungen vorgenommen, welche die pathologische Seite betreffen. Trotzdem habe ich mir einige literarische Freiheiten genommen, die dder Geschichte dienslich sind, ansonsten wird mir das zu steril (passender Vergleich, gell).
Man kann es leider nicht allen Recht machen, auch wenn man das als Autor anstrebt.

lg
Duisburger
 

Duisburger

Mitglied
Pathologisches Déjà-vu

Es riecht durchdringend nach Desinfektionsmitteln und von den weißen Kacheln hallt das Klappern von Metall wider. Schlurfende Schritte werden lauter. Jemand nähert sich. Ein verhaltenes Husten klingt wie ein Pistolenschuss von den Wänden. Eine Leuchtstoffröhre an der Decke flackert, sie ist eher zu hören als zu sehen. Über mir schwebt ein grelles Licht, welches mich kaum etwas anderes erkennen läßt. Es ist unangenehm kalt.

Ich versuche mich zu erinnern, was geschehen war. Meine Gedanken wandern zurück bis zu jenem Moment, als ich in der Hotelbar diese Frau sah. Ich hatte sie angestarrt, konnte meine Augen nicht abwenden. Sie bemerkte es und hielt meinem Blick stand. Ich hatte schon viele faszinierende Frauen gesehen, doch diese hier war anders. Man konnte sie nicht einmal als schön bezeichnen. Doch da war etwas an ihr, das es mir unmöglich machte, mich abzuwenden. Bevor ich ergründen konnte, was an dieser Frau so besonders war, befand ich mich mit ihr schon im Fahrstuhl auf dem Weg nach oben. Bis dahin wurde kein Wort gewechselt. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich sagen sollte, war ein Gefangener meiner aufgewühlten Emotionen. Wir befanden uns plötzlich in einem Hotelzimmer.
„Trinken wir erst einmal einen Martini. Sie scheinen einen Drink nötig zu haben.“
Wie in Trance nahm ich das Glas, das sie mir reichte. Ich merkte nicht einmal, dass ich es in einem Zug leerte. Das letzte, was ich sah, war ihr Lächeln. Ein unnatürliches, wie aufgesetzt wirkendes Lächeln. Zufrieden, dachte ich noch. Dann war da nichts mehr. Stille, Dunkelheit.

Über mir sehe ich eine Hand, die an irgendetwas hantiert. Ein Räuspern.
Klick.
„Männliche Leiche, ca. 180 cm, 85 Kilo, kurze braune Haare, keine besonderen Merkmale.“
Mein Horizont kippt zur Seite, verharrt einem Moment und schwingt wieder zurück.
„Der Körper weist keine sichtbaren Verletzungen auf, Blutungen und Blutergüsse sind nicht erkennbar. Keine sichtbare Fremdeinwirkung von außen.“
Klick.
Schritte entfernen sich, Papier knistert.
„Verdammt, schon wieder kein Senf. Dabei weiß sie genau, dass ich auf meine Leberwurst Senf haben will.“
Ich kann hören, dass gegessen wird. Backenzähne mahlen. Aus einer Sprudelflasche entweicht zischend die Kohlensäure. Die Schritte nähern sich wieder und ich kann einen warmen Hauch auf meiner nackten Brust spüren. Nackt. Ich bin nackt? Langsam wird mir bewusst, wo ich mich befinde; wird mir klar, was passiert, was passieren würde. Angst kriecht in mir hoch. Beginnende Panik.
Ich muss ihm sagen, dass ich noch lebe.
In meinem Kopf formen sich die Worte, doch meine Lippen bewegen sich nicht. Bleiben stumm, können nicht.
Ich bin nicht tot, hörst du?
Siehst du das nicht.
Nicht tot.
Doch der Mann über mir zeigt keine Reaktion.
Klick.
„Die Zunge sieht normal aus, keine Verfärbungen oder auffällige Beläge.“
Ein glatter Finger wühlt in meiner Mundhöhle. Es schmeckt nach Gummi. Latexhandschuhe, schießt es mir durch den Kopf. Ich fühle kaltes Metall in meinen Ohren, in meiner Nase.
„Kein Blut in den Gehörgängen, die Nase ist frei.“
Verdammt, er muss doch spüren, dass mein Körper warm ist; dass mein Blut noch pulsiert.
Diese Frau. Das musste es sein. Sie hat mir irgendetwas in meinen Martini gemischt. Eine Droge vielleicht, die mich daran hindert, mich zu bewegen, zu sprechen, die mich lähmt.
„Nachdem äußere Einwirkungen nicht erkennbar sind, werde ich nun die inneren Organe in Augenschein nehmen.“
Klick.
Meine Gedanken rasten.
Was tun.
Die Panik lässt mich keinen klaren Gedanken fassen.
Muss mich bewegen, muss schreien.
Nichts.
So sehr ich mich auch anstrenge; ich bin nicht in der Lage, etwas zu tun. Metallgeklapper.
„Einmalskalpelle aus billigen Kunststoff, Unfug. Ich hatte immer schon ein Faible für Edelstahl.“
Klick.
„Ich werde nun die Brust- und Bauchdecke öffnen, um die inneren Organe izu untersuchen. Ich beginne mit dem Schnitt knapp oberhalb des Brustbeins und schneide ...“
Ich schreie.
Durchdringend, panisch, in höchster Verzweiflung.
Höre meine Stimme.
Höre?
Aber...

„Was ist mit Ihnen?“, fragt jemand besorgt.
Ich greife an meinen Bauch, reiße die Knöpfe vom Hemd. Warum habe ich plötzlich ein Hemd an? Verstört schaue ich mich um. Mir gegenüber sitzt die Frau aus der Hotelbar.
Sie ist seltsam ruhig.
Fixiert mich.
Das Martiniglas in ihrer Hand bewegte sich leicht und das Eis schlägt gegen das Glas.
Klick.
„Beruhigen Sie sich doch, Sie waren wohl mit ihren Gedanken einen Moment woanders.“
Sie hält mir das Glas hin.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“
Ich starre abwechselnd das Glas und die Frau an.
„Ich... Nein, ich möchte nichts trinken. Muss jetzt gehen“
Ich stürme aus dem Zimmer.
Renne.
Ziellos.
Die Frau starrt hinter mir her. Plötzlich befinde ich mich einem Hinterhof. Außer Atem versuche ich mich zu orientieren.
Beruhige dich, Junge.
Ein Traum, es war nur ein verdammter Traum. Allmählich gelingt es mir, meine Gedanken wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Als ich nach oben schaue, blicke ich geradewegs auf ein riesiges Werbeplakat.
Ich erschauere und beginne unkontrolliert zu zittern. Das ist unmöglich.
Auf dem Plakat sitzt eine faszinierende Frau auf einem Sofa, ein Glas Martini in der Hand.
Doch nicht irgendeine Frau, sondern jene aus der Hotelbar.
Sie scheint mich direkt anzusehen.
Lächelt.
„Wo wollen Sie denn hin?“, fragt jemand hinter mir. Ich schaue mich um, da ist kein Hoteleingang, kein Portier, nur ein Mann im weißen Kittel mit Gummihandschuhen. Er lächelt. Ich bin völlig nackt.
Mein Kopf ruckt wieder nach vorne.
„Trinken Sie erst mal etwas, dann geht es Ihnen gleich besser.“ Wir befinden uns im Hotelzimmer und ich bin vollkommen angezogen.
Sie lächelt mich an.
Klick …
 



 
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