Paul

DaBink

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Ich drehe die Lautstärke auf hundert Prozent und werde viel zu laut über meine Kopfhörer mit irgendwas von den Dire Straits betäubt. Das ist jedenfalls besser, als dieses Geschrei mitanzuhören, dieses grausame Gebrülle, durch zwei TÜren hindurch. Das Streiten, von Abends bis Nachts, vom zweiten Bier meines Stiefvaters bis zum letzten Schlag ins Gesicht meiner Mutter. Ich sehe den Facebook-Tab auf dem Laptop, hinter dem ich mich verstecke, aufblinken. Jemand fragt, wie es mir geht. Mir geht es gut. Alles klar, wie immer. Ausgezeichnet.

Eigentlich mag ich das Haus von Paul. Es hat einen Innenpool mit Heizung, sodass man sich vorkommt wie in dem Whirlpool, welcher daneben steht. Eine große Terasse mit anliegender Grünfläche zum spielen, ein schönes Wohnzimmer mit offener Küche, zwei Badezimmer. Ich habe ein eigenes, wenn auch kleines, eigenes Reich, genau wie meine Schwestern und mein Bruder. Das ist bei unseren bisherigen Vätern nicht der Fall gewesen. Auch, dass nur unsere Mutter unsanft behandelt wird, ist neu. Dass sie geschlagen wird, zeigt jedoch, dass sie es höchstens noch ein Jahr aushält oder bis sie einen neuen gefunden hat. Einen neuen Job, einen neuen Wohnort, einen neuen Daddy, ein neues Leben.

Ab morgen ist Pauls jährliche Dienstreise. Eine ruhige Woche. Der perfekte Zeitpunkt zum Umziehen. Der perfekte Moment um alle Klamotten in Müllsäcke und diese ins viel zu kleine Auto zu stopfen, im Haus Benzin, Öl oder den teuren Alkohol aus dem Keller zu verschütten und ein Streichholz fallen zu lassen und dann hoffentlich auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Vielleicht nächstes Jahr. Noch haben wir nur Paul.
 



 
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