dennis petsch
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Pavlas Weiße Weihnacht
Bedächtig sitzt er da, am geöffneten Fenster, weltmännisch den Rollkragen anglophon zur Kinnlade gepullt. Auch an der Zigarette wird gelegentlich gezogen - die weißen Ringschwaden nebst heißem Odem wie von Engeln empor getragen die eisige Luft durchschneidend. Ein Vogel grippt vorbei, Schneeflöckchen tanzen träumend umher und lassen sich von schmusenden Katern unter die weißen Röckchen schauen. Nachbars Bronchien spielen ihm das Lied vom Tod, sein Gesicht vom Frost verbeult. Ein vermummter Rotling pelzt besackt von Dannen eilig in die Arme seiner sing-sangenden Stürmerin – nicht nur Dichter dichten, auch die Elche elchen einsam!
Zahllose Schneemänner und Schneefrauen kopulieren schamlos unter den Augen dick beschalter Kindlein, welche unter den scharfen Kufen ihrer Schlitten den Hügel hinab ins Tal gleiten – ein dünnes Rinnsal Blut das reine Jungfernkleid des Schnees besudelnd. All überall auf den Nadelbaumspitzen sitzen sie, die ollen Weihnachtskamellen und warten nur darauf, von besinnlicher Festtagsstimmung abgeschleckt zu werden.
Eine rüstige Oma trägt ihre elf Enkel auf den Schultern durchs kristallene Weiß der Allee. Einst tat es ihre Granny gleich und gemeinsam mit den Volkssturmjungens zählten sie die bunt geschmückten Weihnachtsbäume. Wie der Zahn der Zeit doch nagt und sich zahnlos alles ändert: Heute baumeln keine Kugeln, sondern bleiche Mediziner leb- und mittellos im Astwerk! - Gibt’s die Stricke auch von ratiopharm?
Der süße Duft von Plätzchen, Zimt und dampfendem Glühwein bettet sich ein in dieses Idyll am Stubenfenster und mit einem verkrampft lächelnd verzogenem Mundwinkel erinnert er sich schweren Mutes an die jungen Lenze seiner Knabenzeit in Utrecht zurück. „Früher, ach, früher…!“ stielt ihm Nachbar den Gedanken, während er scham- und tuberkulos gelben Weihnachtsauswurf lamettiert und auf die kleine Nordmanntanne am Grundstückszaun hüstelt.
„Bist Du so nett und trägst den Müll raus?“ entheben ihn Pavlas gebrochen Deutschbrocken dieser winterlichen Traumwelt. So stand das aber nicht im Katalog!
„Die Mülltüte ist doch erst zur Hälfte voll“, schnaubt er den letzten Zigarettenzug zurück in Richtung Küche und macht sich insgeheim zum Vorsatz, sich nächstes Jahr mal lieber mit einer Philippinin zu beschenken, „was meinst Du, wie sich die armen Knackis da wohl fühlen, die im Knast uns unsre Tüten kleben?!“
„Also, bei uns in Pilsen machen das die Weihnachtselfen“ klimpert Pavla mit den Wimpern, wie zwei Flaschen Urquell beim Na Stravie, - doch überzeugen kann sie nicht. Noch einmal dreht er sich zum Fenster und lässt die Blicke weltmännisch über den Garten hinweg ins schneebedeckte Tal wandern – den Rollkragen bis zur Kinnlade gepullt, den fahlen, kalten Rauch seinen Gaumen benetzend. Dann schließt er es und wendet sich schließlich Pavlas sinnlichem Weihnachtskataloghüftschwung zu.
Draußen wird es langsam friedlich und der Mantel der Nacht beginnt sich zärtlich über den eingeschneiten Ort zu schmiegen. Der gefiederte Schnäbling zirpt entgrippt unter den Pratzen der Schneebeflockten Schmusekatern leise seinem Exitus entgegen, während Nachbars Bronchien samt Nachbar im Schnee vor der Nordmanntanne verenden. Das erlösende Gestöhne des bepelzten Rotlings zwischen den erschlafften Schenkeln seiner stürmischen Sängerin lässt die Elche ihrer Einsamkeit entfliehen: Schon bald werden sie wieder zusammen mit ihrem Herrn durch die eisigen Lüfte reiten. Die blutigen Kindlein ziehen ihre hölzernen Schlitten heimwärts über die Zuckerrübenfelder und winken den schwitzenden Schneemännern und Schneefrauen „Adieu“.
„Schau mal, Oma, da hängt ja Doktor Baumanns!“ deutet Else aufs Geäst der letzten Pappel der Allee – Das auch der sich gesund in den Tod reformieren musste? Schicker Strick, muss man schon sagen!
Jetzt ist es still, nur der Schnee rieselt leise auf den starren Seen und etwas weiter hinten auf einer kleinen Anhöhe hört man den Kaiser leise deklinieren: „Otti, Otto, o2 - Ja, is’ denn heut scho’ Wehnachten?!“ Drinnen im Haus züngelt knisternd das lodernde Feuer im wärmenden Kamin. Auf dem Bärenfell davor reckt und streckt er sich empor und greift weltmännisch nach einer Packung Kleenex.
„Sperma schmeckt frisch viel besser, als wenn's schon ne Weile auf der Backe klebt“ reibt sich Pavla in gebrochenem Deutsch die aufgespritzten Maikawürstchenlippen. – Der Abend ist gerettet: Wenigstens das ist ihm noch heilig! Dobré Vánoce - Frohes Fest!
Bedächtig sitzt er da, am geöffneten Fenster, weltmännisch den Rollkragen anglophon zur Kinnlade gepullt. Auch an der Zigarette wird gelegentlich gezogen - die weißen Ringschwaden nebst heißem Odem wie von Engeln empor getragen die eisige Luft durchschneidend. Ein Vogel grippt vorbei, Schneeflöckchen tanzen träumend umher und lassen sich von schmusenden Katern unter die weißen Röckchen schauen. Nachbars Bronchien spielen ihm das Lied vom Tod, sein Gesicht vom Frost verbeult. Ein vermummter Rotling pelzt besackt von Dannen eilig in die Arme seiner sing-sangenden Stürmerin – nicht nur Dichter dichten, auch die Elche elchen einsam!
Zahllose Schneemänner und Schneefrauen kopulieren schamlos unter den Augen dick beschalter Kindlein, welche unter den scharfen Kufen ihrer Schlitten den Hügel hinab ins Tal gleiten – ein dünnes Rinnsal Blut das reine Jungfernkleid des Schnees besudelnd. All überall auf den Nadelbaumspitzen sitzen sie, die ollen Weihnachtskamellen und warten nur darauf, von besinnlicher Festtagsstimmung abgeschleckt zu werden.
Eine rüstige Oma trägt ihre elf Enkel auf den Schultern durchs kristallene Weiß der Allee. Einst tat es ihre Granny gleich und gemeinsam mit den Volkssturmjungens zählten sie die bunt geschmückten Weihnachtsbäume. Wie der Zahn der Zeit doch nagt und sich zahnlos alles ändert: Heute baumeln keine Kugeln, sondern bleiche Mediziner leb- und mittellos im Astwerk! - Gibt’s die Stricke auch von ratiopharm?
Der süße Duft von Plätzchen, Zimt und dampfendem Glühwein bettet sich ein in dieses Idyll am Stubenfenster und mit einem verkrampft lächelnd verzogenem Mundwinkel erinnert er sich schweren Mutes an die jungen Lenze seiner Knabenzeit in Utrecht zurück. „Früher, ach, früher…!“ stielt ihm Nachbar den Gedanken, während er scham- und tuberkulos gelben Weihnachtsauswurf lamettiert und auf die kleine Nordmanntanne am Grundstückszaun hüstelt.
„Bist Du so nett und trägst den Müll raus?“ entheben ihn Pavlas gebrochen Deutschbrocken dieser winterlichen Traumwelt. So stand das aber nicht im Katalog!
„Die Mülltüte ist doch erst zur Hälfte voll“, schnaubt er den letzten Zigarettenzug zurück in Richtung Küche und macht sich insgeheim zum Vorsatz, sich nächstes Jahr mal lieber mit einer Philippinin zu beschenken, „was meinst Du, wie sich die armen Knackis da wohl fühlen, die im Knast uns unsre Tüten kleben?!“
„Also, bei uns in Pilsen machen das die Weihnachtselfen“ klimpert Pavla mit den Wimpern, wie zwei Flaschen Urquell beim Na Stravie, - doch überzeugen kann sie nicht. Noch einmal dreht er sich zum Fenster und lässt die Blicke weltmännisch über den Garten hinweg ins schneebedeckte Tal wandern – den Rollkragen bis zur Kinnlade gepullt, den fahlen, kalten Rauch seinen Gaumen benetzend. Dann schließt er es und wendet sich schließlich Pavlas sinnlichem Weihnachtskataloghüftschwung zu.
Draußen wird es langsam friedlich und der Mantel der Nacht beginnt sich zärtlich über den eingeschneiten Ort zu schmiegen. Der gefiederte Schnäbling zirpt entgrippt unter den Pratzen der Schneebeflockten Schmusekatern leise seinem Exitus entgegen, während Nachbars Bronchien samt Nachbar im Schnee vor der Nordmanntanne verenden. Das erlösende Gestöhne des bepelzten Rotlings zwischen den erschlafften Schenkeln seiner stürmischen Sängerin lässt die Elche ihrer Einsamkeit entfliehen: Schon bald werden sie wieder zusammen mit ihrem Herrn durch die eisigen Lüfte reiten. Die blutigen Kindlein ziehen ihre hölzernen Schlitten heimwärts über die Zuckerrübenfelder und winken den schwitzenden Schneemännern und Schneefrauen „Adieu“.
„Schau mal, Oma, da hängt ja Doktor Baumanns!“ deutet Else aufs Geäst der letzten Pappel der Allee – Das auch der sich gesund in den Tod reformieren musste? Schicker Strick, muss man schon sagen!
Jetzt ist es still, nur der Schnee rieselt leise auf den starren Seen und etwas weiter hinten auf einer kleinen Anhöhe hört man den Kaiser leise deklinieren: „Otti, Otto, o2 - Ja, is’ denn heut scho’ Wehnachten?!“ Drinnen im Haus züngelt knisternd das lodernde Feuer im wärmenden Kamin. Auf dem Bärenfell davor reckt und streckt er sich empor und greift weltmännisch nach einer Packung Kleenex.
„Sperma schmeckt frisch viel besser, als wenn's schon ne Weile auf der Backe klebt“ reibt sich Pavla in gebrochenem Deutsch die aufgespritzten Maikawürstchenlippen. – Der Abend ist gerettet: Wenigstens das ist ihm noch heilig! Dobré Vánoce - Frohes Fest!