Petra

klaragabel

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Geliebter Schatz,... würde er schreiben..., Geliebter Schatz, du wirst es nicht glauben, aber die Ereignisse haben sich binnen Sekunden überschlagen und ich war mitten drin...
Ja, das war doch ein ganz guter Anfang für die Beschreibung der Merkwürdigkeiten, die seit heute Morgen sein Leben in eine ganz neue Bahn gelenkt hatten.
 
Luise konnte es nicht glauben. Langsam schüttelte sie ihren hübschen Kopf und blickte dann treuherzig in die Augen des Kommissars: „Ich bin mir sicher, dass da ein Irrtum vorliegt, ja, vorliegen muss. Max, also mein Verlobter, macht solche Sachen nicht. Auch kann man auf diesem Video nicht allzu viel erkennen. Es ist so körnig und stellenweise äußerst unscharf. Also, ich bin mir da nicht so sicher, dass er das ist! Der Mann da ist so... so...“, sie hielt inne. Vorsicht, jetzt bloß nicht verplappern - schoss es ihr durch den Kopf - vage bleiben und nicht festnageln lassen. Leider war der Kommissar ein recht reizbarer Charakter und dank Luises dilettantischem Versuch die Rolle des Unschuldslamms zu spielen, fühlte er sich regelrecht provoziert. Rotgesichtig und den feuchten Sprühregen, den seine aufgebrachte Rede begleitete, ignorierend, schrie er: „Ja, was glauben Sie denn eigentlich, wen Sie hier vor sich sitzen haben, junge Frau!? Denken Sie etwa, dass Sie mich hier auf den Arm nehmen können! Da müssen Sie aber früher aufstehen, wenn Sie glauben, dass man mir so einen gequirlten Mist servieren kann! Ich lass mich doch nicht von Ihnen...“ weiter kam er nicht, denn seine Kollegin, die offensichtlich schon länger mit ihm zu arbeiten schien, hatte mittlerweile ihre Hand beruhigend auf seinen Arm gelegt und ihn dadurch etwas von der Fahrt genommen, was dem Organismus des Kommissars durchaus zu Gute kam, denn er konnte endlich einmal Luft holen. Luise machte es ihm gleich; auch sie hatte vor lauter Schreck ob der Heftigkeit des Polizeibeamten vergessen zu atmen. In was für eine Geschichte war sie denn nur geraten? Sie hatte doch wirklich nichts verbrochen. Warum war sie nur hier und musste sich diesen unerträglichen Leuten ausliefern? Wegen eines unscharfen Videos, auf dem ein dunkelhaariger großer Mann ungeschickt mit einer Pistole eine Bankangestellte belästigte? Natürlich war das Max! Das hatte ja schon der Abteilungsleiter bestätigt, bei dem er kurz zuvor einen letzten Termin wegen eines Kredits hatte, der natürlich dank seiner desolaten finanziellen Situation abgelehnt worden war. Das war ihr Verlobter, der nun auf dem Film etwas linkisch, den Aktenkoffer zuklappte und nervös zu seinem Komplizen sah. Aber wer war denn dieser andere? Luise kniff die Augen zusammen und fokussierte die kleinere Gestalt, die hinter Max stand und im Gegensatz zu ihm maskiert war. Irgendetwas kam ihr an der Person bekannt vor. Aber wer war dieser Typ? Himmel, das war ja gar kein Mann, das war ja... Die blonde Frau zuckte zusammen. Das war ja das Allerletzte!
„Entschuldigung!“
Der Kommissar und seine Kollegin, die sich in der Zwischenzeit offensichtlich über Dinge wie hohen Blutdruck und Meditation unterhalten hatten, blickten sie jetzt etwas ungehalten an. Luise ignorierte dies jedoch, denn sie hatte eine wichtige Aussage zu machen.
 
... Wie du ja weißt, hatte ich heute bei der Bank einen Termin. Übrigens hat dein dämlicher Tipp, dein Glückstüchlein einzustecken, überhaupt nichts bewirkt. Im Gegenteil! Ich hatte eher das Gefühl, dass der doofe Sachbearbeiter noch überheblicher wurde, als er diese rosa Teddybären sah, denn ich war gezwungen mir während des Gesprächs meine schweißnassen Hände zu trocknen und hatte ohne zu überlegen... Egal, falls es dich beruhigt, ich hab den Fetzten entsorgt! Du kannst ja im Mülleimer nachschauen. Zwischen all den Kontoauszügen! Haha...
Ein fast bösartiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er daran dachte und zeitgleich auf das Gaspedal trat, denn die Autobahn Richtung Norden war frei.
 
„Ach, erst wollen Sie gar nichts erkennen und jetzt behaupten Sie, dass die Person im Hintergrund eine gewisse Petra Uffland sei!“
Luise, der ihre anfänglichen Lügen überhaupt nicht peinlich zu sein schien, nickte so heftig mit dem Kopf, dass ihr Pferdeschwanz einen wilden Tanz aufführte.
„Aber wenn ich es Ihnen doch sage! Ich erkenn` diese Frau. Sie ist meine Mitbewohnerin. Ein richtiges Miststück! Sie war schon immer hinter Max her und ich glaube jetzt hundertprozentig, dass er gar nichts mit der Sache zu tun hat! Er ist bestimmt gezwungen worden! Schlimmer noch, sie wird ihn gekidnappt haben!“
„Nana, das Ganze sieht aber doch recht freiwillig aus...“
„Da sehen Sie mal, was für eine Hexe das ist!“
Luise hatte Tränen der Wut in den Augen. Wie hatte sie denn nur so blind sein können? Es soll dem Kommissar nun nicht unterstellt werden können, dass er kein Mitgefühl hatte, obwohl er es vorzog bärbeißig aufzutreten. Daher nickte er seiner Kollegin zu, der aufgebrachten Zeugin ein Glas Wasser zu holen, bevor er selbst die Tür seines Büros aufriss und in den Gang brüllte: „Ich brauche sofort jemand für eine Personenüberprüfung!“
 
... Tja, und wie du mittlerweile durch Funk und Fernsehen bereits erfahren haben müsstest, war ich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle. Denn kaum hatte mich dieser Idiot mit einem bedauernden Lächeln und einem guten Wunsch für die Zukunft, die leider nichts mehr mit seiner Bank zu tun haben würde, aus seinem geschmacklosen Designerbüro herausgeleitet, da war ich so verzweifelt, dass ich gar nicht auf meine Umgebung geachtet hatte und...
„Ich weiß nicht, ob das `ne gute Idee war, die Autobahn zu nehmen,“ Petra hatte sich besorgt umgedreht. Doch Max - beflügelt durch seinen ungeplanten Einstieg in die kriminelle Szene - grinste nur.
 
„Wir werden natürlich Ihr Telefon überwachen müssen. Schließlich ist er Ihr Verlobter und da wird er sich früher oder später bei Ihnen melden.“
Auch Luise war aufgestanden. Während sie sich die Jacke zuknöpfte, fragte sie ganz beiläufig: „Was meinten Sie? Wie viel haben die beiden erbeutet?“
„Rund 2,6 Millionen Euro!“
Es schien, als ob diese Zahl den Fehdehandschuh symbolisierte, der nun von dem Kommissar aufgehoben wurde.
 
... Du wirst mir jetzt natürlich unterstellen, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel zwischen Petra und mir war. Tja, je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr neige ich dazu zu sagen, dass es so war! Weißt du, Petra war für mich immer schon eine faszinierende Frau. Sie ist so stark und weiß genau, was sie will. Ganz anders als du. Du bist eher das verwöhnte Prinzesschen. Wahrscheinlich bist du auch indirekt der Grund, warum ich mich selbst überschätzt habe. Warum ich finanziell am Ende bin...
„Sag mal Max, und jetzt nimm es bitte nicht zu persönlich, aber warum hast du dich da heute Morgen unbedingt reinmischen müssen?“
Während sie gesprochen hatte, schien sie ihn zum ersten Mal anzusehen. Max schluckte und nach einer Weile des Schweigens, welches nur durch das typische Motorengeräusch des Käfers begleitet wurde, meinte er fast schuldbewusst: „Ich dachte, dass das endlich meine Chance wäre, leben zu können!“
 
Luise hatte den Beamten Petras Zimmer gezeigt. Dort wurde gleich festgestellt, dass der Vogel ausgeflogen war. Die Schränke waren geleert - auch der von Luise geliehene Pullover war offensichtlich mit auf der Flucht - und ein Häufchen Asche bewies, dass wichtige Papiere verbrannt worden waren.
„Sagen Sie mal, hatte Ihre Mitbewohnerin irgendwie die Möglichkeit ein Auto zu organisieren?“
Die Kollegin des Kommissars, Luise konnte sich nicht mehr an ihren Namen erinnern, stand nun vor ihr, das Notizbuch aufgeklappt und sah sie herausfordernd an.
„Pfff, keine Ahnung! Ich habe mich nicht so mit ihr befasst. Das hier war eine reine Zweck-WG. Also, wenn Sie meinen, dass ich da irgendwas wüsste über Freunde und so...“
„Find` ich aber auch komisch, dass Sie sich jetzt plötzlich so gar nicht kennen wollen, zumal Sie vorhin behauptet hatten, dass diese Petra Uffland auf Ihren Freund scharf war!“
Luise wurde rot. Konnte sie denn jetzt zugeben, dass sie gelogen hatte und die Sache eher umgekehrt war? Wie peinlich vor dieser Frau eingestehen zu müssen, dass sie, die hübsche Luise nicht in der Lage war, einen Mann zu halten. Beschämt biss sie sich auf die Unterlippe und verdrängte das Bild, dass sich ihr auftat und auf dem Max und Petra lachend in der Küche bei einem Bier saßen, während sie sich schmollend in ihr Zimmer zurückgezogen hatte.
 
... Es war ein unbeschreibliches Gefühl mit einer Waffe die Macht zu haben. Die Macht über Leben und Tod. Endlich ein Gewinner sein zu können, endlich auf der richtigen Seite. Oh, du hättest mich sehen sollen. Ich war gut. Ich war so...
„Scheiße, wir haben die Abfahrt verpasst!“
So rüde aus den Gedanken gerissen zu werden, hatte nur eine schreckliche Folge: Max, riss das Lenkrad etwas nach rechts und hätte fast den LKW gerammt, den er gerade zu überholen versuchte. Der Mercedesfahrer hinter ihnen, der schon die ganze Zeit auf subtile Weise den Blinker für sie gesetzt hatte, reagierte prompt mit der Lichthupe.
 
„Waaas!“ brüllte der Kommissar in sein Handy und Luise hatte fast Mitleid mit dem Anrufer, „Du behauptest, dass ihr immer noch keine Ahnung habt, mit welchem Fahrzeug die Tatverdächtigen geflohen sind?“
 
... Ich werde in die Geschichte eingehen. Der dreisteste Bankräuber des neuen Jahrtausends. Petra und ich sind die neue Bonny und der neue Clyde. Leider darfst du jetzt nicht mehr mitspielen, denn das ist nur was für harte Typen...
Petra kam von der Toilette der Raststätte zurück und grinste triumphierend.
„Wir haben Glück! Ich hab´s grad im Radio gehört, als ich die Cola bezahlt habe. Die Polizei tappt dermaßen im Dunklen. Sie wissen zwar wie wir heißen und aussehen, aber sie haben keinen Schimmer wo wir stecken und was wir für ein Auto fahren!“
Während sie sprach, hatte sie den Kofferraumdeckel geöffnet und begonnen in einer Reisetasche zu kramen. Neugierig versuchte Max ihr über die Schulter zu blicken.
 
Luise hatte Kopfschmerzen. Nachdem es ihr gelungen war, die beiden Beamten - welche sich im Zuge der Hausdurchsuchung gerade das winzige Badezimmer vorgenommen hatten - zu vertreiben, sperrte sie die Tür ab, öffnete den  Medizinschrank, holte die Aspirin heraus und setzte sich auf den Rand der Badewanne, wo ihr nichts anderes mehr einfiel, als dumpf vor sich hinzustarren.
 
... Ich werde meine Identität ändern. Also, komm bloß nicht auf den Gedanken, mich zu suchen. Es würde dir nicht bekommen, Schätzchen...
Sie waren seit einiger Zeit auf einer Landstraße Richtung Grenze. Petra, die nun am Steuer saß, war mit der blonden Perücke und der riesigen Sonnenbrille kaum wiederzuerkennen. Man merkte, dass sie sich mit knallhartem Kalkül auf diesen Tag vorbereitet hatte. Alles war durchgeplant; mit Ausnahme von Max. Dieser wirkte darum umso improvisierter. Notdürftig getarnt, saß er auf der Rückbank, damit er sich gegebenenfalls hinter den Fahrersitz ducken konnte, aber es war offensichtlich, dass ihm die rosa Baseballkappe mit der Aufschrift <Frauen-Beach-Volleyballclub-Freimann> nicht sonderlich gut stand.
 
„Hallo, Frau Weber!“
Es war der Kommissar, der es sich nicht nehmen ließ, persönlich gegen die geschlossene Badezimmertür zu hämmern. Luise schreckte aus ihrer Lethargie auf. Wie lange war sie schon in diesem Raum? Fünf Minuten? Zwanzig? Eine Stunde? Hektisch strich sie sich über das Haar, dabei fiel ihr die Packung Aspirin aus der Hand. Hatte sie davon schon eine genommen? Das Schlagen gegen die Tür hörte nicht auf. Gehetzt blickte sich die blonde Frau um.
„Frau Weber! Ist alles in Ordnung? Machen Sie die Tür auf! Hallo!“
Luise tat wie ihr geheißen, drehte den Schlüssel um, öffnete einen Spalt breit und starrte mit großen Augen in einem erschreckend blassen Gesicht den leitenden Beamten an.
 
.... Du darfst jetzt nicht traurig sein, denn ich habe dich schon irgendwie gemocht. Du hast einen tollen Körper, obwohl ich mir manchmal gewünscht habe, dass du ihn vielleicht etwas mehr zum Einsatz hättest bringen können. Immer warst du so stocksteif, und da habe ich sogar manchmal das Gefühl gehabt, dass du beim Sex mit mir gar keinen Spaß hattest! Na ja, Schwamm drüber. Ich weiß ja, dass dieses Thema immer ein bisschen heikel für dich war. Ich bin sicher, dass Petra da anders ist....
Verstohlen blickte er auf den Hinterkopf der Bankräuberin, die nun geschickt den Wagen einen Schlammweg entlang steuerte, der nach ihren Angaben eine Abkürzung zur tschechischen Grenze war. In wenigen Augenblicken würden sie Deutschland verlassen haben. In wenigen Augenblicken würde sein neues, gefährliches und aufregendes Leben beginnen. International gesucht, auf der Flucht und dadurch so attraktiv wie noch nie, würde er mit dieser Traumfrau leben. Eine Villa auf der Krim, ein Haus in Riga, Freunde in Prag und Verbindungen nach Moskau waren sein Markenzeichen, wenn er im Osten untergetaucht wäre!
 
Luise nickte.
„Klar, wenn er sich meldet, dann halte ich ihn hin, bis Sie den Standort haben! Obwohl... ,“ ein Schluchzen machte sich aus dem tiefsten Inneren ihres Herzens frei. Der schreckliche Gedanke, der sich bösartig seit einiger Zeit in ihrem Kopf festgesetzt hatte, nahm nun Form an, wollte ausgesprochen werden, „... obwohl ich glaube, dass er nicht anrufen wird, jetzt wo er so viel Geld hat und mit diesem Miststück zusammen ist... !“
Der Kommissar, er war schon an der Tür, verdrehte leicht die Augen. Das waren Situationen, mit denen er nicht gerne konfrontiert war. Mit Vergnügen sah er, wenn bösartige Kriminelle dank seiner nicht gerade sensiblen dafür aber umso effektiveren Verhörmethoden zusammenbrachen. Es machte ihm auch Spaß, Zeugen und Opfer unter Druck zu setzten. Gegen etwas seelischen Zusammenbruch war nichts einzuwenden, aber, wenn eine Person so offensichtlich resignierte, wie diese junge Frau, dann wurde er hilflos und das war ärgerlich. Daher war er umso dankbarer, dass seine Assistentin nun das Wort ergriff und sanft sagte: „Aber, aber, Frau Weber. Warum denn so zerknirscht! Ich bin mir sicher, dass Ihr Verlobter, nachdem er so reich geworden ist, sich nichts sehnlicher wünscht, als mit Ihnen zusammen im Luxus leben zu wollen. So eine schöne, junge Frau wie Sie rundet das Bild doch ab!“
 
... Ich habe es endlich geschafft! Ich bin aus der Schusslinie! Ich bin untergetaucht! Ich werde dich vermissen, aber nicht so doll...
Mehr fiel Max im Augenblick nicht ein. Als sie aus dem Wald herausfuhren und das kleine tschechische Dorf vor sich im Sonnenlicht sahen, wurde ihm ganz warm ums Herz. Warm und auch ein bisschen melancholisch. Er atmete tief durch. Einmal und noch einmal. Gerne hätte er so weiter gemacht, wenn nicht Petra äußerst unsanft auf die Bremse getreten wäre. Sein großer Körper flog träge nach vorne und prallte gegen den Fahrersitz. Überrascht und einige Sekunden später rief er: „He, was soll denn das!?“
Petra drehte sich langsam um, zog die Sonnenbrille auf die Nasenspitze, so dass er ihre Augen sehen konnte und lächelte. Max hörte nicht, was sie sagte. Alles was er hörte, war das laute Pochen seines Herzens.
 
„2,6 Millionen Euro! Das muss man sich einfach mal vorstellen!“
Isabella war vorbeigekommen. Zwar hatte sie die feste Absicht gehabt, die Freundin zu trösten, aber als sie die ganze Geschichte erfuhr, konnte sie nicht umhin zu rufen: „Scheiße Mädel, den siehste nie wieder!“
Zu spät erkannte sie ihren Fehler. Luise war bereits in Tränen ausgebrochen.
 
2000 Euro! Sie hat mir 2000 Euro abgegeben! Sie hat gesagt, dass das eine faire Abfindung sei! 2000 Euro!!!
Wütend ließ sich Max auf einen klapprigen Stuhl in dem einzigen Gasthaus des kleinen tschechischen Grenzdorfs fallen. Das erbarmungswürdige Aufächzen von Holz ignorierend starrte er auf die zerkratzte Oberfläche des rustikalen Tisches vor sich. Es war noch früh am Tag. Außer ein paar minderjährigen Mädchen, die mit ihrem grellen Make-up versuchten älter auszusehen, und dem schmierigen Wirt war niemand in der Schankstube.
„Es tut mir Leid!“ hatte sie gesagt, „Aber du warst nicht eingeplant! Ich habe nicht vor, dich weiter als Klotz am Bein mitzuschleppen!“ 
Ich war nicht eingeplant! Natürlich nicht! Ich bin ja auch nicht Yuri, der in Prag auf sie wartet. Ich bin nicht der Mann, mit dem sie ein neues Leben beginnen wollte. Ich bin im Wege!
Schlurfende Schritte näherten sich Max und blieben vor dem Tisch stehen. Langsam glitt sein Blick an dem fetten Körper des Wirts hinauf. In dem schwammigen Gesicht blitzen ihm schlaue Äuglein entgegen.
„Na, was darf´s denn sein der Herr,“ sprach der Tscheche in perfektem Deutsch aber mit weichem gedehnten Akzent, „Ein Mädchen? Ein Zimmer? Ein Bier?“
„Wie wär´s mit einem Bier und einer Postkarte!“
Wenn der Wirt nun erstaunt gewesen war, so ließ er es sich nicht anmerken. Bedächtig kratzte er sich stattdessen an seinem dicken Bauch und grunzte: „Postkarte! Tja, da ham Se aber Glück. Meine Nichte hat vor Kurzem ein paar Karten – unbeschrieben natürlich, weil sie wie immer keine Zeit hatte – aus Moskau mitgebracht. Davon können Se eine haben.“
Eine Viertel Stunde später schrieb Max folgendes an Luise:
 
Geliebter Schatz,
ich kann dir leider nicht sagen wo ich bin. Aber sei ganz ruhig, mir geht es gut. Gott sei Dank konnte ich Petra entwischen! Trotzdem glaube ich, dass mich die Polizei auch sucht, obwohl ich total unschuldig bin. Tja, und schon wieder sitz´ ich ganz schön tief in der Tinte. Aber ich weiß, dass du mich verstehst! Du warst immer die Einzige, die mich verstanden hat!! Dafür danke ich dir!!!
Also, Kopf hoch,
Ciao Max
 
Bedächtig las er das Geschriebene noch einmal durch. Ja, so könnte es gehen. Darauf würde Luise anspringen. Sie würde gerührt sein und alles in die Wege leiten, um ihm zu helfen. Nachdenklich drehte er die Karte um. Auf der Vorderseite befand sich der Kreml. Schön! Da wäre er jetzt auch gerne. Einem neuen Gedankenblitz  folgend, nahm Max den Kuli wieder in die Hand und kritzelte unter den Text:
 
P.S. Ich hab dich lieb!
 
 
 
 
 
 
 



 
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