Pferd

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Pferd


Und was machst du,
wenn die Trense wieder scheuert
in den Winkeln deines
vertrockneten Mauls,
wenn die Sporen klingend
in deine Flanken schneiden,
und das Zaumzeug
deine Kopfplatzwunden
niemals heilen lässt,
wenn sie sich,
auf deinen wunden Knien,
weigern,
dich totzuschlagen,
egal wie störrisch du dich zeigst,
wenn deine Augen längst
schon nicht mehr tränen,
und du feststellst,
dass es Holz genug gibt
für mehr Ställe
als du je zertreten kannst,
wenn du dich im Dreck wälzt
und nicht alle Hände,
die dich streicheln,
beißen kannst?

Schließlich
musst du doch um Gnade betteln,
wirst unterwürfig und zahm,
und gehst mit jedem mit,
der dir Zuckerstückchen gibt.

Das ist es,
was dich blind macht,
also schreib
zur Strafe
tausendmal
in Schönschrift
in dein Tagebuch:
Ein Pferd ohne Reiter ist kein Pferd!
 

carolin

Mitglied
Ein schwieriges Gebiet. Würde gerne darüber schreiben.Danke das es jemand tut. Die lezte Zeile sollte aber beser enden. Wo bleibt die Freiheit und die Hoffnung.
 

Zarathustra

Mitglied
ein Pferd ohne Reiter ist kein Pferd

da hast du uns aber Stoff zum Nachdenken gegeben!

Ein Pferd ohne Reiter ist kein Pferd!

Was ist die Gesellschaft ohne herrschende Hierarchie,
die Kirche ohne Bischof,
das Kind ohne Vater?

die Firma ohne Chef?

Ich meine, beim Menschen kommt Anarchie und Chaos zum Vorschein; - beim Pferd aber die Freiheit.
 
Ja

Hallo ihr Beiden,

Zarathustra, ich glaube ja immer noch, dass es keinen Unterschied zwischen Pferden und Menschen gibt,
außer dem, dass wir Menschen vor nichts mehr Angst haben,
als vor der Freiheit (mich eingeschlossen).

Und Carolin, wie hast du das gemeint, mit dem schwierigen
Gebiet. Ich würde gern mehr darüber erfahren, wenn du magst.
Ich gebe zu, ich hätte auch gerne ein hoffnungsvolleres Ende gefunden, aber das wäre vielleicht Wunschdenken.

Einen schönen Tag wünscht

black sparrow
 

Willibald

Mitglied
pferd mensch

Sehr präzis und atemberaubend die Demontage des alten, besser "ausgemusterten" Pferdes.

Sehr geschíckt die letzte Strophe mit der "Straf- und Erkenntnisarbeit": Deutungsspielraum spästens hier erweitert:

Jeder, der sich sie ein ausgemustertes Pferd behandeln lässt, muss das unterschreiben. Dass die bessere Alternative dazu der Tod ist, hum.

Vale

W. Illiam
(aes)
 

strumpfkuh

Mitglied
Lieber Black Sparrow,
unglaublich, dass man so viel Inhalt in so wenige Worte fassen kann.
Ich persönlich dachte sofort an die Nazi- Zeit, aber dein Gedicht passt genauso gut zu jeder anderen Art von Unterdrückung.
Hochachtung
LG
Doro
 
M

Minds Eye

Gast
Herrlich.
Ein weiterer Treffer.
Voll auf die Zwölf.
Sehr präzise ausgedrückt und trotzdem scheint noch so viel Interpretationsspielraum erhalten, das man die Zeilen mit dem 3. Reich oder einem Tiergedicht in Verbindung bringen kann.
Schön, dass weder Hoffnung noch Freiheit bleibt. So kann ich (der Leser) selber meinen faulen Arsch bewegen und versuchen, etwas zu ändern.
Glückwunsch,
ME.
 
danke

Was kann ich sagen, außer Danke für dieses Lob und eure
zahlreichen Kritiken.
Und ,Willibald, dein Kommentar hat mich nachdenklich gemacht. Ich glaube nicht, dass der Tod die bessere Alternative ist, denn das Pferd bin ich,und eine Menge
anderer Menschen.
Manchmal denk ich, wir sind alle so! Jedoch ich lebe gern, Reiter hin oder her.

Ja, und gegen Tierquälerei hab ich auch was, obwohl das
Gedicht nicht wirklich so gemeint ist, denn kein Pferd ist so blöd, dass es einen Reiter braucht.
So sind nur Menschen.

Tja, und der Faschismus hat diese Schwäche natürlich ausgenutzt, perfektioniert und in die Hölle geführt.
Naja, man könnte ganze Bücher damit füllen.
Ich hab eben dieses Gedicht geschrieben.
Wenigstens etwas...

Schlaft schön

black sparrow
 

Willibald

Mitglied
"Selbsttötung"

salute,

ist ziemlich klar, ich bezog mich auf die sehr intensiven zeilen;

wenn sie sich,
auf deinen wunden Knien,
weigern,
dich totzuschlagen,
egal wie störrisch du dich zeigst,

Das deutet an, dass das pferd/der mensch eine tötung provoziert.

Vale

william
 

blaustrumpf

Mitglied
Hallo, black_sparrow

Nachdem ich dieses Gedicht in der Bestenliste entdeckt hatte, schrieb ich dir ja bereits, was ich davon halte. Heute stand das Pferd nicht mehr dort, wo ich es erwartete. Zum Glück habe ich mich daran erinnert, dass ich die Bewertung noch nicht beklickt hatte...

Hier mein Kommentar, dass dies kein Plauderbeitrag werde: Das Tempo deines Gedichtes ist mitreißend: Keine gemütlich dahinzuckelnde Kremserfahrt, es geht über Stock und Stein. Wer da mitwill, muss sich gut festhalten. Sind die Lesenden Ross oder Reiter? Egal, weiter, weiter.

Die Schlusspointe finde ich besonders gelungen. Wer es so denken will, sieht sich selbst als Ross und Reiter. Wer das nicht will, ist zumindest ein bisschen durchgeschüttelt worden. Das ist zwar im wirklichen Leben gefährlich, aber im Denken bringt es oft erstaunliche Resultate.

Für einen außergewöhnlichen Beitrag in der Leselupe dankt blaustrumpf
 
:)

Danke für deine Antwort, blaustrumpf!
Dein Lob bedeutet mir eine Menge.
Ich bin nur nicht sicher, ob ich alles richtig
verstanden habe.
Und eine Antwort auf deine Frage:
Die Leser, und Menschen im Allgemeinen, sind Pferde.
Darunter sind einige, die sich für Reiter halten.

Ich wünsch dir einen schönen Abend

black sparow
 
S

Stoffel

Gast
Hallo Black Sparrow,

gerade fällt mir was auf..irgendwie klingt dein Username wie der eines Pferdes..Sorry..ist nicht bös oder anmassend zu sehen..das ist nur ulkig, weil ich Deinen Namen las, dann das Gedicht vom Pferd.

Ok, es geht nicht um ein Pferd. Ist ja klaro.
Das ist wieder ein wahnsinns prägnantes Gedicht. Es hat für mich am Ende dann..mit den "Zuckerstückchen" auch etwas Ironie. Nehme ich Bezug auf mich selbst, sicher auch ein "Pferd", so ist es Selbstironie. Aber das zeigt auch ein Erkennen schon mal, der Situation.

Dieses Gedicht ist eines der besten für mich.
Ich bin beeindruckt. Vielleicht, weil ich es absolut verstehe.
(kommt nicht immer bei mir vor*g*)

Klass, mehr mag ich nicht mehr sagen..
lG
schönen Tag
Susanne
 
lach

ich hatte eigentlich gedacht, es sei der Name eines
Vogels, aber jetzt, wo dus sagst, es könnte wohl
auch ein Rennpferd sein. Aber ich meinte schon
den Vogel...
Jedenfalls fühle ich mich sehr geehrt, danke!

Liebe Grüße

black sparrow
 

Vera-Lena

Mitglied
Schicksal

Hallo black,

sein Schicksal annehmen und das tun, was zu tun ist trotz aller Schmerzen, das lese ich aus Deinem Text heraus.

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Mirko Kussin

Foren-Redakteur
besser spät als nie :)

hallo frank, auch hier nochmal kompliment zu diesem text. sehr gut auf den punkt gebracht, oder wie ich es gerne anders formuliere...haut schön in die fresse ;-)
is mir neun von zehn punkten wert...
gruß mirko
 
Stimmt Mirko,

besser spät als nie! :)
Und ich danke dir für die Bewertung, denn ich weiß
um deinen Anspruch!
Bis bald und liebe Grüße

black sparrow
 

Hannah Rieth

Mitglied
Hallo black,

jetzt wollte ich Dein Werk ein letztes Mal lesen - übrigens immer noch mit Gänsehauteffekt - da schleicht sich bei mir doch noch eine Logikfrage ein. "Das ist es, was dich blind macht" scheint mir nicht ganz zu passen. Bin gerade ein bisschen überarbeitet und nicht mehr so ganz sortiert, aber ich denk noch mal drüber nach, wenn ich fitter bin. Dann bekomm ich vielleicht auch formuliert, warum es für mich an der Stelle noch ein wenig hakt.

Bis dahin eine gute Zeit

sacht Hannah
 
H

Heidi Hof

Gast
Hallo Frank,

ich weiß genau was Du sagen möchtest,
denn ich liebe Pferde (auch ohne Reiter)
und (jetzt ein wenig aus der Vergangenheitskiste)
ich war mal Punk, ist aber schon lange her,
aber der Grundgedanke steckt ganz tief in mir.

Klasse!

Liebe Grüße,
 
ich mag,

beides die gelesene und die gesprochene version.ja wirkliches waren große künstler unter uns,
am samstag.ich wünsche mir innigst weitere treffen.
und freu mich auf neues von dir.
heike
 



 
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