In Tautlingen, gleich hinter Betzdorf, gab es eine ganz besondere Schule. Die Hempel â Pauk â Schule fĂŒr MĂ€dchen und Jungen. Das Besondere an ihr war nicht die neue Turnhalle mit dem groĂen Trampolin und auch nicht das Schulessen, bei dem es jede Woche einmal Pizza gab. Auch an dem kugelrunden Direktor Stratz gab es nichts Besonderes. Aber das, was er einmal von einer langen Reise in den Sommerferien mitgebracht hatte, das war etwas Besonderes.
Er hatte es auf einem Markt im fernen Matumba gefunden und fĂŒr ganz wenig Geld gekauft. Der VerkĂ€ufer war froh gewesen, es loszuwerden, aber die Kinder an der Hempel â Pauk â Schule liebten es.
Nachdem es der Direktor Stratz in der Mitte des Schulhofes aufgestellt hatte, hatte er es den Namen Pfiff gegeben. Das passte auch sehr gut, denn Pfiff war eine Pfeife. Eine groĂe Pfeife mit einem runden, aber schlanken Körper. In der Mitte besaĂ sie ein Loch, das wie ein geöffneter Mund aussah. Und ganz oben trug Pfiff eine ZipfelmĂŒtze, die sie auf und ab bewegen konnte. Dadurch strömte je nachdem Luft rein oder raus und es entstanden Töne.
So konnte Pfiff die Kinder lautstark zum Beginn des Unterrichts rufen und auch in die Pausen, was sie am liebsten tat. Denn dann kamen alle Kinder zu ihr gelaufen, setzten sich um sie herum und lauschten ihren Tönen. Aber es war nicht so, dass die Kinder die ganze Zeit Pfeiftöne hörten. Nein, sie hörten spannende Geschichten und lernten viele interessante Dinge ĂŒber die Welt kennen. Denn die gröĂte Besonderheit an Pfiff der Pfeife war, dass sie sprechen und alles erzĂ€hlen konnte, was sie erlebt und gesehen hatte.
Pfiff war viel in der Welt herum gekommen. Deswegen hatte sie auch immer viel zu erzĂ€hlen. Und wenn ihr die Kinder zuhörten, dann redete und redete sie, bis der Direktor Stratz kam und ihr das MĂŒtzchen zuhielt. Denn die Kinder mussten auch einmal Rechnen und Schreiben lernen, was ihnen Pfiff nicht beibringen konnte.
Gerade gestern noch hatte Pfiff den Kindern von Afrika erzĂ€hlt. Vor allem von den vielen Tieren, die es dort gab. Von den groĂen majestĂ€tischen Giraffen, die bestimmt ĂŒber die Hempel â Pauk âSchule hinweg gucken konnten und von den wilden Löwen, die aber meistens gar nicht so wild waren und lieber faul in der Sonne lagen. Als Pfiff begonnen hatte, etwas ĂŒber die Elefanten und ihre langen Nasen zu erzĂ€hlen, war aber der Direktor Stratz gekommen und Pfiff musste laut zur letzten Unterrichtsstunde pfeifen.
Danach hatten die Kinder nach Hause gemusst. Umso mehr freuten sie sich heute, Pfiff in der ersten Pause wieder zu sehen und mehr ĂŒber die Elefanten zu erfahren.
Aber heute war alles anders. Schon morgens hatte Pfiff nicht wie ĂŒblich zum Unterrichtsbeginn gepfiffen. Alle Kinder machten sich groĂe Sorgen und konnten sich gar nicht richtig auf die Aufgaben im Rechenunterricht konzentrieren. Als dann Zeit fĂŒr die Pause war, musste die Lehrerin die Kinder auf den Schulhof schicken, denn auch dann war von Pfiff nichts zu hören.
Die Kinder stĂŒrmten auf den Schulhof und drĂ€ngelten sich um Pfiff die Pfeife, die gar nicht glĂŒcklich aussah.
âWarum hast du nicht gepfiffen?â, fragte ein Junge mit lockigen Haaren.
âErzĂ€hlst du uns jetzt von den Elefanten?â, wollte ein MĂ€dchen mit Sommersprossen wissen.
Alle Kinder fragten und redeten durcheinander, aber Pfiff antwortete keinem.
âSeid still!â, rief eines der gröĂeren Kinder, damit Pfiff auch zu Wort kommen konnte. âWas hast du?â, fragte es dann.
Pfiff bewegte das MĂŒtzchen, aber es wollte kein richtiger Ton heraus kommen. Nur ein dumpfes âPffmmmâ und ein rasselndes âTrrrrâ waren zu hören.
âPfiff ist kaputt!â, riefen einige Kinder erschrocken und manche weinten sogar.
Auch der Direktor Stratz hatte sich gewundert, warum von Pfiff heute noch nichts zu hören war und kam nun hinzu. Er musste erst ein paar Kinder trösten und auch ein wenig schimpfen, dass man ihm Platz machte, bis er Pfiff endlich erreichte. Dann bat er um Ruhe, um heraus zu finden, was mit Pfiff nicht stimmte.
Alle Kinder hielten den Atem an und warteten gespannt auf seine Meinung.
Zuerst hörte sich der Direktor Stratz ganz genau die GerĂ€usche an, die Pfiff nur noch von sich geben konnte. Dabei sagte er immer wieder: âOhaâ und âHm, soso.â Dann guckte er in Pfiffs Mund, doch er konnte nichts erkennen. âOje, ojeâ, murmelte er.
Die Kinder bekamen angst, dass Pfiff vielleicht nie wieder sprechen und pfeifen konnte und einige hielten sich an den HĂ€nden fest und schluchzten.
Zum Schluss öffnete Direktor Stratz Pfiffs MĂŒtzchen und guckte von oben in Pfiff hinein. Erst hatte er wohl nichts gesehen, denn es dauerte eine Weile und er guckte und guckte. Aber dann endlich rief er lachend aus: âAch so! Da haben wir ja das Problem.â
Einige Kinder hatten sich erschrocken und waren zusammengezuckt, aber die meisten stellten sich nun auf die Zehenspitzen. Denn sie wollten auch sehen, was der Direktor sah.
Der griff jetzt mit einem breiten Grinsen in Pfiff hinein und holte vorsichtig etwas heraus. Und damit es auch alle Kinder sehen konnten, hielt er es in die Luft.
Die Kinder erkannten es sofort und erleichtert lachten sie. Ein Vogelnest war in Pfiffs Bauch gewesen. Ăber Nacht, als Pfiff geschlafen hatte, hatte ein VogelpĂ€rchen sein Nest in Pfiff gebaut. Und deswegen war Pfiff verstopft gewesen und konnte weder richtig pfeifen noch sprechen.
Aber jetzt, wo Pfiff wieder leer war, klappte alles wieder. Zuerst versuchte Pfiff ein Lied zu pfeifen und es klang ganz hell und klar. Dann redete sie wie ein Wasserfall, probierte alle möglichen Wörter und Töne. Alles klappte wieder.
Die Kinder und der Direktor Stratz waren sehr froh darĂŒber. So froh, dass der Direktor die nĂ€chste Stunde ausfallen lieĂ und alle Pfiffs Geschichten ĂŒber Elefanten zu Ende hören konnten.
Und fĂŒr das VogelpĂ€rchen hatten sie auch eine Idee. Gleich neben Pfiff stellte der Direktor Stratz ein VogelhĂ€uschen auf und setzte das Nest hinein. Als das VogelpĂ€rchen zurĂŒck kam, nahm es ihre neue Wohnung dankbar an. Und ab jetzt hatte Pfiff auch immer dann Gesellschaft, wenn die Kinder nicht Pause hatten und ihr nicht zuhören konnten. Dann sang Pfiff zusammen mit ihren neuen Vogelfreunden wunderschöne Lieder. Und manchmal bis spĂ€t in die Nacht hinein.