Phaet(h)on

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Blumenberg

Mitglied
Phaet(h)on

Geboren bist du endlich öffentlich Die Champagnergläser
schwenkend klatscht man Beifall Eingeweide

klinisch rein in gläsernem Palast zur Schau gestellt Das Herz
sich senkend in die kühn geschwungne Brust. Natalität

als Vorgang technischer Vollendung designt Dein Platz
gedacht an deines Schöpfers Seite Schowroomparadies

inzestuös familiär im Spotlight arrangiert Die Ehrerbietung
gebührend dem Sohn des Helios Ereignisendfertigung

als Herkunft gegen den Spott des Epiphanes gesetzt
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo den dichtenden Lupianern,

da dies mein erster Ausflug in die Lyrikabteilung der Leselupe ist, wäre mir ein wenig Feedback sehr hilfreich.

Vielen Dank für die Mühe und beste Grüße

Blumenberg
 

Tula

Mitglied
Hallo Blumenberg

Ich denke schon beim Titel sofort an VW und nicht an die eigentliche Bedeutung bzw. an den Ursprung des Wortes. Der Text liest sich dann wie eine humoristische Übertreibung einer Eröffnungsrede einer Autoausstellung. Soweit durchaus gelungen.
Die inhaltliche Absicht von "Spott des Epiphanes" ist mir allerdings nicht klar.

LG
Tula
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Tula,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Ich habe den Titel noch einmal geändert und das (h) ergänzt, um das in dem Gedicht aufgerufene Doppelbild (VW und die griechische Mythengestalt, die Namenspate des Autos ist) etwas deutlicher hervorzuheben.

Mit der Autoaustellung hattest du beinahe den richtigen Riecher, es bezieht sich auf Eröffnung der firmeneigenen Showfertigungshalle in Dresden, wo potenzielle Käufer bei einem Glas Champagner zusehen können wie ihr Liebling zusammengeschraubt wird. Natürlich nur die letzte Endmontage, also da wo kein Dreck entsteht.

Epiphanes ist der Sohn des Zeus, er spricht Phaethon seine göttliche Herkunft ab und verspottet ihn als Hochstapler.

Abseits des Gedichtes: Ob VW sich darüber klar war, das der Namensvater des Autos der erste mythisch verbürgte Unfallfahrer der Weltgeschichte ist?

Beste Grüße

Blumenberg
 

Blumenberg

Mitglied
Phaet(h)on

Geboren bist du endlich öffentlich Die Champagnergläser
schwenkend klatscht man Beifall Eingeweide

klinisch rein in gläsernem Palast zur Schau gestellt Das Herz
sich senkend in die kühn geschwungne Brust. Natalität

als Vorgang technischer Vollendung designt Dein Platz
gedacht an deines Schöpfers Seite Schowroomparadies

inzestuös familiär im Spotlight arrangiert Die Ehrerbietung
gebührend dem Sohn des Helios Ereignisendfertigung

als Herkunft gegen den Spott des Epaphos gesetzt
 

Blumenberg

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Wie gut, dass du nachgefragt hast, so ist mir ein peinlicher Namensfehler erst jetzt aufgefallen. Es muss Epaphos und nicht Epiphanes heißen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
und wahrscheinlich show room statt schowroom.

Nun ja, VW hat ist ja im Spott schon vor längerer Zeit ertrunken, da jeder, der den Namen aus der Mythologie kannte, den großen Unfall gleich mitgedacht hatte.

Aber wir altklugen Jüngstphilologen beachten zu wenig, daß "Phaeton" ohne ha schon der Name für eine Kutsche war, lange lange bevor VW sein Gefährt entsprechend taufte. Die Halosigkeit des Namens war schon ziemlich schräg. Kommt vielleicht von der Verwandlung des Theta ins Te bei den romanischen Sprachen. Ich erinnere mich (ist ja schon ziemlich lange her mit dem VW-Phaeton), daß die Manager es französisch aussprachen, und es klang so, als sprächen sie vom Feuilleton, es war klanglich nicht zu unterscheiden.

Insgesamt sieht Dein Gedicht mir (zunächst) ein wenig zu sehr nach einem Werbetext aus, und das nicht mal auf die Warhol-Tour.

Ich werde es später noch mal lesen, vielleicht werden mir dann andere Farben sichtbar.

grusz, hansz
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Geboren bist du endlich öffentlich Die Champagnergläser
schwenkend klatscht man Beifall Eingeweide
Das "Eingeweide" kam verstörend unerwartet. Ich war schockartig angeekelt und musste laut auflachen - hat mir sehr gefallen. ist super so!

"Natalität",
"Epaphos",
"Helios" und
"Phaet(h)on"
kannte ich nicht, musste ich googeln, ist für mich immer schlecht, wenn ein Gedicht gefüllt ist mit Wörtern die ich nicht kenne. Na klar kann man nachschauen und man lernt dabei, doch ist das irgendwie trotzdem ein Spielverderber ...

Auf die Zusammenhänge mit VW und "Werbetext" wäre ich nie gekommen, aber da es schon ausgesprochen ist, muss ich zustimmen. Wobei mir das gefällt mit dem Verständnis der "Autoaustellung" das Werk zu lesen :)

Üdv,
Peter
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Hans(z?),

der Showroom ist so wie er sein soll.

Als altkluger Jüngstphilologe ist man ja bereits froh, ein Eckchen eines Traditionsbezugs ans Tageslicht gezerrt zu haben, außreichend um, als Einäugiger unter den Blinden, damit zu prahlen. Dabei gibt es wohl tatsächlich nichts unter der Sonne, was nicht in einen größeren Tradtionszusammenhang eingebettet wäre, nur wird das leicht übersehen. Vielleicht hat sich ja auch VW auf dieses Gefährt bezogen, in dem der mythische Namensgeber bereits verschüttet ist und sich mit dem ans Licht geförderten Traditionsstückchen begnügt.

Eine gute Theorie, die du hier zur Verwandlung des Theta ins T anbietest. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Begriff pantheon, während das h im Französischen, Deutschen und Englischen erhalten geblieben ist, ist es im Spanischen weggefallen. Es handelte sich demnach um einen Ausreißer.

Darauf, es könne sich wie ein Werbetext lesen, bin ich bisher noch nicht gekommen. Es ist interessant zu sehen, dass der Text offensichtlich Deutungsräume anbietet, an die ich selbst überhaupt nicht gedacht habe. Mir schlösse sich eine solche Lesart durch die Wendung inzestuös familiär aus. Es stimmt aber, dass das Gedicht Passagen enthält die einen gewissen Anrufungscharakter aufweisen, wie beispielsweise der erste der sechste Satz.

Vielen Dank für die hilfreichen Anmerkungen.

Beste Grüße

Blumenberg
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Peter,

ich freue mich das der Einstieg dir gefallen hat und der Bruch die Wirkung hat, die ich intendiert hatte.

Wenn man in Gedichten einiges nachschauen muss, ist das immer ein wenig anstrengend, da gebe ich dir recht. Allerdings erwacht bei mir in solchen Fällen meistens der Ehrgeiz mir das Ganze in einem nochmaligen Lesen erschließen zu wollen. Gerade Gedichte sind finde ich etwas, bei dem es wünschenswert ist, dass sich bei mehrfachem Lesen immer neue Deutungsangebote ergeben. Ob das hier tatsächlich gelungen ist lasse ich mal dahingestellt.

Bei den von dir Aufgezählten handelt es sich bis auf Natalität um Namen, die in eine, in meinen Augen, höchst lesenwerte Geschichte eingebettet sind. Wenn man die nicht kennt, und wer kann das bei einer zweitausend Jahre alten Sage verlangen, ist das in der Tat schwierig. Natalität, ein akademischer Konzeptbegriff, der einen wesentlichen Aspekt des natürlichen Lebens beschreibt, habe ich gewählt, um ein Spannungsverhältnis zwischen Natur und Technik zu setzen.

Beste Grüße und vielen Dank für das Feedback
 
T

Trainee

Gast
Hallo Blumenberg und Mondnein,

Nietzsche sagt in seinen Unzeitgemäßen Betrachtungen
Ich frage nun nach der Entstehung des Philologen und behaupte
1. der junge Mensch kann gar nicht wissen, wer Griechen und Römer sind,
2. er weiß nicht, ob er zu ihrer Erforschung sich eignet.
Ichmeinjanur. :D

Wie viel mehr Fragen schießen wohl euren armen Lesern durch die vergoogelten Hirne? Wer kennt die Worte, nennt die Namen?

Obwohl ... es sich hier zweifelsfrei um einen köstlichen Text handelt - witzig, noch dazu in antikisierender Form verfasst (Alexandrinern?)! Die mochte auch Friedrich N. gern, viele andere hingegen verabscheu(t)en sie aus tiefster Dichterbrust.

Ich glaube ihr2 Obengenannten werdet euch noch viel zu sagen haben!

Lächelnde Grüße
Trainee
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Trainee,

besten Dank, ich bin mir aber nicht sicher, ob ich noch in die Kategorie junger Mensch passe (wohl eher nicht mehr ganz).

der junge Mensch kann gar nicht wissen, wer Griechen und Römer sind
er weiß nicht, ob er zu ihrer Erforschung sich eignet.
Nichtwissen ist, gerade bei jungen Menschen, überhaupt nichts Negatives. Ich verstehe die von dir zitierte Stelle eher als eine Einladung herauszufinden, ob es mir Spaß macht, mir dieses Wissen anzueignen. Du schreibst:

Wie viel mehr Fragen schießen wohl euren armen Lesern durch die vergoogelten Hirne? Wer kennt die Worte, nennt die Namen?
Ich finde googeln ist für so etwas eine prima Sache. Früher hätte man bei so etwas tatsächlich in eine Bibliothek rennen müssen. Heute braucht es dreißig Sekunden und man findet eine komplette Textfassung oder eine Kurzfassung. Die entscheidende Frage ist doch eher: Wer will die Worte kennen, wer will die Namen kennen?
Ich frage mich, warum der Erwerb von Wissen, gerade in so einem Bereich, immer als etwas Anstrengendes gesehen wird. Es geht ja nicht darum, wie im Geschichtsunterricht Namen und Daten auswendig zu lernen, um sie dann bei einer Prüfung runterbeten zu können. Hinter einem Namen verbirgt sich, abseits philologischer Spitzfindigkeiten, immer eine Geschichte und die kann durchaus spannend sein. So gesehen könnte es doch auch Spaß machen, abseits des direkten Pfades ein bisschen in Nebensächlichem zu stöbern, um dann wieder auf jenen zurückzukehren. Ist denn nicht gerade Lyrik eine Einladung dazu?

Das Gedicht verzichtet auf ein Versmaß, auch wenn du Recht hast, dass einige Passagen in antikisierender Form geschrieben sind. Ein Versuch das moderne inhaltliche Bild mit dem antiken Vorbild sprachlich zu verschränken.

Beste Grüße und besten Dank für den anregenden Kommentar.

Blumenberg
 



 
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