Pilzkrimi

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Morulf

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Wie Schwester Annemarie Pilze suchte und wozu das führte
(Mit zwei unverzichtbaren Pilzrezepten)​

Als Anna Maria Grossmann, Kampfname Schwester Annemarie, an jenem Montagmorgen ihren Dienst im Transplantationsklinikum rechts der Unstrut antrat, fühlte sie sich durchaus in der Lage, den Herausforderungen der kommenden Arbeitswoche erfolgreich entgegenzutreten.
Dies war auf den Umstand zurückzuführen, dass das Wochenende außerordentlich zufriedenstellend verlaufen war. Sie hatte nämlich in aller Ruhe ihrem Hobby, dem Pilzesuchen, frönen können. Am späten Sonntagmorgen war sie nach einem kräftigen Frühstück bei wunderbarem Herbstwetter mit ihrem kleinen Auto aus dem Städtchen hinaus in ein Gebiet gefahren, das neu für sie war, von dem aber ihr Onkel, ein wahrer Pilz-Aficionado, schon seit längerem geschwärmt hatte. Und in der Tat, bereits nach recht kurzer Zeit war ihr Korb nicht nur mit den üblichen Maronenröhrlingen, Steinpilzen und Pfifferlingen gefüllt, sondern auch mit einem halben Dutzend junger Hexenröhrlinge und – was sie besonders gefreut hatte - mit drei Handvoll glänzend schwarzer Totentrompeten.
Den Blick auf den Waldboden geheftet, war sie dahingeschlendert, und als sie bereits daran dachte, langsam den Rückweg anzutreten, wurde sie unversehens von einem Maschendrahtzaun aufgehalten, der ein Grundstück vom Umfang eines besseren Schrebergartens umschloss. Als sie zwischen den Maschen durchblickte, bemerkte sie einige mannshohe Fichten und eine Art Werkzeugschuppen auf dem Gelände. Genauer gesagt stand sie vor einer Tür im Zaun, die von einem zwischen zwei Stangen befestigten geschweiften Brett überspannt wurde. Anna Maria legte den Kopf in den Nacken, um lesen zu können, was darauf stand.
„Haralds Pilzfarm“ war in großen schwarzen Lettern in das Holz eingebrannt.
„Harald, das bin ich!“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Erschrocken fuhr sie herum. Die Stimme kam von einem dunkelhaarigen jungen Mann mit, wie Anna Maria sogleich bemerkte, sanften braunen Augen unter einem ziemlich wirren Haarschopf.
„Sogar Hexenröhrlinge und Totentrompeten“, bemerkte der junge Mann mit einem anerkennenden Blick auf den wohlgefüllten Korb. „Du scheinst dich auszukennen.“
„Guten Tag“, antwortete Anna Maria weniger schnippisch, als sie es wegen der unerwarteten, vielleicht sogar ungebührlichen Form der Kontaktaufnahme eigentlich für angemessen gehalten hätte. „Ich bin Anna Maria. Und du bist also Harald?“
„Ja, und das ist meine Pilzfarm. Willst du sie mal besichtigen?“
Nun hatte Anna Maria zwar schon viel von der Möglichkeit gehört, Pilze zu züchten und dann bequem in Mengen zu ernten, aber gesehen hatte sie eine solche Anlage noch nicht. Deshalb nahm sie, nach einem prüfenden Blick in sanfte braune Augen, das Angebot an, und als Harald die Tür aufschloss, folgte sie ihm neugierig.
„Naja“, meinte Harald, „Pilzfarm ist vielleicht etwas übertrieben, vorerst züchte ich bloß Stockschwämmchen.“
Stockschwämmchen, das wusste Anna Maria, wuchsen an Baumstämmen und waren ziemlich selten. Normalerweise waren sie nur als Konserven oder tiefgefroren zu bekommen. Frische Pilze aber waren in der gehobenen Küche sehr begehrt und wurden bevorzugt in Suppen verwendet.
„Einen Moment“, fuhr Harald fort, sperrte den Werkzeugschuppen auf und kehrte mit einem Spankorb in der Hand zurück. „Ich bin nämlich zum Ernten gekommen“, erklärte er. „Ich beliefere die ‚Rote Mühle‘, das ist ein Sternelokal an der Landstraße einige Kilometer Richtung Stadt. Ich will die Pilze heute Nachmittag noch vorbeibringen, damit sie schon heute Abend auf die Speisekarte gesetzt werden können. Sie müssen immer ganz frisch sein, und deshalb liefere ich auch jeden Tag und immer nur kleine Mengen.“
Anna Maria nickte. Auf dem Herweg war ihr das prächtige Gasthaus aufgefallen.
Harald führte sie um eine weihnachtsbaumgroße Fichte herum, und dann bot sich Anna Maria ein Anblick, der jedem Pilzfreund das Herz höher schlagen lässt.
Denn vor sich sah sie eine Gruppe von schenkeldicken, etwa einen Meter hohen Baumstämmen, die über und über mit kleinen hellbraunen Pilzhüten von der Größe eines Euro-Stückes bedeckt waren. Staunend stand sie davor
„Das macht wirklich was her“, meinte sie bewundernd. „Und wie funktioniert das?“
Daraufhin kam sie in den Genuss eines ausführlichen Referats über die Zucht von Pilzen im Allgemeinen und die von Stockschwämmchen im Besonderen, das von Impfung mit Pilzbrut, Feuchtigkeitsspeicherung, diversen Holzarten, pH-Werten des Bodens und anderem mehr handelte und mit bemerkenswertem Engagement vorgetragen wurde. Als Harald schließlich geendet hatte, schwirrte ihr der Kopf, und sie merkte, dass es Zeit wurde, den Heimweg anzutreten.
Sie bedankte und verabschiedete sich etwas hastig, allerdings nicht, ohne trotz der Eile anzudeuten, nächste Woche eventuell wieder vorbeizuschauen, worauf Harald darauf bestand, ihre Pilzernte durch eine ordentliche Handvoll Stockschwämmchen zu ergänzen.
Zu Hause angekommen, kämmte sie sich diverse Fichtennadeln und Laubreste aus dem Haar und ließ die Badewanne ein. Dann holte sie ihr Pilzkochbuch aus dem Regal und schlug während eines langen, erholsamen Bades diverse Rezepte für Stockschwämmchensuppe nach. Danach ging sie daran, den Höhepunkt des Tages vorzubereiten, das Abendessen. Es würde zunächst Stockschwämmchensuppe geben, und danach, begleitet von einem herzhaften trockenen Weißwein, Risotto mit Hexenröhrlingen und Totentrompeten.
(Amnerkung für Pilzkenner: Selbstverständlich handelte es sich bei den Hexenröhrlingen um die flockenstielige, und nicht um die netzstielige Variante, da letztere bekanntlich nicht zusammen mit Alkohol genossen werden sollte.)

*​
Nun also, an jenem Montagmorgen, saß Anna Maria im Stationszimmer bei der Übergabe des Dienstes.
Wie erwartet gab es viel zu tun. Bei zwei Patienten stand die Entlassung an, und drei weitere mussten auf Operationen vorbereitet werden. Außerdem war bei mehreren die Medikation geändert worden, sodass sich die Routine beim Tabletten Zusammenstellen und beim Vorbereiten von Infusionen erheblich änderte. Anna Maria war gerade dabei, ihren Anteil am Stationsbetrieb in Gedanken durchzugehen, als ein Wort an ihre Ohren drang, das sie schlagartig aufschrecken ließ: Pilzvergiftung!
Wie sich herausstellte, war gestern am frühen Abend vom Notarzt ein Patient mit Verdacht auf Pilzvergiftung eingeliefert worden. Der Notarzt hatte ein baldiges Leberversagen befürchtet und ihn deswegen gleich beim Transplantationszentrum abgeliefert. Es handelte sich um einen Herrn Meier, und er lag in einem Einzelzimmer auf der Privatstation des Chefarztes, was bedeutete, dass Anna Maria nicht für ihn zuständig war. „Schade“, dachte sie und beschloss, sich diesen Herrn Meier trotzdem gründlich anzusehen. Außerdem wollte sie genau wissen, was hinsichtlich Diagnose und Therapie in den Unterlagen stand.
Drohendes Leberversagen nach Pilzgenuss, das wusste sie, deutete auf den tödlich giftigen Knollenblätterpilz hin, und den Verlauf einer solchen Vergiftung verfolgen zu können, interessierte sie verständlicherweise in höchstem Maße. Schließlich forderte der Pilz nahezu jedes Jahr mehrere Opfer, und erst kürzlich hatten sich über ein Dutzend Flüchtlinge aus Syrien schwere Vergiftungen mit selbst gesammelten Pilzen zugezogen, weil es dort offensichtlich einen essbaren Pilz gibt, der dem Knollenblätterpilz zum Verwechseln ähnlich sieht. Seine Wirkung war bereits in der Antike bekannt, und ziemlich sicheren Quellen zufolge hatte die Kaiserin Agrippina, vierte Frau des römischen Kaisers Claudius, ihr Ehegespons mithilfe einer leckeren Mahlzeit aus Knollenblätterpilzen ins Jenseits befördert, um ihren Sohn Nero an die Macht zu bringen.
Doch Anna Maria fand keine Zeit, sich weiter mit der Angelegenheit zu beschäftigen, denn die Arbeit rief, und das Pflegepersonal schwärmte aus, um seinen diversen Pflichten nachzugehen.

*​

Mittagszeit.
Anna Maria war noch nicht dazu gekommen, sich die Unterlagen von Herrn Meier genauer anzusehen und räumte gerade Tabletts mit leerem Essgeschirr in einen Transportwagen, als sie Harald den Korridor entlang auf sich zukommen sah. Überrascht hielt sie inne, und gleich darauf stand er vor ihr.
„Ja hallo, was machst denn du hier?“, fragte Anna Maria,
„Ja hallo, was machst denn du hier?“, war die Antwort.
„Ich bin hier Krankenschwester.“
„Wirklich? Krankenschwestern habe ich mir immer anders vorgestellt. So feldwebelmäßig, eher kompakt. Nicht so adrett wie du.“
Anna Maria lächelte dermaßen süß, dass ihr der Honig gewissermaßen von den Lippen tropfte. „Na gut“, flötete sie, „dann wollen wir den Feldwebel mal von der Leine lassen: Also hör zu! Wir sind hier auf einer Station mit Schwerstkranken, da kann nicht jeder einfach so einfach rumlaufen. Was willst du also hier? Antworte!“
„Jawoll, Frau Oberschwester!“ sagte Harald, und als er sie dabei unverschämt angrinste, verspürte Anna Maria ein leises, aber dennoch deutliches Kribbeln im Rückgrat.
Doch dann wurde Harald ernst: „Ich will zu einem Herrn Meier. Ich soll ihn nämlich vergiftet haben.“
Anna Maria spürte, dass ihr der Mund offen stand, und nur mühsam gelang es ihr, ihn mit Hilfe eines bewussten Willensaktes wieder zu schließen. Aus diesem Grund klangen auch ihre folgenden Worte etwas undeutlich:
„Waschisch? Wie? Wasch? Wergiftet?“
„Naja, meine Stockschwämmchen sollen es gewesen sein, was aber unmöglich ist, und da hab ich mir gedacht, ich schau‘ mir mein angebliches Opfer mal an.“
Anna Maria schluckte. Unwillkürlich legte sie die Hand auf den Magen.
„Ach du liebes bisschen!“, stieß Harald hervor, als er ihre Geste bemerkte. „Ich hab‘ dir ja welche mitgegeben! Aber keine Angst, da ist nichts! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ehrlich! Ganz bestimmt nicht!
Anna Maria schluckte nochmals und fasste sich.
„Deine Stockschwämmchen? Und ich dachte an Knollenblätterpilze! Aber nun mal langsam! Was ist los?“
„Naja, es gibt da einen gefährlichen Doppelgänger, gleiches Gift wie der Knollenblätterpilz, aber der kann’s nicht gewesen sein, und eine Zweitbesiedlung kann ich auch ausschließen, und es muss eine normale Magenverstimmung sein, oder unter Umständen eine allergische Reaktion, aber die kommt …
„Halt, halt!“, unterbrach ihn Anna Maria. „Das musst du mir in aller Ruhe erzählen. Und außerdem: Zu Herrn Meier kann ich dich nicht so ohne weiteres lassen, der liegt beim Chefarzt. Kennst du die Schöne Helena?“
„Äh, nun ja, schon, aber nicht so direkt, wieso?“
„Das ist ein griechisches Lokal, in dem ich öfter bin. Ich schlage vor, dass wir uns heute Abend dort treffen, dann kannst du mir genau erzählen, was los ist.“
Anna Maria gab Harald die Adresse der „Schönen Helena“ und sah ihm immer noch leicht verblüfft nach, als er den Flur entlang zu den Aufzügen ging.
Schon bald nachdem Harald dieStation verlassen hatte fand Anna Maria Gelegenheit, sich die Unterlagen von Herrn Meier anzusehen.
Der Patient war vom Notarzt direkt in das Transplantationsklinikum verbracht worden, weil der Verdacht auf Leberversagen vorlag. Die Aufnahme erfolgte um 19 Uhr 50 durch den Chefarzt.
Meier war 58 Jahre alt und Eigentümer der „Spielzeugmeierei“, eines mittelständischen Betriebes, der Kinderspielzeug herstellte. Er war Privatpatient mit allen Vergünstigungen.
Nach seinen Angaben hatte er in der „Roten Mühle“ Stockschwämmchensuppe gegessen, und danach war ihm übel geworden. Sein Zustand hatte sich immer mehr verschlechtert, sodass schließlich der Notarzt gerufen wurde.
An Symptomen lagen vor: Erbrechen, Diarrhö, Blutdruckabfall und Pulsanstieg
Als Diagnose war angegeben:
Amanitin-Intoxikation, vermutlich durch den Genuss von Gifthäublingen (galerina marginata).
Gifthäubling! Das musste der Doppelgänger sein, den Harald erwähnt hatte. Gleiches Gift, hatte er gesagt. Und Amanitin war bekanntlich das Gift des Knollenblätterpilzes, der mit wissenschaftlchem Namen Amanita phalloides hieß, Phallusähnlicher Wulstling. Ganz falsch hatte sie demnach mit ihrer Vermutung nicht gelegen.
Als Therapie wurde verordnet:
Regelmäßige Gabe von Aktivkohle sowie Silibinin-Infusionen mit Elektrolyt-Ausgleich – also Leberstärkung durch Medikamente, verbunden mit Flüssigkeitszufuhr wegen der Diarrhö.
Außerdem: tägliche Kontrolle der Blutwerte.
Aus der Anamnese ging weiterhin hervor, dass der Patient schon seit längerer Zeit an einer chronischen Leberzirrhose litt, hervorgerufen durch eine Hepatitis-B-Infektion. Eine Lebertransplantation wurde perspektivisch ins Auge gefasst. Leiden war bereits benachrichtigt.
Nach Beendigung der Lektüre beschloss Anna Maria, ihre Absicht von heute Morgen wahrzumachen und sich Herrn Meier persönlich anzusehen. Sie ging zu ihm ins Zimmer und gab vor, die Durchlaufgeschwindigkeit der Infusion zu kontrollieren. Meier war wach, und als sie ihn fragte, ob er Schmerzen oder sonstige Beschwerden habe, veneinte er. Er wirkte voll orientiert, und die Übelkeit war offensichtlich auch abgeklungen. All dies überraschte Anna Maria keinewegs, denn wie sie wusste, kam es bei Amanitin-Intoxikationen meistens zunächst zu einer scheinbaren Besserung, und tatsächlich waren Patienten deswegen schon irrtümlich entlassen worden. Ihre volle Wirksamkeit entfalteten solche Vergiftungen aber erst nach zwei bis drei Tagen, dann wurde die Leber zersetzt.

*​

„Also hör zu!“, sage Harald. Die beiden saßen in der „Schönen Helena“, und jeder hatte ein Glas Landwein vor sich.
„Jawoll, Herr Oberpilzfarmer“, antwortete Anna Maria und versuchte sich an einem unverschämten Grinsen, worauf Harald einen ordentlichen Schluck nahm, bevor er berichtete, wie er in den Verdacht geraten war, giftige Pilze zu liefern.
„Der Wirt der ‚Roten Mühle‘ ruft mich an“, begann er, „und bevor ich ein Wort sagen kann, legt er schon los. Ich hätte seine Gäste vergiftet, und er könnte seinen Laden zusperren, und er würde mich verklagen usw. usw. Ich war erst mal völlig baff, habe dann aber herausgebracht, dass euer Meier Stammgast bei ihm ist und eine Stockschwämmchensuppe gegessen hat. Kaum hatte er sie ausgelöffelt, ist ihm so schlecht geworden, dass sie den Notarzt rufen mussten, und der hat ihn dann abtransportieren lassen.
Ich habe versucht, dem Wirt zu erklären, dass Stockschwämmchen in keinster Weise giftig sind, und dass es sich nur um eine Magenverstimmung handeln kann, die der Meier schon mitgebracht hat, weil die Pilze ja ganz frisch waren. Allerhöchstens käme noch eine allergische Reaktion in Frage, manche Leute reagieren schließlich auch allergisch auf Erdbeeren. Aber er bestand darauf, meine Giftpilze seien Schuld und legte auf.“
Harald schnaubte empört und nahm erneut einen kräftigen Schluck.
„Aber“, gestand er dann, „einen gelinden Schrecken hat er mir schon eingejagt. Es gibt da nämlich diesen Gifthäubling. Er wächst ebenso auf Baumstämmen, hat das gleiche Gift wie der bekannte Knollenblätterpilz, und man kann ihn nur am Stiel unterscheiden – vorausgesetzt man weiß genau Bescheid. Es kommt immer wieder zu Vergiftungen bei unvorsichtigen Pilzfreunden, und deshalb wird Hobbysammlern geraten, sich Stockschwämmchen lieber als Zuchtpilze zu besorgen. Was den Gifthäubling aber ganz besonders gefährlich macht, ist die Tatsache, dass er sogar zusammen mit Stockschwämmchen auf demselben Baumstamm vorkommen kann, in trauter Eintracht sozusagen!“
„Na sauber“, warf Anna Maria ein, „da säbelt der Pilzfreund frohen Mutes seine Stockschwämmchen ab, und dazwischen ist immer mal wieder so ein Giftling!“
„Eben! Und deswegen bin ich gleich mit der Taschenlampe in der Hand zur Farm gerast um nachzusehen. Zwar ist so eine Zweitbesiedlung äußerst selten, aber theoretisch hätten sich auf meinen Stämmen ja Gifthäublinge ansiedeln können, die rein zufällig irgendwo in der Umgebung vorkommen. Und ich denk‘ an nichts Böses und ernte sie in aller Unschuld mit!
„Das Problem kenne ich“, sagte Anna Maria. „Wenn wir in der Pflege Infusionen vorbereiten, besteht auch Verwechslungsgefahr, weil sich die Flaschen manchmal recht ähnlich sehen. Da muss man die Vorschriften genau beachten und höllisch aufpassen. Aber hast du was gefunden?“
„Natürlich nicht! Alles in Ordnung! Weit und breit kein Gifthäubling! Doch jetzt erzähl du mal.“
„Also hör…“, setzte Anna Maria an. aber noch bevor sie zu Ende gesprochen hatte, war bereits das „Jawoll Frau Oberschwester!“ da, begleitet von einem Grinsen, dessen Unverschämtheit das ihre von vorhin bei weitem in den Schatten stellte.
Auch Anna Maria gönnte sich einen kräftigen Schluck, und dann berichtete sie in allgemeinverständlichen Worten, was aus den Unterlagen von Herrn Meier zu entnehmen war. Auch die Funktion von Eurotransplant in Leiden als das europäische Zentrum für die Verteilung von Spenderorganen erläuterte sie. So etwas wie Verschwiegenheitspflicht blendete sie dabei als nicht zielführend aus.
„Wie es aussieht, ist Meier tatsächlich mit Gifthäublingen vergiftet worden“, sagte Harald nachdenklich, als Anna Maria geendet hatte. „Aber wie?“, fuhr er fort. „War es der Koch? Doch was sollte der für einen Grund haben? Stellt der Meier am Ende als Spielzeug getarnte Waffen her? Die Plastik-Maschinenpistole ist gar nicht aus Plastik, funktioniert aber trotzdem nicht richtig, und deswegen hat ihm jemand im Vorbeigehen unbemerkt Gifthäublinge ins Süppchen gestreut. Ich glaube, so etwas wäre nicht mal dem KGB oder der CIA eingefallen. Und außerdem, wenn es die gewesen wären, wäre der gute Meier sicher nicht mehr am Leben, die hätten eine hinreichende Dosis verabreicht. Das Einzige, was herausgekommen ist: seine Leber ist jetzt noch kaputter als vorher.“
Anna Maria richtete sich plötzlich auf. „Und wenn er es selber war?“
„Selbstmordversuch meinst du?“
„Das nicht, aber du hast ja gerade gesagt, was herausgekommen ist. Nämlich, dass seine Leber noch mehr kaputt ist. Das bedeutet aber, dass er auf der Dringlichkeitsliste für Lebertransplantationen nach oben rutscht.“
„Tatsächlich?“
„Aber sicher! Sowas könnte ihm das Leben retten!“
„Ach, ich weiß nicht… Da wäre er ein enormes Risiko eingegangen! Er müsste schon genau wissen, wie der Gifthäubling wirkt, und das ist meines Wissens noch gar nicht präzise erforscht. Es gibt ja verständlicherweise recht wenig Fälle. Als tödlich gilt bei Erwachsenen eine Dosis von 80 bis 120 Gramm Frischpilz, und da die richtige Menge hinzubekommen, noch dazu, wenn die Leber sowieso schon kaputt ist … Dazu kommt noch, dass der Pilz je nach Standort einen unterschiedlichen Giftgehalt aufweisen kann.“
„Manche Menschen sind sehr tapfer und ertragen ihr Schicksal mit Würde“, meinte Anna Maria. „Ich denke da an eine Patientin auf unserer Station, ich nenne sie mal Frau Schmidt, die momentan an erster Stelle auf der Dringlichkeitsliste steht. Zweiundvierzig Jahre, Mann und zwei Kinder, und wenn da in den nächsten drei Wochen nichts aus Leiden kommt, sieht es ganz bitter für sie aus. Andere Patienten aber fallen in tiefste Verzweiflung und greifen nach jedem Strohhalm. Sie würden jedes Wagnis zur Erhöhung ihrer Chancen eingehen, vielleicht auch eine Selbstvergiftung.“
„Da ist sicher was dran, aber mit dem Gifthäubling? Das liegt ja nicht gerade auf der Hand. Wer kennt den schon? Apropos Gifthäubling, sag mal, wie ist dein Chef eigentlich auf den Pilz gekommen? Wenn ich dich richtig verstanden habe, hat er ja die Diagnose gestellt. Kennt er sich mit Pilzen aus?“
„Nicht dass ich wüsste. Aber du hast recht, wie kam diese Diagnose zustande?“
„Wahrscheinlich haben sie den Giftnotruf kontaktiert“, sagte Harald, „das ist bei Pilzvergiftungen die normale Routine.“
„Möglich. Aber davon steht nichts in den Unterlagen.“
Die beiden diskutierten noch eine Weile hin und her, und schließlich wurde vereinbart, dass Anna Maria nachforschen sollte, wie die Aufnahme von Herrn Meier genau vor sich gegangen war, besonders was die Diagnose betraf, während Harald noch einmal mit dem Wirt der „Roten Mühle“ reden sollte. Vielleicht hatte der sich inzwischen etwas beruhigt, und es war ihm etwas aufgefallen, wenn die Möglichkeit einer Selbstvergiftung ins Spiel gebracht wurde. Morgen Abend wollten sie sich wieder in der „Schönen Helena“ treffen, um das Ergebnis ihrer Nachforschungen zu besprechen, und als sie sich voneinander verabschiedeten, hatte Anna Maria, obwohl keine greifbaren Resultate zustande gekommen waren, das Gefühl, schon lange keinen derartig anregenden Abend mehr verlebt zu haben.

*​

Anna Maria öffnete den Mund. Harald ebenfalls. Anna Maria sagte „Also hör…“ Harald ebenfalls. Anna Maria prustete los. Harald ebenfalls.
Diese Kommunikationssequenz ereignete sich am Anfang ihres Treffens am folgenden Abend, genauer gesagt in dem Augenblick, als beide gleichzeitig und voller Eifer beginnen wollten, von ihren Nachforschungen zu berichten.
Nachdem sie ihre Gesichtszüge wieder in Ordnung gebracht hatten, sagte Anna Maria:
„Heute Nachmittag bin ich aufs Klo gegangen.“
„So so!“, anwortete Harald und presste sich die Hand auf den Mund, um nicht erneut loszuprusten.
„Also eigentlich nicht direkt“, versuchte Anna Maria zu retten, was nicht zu retten war, worauf Harald gequetscht- glucksende Geräusche von sich gab.
Doch Anna Maria setzte einen gestrengen Oberschwesternblick auf, was Harald dazu brachte, sich augenblicklich zu beruhigen. Dann fuhr sie fort:
„Ich hab‘ nachgeprüft, ob ich allein bin, denn schließich sollte mein Telefongespräch niemand mitbekommen, und dann hab ich mich in eine Kabine gesetzt und mit meinem Handy eine Kollegin angerufen, die Dienst hatte, als Meier eingeliefert wurde.“
„Ich denke, Handys sind im Krankenhaus verboten“, warf Harald ein.
„Ja, schon, aber natürlich hält sich keiner dran. Jedenfalls hat mir die Kollegin bereitwillig erzählt, wie das mit Meier abgelaufen ist. Er ist im Liegen eingeliefert worden, mit einer kleinen Plastiktüte auf dem Bauch. Er habe Suppe mit irgendeinem Stockpilz (so hat sich die Kollegin ausgedrückt) gegessen, hat er gesagt, und in der Tüte seien die übrigen Giftlinge. Als der Chef mitgekriegt hat, dass ein Verdacht auf Pilzvergiftung besteht, hat er gemeint, dass er sich persönlich um diesen interessanten Fall kümmern will, so etwas sei ihm in seiner langen Karriere noch nicht untergekommen. Soviel er aber wisse, müsse man sich in solchen Fällen mit dem Giftnotruf in Verbindung setzen, und er ist in sein Büro gegangen, um zu telefonieren. Nach ein paar Minuten ist er wiedergekommen und hat gesagt, er sei mit einem Pilzexperten verbunden worden, und der hätte bei der Erwähnung dieser Suppe sofort auf einen Doppelgänger von diesem Stockpilz getippt und als Therapie die gleiche Prozedur wie bei einer anderen Pilzvergiftung durch irgendeinen Knollenpilz (so hat sich die Kollegin ausgedrückt) empfohlen. Dann hat der Chef eine ausführliche Anamnese gemacht, nach Vorerkrankungen und so weiter gefragt und die Therapie festgelegt. Die Pilze in der Plastiktüte hat er an sich genommen und sichergestellt. Damit nichts damit passiert, wie er sagte. Das war alles.“
„Was hältst du davon“, fragte Harald, „ist alles normal abgelaufen?“
„Es sieht so aus, wenn man einmal von der exklusiven Chefarztbehandlung absieht. Aber erstens ist Meier ja wirklich ein hochkarätiger Privatpatient, und zweitens ohne Zweifel ein interessanter Fall. Anamnese, Diagnose, Therapie, so läuft es gewöhnlich.“
„Eines wird aber immerhin klar“, sagte Harald, „nämlich, wie die Diagnose zustande kam. Anscheinend hat dein Chef tatsächlich den Giftnotruf eingeschaltet. Aber vielleicht ist es besser, wenn erst mal ich erzähle, was ich herausgefunden habe, bevor wir weiter spekulieren.
Anna Maria stimmte zu, und er begann:
„Ich hab‘ den Wirt angerufen und ihm zugeredet wie einem kranken Gaul, und als ich ihm geschworen hatte, dass es sich um Zuchtpilze handelte, ist auch ein Missverständnis herausgekommen. Er hat nämlich gemeint, ich stiefele durch den Wald und säble die Stockschwämmchen sozusagen in freier Wildbahn ab, wobei es zu Verwechslungen gekommen ist. Am Ende hat er dann eingewilligt, mich anzuhören, und ich hab‘ folgendes erfahren: Die ‚Rote Mühle‘ macht um 6 Uhr abends auf, und Meier kam gleich danach. Er war der erste und auch der einzige Gast. Das Geschäft geht erst gegen 7 Uhr los. Er hat die ominöse Suppe bestellt, als Hauptgang übrigens Waller im Wurzelsud und zum Nachtisch Kaiserschmarrn. Dann hat er das Süppchen gelöffelt, den Waller und den Kaiserschmarrn verspeist und danach zu jammern angefangen.“
„Naja, wenigstens war die Mahlzeit leberschonend“, warf Anna Maria ein.
„Ohne Zweifel, aber als der Wirt dieses Menü erwähnte, ist mir eine Unstimmigkeit wieder in den Sinn gekommen, die mir in der ganzen Aufregung wieder entfallen war: Amanitin-Vergiftungen wirken normalerweise nicht auf der Stelle, es dauert einige Zeit, bis Symptome auftreten. Und zuerst hatte der Wirt ja behauptet, dass Meier sofort nach dem Süppchen gejammert hat. Aber wie es jetzt aussieht, ist doch eine gewisse Zeit bis zur Wirkung vergangen. Und außerdem weiß ich jetzt, dass er schwer lebergeschädigt ist.“
„Genau“, ergänzte Anna Maria, „da geht es sicher erheblich schneller!“
„Jedenfalls ist der Notarzt gekommen, und als der Meier abtransportiert werden sollte, hat er noch angeregt, die restlichen Pilze aus der Küche zu holen und mitzunehmen.
Was die Selbstvergiftung angeht, hat der Wirt, obwohl er Meier selbst bediente, nichts Auffälliges bemerkt, aber er stand natürlich nicht immer neben ihm. Doch unzweifelhaft ist, dass Meier der einzige Gast war, und deswegen kann ihm auch niemand was ins Süppchen praktiziert haben.“
„Also bleibt das alte Problem“, sagte Anna Maria. „Wie kam das Gift in Meier hinein? Er muss es ganz einfach selbst genommen haben, auch wenn der Wirt nichts gemerkt hat.“
„Ich schlage vor, wir lassen das mal beiseite. Mir kommt da ein anderer Gedanke. Deine Kollegin hat erzählt, dass euer Chefarzt den Meier sofort unter seine Fittiche genommen und ihn isoliert hat, und du hast gesagt, dass das doch irgendwie auffällig war. Außerdem haben wir gestern darüber gesprochen, wie gefährlich es wäre, wenn der Meier sich auf eigenes Risiko hin vergiftet hätte. Kannst du dir vorstellen, dass man das sozusagen unter ärztlicher Aufsicht macht, um auf dieser Dringlichkeitsliste nach oben zu rutschen? Da fällt mir ein: ist es da nicht erst kürzlich zu Betrügereien gekommen, was diese Liste angeht? Das hab‘ ich jedenfalls in der Zeitung gelesen.“
„Stimmt. Da haben Ärzte Unterlagen gefälscht und bestimmte Patienten bevorzugt. Manche haben sogar Geld dafür genommen, und das nicht zu knapp. Deshalb werden jetzt strenge Kontrollen durchgeführt.“
Anna Maria unterbrach sich.
„Trotzdem, da könnte was dran sein!“, fuhr sie aufgeregt fort. „Wenn jetzt bei einem Patienten plötzlich eine Verschlechterung eintritt und eine Transplantation dringend erforderlich wird, dann wird natürlich ganz genau kontrolliert, ob es damit seine Richtigkeit hat. Aber wenn eine Pilzvergiftung der Grund dafür ist, dann ist die Sache ja klar. Da schaut keiner mehr genau nach.“
„Und die Vergiftung unter ärztliche Aufsicht“?
„Auch das könnte ich mir vorstellen“, meinte Ana Maria. „Eine bekannte Dosis Gift, ständige Kontrolle der Blutwerte und Verabreichung leberstabilisierender Medikamente, sodass die Schädigung gerade groß genug ist. Aber dann müssten unser Chefarzt und der Meier ein richtiges Komplott geschmiedet haben.“
„Was ist euer Chef denn für einer?“, fragte Harald. „Beschreib ihn doch mal.“
„Naja, er ist noch nicht lange bei uns, ein sogenannter Quereinsteiger. Unser alter Chef ist vor einem halben Jahr in Pension gegangen, was alle schade gefunden haben, richtig traurig hat uns das gestimmt! Das war ein Arzt, sag ich dir, da kann man bloß davon träumen! Wir haben ihn geliebt, und…“
„Entschuldige, wenn ich dich unterbreche“, sagte Harald, „aber du wolltest von dem Neuen erzählen.“
„Du hast ja recht“, meinte Anna Maria und schüttelte den Kopf, als wolle sie ihn wieder klar bekommen. „Aber wenn ich an unseren alten Chef denke, gerate ich immer ins Schwärmen. Doch zu dem Neuen: Er ist ohne Zweifel eine Koryphäe auf seinem Gebiet, also Organtransplantationen, besonders Leberverpflanzungen. Manche von uns meinen jedoch, sie hätten das Gefühl, als ob die Patienten für ihn eine bloße, wenn auch außerordentlich interessante Ansammlung von biochemischen Vorgängen seien.“
„Hm..., was Besonderes fällt mir da nicht auf. Aber gehen wir doch mal davon aus, dass es sich tatsächlich um ein Komplott handelt. Wie könnte das denn aussehen?“
Anna Marias Blick wendete sich nach innen, so, als ob sie ein Geschehen vor ihrem geistigen Auge ablaufen ließe.
„Also gut! Irgendwie besorgt sich Meier Gifthäublinge. Um die Vergiftung plausibel zu machen und als Unglücksfall darzustellen, isst er außer den Pilzen noch diese Suppe.“
„Die Suppe!“, warf Harald ein. „Er hat es so eingerichtet, dass er der einzige Gast war. Niemand außer ihm hat Stockschwämmchensuppe gegessen, und deshalb konnte er sie für die Vergiftung verantwortlich machen. Wäre sie auch an einem anderen Tisch serviert worden, hätte das seinen Plan zunichte gemacht. Aber allzu schlimm wäre auch das nicht gewesen, denn er hätte eine solche Bestellung ganz sicher mitbekommen, und dann wäre er eben an einem anderen Tag wieder erschienen und hätte einen neuen Versuch gestartet.“
„Genau! Aber wenn es klappte, konnte er sozusagen beruhigt auf die Symptome warten. Die treten ein, und der Notarzt kommt und nimmt ihn mit – na klar – wenn der auch nur einigermaßen auf Draht ist, steuert er gleich die günstig gelegene Spezialklinik an und liefert Meier bei uns ab. Und selbst wenn er ihn in ein anderes Krankenhaus hätte bringen lassen, hätten die ihn bei der Sachlage sofort zu uns weitergeleitet. Der Chef persönlich nimmt Meier in Empfang und legt ihn zu sich auf die Privatstation. So weit so gut. Aber ein Problem bleibt trotzdem, auch wenn wir es vorhin beiseitegeschoben haben! Wie kommt Meier denn an Gifthäublinge? Geht er heimlich auf die Suche, oder lässt er suchen? Oder stiefelt mein Chef im Wald herum, auf der Suche nach dem Giftpilz? Woher wissen die beiden überhaupt, dass es ihn gibt?“
„Du, da kommt mir ein Gedanke! Die brauchen überhaupt keine Häublinge. Schließlich hat unser Häubling das gleiche Gift wie der Knollenblätterpilz. Ein einfacher Knolli genügt! Der ist bekannt und kommt auch ziemlich häufig vor.“
„Und nicht einmal das!“, führte Anna Maria den Gedanken fort, „Das Gift ist das weithin bekannte Amanitin, und möglicherweise gibt es das auch synthetisch oder als Präparat. Dann könnte man es genau dosieren, und als Chefarzt kann man sich das sicher unauffällig besorgen.“
Anna Maria lehnte sich zurück. „Das klingt alles recht abenteuerlich, aber irgendwie passt es zusammen. Nur, was machen wir jetzt?“
„Überlegen wir mal. Wenn tatsächlich ein Komplott existiert, müssen dein Chef und der Meier sich kennen. Und außerdem müsste Amanitin als Präparat verfügbar sein. Kannst du das nachprüfen?.
„Ich denke schon. Aber wie bringen wir heraus, ob die beiden sich kennen?“
„Da hab‘ ich eine Idee! Heutzutage haben doch Hinz und Kunz und Kreti und Pleti eine eigene Homepage, wo stolz jeder Furz präsentiert wird, den die Betreffenden für wichtig halten. Ich werde mal das Internet anwerfen, vielleicht finde ich was.“
„So machen wir’s!“, sagte Anna Maria und leerte ihr Glas. Harald tat desgleichen und bestellte noch zwei Landwein - und diesmal hatte Anna Maria bereits bevor sie sich voneinander verabschiedeten das Gefühl, einen außerordentlich anregenden Abernd zu verleben,

*​

Am nächsten Tag verschlechterte sich Herrn Meiers Gesundheitszustand dramatisch. Der Chefarzt war nahezu ständig bei ihm, und als es Anna Maria am späten Nachmittag gelang, einen Blick in die Unterlagen zu werfen, konnte sie feststellen, dass die kritischen Blutwerte extrem erhöht waren und der Quick-Wert als Maß für die Funktionsfähigkeit der Leber völlig aus dem Ruder gelaufen war.
Außerdem fand sie folgende Eintragungen:
Phalloides-Syndrom Schweregrad 4.
MELD-Score 30.
Weiter ging aus den Aufzeichnungen hervor, dass der Chef eine Lebertransplantation für dringend erforderlich hielt und Leiden entsprechend informiert hatte.
Den MELD-Score kannte Anna Maria. Ein Wert von 30 bedeutete, dass Meier nur noch eine Chance von rund 40% hatte, die nächsten drei Monate zu überleben.
Was es jedoch mit dem Phalloides-Syndrom auf sich hatte, war ihr fremd. Sicher hatte die Bezeichnung etwas mit dem Knollenblätterpilz zu tun, denn der hieß wissenschaftlich schließlich Amanita phalloides. Anna Maria ging zum Computer und loggte sich in eine medizinisch orientierte Suchmaschine ein. Schnell hatte sie herausgefunden, dass „Phalloides Syndrom“ eine Bezeichnung für die Kollenblätterpilzvergiftung war, und bei einem Schweregerad 4 war die Leber bereits stark zersetzt.
Wenn das von ihr und Harald vermutete Komplott tatsächlich existierte, hatte es seinen Zweck erreicht, denn Meier war an Frau Schmidt vorbei an die erste Stelle der Dringlichkeitsliste gerückt - allerdings mit erheblichem Risiko, denn ob der kritische Zustand Meiers so lange stabil gehalten werden konnte, bis Leiden eine geeignete Leber schickte, schien Anna Maria durchaus fraglich.
Deshalb ließ sie die Suchmaschine gleich offen und forschte nach, ob Amanitin als exakt dosierbares Präparat existierte.
Als sie in die „Schöne Helena“ kam, war Harald schon da, und bereits aus seiner Miene konnte sie entnehmen, dass er etwas Wichtiges herausgefunden hatte.
„Sie kennen sich!“, sagt er anstatt einer Begrüßung.
„Du hast zwar das ‚Also hör zu!‘ vergessen“, antwortete Anna Maria und setzte sich. „Aber ich hör dir trotzdem zu.“
„Sie kennen sich“, wiederholte Harald. „Und zwar vom Lions Club her.“
„Aha! Ist das ein Fußballverein?“
„Nein, nein! Der Lions Club ist eine durchaus ehrenwerte Gesellschaft, mit dem ‚ehrenwert‘ ohne Anführungszeichen. Der Chef meiner Mutter war auch drin, daher kenne ich den Verein. Es ist eine Vereinigung einflussreicher und begüterter Herrschaften die sich Wohltätigkeit auf die Fahnen geschrieben haben und außerdem die Verpflichtung eingegangen sind, sich gegenseitig zu unterstützen, falls ein Mitglied in Not gerät. Aber jetzt zu deinem Chef: Auf seiner Homepage wird sein Engagement für edle Zwecke herausgestellt, und da steht eben auch, dass er Mitglied im Lions Club ist! Und Meier ist auch drin.“
„Also doch ein Komplott!“
„Bestimmt! Vielleicht ist auch die falsch verstandene Verpflichtung dabei, einem kranken Clubmitglied zu helfen, aber jedenfalls sieht es so aus, als ob sich der Meier unter Aufsicht deines Chefs selbst vergiftet hätte.
Doch da war noch was: Dein Chef ist auch förderndes Mitglied der Naturhistorischen Gesellschaft. Sowas macht schließlich ebenfalls Eindruck, man will ja etwas für die Umwelt tun! Heute Nachmittag bin ich ...“, fuhr er fort, wurde aber durch ein süffisantes „So so!“ von Anna Maria unterbrochen.
„Heute Nachmittag bin ich also“, ließ Harald sich nicht beirren, „in die Stadtbücherei gegangen. Bloß so, auf Verdacht, und siehe da...!“ Mit diesen Worten griff er neben sich auf die Sitzbank, holte eine Zeitschrift hervor und warf sie auf den Tisch.
„Neues vom Gifthäubling“ prangte als Schlagzeile auf dem Titelblatt. Unterlegt war die Schrift mit der Fotografie eines Baumstammes, der über und über mit kleinen braunen Pilzhüten bedeckt war. Das Foto hätte durchaus aus Haralds Pilzfarm stammen könne
„Das ist die Zeitschrift der Naturhistorischen Gesellschaft“, erläuterte er. „Ich hab mir gedacht, ich schau mal nach, was die so schreiben, und in der Stadtbücherei haben sie natürlich die Publikationen der NHG. Die Zeitschrift erscheint monatlich, dieses Heft ist vor drei Monaten erschienen, und ich hab es mir ausgeliehen. Als förderndes Mitglied kriegt dein Chef die Hefte selbstverständlich regelmäßig zugestellt.
Anna Maria nahm das Heft zur Hand und betrachtete das Titelblatt nachdenklich. „Das ist es!“, sagte sie. „Damit wäre geklärt, wie die beiden auf den Gifthäubling kommen konnten.“
„Allerdings, das scheint mir auch so. Doch nun zu dir. Hast du etwas über Amanitin als Präparat herausgefunden?“
„Teilweise. Amanitin kann tatsächlich gezielt eingesetzt werden, allerdings nur bei Mäusen mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es ist so präpariert, dass es nur die Krebszellen angreift und sonst nichts. Das ergibt aber bei Meier keinen Sinn.“
Dann berichtete Anna Maria von der dramatischen Entwicklung, was Meiers Gesundheitszustand betraf.
„Also doch Gifthäublinge!“, sagte Harald. „Es ist zum Verzweifeln!“
„Aber woher hat er sie bloß?“
Dann folgte Schweigen, denn keinem der beiden fiel mehr irgendetwas Vernünftiges ein, und auch das in ihren Köpfen herumspukende Unvernünftige, völlig Abstruse und Abwegige, nahm niemals soweit Form an, dass es als Beitrag zur Lösung des Problems hätte in Worte gefasst und verstanden werden können.
„Leer!“, sagte Harald schließlich und blickte betrübt auf sein Weinglas nieder. Mit einem „Nix drin!“ bekräftigte er diese profunde Feststellung.
„Leer!“, pflichtete ihm Anna Maria mit Blick auf ihr Glas bei.
„Leer! Nix drin!“, sagte Harald plötzlich mit deutlich erhobener Stimme.
„Ich komm‘ ja schon!“, antwortete die Bedienung.
„Ich glaub‘ ich hab’s!“, rief Harald und lenkte mit dieser Äußerung endgültig die Aufmerksamkeit des Lokals auf sich.
„Gratuliere!“, ertönte eine Stimme aus der Gästeschar.
Verlegen blickte Harald um sich, senkte den leicht erröteten Kopf und wandte sich wieder Anna Maria zu.
„Nix drin! Du, ich glaub‘ ich hab‘s wirklich! Leer! Was ist, wenn Meier leer ist, wenn er gar kein Gift intus hat? Wenn alles bloß geschauspielert ist? Könnte das gehen?“
Anna Maria richtete sich kerzengerade auf.
„Wir haben doch darüber gesprochen“, fuhr Harald fort, „dass es in letzter Zeit in Zusammenhang mit dieser Dringlichkeitsliste zu massiven Fälschungen gekommen ist, und…“
„Und wenn kein Gift da ist,“ unterbrach ihn Anna Maria, „wäre das ganze Problem mit Überwachung und Risiko bei einer echten Vergiftung erledigt. Einen Moment, lass mich mal nachdenken!“
Sie lehnte sich zurück und runzelte die Stirn.
„Wie könnte das laufen?“, fragte sich sie selbst und antwortete gleich darauf:
„Die Blutwerte müssten gefälscht werden. Als Chefarzt kein Problem, das ist durch die bisher bekannten Fälle klar geworden. Dann müsste Meier sozusagen geschult werden, damit er sich über die richtigen Symptome beklagt. Auch nicht kompliziert. Aber Symptome wie erhöhter Blutdruck und erhöhter Puls müssten wirklich vorhanden sein, schließlich misst und dokumentiert das Personal diese Werte. Doch mit geeigneten Mittelchen lässt sich das ganz leicht gefahrlos erzeugen. Das gleiche gilt für Durchfall. Außerdem braucht Meier ja nur zu behaupten, er hätte einen solchen. Es ist ja niemand dabei, wenn er auf dem Klo sitzt. Was die Medikation angeht, Aktivkohle schadet nicht, und Silibinin-Infusionen werden bei Leberschäden sowieso verordnet. Und weiter … und weiter fällt mir medizinisch gesehen eigentlich keine Klippe mehr ein, die umschifft werden müsste.“
„Gehen wir die Sache doch einmal von Anfang an durch“, sagte Harald.
„Warum der Meier so früh im Lokal war, haben wir bereits geklärt; er speist also und beginnt zu jammern. Bevor er abtransportiert wird, regt er so nebenher an,die nicht verwendeten Pilze mitzunehmen, sonst hätten sie ja im Nachhinein untersucht werden können.“
„Das passt! Mein Chef hat sie dann sichergestellt, selbstverständlich nur, um Schlimmeres zu verhüten.“
„Aber eines passt trotzdem nicht. Dein Chef setzt sich mit dem Giftnotruf in Verbindung, da hätte das Komplott doch leicht auffliegen können. Beispielsweise hätten die einen Pilzexperten vorbeischicken können, und der hätte nichts Giftiges gefunden.“
„Ja, das stimmt. Aber die Kontaktaufnahme mit dem Giftnotruf ist, wie du schon gesagt hast, Routine bei Verdacht auf Pilzvergiftung. Der Chef war gewissermaßen verpflichtet, dort anzurufen, und es hätte schon sehr seltsam gewirkt, hätte er es nicht getan.“
„Moment mal! Wie war das mit dem Giftnotruf? Was hat deine Kollegin darüber gesagt, als du sie angerufen hast?“
„Dass der Chef in sein Büro gegangen ist … natürlich! Der hat überhaupt nicht angerufen!“
„Puh!“, schnaufte Harald, „das wird ja immer raffinierter!“
„Allerdings, aber das Wichtigste fehlt noch. Wenn alles so abgelaufen ist, wie wir vermuten, dann müsste der Meier mopsfidel in seinem Bett liegen und sich eins Grinsen. Naja, mopsfidel ist vielleicht übertrieben, denn eine dicke Leberzirrhose hat er ja immer noch, aber auf alle Fälle kann nicht die Rede sein von Phalloides-Syndrom Stufe vier und einem MELD-Score von 30!“
„Von was?“
„Da erkläre ich dir später, vorerst aber lass mich den Plan beschreiben, der mir gerade eingefallen ist. Wir müssen uns schließlich überlegen, wie wir das alles beweisen wollen, was wir gerade zusammenspekuliert haben.“
„Allerdings! Schieß los!“
„Also erstens könnte ich mir vorstellen, dass ein gewisser Pfleger Harald vom Transplantationsklinikum rechts der Unstrut beim Giftnotruf anruft und darum bittet, mit dem Pilzexperten verbunden zu werden, der am vergangenen Sonntagabend um Auskunft wegen einer Stockschwämmchensuppe gebeten wurde. Es hätten sich da noch einige Unklarheiten ergeben usw. usw. Zweitens könnte ich mir vorstellen, dass eine gewisse Schwester Annemarie ganz unschuldig zum Patienten Meier geht und ihn herzlich um Entschuldigung dafür bittet, dass es leider notwendig geworden sei, noch einmal Blut abzunehmen. Und dass besagte Schwester die Blutprobe unter einem Phantasienamen ganz normal ins Labor gibt und dann den Ausdruck mit den Werten an sich nimmt. Morgen Abend treffen wir uns dann wieder hier. Was hältst du davon?“
„Genial! Das ist ja sowas von Plan! Aber auf zwei Dinge möchte ich im Vorfeld seiner Verwirklichung keinesfalls verzichten“, meinte Harald und grinste mit einer Unverschämtheit, die Anna Maria echte Bewunderung abnötigte. „Nämlich auf ein wohlgefülltes Glas Landwein und auf den sanften Klang deiner Stimme, wenn du mir erklärst, was es mit diesem Mehl-Score und insbesondere mit diesem Phallussyndrom auf sich hat.“

*​

„Ich kann’s kurz machen“, sagte Harald, als sie am folgenden Abend wieder in der „Schönen Helena“ saßen. „Der Giftnotruf weiß von nichts, und der zuständige Experte ist eine Expertin, nämlich die Vorsitzende des örtlichen Vereins für Pilzkunde. Die habe ich auch angerufen, und sie weiß auch von nichts.“
„So etwas habe ich erwartet, und ich mach’s auch kurz“, entgegnete Anna Maria und zog ein Blatt Papier aus ihrer Handtasche. Es war mit Buchstabenkombinationen und Zahlen bedeckt, und manche Stellen waren gelb oder rot unterlegt. „Das sind die Blutwerte unseres Herrn Meier. Die farbig unterlegten Stellen weisen auf problematische bis gefährliche Werte hin, aber insgesamt gesehen entspricht das Blutbild zwar dem eines schwer Leberkranken, doch ist der Zustand bei weitem nicht so kritisch, dass eine Transplantation unumgänglich wäre. Damit wäre unser Fall gelöst.“
„Das denke ich auch“, sagte Harald. „Doch was machen wir jetzt? Da sitzen wir stolz auf unseren schönen Untersuchungsergebnissen, aber irgendwie schauen wir doch ziemlich dumm drein. Sollen wir zur Polizei gehen? Doch wenn du mit deinem Blutbild kommst und ich mit meinen gefährlichen Doppelgängern des Stockschwämmchens, den Gifthäublingen, die allerdings in diesem Fall gar nicht existieren … ich weiß nicht, ich glaube nicht, dass da viel herauskommt.“
„Da hast du wahrscheinlich recht“, stimmte Anna Maria zu. „Ich könnte zur Pflegedienstleitung gehen, aber wenn da so ein kleines Schwesterchen daherkommt und eine Koryphäe von Chefarzt anschwärzt ... “
Nachdenklich nahm sie einen Schluck Wein, doch plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf.
„Mir ist was eingefallen! Ich gehe morgen zum alten Chef! Der hört mich bestimmt an, und den kann ich auch fragen, was wir machen sollen.“
Zwei Tage später erschien der ehemalige Chefarzt auf Anna Marias Station und sagte ganz unschuldig, er wolle sich nur einmal erkundigen, wie der Betrieb so laufe. Außerdem habe er von einem hochinteressanten Patienten mit Pilzvergiftung gehört, und den wolle er sich unbedingt einmal genauer ansehen.

*​
So kam es, dass sich der neue Chefarzt auf unbestimmte Zeit krank meldete und der alte die Leitung kommissarisch übernahm, Herrn Meier zur überraschenden Besserung seines Zustandes gratuliert wurde und seine sofortige Entlassung erfolgte, Frau Schmidt eine Woche später eine neue Leber bekam und Harald, vorausgesetzt, er brachte sein Essen selbst mit, von Anna Maria für das nächste Wochenende auf ein Stockschwämmchensüppchen eingeladen wurde.





Zwei wesentliche Rezepte aus Anna Marias pilzkundlichem Werdegang

Dieses Risotto bildete den krönenden Abschluss eines zufriedenstellenden Wochenendes:

Für zwei Personen nehme man (bei einer Person die Hälfte):
300g Totentrompeten und Hexenröhrlinge
200g Risottoreis
2 Schalotten
½ Bund Petersilie
1 Knoblauchzehe
40g Butter
100ml Weißwein
400ml Hühner brühe
50g Parmesan, frisch gerieben
Olivenöl, Salz, Pfeffer (weiß), Muskat

Zubereitung:
Zunächst die Pilze putzen (nicht waschen!). Die Totentrompeten im Ganzen lassen, bzw. die größeren Exemplare ein- bis zweimal der Länge nach auseinanderreißen. Die Hexenröhrlinge in daumennagelgroße, etwa 5mm dicke Scheibchen schneiden.
Dann eine Schalotte und den Knoblauch schälen, fein hacken und in 1 EL Butter in einem Topf andünsten und den Reis kurz mitdünsten. Das Ganze mit Weißwein ablöschen. Wenn die Flüssigkeit fast verkocht ist, nach und nach die Hühnerbrühe zufügen, den Reis etwa 10 Minuten schwach kochen lassen und dabei in kurzen Abständen umrühren. Danach den Topf vom Herd nehmen.
Während der Reis vor sich hin köchelt, in den Rührpausen das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und zuerst die Hexenröhrlinge zusammen mit der zweiten fein gehackten Schalotte so lange erhitzen, bis das blau angelaufene Pilzfleisch wieder gelb geworden ist. Danach die Totentrompeten dazugeben und die Pilze noch etwa 5 Minuten dünsten.
Sodann die Pilze unter das Risotto heben und das Gericht noch einmal etwa 5 Minuten schwach kochen lassen. Falls die Flüssigkeit nicht ausreicht, Brühe oder Wasser zugeben. Abschließend die restliche Butter und den Parmesan darunter rühren und alles mit Salz, Muskat und Pfeffer würzen.


Dieses Süppchen kochte Anna Maria für Harald:

Für zwei Personen nehme man:
250g Stockschwämmchen (nur die Hüte verwenden!)
1 Zwiebel
50g geräucherten Bauchspeck
2 EL Butter
1 EL Mehl
500ml Rinderbrühe
etwas gehackte Petersilie
Salz, Pfeffer

Zubereitung:
Den klein gewürfelten Speck mit etwas Butter in einer Pfanne auslassen und mit den gehackten Zwiebeln leicht anrösten. Dann die Pilze dazugeben, 6 bis 8 Minuten mitdünsten lassen, salzen und pfeffern.
Während die Pilze dünsten in einem extra Topf Butter zerlassen und mit dem Mehl eine helle Schwitze herstellen. Dann mit der kalten(!) Rinderbrühe aufgießen und alles gut verrühren. Die Pilze mit dem Speck und den Zwiebeln zugeben und nochmals kurz mitkochen lassen. Nach Bedarf mit Salz und Pfeffer würzen, und vor dem Servieren mit der Petersilie bestreuen.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hallo Morulf, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von jon

Redakteur in diesem Forum
 
A

aligaga

Gast
Das ist eine hübsch ausgedachte, sauber recherchierte Geschichte, die sich gut liest und bei der man bis zum Ende dranbleibt, weil man hofft, dass es noch eine überraschende Wendung gibt - schließlich fehlt ja eine Leiche. Ein bisschen zu redundant, vielleicht; ein wenig straffen könnte nicht schaden. Eine richtige "Pointe" hat die Nummer nicht.

Im Hinblick auf unsere inzwischen sehr durchorganisierte Lebensmittelhygiene, verbunden mit strengen staatlichen Kontrollen insbesondere der Gaststätten, ist kaum denkbar, dass man nach der Meldung, ein Gast habe sich in einem Restaurant an einem Pilzsüppchen vergiftet, nicht sofort einen ganzen ABC-Zug in Marsch gesetzt und alles in der besagten Küche beschlagnahmt hätte, was ausgesehen hätte wie ein Schwammerl.

Jeder, aber wirklich jeder, der in dem Krankenhaus mit dem Fall zu tun hatte (auch und vor allem der an der Einlieferung beteiligte Notarzt!) hätte Alarm geben müssen. Es wäre nicht nur die Restaurantküche auf den Kopf gestellt worden, sondern auch die "Stockschwämmchenzucht" des Zulieferanten mit der Lupe untersucht worden.

TTip, lieber @Morulf: Die Protagonisten weniger Wein schlürfen lassen und stattdessen von einer (erfolglosen) "Pilzrazzia" berichten.

Heiter immer weiter

aligaga
 

jon

Mitglied
Teammitglied
"ist kaum denkbar, dass man nach der Meldung, ein Gast habe sich in einem Restaurant an einem Pilzsüppchen vergiftet, "
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist diese Meldung ja gar nicht erfolgt …
 
A

aligaga

Gast
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist diese Meldung ja gar nicht erfolgt
Bei genauem Lesen erkennt man:
Wie sich herausstellte, war gestern am frühen Abend vom Notarzt ein Patient mit Verdacht auf Pilzvergiftung eingeliefert worden. Der Notarzt hatte ein baldiges Leberversagen befürchtet und ihn deswegen gleich beim Transplantationszentrum abgeliefert.
Der Rettungsdienst und der Notarzt dürften wohl kaum "Mitwisser" der Nummer gewesen sein. Im "richtigen Leben" wären die Sanitäter ebenso wie der Notarzt zur Anzeige verpflichtet gewesen. Gefahr im Verzug!!

Das ist ein logischer Fehler in der Geschichte, der behoben werden sollte.

Heiter

aligaga
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Im "richtigen Leben" wären die Sanitäter ebenso wie der Notarzt zur Anzeige verpflichtet gewesen.
Wenn das so ist, hast du recht. Ich kann es mir allerdings nicht vorstellen - eine "bestätigte Diagnose", die, woraufhin überhaupt solche erheblichen(!) Schritte ausgelöst werden dürften, stellt doch der Klinik-Arzt. Oder, Morulf? Was hat deine Recherche in dem Zusammenhang ergeben?
 

Morulf

Mitglied
Vielen Dank für eure engagierten Kommentare.
Aufgabe des Notarztes ist die präklinische Behandlung des Patienten und dessen Begleitung beim Transport in ein geeignetes Krankenhaus. Dort kann eine eventuell vorliegende Verdachtsdiagnose mitgeteilt werden. Im vorliegenden Fall hätte es sich auch um eine bloße Magenverstimmung handeln können. Die Aktivierung von Alarmplänen gehört nicht zu den notärztlichen Funktionen, das wäre dann Aufgabe des Chefarztes gewesen.
Außerdem: Bei der vorliegenden Form von Kritik besteht immer die Gefahr, dass ein Narrativ mit einer Dokumentation verwechselt wird.
 
A

aligaga

Gast
Die Aktivierung von Alarmplänen gehört nicht zu den notärztlichen Funktionen, das wäre dann Aufgabe des Chefarztes gewesen.
Außerdem: Bei der vorliegenden Form von Kritik besteht immer die Gefahr, dass ein Narrativ mit einer Dokumentation verwechselt wird.
Falsch. Im Falle der Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit sind alle öffentlich Bediensteten (und dazu zählen nicht nur die Notärzte und der Rettungsdienst, sondern auch die technische Aufnahme der Krankenhäuser) meldepflichtig, wenn der Verdacht auf Vergiftungen oder Infektionen durch Gaststätten, Kantinen oder andere Verteiler besteht. Die Anzeige eines Verdachtes bedeutet auch noch nicht die "Aktivierung von Alarmplänen" - darüber entscheidet das zuständige Landratsamt bzw. Gesundheitsamt, das diesbezüglich allerdings rund um die Uhr besetzt ist.

Im vorliegenden Falle wäre, wie bereits gesagt, die Gaststätte und der Züchter (aus gutem Grund) sofort unter Kuratel gekommen. Stell dir mal vor, was los wäre, wenn der Notarzt oder die Krankenhausaufnahme den Verdacht "Pilzvergiftung durch Gaststättenessen" nicht angezeigt hätten und weitere dreizehn Patienten - im Lauf einer Woche - erkrankt und z. T. gestorben wären? Da gibt's kein Bußgeld mehr, sondern Knast wegen fahrlässiger Köperverletzung oder gar fahrlässiger Tötung.

Daher nochmal der TTip: Die Pilz-Story plausibilisieren. Bei minutiös angelegten Krimis wie diesem da kommt's auf jedes Detail an, sonst mault der Leser. Wobei der gegenständliche Schnitzer kein kleiner, sondern ein grober ist. Über solche stolpern manchmal sogar Minister wie Frau Stamm einst über die verspätete BSE-Warnung.

Warum wehrst du dich so gegen den sinnhaften Korrekturvorschlag, statt dankbar zu sein, o @Morulf? Es geht doch nur um ein G'schichterl!

Und noch was - falls die beiden Rezepte nicht von dir selbst stammen, solltest du den oder die Urheber angeben. Das schadete weder der Geschichte noch deinem Ruf als Autor.

Amüsiert

aligaga
 



 
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