Piraten in der Schillerstraße

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Flitzi

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Piraten in der Schillerstraße

Leonard schlüpfte in seine neuen gelben Gummistiefel, streifte seine Regenjacke über und schnappte sich seinen Schirm. Die ganze Nacht über hatte es geregnet, soviel und so lange, dass Leonard es am nächsten Morgen kaum erwarten konnte, hinaus zu kommen. Er liebte Regen und deshalb konnte er auch nicht warten, bis seine Eltern aufgewacht waren. Es war Sonntag und da schliefen sie immer so schrecklich lange.
Leise schlich sich Leonard vor die Tür und staunte. So herrlich nass sah die Welt dort draußen ganz anders aus. Irgendwie geheimnisvoll und still. Kein Mensch war zu sehen, und nichts außer dem Plätschern der Regentropfen war zu hören. Doch was war das? Leonard stapfte mit seinen Stiefeln durch das tiefe Wasser. Da wo normalerweise die Schillerstraße war, floss nun ein kleiner Bach entlang. Und in ihm schwammen lauter faszinierende Fische. Manche waren platt und bunt und manche eher rundlich und braun.
„Nanu, wo kommen die denn her?“, fragte sich Leonard und überlegte, ob sie bei dem ganzen Regen vielleicht aus den Wolken gefallen waren. Er ging weiter und sah auf einmal eine gefährliche Seeschlange bei Nachbar Huber im Garten schwimmen. Lässig schlängelte sie sich um den Gartenzaun und versuchte in den größer werdenden Bach zu gelangen. Leonard hielt den Atem an. Ganz fest umklammerte er seinen Schirm. Wenn die Schlange ihm zu nahe kommen würde, dann hätte er ein Schwert, um sie zu vertreiben.
Mutig wie ein Seemann auf wilder See ging Leonard weiter, den immer tiefer werdenden Bach entlang, und war gespannt darauf, was er noch alles entdecken würde. Er blickte sich um. Ein Seehund lief an ihm vorbei und dort, wo normalerweise das Ende der Straße war, entdeckte Leonard einen großen See. Oder war es vielleicht schon das Meer? Leonard wurde immer neugieriger und als er dort, wo sonst der Spielplatz stand einen Aussichtsturm erkannte, wusste er wohin er wollte. Auf den Turm! Von dort aus könnte er beobachten, wenn Piraten in die Schillerstraße kamen. Wenn es schon Fische, Seehunde und Seeschlangen gab, dann waren gefährliche Piraten nicht mehr weit. Leonard dachte an seine Eltern, die friedlich in ihren Betten lagen und nichts von dieser Gefahr ahnten. Er musste sie beschützen, und so war es seine Aufgabe, zum triefenden Aussichtsturm zu gelangen, egal wie tief das Wasser auch wäre. Mühselig kämpfte er sich vor, als er plötzlich ein seltsames Geräusch hörte. Er horchte einen Moment und dann wusste er, was es war. Im selben Augenblick kam ein riesiges Piratenschiff mit vielen grässlichen Piraten um die Ecke gefahren. Leonards Herz schlug schnell und fest.
„Piraten in Sicht!“, rief Leonard, so laut er nur konnte.
„Piraten in Sicht!!!“
Das Piratenschiff kam zum Stehen. Im selben Moment hörte Leonard ein Rollo und kurz darauf die verwirrte Stimme seiner Mutter:
„Leonard, was machst Du da? Warum schreist Du so? Weißt Du eigentlich wie früh es ist?“ Verschlafen rieb sie sich die Augen.
Leonard wollte ihr das Piratenschiff zeigen, doch dort, wo es gerade zum Stehen gekommen war, stand nur ein alter, klappriger Linienbus. Die Leute blickten Leonard ein wenig verwundert an, dann fuhr der Bus durch die durchflutete Straße weiter.
Leonard sah sich um und deutete auf die gefährliche Seeschlange von Herrn Huber. Doch diese war auf einmal nur ein zerlöcherter Gartenschlauch und selbst die bunten Fische waren nur eingeweichtes Zeitungspapier und Baumrindenstücke.
Leonard schüttelte den Kopf.
„Ich spiele nur ein bisschen im Regen!“ sagte er leise zu seiner Mutter und folgte ihr dann zurück ins Haus. Bevor er die Tür hinter sich schloss, blickte er jedoch noch mal nach draußen. Und plötzlich tauchte der Seehund vor ihm auf. Geheimnisvoll zwinkerte er Leonard zu und verschwand dann am Ende der Straße im tiefen Meer.
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Flitzi,

es ist immer wieder erstaunlich, welch blühende Fantasie Kinder haben. Es ist eine gute Idee, das aufzugreifen. Kinder lesen solche Geschichten mit Begeisterung.
Dein Text hat mir also gut gefallen, besonders die harmonische Ausformulierung.

Das „Du“ in der wörtlichen Anrede wird aber klein geschrieben, oder?

Viele Grüße, hera
 



 
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