Pokemon Go

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ThomasStefan

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Pokemon Go



„Papa, jetzt wirst du echt alt“, sagt meine sechzehnjährige Tochter zu mir und ihre Stimme klingt genervt.
„Dieses ständige Lästern über uns Jugendliche. Wenn wieder mal ein neuer Trend kommt, egal was, immer machst du gleich Stunk.“
Etwas betroffen lasse ich die Zeitung sinken. Alt. So deutlich hat sie das noch nie gesagt – vielleicht mal gedacht. Stimmt das wirklich? Wirke ich jetzt auf andere so …Opa-artig wie damals meine Eltern auf mich? Dabei gehöre ich doch zu der Generation, die mit den Beatles und den Stones aufgewachsen ist. Jeden Tag sitze ich Stunden vor meinem Computer. Da ist man doch nicht alt!
„Ne, Kati, das siehst du komplett falsch, ich interessiere mich immer für Neues. Außerdem, so richtig verboten habe ich dir noch nie was.“
„Außer meine Paris-Reise letztes Jahr. Das hast du wohl vergessen.“
„Na hör mal, das war etwas ganz anderes. Mama und ich wollten einfach nicht, das dir was passiert.“
Ich stocke, lausche dem Klang meiner Worte nach, während sie die Augen verdreht. Sowas habe ich schon einmal gehört. Ist allerdings über 40 Jahre her, und zwar aus dem Mund meiner Eltern. Hat sie mit dem Alt-werden etwa doch recht?
„Und erinnere dich mal, Papa. An das Theater damals mit dem Tattoo und dem Piercing …“
„Ja“, falle ich ihr ins Wort, „aber da ging es um Hygiene, darauf wird man ja noch mal hinweisen dürfen.“
Kati ballt die Fäuste und der Ärger verfinstert zunehmend ihr Gesicht.
„Immer hast du das letzte Wort, weißt alles besser. Und …, und jetzt machst du Stress wegen meiner Jeans. Dabei ist dieser Look total in.“
Ratlos schaue ich wieder mal auf ihre Hosen. Unterhalb der Knie hat sie sie brutal gekürzt, in traurigen Fransen hängt der Stoff nach unten, als hätte ihm ein Rasenmäher Leid angetan. Und obendrein, als ob das nicht reicht, sind die Jeans über den Oberschenkeln vielfach aufgerissen. Mit solchen `Hosen´ läuft Kati mit ihren Freundinnen jeden Tag stolz durch die Stadt.
„Sowas hätte man früher nicht mal in den Sammelcontainer vom Roten Kreuz gesteckt,“ murmele ich vor mich hin.
„Mann, klingt das öde. Meine Freundin Maren glaubt immer, du bist cool. Wenn die wüsste…“
Ihre Augen funkeln mich inzwischen böse an und die Wangen sind gerötet. Ich nehme mir vor, am besten gar nichts mehr zu sagen, um nicht den letzten Rest von Zuneigung und Vertrauen zu verlieren. Doch Kati ist jetzt in Fahrt. Plötzlich streckt sie mir ihr Smartphone entgegen, hält es mir direkt unter die Nase. Ihre Stimme bebt.
„Und jetzt soll das auch noch falsch sein! Pokemon Go. Ein total harmloser Spaß. Endlich kommen diese PC-Idioten mit ihrem Arsch hoch, gehen wieder raus. Ist doch klasse, oder?“
Ich antworte lieber nicht, aber manches geht mir durch den Kopf: Erst haben diese Jugendlichen nächtelang vor dem Computer Monster gejagt, um sie totzuschlagen. Jetzt rennen die gleichen jungen Leute durch die Gegend, starren mit verklärten Gesichtern auf ihre Handys und fangen diese albernen Pseudowesen liebevoll ein. Eine Art Wiedergutmachung? Aber ich halte lieber meinen Mund, nicke dafür zustimmend und lächele sie an. Katis Gesichtszüge entspannen sich.

Ich habe nochmals über unser Gespräch nachgedacht. Und ich glaube, sie hat recht, ist alles halb so schlimm. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass auch ich ab und zu gepackt werde. Da möchte ich mitmachen bei einem dieser neuen Trends, will wieder dazu gehören. Und gerade heute kribbelt es wieder in mir.
Ein Tattoo - nee, tut elend weh, wie ich gehört habe. Und zu so einem schmierigen Typen mit heißer Nadel würde ich sowieso nicht gehen. Das mit den zerrissenen Hosen habe ich ebenfalls verworfen. Ich brauche mir nur das Gesicht meiner Frau vorzustellen. Aber Pokemon Go, dieses neue Spiel, das wäre möglich. Kommt aus Japan, keine Ahnung, was das heißt. Ein Smartphone habe ich und die Software kostet nichts, glaube ich. Egal, ein paar Euros kann man durchaus mal in eine etwas jugendlichere Erscheinung investieren.

Unser Sohn hat mir das Spiel inzwischen installiert und mich grob informiert. Damit kann ich bei Kati wieder was gutmachen. Jetzt kreise ich mit dem Handy in der Hand schon eine Weile durch unser Wohngebiet. Es dämmert, kaum jemand auf der Straße. Vielleicht ganz gut, dass nicht gleich jeder sieht, was ich mache. Leider begegne ich in unser schönen Wohngegend keinem Monster. So ein Mist. Haben diese Viecher etwa Ansprüche, an die Jugend ihrer Jäger oder an eine möglichst abgefuckte Gegend? Blödes Spiel.
Nach einer halben Stunde bin ich wieder zu Hause. Nichts gefangen. Wo ich denn so lange gewesen sei, fragt meine Frau. Und warum ich nur auf Strümpfen liefe. Ich finde, die muss nicht alles wissen. Die Schuhe habe ich gleich draußen gelassen. Mach ich später. Hab´ ich jetzt kein Bock drauf. Ich ziehe mich in mein Arbeitszimmer zurück, Kopfhörer auf und iPod an. Muss dringend wieder Beatles und Stones hören. Inzwischen weiß ich auch, was Pokemon Go heißt: Hundehaufen.
 

ThomasStefan

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„Papa, jetzt wirst du echt alt“, sagt meine sechzehnjährige Tochter zu mir und ihre Stimme klingt genervt.
„Ständig musst du über uns Jugendliche ablästern. Immer wenn ein neuer Trend kommt, egal was, sofort machst du Stunk.“
Etwas betroffen lasse ich die Zeitung sinken. Alt. So was hat sie noch nie zu mir gesagt. Wirke ich jetzt auf andere so …Opa-artig wie damals meine Eltern auf mich? Dabei gehöre ich doch zu der Generation, die mit den Beatles und den Stones aufgewachsen ist. Da ist man doch nicht alt!
„Ne, Kati, das ist Quatsch, ich interessiere mich immer für Neues. Außerdem, so richtig verboten habe ich dir noch nie was.“
„Außer meine Paris-Reise voriges Jahr. Das hast du wohl vergessen.“
„Na hör mal, das war etwas ganz anderes. Mama und ich wollten einfach nicht, das dir was passiert.“
Ich stocke, lausche dem Klang meiner Worte nach, während sie die Augen verdreht. Sowas habe ich schon einmal gehört. Ist allerdings über 40 Jahre her, und zwar aus dem Mund meiner Eltern. Hat sie mit dem Alt-werden etwa doch recht?
„Und erinnere dich mal, Papa. An das Theater damals mit dem Tattoo und dem Piercing …“
„Ja“, falle ich ihr ins Wort, „aber da ging es um Hygiene, darauf wird man doch mal hinweisen dürfen.“
Kati ballt die Fäuste und der Ärger verfinstert zunehmend ihr Gesicht.
„Immer weißt du alles besser. Und …, und jetzt machst du Stress wegen meiner Jeans. Dabei ist dieser Look total in.“
Ratlos schaue ich wieder mal auf ihre Hose. Unten ausgefranst und über den Oberschenkeln vielfach aufgerissen. Mit solchen Jeans laufen Kati und ihre Freundinnen jeden Tag stolz durch die Stadt.
„Sowas hätte man früher nicht mal in den Sammelcontainer vom Roten Kreuz gesteckt,“ murmele ich vor mich hin.
„Du bist ein richtiger Blödmann! Meine Freundin Maren glaubt immer, du bist cool. Wenn die wüsste…“
Ihre Augen funkeln mich inzwischen böse an und die Wangen sind gerötet. Ich nehme mir vor, nichts mehr zu sagen. Kati dagegen ist richtig in Fahrt. Plötzlich streckt sie mir ihr Smartphone entgegen, hält es mir direkt unter die Nase. Ihre Stimme bebt.
„Und jetzt soll das auch noch falsch sein! Pokemon Go. Ein total harmloser Spaß. Endlich kommen diese Computer-Idioten mit ihrem Arsch hoch, gehen wieder raus. Ist doch klasse, oder?“
Ich antworte lieber nicht, aber manches geht mir durch den Kopf: Erst haben diese Jugendlichen nächtelang mit dem Computer Monster gejagt, um sie totzuschlagen. Jetzt starren die gleichen jungen Leute mit verklärten Gesichtern auf ihre Handys und fangen diese albernen Wesen liebevoll ein. Eine Art Wiedergutmachung? Dennoch nicke ich zustimmend und lächele sie an. Katis Gesichtszüge entspannen sich.

Ich habe nochmals über unser Gespräch nachgedacht. Und ich glaube, sie hat ein bisschen recht. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass auch ich ab und zu gepackt werde, mitmachen möchte bei einem dieser neuen Trends. Von wegen alt!
Tattoo und zerrissene Hosen - nee, damit brauche ich keinem mehr kommen. Aber Pokemon Go, dieses neue Spiel, ja, das wär´doch was. Kommt aus Japan, keine Ahnung, was das heißt. Ein Smartphone habe ich und die Software kostet nichts, glaube ich. Egal, ein paar Euros kann ich durchaus investieren, um wieder up-to-date zu sein.

Unser Sohn hat mir das Spiel inzwischen installiert. Damit kann ich bei Kati wieder was gutmachen. Jetzt kreise ich mit dem Handy in der Hand schon eine Weile durch unser Wohngebiet. Es dämmert, kaum jemand auf der Straße. Vielleicht ganz gut, dass nicht gleich jeder sieht, was ich mache. Leider begegne ich in unser schönen Wohngegend keinem Monster. So ein Mist. Blödes Spiel.
Nach einer halben Stunde bin ich wieder zu Hause. Nichts gefangen. Wo ich denn so lange gewesen sei, fragt meine Frau. Und warum ich nur auf Strümpfen liefe. Ich finde, die muss nicht alles wissen. Die Schuhe habe ich gleich draußen gelassen. Mach ich später. Hab´ ich jetzt kein Bock drauf. Ich ziehe mich in mein Arbeitszimmer zurück, Kopfhörer auf und iPod an. Muss dringend wieder Beatles und Stones hören. Inzwischen weiß ich auch, was Pokemon Go heißt: Hundehaufen.
 



 
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