Punktabzug

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Nick arbeitete in einem Ingenieursbüro und war dort eine sehr angesehene Person, welche als clever, tüchtig und anständig galt. Er mochte seinen Beruf, dass sah man ihm an, wenn er arbeitete. Nick ging es immer darum das Maximum aus etwas herauszuholen und er wagte auch für neue Innovationen Grenzen zu überschreiten. Wie Leistungsfähig kann er die Maschinen, die sie herstellen, entwickeln? Wie kann er einen Kunden davon überzeugen den Höchstpreis zu zahlen? Seine Methoden waren riskant, aber nicht unüberlegt und die Resultate 1A. Zwischen Montag und Freitag gab er sein Bestes für die Firma. Aber zwischen Freitag und Montag beherrschte ihn ein anderer Drang, für den er genauso viel Herzblut opferte wie für seinen Job. Niemals wären seine Kollegen auf die Idee gekommen, dass Nick sich jedes Wochenende hindurch in Bars und Clubs herumtreibt, zumindest nicht in dem Ausmaß wie er das tat. Und es war ihm sehr wichtig das das so blieb. Privat- und Berufsleben hatten sich nicht die Hände zu reichen. Das eine war ein sicheres, strukturiertes, gut behütetes Leben, das andere bizarr, chaotisch und voller Überraschungen.

„Was hast du für mich?“, fragte Nick.
„Ein paar Marienkäfer. Sind ganz neu und sind ultragut. Also besser nur die Hälfte nehmen!“
„Logo!“, sagte er, „Gib mir eine!“, dann verschwand er damit auf die Toilette. Der Verschlussriegel war beschädigt und funktionierte nicht, deshalb lehnte er sich mit dem Rücken gegen die Tür und betrachtete so den Kauf in seiner Hand. Es war eine kleine Pille die auf der einen Seite schwarz und auf der anderen rot war, dunkle Punkte und in der Mitte eine Bruchstelle hatte. Sie kam dem Aussehen eines Marienkäfers tatsächlich sehr nahe. Er hielt sie auf Augenhöhe zwischen Zeigefinger und Daumen, kaute auf seinen Lippen herum, schnaubte geräuschvoll durch die Nase und überlegte, dann brach er die Pille in Zwei und schluckte davon einen Teil mit Bier hinunter.
Eine Stunde später und zurück auf der Tanzfläche verfluchte er den Typen, der ihn diesen Dreck verkauft hatte, denn von einer Wirkung war immer noch nichts zu spüren, deshalb legte er nach und nahm die andere Hälfte auch noch.
Zwei, drei Lieder später passierte endlich etwas. Gänsehaut am ganzen Körper, der Vorbote auf eine fantastische und turbulente Nacht mit unvorhersehbaren Ausgang. Kurz darauf wurde das Kribbeln stärker, es fühlte sich an als würde jedes Haar leichte Stromstöße an die Haut abgeben. Es fühlte sich gut an. Er war inmitten der Menge und die Musik gefiel ihm so sehr, dass seine Arme fast mechanisch nach oben gingen und zur Decke zeigten, seine Beine wippten taktvoll zum Rhythmus. Er war alleine hergekommen, trotzdem gab es momentan keinen Unbekannten im Raum. Alle waren, wie er es nannte, auf seiner Wellenlänge.
Die Freunde die er hatte waren für solche Veranstaltungen nicht mehr zu haben, sie hatten Familie und Kinder und widmeten denen ihre kostbare Zeit. Nick hatte keine Freundin, sein Leben bestand aus Arbeit und Party und wenn er nicht feierte, dann arbeitete er. Seiner Meinung nach befand man sich in den Zwanzigern in seinen besten Schaffensjahren, aber leider auch in der potentesten Phase für das bunte Nachtleben. Eben das bedeutete viel feiern und viel arbeiten, und deshalb lebte er beides so exzessiv und so akkurat aus. Oder war es vielleicht doch zu viel? Er verdrängte den Gedanken wieder.
Der Marienkäfer hatte bereits einen anderen Gang eingelegt und war jetzt der neue Herr über seine Wahrnehmung. Die Welt um ihn herum verwandelte sich in ein Zauberland, in dem sich Fabelwesen wie Blütenstaub emporhoben und statt durch die Luft in den Wogen der Musik auf und abstiegen. In ihm selber gab es nur die Liebe, und dieses Gefühl, diese Liebe zum Dasein, sie gipfelte so wahrhaftig und klar, wie nie zuvor im Zenit aller Empfindungen und erfüllte ihn so sehr, dass er irgendjemanden umarmen musste, damit diese Liebe ihren Zweck, sie zu teilen, erfüllen konnte. Er legte seine Hand an die Hüften der nächstgelegenen Person. Im nächsten Moment standen sie so nah beieinander, dass sie ihre Köpfe auf den jeweils anderen legten. Sie drückten und küssten sich, blendeten ihre Umgebung aus und reduzierten ihre Aufmerksamkeit auf nicht weniger als genau diese Berührungen. Sie begannen eins zu werden. Er war sehr glücklich.

Drei Tage später hatte Nick einen wichtigen Termin in seiner Firma. Er musste eine Präsentation vor einem neuen Kunden halten. Obwohl er schon lange darauf vorbereitet war ging er an jenem Morgen extra früh zur Arbeit. In seinem Kopf kreisten Maschinen, Rohrleitungen und Spezifikationen. Er konnte an nichts anderes denken als an das bevorstehende Projekt, er war voll und ganz bei der Sache, die er so liebte.
Im Vortragsraum saß bereits der Kunde. Die Sekretärin versorgte die fünf Chefs und Außendienstler gerade mit Kaffee, als Nick hereinkam. Er schloss die Tür hinter sich, ging den Mittelgang entlang zum Rednerpult und schüttelte indessen zur Begrüßung jedem die Hand. Das tat er kräftig und mit Augenkontakt. Dann legte er sofort los. Der Beamer projizieren Bilder und Konstruktionsvorschläge an die Wand, und Nick gab zu alledem Erklärungen und Hinweise ab. Dabei nickten die Köpfe der Zuhörer unentwegt, so als hätte man ihnen im Leben keine andere Bewegung beigebracht. Manche kauten sogar auf ihren Fingernägeln herum, weil sie derart verblüfft von seiner Show waren. Er hatte sie! Und es fühlte sich wunderbar an. Jetzt konnte nichts mehr schief gehen, dachte er, als von irgendwoher ein kleiner Marienkäfer auf ihn zugeflogen kam und sich vor ihm auf dem Tisch niederließ. Er betrachtete ihn kurz, wandte aber seinen Blick schnell wieder nach vorne in die zehn Augen, die ihn erwartungsvoll anstarrten. Er wollte weitersprechen, doch es funktionierte nicht. Schlagartig begann sein Herz schneller zu pochen. Was passierte mit ihm? Er wusste es nicht, aber es musste sofort eine Lösung gefunden werden. Jetzt! Und hier! Vielleicht half ein Schluck Wasser. Als er das Glas anhob rutschte es auf halben Weg durch seine verschwitzte Hand, fiel zurück auf den Tisch und zerbrach wenige Zentimeter neben dem Marienkäfer. Dieser flog davon. Mit offenen Mund stand Nick da wie angewurzelt. Jemand sprach mit ihm, vielleicht sogar mehrere. Es hörte sich an, als befände er sich unter Wasser. Und genauso verschwommen sah er plötzlich seine Umgebung, wie durch eine Taucherbrille die leckte. Seine Körpertemperatur stieg und fiel im Sekundentakt. Etwas war definitiv nicht in Ordnung mit ihm. Er überlegte um Hilfe zu rufen, ließ jedoch davon ab und versuchte sich zusammenzureißen. Seine Hände verkrampften sich zu Fäuste. Wasser lief über die Tischkante und tropfte auf den Boden. Er hörte ein schrilles Pfeifen, dass nicht mehr nachließ. Angst kam hoch. Er weinte. Menschen waren da. Viele. Sehr viele. Dann wieder keine. Seine Kraft verschwand. Seine Beine hielten ihn nicht mehr. Dann brach er zusammen. Ihm drängte sich ein Gedanke auf, eine Frage, es war alles was er in diesem Moment erfahren mochte. Er fragte sich wer darüber entscheidet wie viele Punkte ein Marienkäfer auf seinen Rücken bekommt.
Seine Antwort war, der Käfer selber.
Das Licht erlosch. Alles verstummte.
Jetzt wäre er gerne so ein Marienkäfer.
 

Val Sidal

Mitglied
Martin von Wolf,

die Geschichte soll Nicks Drama erzählen, nicht wahr?
Deinem Text gelingt es nicht, davon etwas einzufangen.
Einige Gründe:
Der Protagonist wird klischeehaft eingeführt -- während der Woche schuften, am Wochenende Party - und so bleibt er bis zum Schluss.
Nick arbeitete in einem Ingenieursbüro und war dort eine sehr angesehene Person, welche als clever, tüchtig und anständig galt. Er mochte seinen Beruf, dass sah man ihm an, wenn er arbeitete. Nick ging es immer darum das Maximum aus etwas herauszuholen und er wagte auch für [red]neue Innovationen[/red] Grenzen zu überschreiten.
Ich gebe zu, dass es mich große Überwindung gekostet hat, nach diesem Anfang weiter zu lesen.

Umständliche, sprachlich unbefriedigende Formulierungen wie
Es war eine kleine Pille die auf der einen Seite schwarz und auf der anderen rot war, dunkle Punkte und in der Mitte eine Bruchstelle hatte.
sowie stilisitische Grobheiten wie
er wagte auch für neue Innovationen Grenzen
... sind ärgerlich.

Der Text beschleunigt plötzlich ...
Er wollte weitersprechen, doch es funktionierte nicht. Schlagartig begann sein Herz schneller zu pochen. Was passierte mit ihm? Er wusste es nicht, aber es musste sofort eine Lösung gefunden werden. Jetzt! Und hier! Vielleicht half ein Schluck Wasser.
... und die Geschichte macht eine Vollbremsung.

Das Spiel mit dem "Marienkäfer" ist unsinnig:
Ihm drängte sich ein Gedanke auf, eine Frage, es war alles was er in diesem Moment erfahren mochte. Er fragte sich wer darüber entscheidet wie viele Punkte ein Marienkäfer auf seinen Rücken bekommt.
Seine Antwort war, der Käfer selber.
Das Ende macht traurig -- nicht Nicks Schicksal. Weil es Zeitverschwendung war, den Text zu lesen.
Das Licht erlosch. Alles verstummte.
Jetzt wäre er gerne so ein Marienkäfer.
 

georg

Mitglied
show dont tell

Na dann bin ich mal der erste, der hier was schreibt.

Geschichte habe ich nur überflogen, gebe es gleich vorweg ehrlich zu.

Mir ist aufgefallen, dass die Du die Geschichte eines anderen erzählst und nicht zeigst!
Es liesst sich wie ein Zeitungsbericht, trocken und flach.

Tipp: Zeigen nicht erzählen, Handlungen in hier und jetzt darstellen, nicht über Vergangenheit schreiben! Die Story ist immer Hier und Jetzt!

Hoffe ich konnte dir helfen, etwas!
 
Hallo Martin von Wolf,

ich wundere mich ein wenig, dass meine Vorschreiber die Story so schlecht fanden. Ich fand sie jedenfalls nicht langweilig und ziemlich gut erzählt. Sicher kein Meisterwerk, aber wie ein Zeitungsbericht, trocken und flach, wirkte sie auf mich wirklich nicht. Zeigen, statt beschreiben, ist zwar richtig. So hättest du z. B. anstatt zu beschreiben, wie Nick sein Berufs- und Arbeitsleben trennt, diese Mitteilung an den Leser in einen Dialog zwischen Nick und einem Freund gießen können.

Ich habe die Geschichte trotzdem gerne gelesen.

Gruss SilberneDelfine
 



 
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