RÄUMUNG (einer Liebe)

Der Wahnsinn findet nur in den Räumen statt, sagstest du. Und ich schloß die Tür hinter dir und beneidete dich um die Möglichkeit, auch in eiskalten Nächten Beengendes abzuschütteln, leichter als die Häutung einer Schlange sich vollzieht. Allein dafür solltest du nicht ungestraft desertieren, blieb ich doch in der Pflicht gefangen, das unablässige Hämmern der Kämpfe auszuhalten, die ohne jede Erfolgsaussicht zwischen mir und meinem inneren Diktator tobten.

So verging Monat um Monat, in denen unsere Entfremdung zunahm, unsere Liebe schwand. Schon wurde ich wieder zur Trümmerfrau und tünchte inmitten des Kriegsgeschehens meine Kerkerwände mit gelber Farbe - langsam, mit dem zartesten Pinsel, den ich zur Hand hatte; wußte ich doch, daß keine Taktik gegen die Ignoranz der Zeit ankommt - so lange, bis ich unter meinen scharfen Blicken endlich erkannte, daß auch die Hoffnung ihren Rückzug längst angetreten hatte und nichts anderes hinterließ als unsere beider destruktiven Mächte. Was dann geschah, überließ ich dem unproduktivsten aller Rettungsversuche, indem ich uns aus meiner Behausung einfach wegräumte und mir stattdessen die Liebe in sonnigen Gefilden erträumte. Dort lernte ich alle Sprachen so intensiv, bis jedes Verstehen zwischen uns schließlich ganz unmöglich wurde.

Inzwischen will es mir nicht mehr gelingen, an den Ort unseres letzten Gefechtes zurückzukehren. Wenn wenigstens DU mir sagen könntest, wofür dies alles geschehen mußte. Aber nun bist DU es, der sich ausschweigt - zwischen den verbliebenen Trennwänden eines was war und hätte sein können in den geräumten Feldern unserer einst so brennenden Liebe.


(24.01.1990)
 

Feder

Mitglied
Hallo Sanne,
was du da schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Es gibt mehr als 1000 Gründe zu bleiben ... aber einen guten Grund nach allen vergeblichen Versuchen an etwas festzuhalten, dass nicht mehr lebt, vom Aussichtsturm der Regungslosigkeit herabzusteigen und ins "eigene" Leben zurückzukehren. Wie schwer dieser erste Schritt ist, weiß ich. Allerdings kenne ich auch diesen Aussichtsturm, von dem man nicht gehört wird, nicht gesehen ... der Turm ist da - wie selbstverständlich - er bereichert die Landschaft - ironisch betrachtet. Aber er ist nur eine Plattform, von der aus das Leben betrachtet wird und ohne uns stattfindet.

Zu guter Letzt wird bewußt, dass es viel schlimmer ist, zu zweit allein zu sein als diesen Schritt zu wagen. Was kann passieren? Allein war man eh. Die Perspektive ist mittlerweile auch eine ganz andere nach der langen Zeit. Sprachlosigkeit beschreibt so viele Augenblicke wie ein Wörterbuch Begriffe. Nur einer fehlt: "Innigkeit".
Sie ist meines Erachtens das, was eingangs gefühlt wird und zuletzt das, was im Laufe der Jahre eher tiefer wird, auf jeden Fall aber bestehen muss, wenn die Schmetterlinge weniger werden, wenn die Leidenschaft seltener aufflammt. Sie ist der Inbegriff der Liebe und wenn sie verloren geht, aus welchem Grund auch immer, gibt es nichts, wo wir noch anhebeln können - der Begriff "Heim" und "Zuhause" ist weg.
Du hast vor ein paar Tagen mein Gedicht "Kaminfeuer" gelesen. Ich beschrieb hier nicht mein Heim, sondern bereits eine "Zwischenstation", die so aussah. Es war der falsche Weg, den zwei Menschen gegangen sind, die mit der noch "andauernden" Situation nicht umgehen konnten. Es hätte ein Ziel werden können, aber der "Schuss" ging aufgrund von Missverständnissen nach hinten los. Trotzdem war es wichtig, dieses Gefühl wieder zu erleben. Es zeigte, dass man "noch" lebt. Auf dem Aussichtsturm kommen einem ja die absurdesten Gedanken ... ;)

Ich schreibe hier und lese mich ... ich schrieb dir letztens von dem Ziel in Teilschritten; ich bin auf dem Weg ... die Perspektive zeigt weitere Schritte, die anders sind, als bisher, aber immer da waren - auf dem Aussichtsturm nahmen sie Gestalt an.

Es hat mir gut gefallen, was du geschrieben hast und gerne hätte ich mehr gelesen, daher "nur" 8 Punkte ;)!

Ganz lieben Gruß,
deine Feder
 
Liebe Feder,

das ist ja das Schwierige, das wir in den erforderlichen Situationen nicht tun, was wir tun könnten. Du schreibst, es gibt keinen Grund, an etwas festzuhalten, was nicht mehr lebt. Das stimmt und stimmt doch wieder nicht. Denn jeder lebt, nur manchmal sind die Gefühle "verwittert", vielleicht auch das ein oder andere Gefühl gestorben - aber doch nicht der Mensch, den wir lieben. - Später wissen wir alles besser, wie wir vielleicht die Liebe hätten retten, uns einander wieder den Reichtum an Gefühlen, Vorstellungen und Gedanken hätten schenken können, der uns einst verbunden hatte. Ja, später wissen wir immer alles besser; warum dann nur schaltet sich unser Verstand niemals dann ein, wenn unsere Liebe ihn wirklich braucht?

Und weißt du, dieser sog. "Aussichtsturm" - stehen wir wirklich in der aktuellen Situation dort? - werden wir nicht vielmehr von unseren und den Gefühlen des anderen hin und her und manchmal direkt in's Bodenlose gerissen?

Ich habe die "Räumung" übrigens erst nach der Trennung geschrieben, zum Zeitpunkt meiner beginnenden Realisation des "Vollzuges" der Trennung überhaupt- ach, das klingt jetzt auch furchtbar komisch; aber ich glaube, du weißt, was ich meine.

Es grüßt dich

Birgit
 
Liebe Feder,

bevor es zur Räumung kommt d.h. eine/r räumt das einstige Liebesnest, die geborgene (geborgte) Behausung, die Heimat unserer Gefühle, schließlich das Feld der Entzweiung, der Entfremdung, der Kämpfe, - bevor es also überhaupt dazu kommt, schleicht sich etwas anderes ein, nimmt den Raum für sich in Anspruch, breitet sich aus und verdrängt alles Vorhergewesene, Lebendige, Positive; wie du so schön sagst, hat bei euch Sprachlosigkeit den Raum eingenommen.

Jetzt versucht ihr ein letztes Gespräch, diese Prämisse ist ja eigentlich schon nicht gut, ein "letztes" Gespräch zu "versuchen", beinhaltet ja schon den Abschluß und gleichzeitig die Unwilligkeit, wirklich über etwas zu sprechen, was "bewegt". Was "bewegt" aber kann nie das "letzte" sein - nicht wahr?

Du solltest dir nichts vormachen, liebe Feder, und dir auch nichts vormachen lassen - es ist schade um die Zeit - außer, ja außer man/frau ist bereit, die Wahrheit auszusprechen.

Einen lieben Gruß schickt dir

Birgit
 

Feder

Mitglied
Du hast Recht, Birgit! Das Gute ist, dass ich schon länger soweit bin, mir selbst NICHTS vorzumachen, nicht in Lethargie zu verfallen, aber auch nicht unnötig anderen weh zu tun und damit mir selbst zwangsläufigerweise.

Es tut mir leid, dass dein Telefonat nicht so ausgefallen ist, wie du es dir gewünscht hast. Zwar interessieren mich Horoskope, aber ich setze nicht darauf - bin eher neugierig und überrascht, wenn da etwas zutrifft. Manchmal ist man geneigt, daraus Hoffnung zu ziehen! Manchmal besteht sie ja auch - aber dann doch so oder so!
Hoffnung für dich und deinen Weg habe ich ganz viel. Mein Horoskop liegt im Bauchgefühl und das ist gut so. Für dich sagt es mir viel Gutes, frag mich nicht warum. Vielleicht weil du eine Art hast, die positive Ströme verheißt, und wenn du diese für andere geben kannst, wirst du sie für dich selbst auch nutzen können. Da bin ich zuversichtlich, sehr sogar! Frag mal deinen Goldschatten, er wird mir Recht geben :), denn durch diesen Strom wurde er angezogen und da er noch da ist, scheint er sich im Strudel sehr wohl zu
fühlen ;)!

Apropos Wellengang: So sehr ich persönlich auch einmal eine "ruhige Wasseroberfläche" zu schätzen weiß, solange unter ihr "Bewegung" ist, zeigt uns doch letztlich immer eine "aufgewühlte See", wie sehr man, gerade in den wichtigen Momenten, am anderen festhalten kann, nicht untergeht!

Alles Liebe,
deine Feder

PS: Gestern wollte ich immer in die Lupe und dir schreiben, es ging nicht. Sei nicht böse, es lag nicht an mir sondern am Lupenserver!!!
 



 
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