Rat Race

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fonofil

Mitglied
Ich zähle die Ringe an meiner Hand. Diese eine Textzeile spukt mir durch den Kopf, als ich meine Hände betrachte. Selig? Schon lange nicht mehr daran gedacht. „Irgendwann kann man nicht mehr weglaufen, Kleine!“, denke ich, „Irgendwann holt dich alles ein.“
Was soll’s. Ich drehe mich einfach um und stelle mich. „Bei drei drehst du dich um und ziehst einfach! Du drehst dich um deine Waffe im Anschlag, bereit zu schießen. Warum auch nicht, fragst du dich, warum auch nicht?“ Die Wahrheit sieht anders aus. Ich schieße nicht, ich drehe mich nicht um, ich renne weiter. Ich bin ein ziemlicher Feigling. Ich lache. Ich habe mir doch tatsächlich eingebildet ich könnte mich mir nichts dir nichts meiner Vergangenheit stellen, sie erschießen, um endlich frei zu sein. Frei zu sein von unsinnigen Textzeilen, von Gefühlen, die ins Leere laufen, von letzten Worten, von letzten Taten. Es ist so ohne dich. Irgendwie versinke ich in Selbstmitleid, egal in welche Richtung ich mich wende. „Alle haben dich verlassen, alle haben dich ausgenutzt, benutzt, beschmutzt. Du fühlst dich gekaut und ausgespuckt. Seit jeher!“ Ich bin ziemlich gut darin, alle Verantwortung weg zu reden. Ich habe alle verlassen, ich habe alle ausgenutzt, benutzt, beschmutzt. Ich habe alle gekaut und ausgespuckt. Seit jeher! Das passt doch auch, oder? So sieht es aus. Ich fühle mich ziemlich zerrissen. Das einzige, was der Mensch nicht kann, ist sich selbst zu verzeihen. Sich selbst verzeihen heißt, sich umdrehen, ziehen, zielen, schießen, treffen und töten. Kann ich das? Anscheinend nicht. Was in aller Welt hält mich bloß davon ab? Selbstmitleid ist schon etwas tückisches. Mein Gewinn ist dieses rastlose Rennen, diese Angst, die Worte zu hören, die ich nicht hören will, weil ich weiß, dass sie wahr sind, wahr sein könnten.
Caught in this rat race, terminally.
 
K

Klaus Ant

Gast
Liebe fonofil,

es bewegt mich, wieder von Dir zu lesen!

Allerdings wage ich kaum zu hoffen, nach diesem Text
jemals wieder von Dir zu hören.

Alles vorwärts Gewandte wünschen Dir,

GNIM MEL und Klaus Ant

P.S.: Hört weniger auf Tilo Wolff - lest mehr
Eva Strittmatter!

P.P.S.: Geile Temposteigerung übrigens.
 

Rhea_Gift

Mitglied
Du kannst die Vergangenheit nicht erschießen. Du trägst sie immer mit Dir herum. Du kannst Dir selbst verzeihen, wenn Du das Vergangene bis auf den Grund durchschaut hast. Der Grund liefert Dir die Waffen zur Veränderung. Du kannst dafür sorgen, daß sich danach nicht mehr die Vergangenheit in Deinen Weg stellt, daß sie Dich nur noch begleitet, bis sie im Laufe der Zeit verblaßt und gegen die strahlende Zukunft nicht mehr als ein hinterlassener Schatten ist.
Also mußt Du nicht lernen, Dir zu verzeihen, sondern Dich zu ändern - ansonsten bleibt immer wieder nur Rat Race,

Rhea
 



 
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