Ratten

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Lesemaus

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Als ich wieder einmal einen Rest Suppe ins Klo gießen wollte, erstarrte mein Arm mitten in der Bewegung. Was hatte mir an diesem Tag Ilse erzählt, als sie neben mir im Fitness-Studio auf ihrem Ergometer gestrampelt war? "Stell dir vor, wir mussten sogar unseren Holzschuppen im Garten wegreißen. Da, wo die Geräte stehen und der Rasenmäher. Sie hatten alles unterwandert. Die Löcher im Rasen sind faustgroß." Erst allmählich war mir klar geworden, dass es Ratten waren, von denen Ilse sprach. Und es schienen nicht nur einzelne Exemplare zu sein, wie aus ihren folgenden Worten zu entnehmen war. “Wir haben natürlich die Stadtverwaltung informiert und es war auch einer da, der die Gullideckel angehoben hat. Und was glaubst du, wie es da unten gewuselt hat. Hunderte, sag ich dir, hunderte!” Fast hatte ich vergessen, weiter in die Pedale zu treten, so schüttelte es mich bei dem Gedanken an die fiepende pelzige Masse. Doch Ilse war nicht mehr zu bremsen. “Bei dem dicken Polster aus Dreck und was weiß ich noch allem ist es ja auch kein Wunder, dass die Viecher sich wohl fühlen. Wenn die Schächte nie jemand sauber macht! Und die Kothaufen, die überall rumliegen, ekelhaft!”

Jetzt, mit dem Topf in der Hand, fiel mir ein, dass ins Klo gekippte Essensreste die Ratten anziehen, so dass sie die Rohre hinauf, bis in die Toilettenschüssel wandern. Ab sofort, beschloss ich, Überbleibsel meiner seltenen Kochversuche im Restmüll zu entsorgen.

Nachts im Schlafzimmer, das im Untergeschoss liegt, überlegte ich kurz, als ich das Fenster öffnete, um die frische Luft einzulassen, ob das Mückengitter ausreichen würde, um eventuell eindringen wollende Ratten von deren Vorhaben abzuhalten. Zunächst beschloss ich davon auszugehen, dass vorerst keine Gefahr bestand. Jedoch würde ich baldmöglichst mein kaum vorhandenes Wissen durch Internet-Recherchen vervollkommnen. Um zum Beispiel herauszufinden, ob die terrassenförmig aufeinandergestapelten Waschbetonblumentröge für die Ratten ein überwindbares Hindernis darstellten auf ihrem Weg von der Ebene meines Gartens hinunter in die Ebene meines Schlafgemachs.

War vielleicht das Rascheln in manchen der vergangenen Nächte nicht von einem Igel verursacht worden, sondern von einer Ratte? Konnte das auf der Terrasse für Jack, des Nachbarn Pferd, zwischengelagerte trockene Brot auch für Ratten interessant sein? Ich erinnerte mich an die bemalte Holzkiste zu Hause auf dem Dachboden. Einmal, als ich den schweren Deckel angehoben hatte, um neues Brot hineinzulegen, waren einige Mäuse herausgesprungen und über meine Füße gelaufen. Nie wieder war ich zu überreden gewesen, in die Nähe der Kiste zu kommen.

Nie wieder würde ich auch die Papierüte mit dem Brot für Jack auf die Terrasse stellen! Doch was war mit den offenen Komposthaufen der Nachbarn? Fanden da nicht auch Ratten Nahrung im Überfluss?

Die Nächte bei den Großeltern kamen mir in den Sinn. Wenn ich im alten Haus oben im Gästezimmer unter dem Dachboden schlafen musste. Die ganze Nacht waren die trippelnden Schritte zu hören gewesen und krampfhaft versuchte ich, mir nicht vorzustellen, sie liefen, während ich schlief, über mein Gesicht. All die Beruhigungsversuche meiner Großmutter erwiesen sich als erfolglos, wenn ich, mit durch die Angst geschärftem Verstand, fragte, warum dann im Zimmer auf dem Fußboden Fallen stünden, wenn doch die Mäuse überhaupt nicht hineinkämen.

Ich musste mich kundig machen. Herausfinden, wie hoch die Gefahr einzuschätzen war.

Im Büro klickte ich mich im ersten unbeobachteten Moment ins Netz ein. Neben Größe (ca. 25 cm groß ohne den etwa 20 cm langen, geringelt-nackten Schwanz) und Farbe (auf dem Rücken graubraun-rötlich, auf der Unterseite hellgrau) erfuhr ich, dass die Wanderratten, um die es sich laut Ilse handelte, in Abwassersystemen in Rudeln leben und sich durch Duftstoffe erkennen. Obwohl sie soziale Tiere sind, kommt Kannibalismus zwischen den unterschiedlichen Rudeln vor, las ich schaudernd.

Angesichts ihrer ungeheuren Fruchtbarkeit (jährlich 2 - 7 Würfe mit je 8 - 12 Jungen), fragte ich mich, warum etwas so Verabscheuungswürdiges sich so mühelos vermehren konnte. Im Gegensatz zu mir, der es nicht einmal gelungen war, unter Anwendung jeglichen medizinischen Fortschritts einen einzigen Nachkommen in die Welt zu setzen! Darüber war meine Ehe zerbrochen, mein Alter würde freudlos und einsam sein. Warum verschwendete die Natur auf der einen Seite sich selbst, um durch Versagung auf der anderen Seite Schmerz zu bereiten?

Im Zusammenhang mit der wichtigsten Frage, woran man Rattenbefall erkennt, las ich von der Möglichkeit, einen geglätteten Sandstreifen anzulegen, auf dem man dann die Trittsiegel (Vorderfuß 4 Tatzen, Hinterfuß 5 Tatzen) erkennen würde. Sogleich vermerkte ich mir im Geiste, auf dem Rückweg aus dem Gartenmarkt Spielsand mitzubringen und am gleichen Abend zur Tat zu schreiten. Abschließend wurde auf Rattenbaue, d.h. Rattenlöcher, Nagerspuren sowie Schleifspuren, die durch den Fett absondernden langen Schwanz erzeugt wurden, hingewiesen.

Am Abend schüttete ich den gekauften Sand auf die Steinplatten der Terrasse und kehrte ihn mit dem Besen glatt, so dass eine ganz ebene Oberfläche entstand. Nun würde ich zwar, um in den Garten oder auf die Terrasse zu gelangen, den Weg außen herum, an der Garage vorbei, nehmen müssen, aber diesen Umstand war ich gern bereit, in Kauf zu nehmen.

Der Sand war auch am dritten Morgen noch unberührt.

Die Frage, ob eine Ratte es schaffen würde, einen geschlossenen Klodeckel anzuheben, verursachte mir zunehmend Bauchschmerzen. Längst konnte ich nur noch mit Schlaftabletten einschlafen. Das, was früher nur ab und zu nötig gewesen war, entwickelte sich nun zu einer allnächtlichen Notwendigkeit. Schon längst setzte ich mich beim Pinkeln nicht mehr hin, brachte das andere "Geschäft", sofern ich es nicht überhaupt auf die Bürozeit auslagern konnte, noch schneller als ohnehin üblich, hinter mich. Doch nachts, wenn ich mich trotz Schlaftabletten, von einer auf die andere Seite wälzte, sah ich Heere von nassen Nagern aus dem Klo klettern und sich im Bad verstecken. Natürlich hätten sie das genausogut tagsüber tun können, aber tags begnügte ich mich damit, die Badtür stets geschlossen zu halten und nach Betreten des Bades zunächst überall nachzusehen, wo sich ein Tier dieser Größe versteckt haben könnte. Für nachts wollte ich auf Nummer sicher gehen. Den Gedanken, den Deckel mit einem schweren Gegenstand zu sichern, verwarf ich nach kurzer Prüfung. Dem wären bei meiner Schussligkeit sicherlich einige der teuren Feinsteinzeugfliesen zum Opfer gefallen. Stattdessen klebte ich den Deckel an beiden Seiten mit Paketklebeband an die Porzellanschüssel. Nun hatte ich bloß das Problem, wenn ich schlaftrunken mitten in der Nacht ein Bedürfnis verspürte, die Kühle des Plastikdeckels unter meinem warmen Fleisch zu spüren, weil ich vergessen hatte, dass das Klo nicht nur nicht mehr wie bisher offen war, sondern auch noch verklebt. Aber ich war zuversichtlich, dass ich diese Änderung nach und nach internalisieren würde.

Der Punkt der Beweisführung war allerdings immer noch offen. Ich erinnerte mich, wie wir als Kinder mit Bindfaden ein Zimmer von einer Ecke zur anderen verkreuzt hatten, so dass kaum noch einer darin gehen konnte. Sehr effektvoll war das nachts, um ungebetene Besucher, wie Gespenster und Untote zu erschrecken. Dasselbe Prinzip wollte ich wieder anwenden. In die unterste Holzlatte der Absperrung rechts und links des Übergangs zur Terrasse, die verhindern sollte, dass jemand in die tiefen Lichtschächte stürzte, schlug ich in unterschiedlicher Höhe Nägel ein. An ihnen befestigte ich Angelschnur, an die ich kleine Messingglöckchen hängte. Würde nun eine Ratte versuchen, in Richtung Terrassentür zu kommen, würde sie unweigerlich die Glöckchen zum Klingen bringen und ich wüsste sofort, dass mein Verdacht zu Recht bestünde.

Doch so sehr ich auch nach draußen lauschte, stets darauf gefasst, dass ein Glöckchen bimmeln würde, blieb alles ruhig. Da mir das Mückengitter nicht mehr als ausreichender Schutz erschien, hatte ich in den letzten Tagen den Rollladen bis nach unten zugezogen, so dass es im Zimmer nicht nur dunkel, sondern auch sehr stickig war.

Im Büro unterliefen mir auch am kommenden Morgen wieder mehr Fehler, als toleriert wurden; seit Wochen konnte ich nichts mehr anfassen, ohne dass meine Kollegin oder mein Chef einen Rechenfehler, eine falsche Buchung oder Tippfehler in einem wichtigen Brief fanden. Das veranlasste mich, beim Arzt um eine Krankschreibung zu bitten, was sonst nicht meine Art war, aber er schrieb den gelben Zettel ohne Nachfragen aus. Außerdem erzählte ich ihm von meinen Schlafstörungen und bat ihn um ein stärkeres Schlafmittel. Auch das bekam ich ohne Probleme.

Das Gefühl, draußen balle sich etwas zusammen, Unheil oder ähnliches, trieb mich aus dem Bett, hinauf durch das Wohnzimmer auf die Terrasse. Da saßen sie, eine dunkle, wogende Masse unzähliger Rattenleiber, die bei meinem Erscheinen ihre winzigen Knopfaugen auf mich richteten, als überlegten sie, wie sie sich am effektivsten über mich hermachen könnten. Nur der Mond und eine etwas entfernt stehende Straßenlaterne beleuchteten dieses gespenstische Szenario, das mich an ein sanft bewegtes, sternenbeschienenes Meer denken ließ. Ein entschieden zu friedlicher Gedanke, fand ich. Woher ich den Mut nahm, auf die amorphe Masse zuzugehen, weiß ich nicht. Ich spürte einen brennenden Schmerz in meinen Füßen, fühlte in mir das Blut durch die Adern rauschen wie ein Wildbach bei Schneeschmelze und ging doch weiter, wie unter Drogen. Ein Blick nach unten gab mir die Erklärung: statt der Glöckchen hingen Rasierklingen an den Schnüren. Ungeachtet dessen ging ich weiter. Wie das Rote Meer teilte sich der Teppich der Ratten und ich hatte einen freien Zugang zum Apfelbaum in der Mitte des Gartens. Nur noch ein einziger Apfel hing an den Ästen. Den pflückte ich. Als ich mich umdrehte, waren die Ratten verschwunden.

Ich erwachte schreiend. Sofort hob ich die nassgeschwitzte Decke an und untersuchte meine Füße auf Blutspuren. Doch sie sahen aus wie immer: leicht gebräunt mit schlanken Fesseln, zu vielen zu schwarzen Haaren und Krampfadern und Besenreisern, die sich über die Haut zogen wie geheimnisvolle krakelige Zeichen. Erschöpft sank ich wieder in mein Kissen und sann über den Sinn des Traumes nach.

Die Toilette verklebe ich jetzt auch am Tag. Auf dem Sand sind noch immer keinerlei Spuren zu sehen. Seit ich abends zwei Tabletten nehme, träume ich nicht mehr.

Tage später im Bad: der Anblick meines nackten Körpers im Spiegel - erschreckend. Seit ich nicht mehr ins Fitness-Studio gehe und kaum noch frisches Obst, Gemüse und Salat esse, stattdessen Fertiggerichte und Schokolade (Glückshormone!) in mich reinstopfe, scheinen sich meine Körpergrenzen aufzulösen. Alles wabbelt und wabert.

Ich verhänge den Spiegel mit einem Laken.

Wochen später hat noch immer kein Glöckchenklang die Stille der Nacht durchschnitten. Ich fühle mich wie auf einer
Insel. Treibe durch die Tage wie Schwemmholz nach einem Schiffsunglück. In den Nächten tauche ich tief hinab ins Dunkle.
Dort, wo kein Lichtstrahl mehr hinkommt, wo mich die Träume nicht mehr narren.

Die Tabletten reichen noch...
 
S

suzah

Gast
hallo lesemaus,

gut geschrieben! habe mich besoders über den zugeklebten klodeckel amüsiert.
ich kann die geschichte gut nachvollziehen, denn in einer meiner früheren altbau-wohnungen gab es ratten im keller. viele leute schlossen nicht immer die deckel der draußen stehenden müllcontainer.

liebe grüße aus berlin, suzah
 

Muffinman

Mitglied
Hallo Lesemaus,

ich habe beim Lesen des Textes mehrere Pausen einlegen müssen, weil ich jedesmal dachte den Gipfel des Elends dieser Frau schon sehen zu können, dann es aber noch unendlich schlimmer kam.

Ohne lange rumzureden, finde ich die Welle, die aus dieser kleinen Information von Ilse entsteht "etwas" zu hoch. Ein Orkan aus einem Steinwurf. Und spätestens an der Hälfte der Geschichte kann man sich die Frage nach der Unfruchtbarkeit beantworten: "Es ist darwinsche Gerechtigkeit, dass diese Person ihre (psychisch) kranke Erbmasse nicht weitergibt und ihre Blutlinie zu Ende ist!!!" Ein Wunder, dass dieses fragile Wesen sich nicht schon beim Abbrechen eines Fingernagels vor das nächste Auto geworfen hat. [strike]Ich hätte sie höchstpersönlich überfahren, wenn sie mich gefragt hätte, einfach weil ich ein netter Mensch bin und es das beste für die Prot. wäre.[/strike]

Als der Faden immer weiter und noch weiter gesponnen wurde, stand ich nur noch fassungslos da und beobachtete das obskure Treiben. Es ist einfach zu viel von allem. Nichts schönes fein getuschtes, sondern das Elend mit einem dicken Quast aufgetragen. Die Geschichte nimmt sich meines erachtens selbst viel zu Ernst um so dick auftragen zu können.

Manchmal ist weniger mehr... so seh' ich das zumindest.

Gut geschrieben ist sie ja, aber der Inhalt... das was sie füllen sollte...

VG, der Muffinman

PS: Ich weiß, dass die Kommentare hier normalerweise... wie hatte ich gelesen... überzuckert... sind. Es tut mir Leid, wenn ich mich hiermit nicht an die inoffizielle? Forenregel gehalten haben sollte.
 

Lesemaus

Mitglied
Hallo Muffinman, von "überzuckerten" KOmmentaren habe ich zumindest bei meinen Geschichten noch nichts gemerkt.

Das, was du als Einwand siehst, war für mich Programm: zu zeigen, wie durch ein kleines Steinchen ein ganzes (bis dato für fest gehaltenes) Persönlichkeitsgebäude zusammenstürzen kann.

Natürlich ist es übertrieben, aber dazu sind Geschichten ja da. Und in jeder Übertreibung ist ein Körnchen Wahrheit.

LG Lesemaus
 

Muffinman

Mitglied
Hallo Lesemaus,

es geht nicht um die Übertreibung an sich. Es geht um das Verhältnis von Aktion und Reaktion oder anders gesagt, um Stabilität von Gleichgewichten, wie es in der Statik so schön heißt.

Liegt eine Kugel in einer Schale wird sie nach kurzem Anstoßen wieder in die Mitte dieser Schale zurückkehren. Die Gleichgewichtslage ist stabil. Liegt sie ruhend auf einem Berg wird sie nach einem Anstoßen ins Tal kullern. Die Gleichgewichtslage ist nicht stabil. Und genau das ist das Problem mit der Prot.

Obwohl dieser kleine Einschub mit der Kindheit kommt ist diese (vorsichtig ausgesprochen) panische Reaktion der Prot. viel zu viel und wirklich unglaubwürdig. Weil die Angst vor Ratten nicht prägend in ihr verwurzelt ist. Speziell, weil es keinerlei Anzeichen von Ratten bei ihr in der Wohnung oder näheren (bedrohenden) Umgebung gibt. Nicht ein einziges kleines Anzeichen! Und sie spinnt sich die Welt zurecht. Ich würde es verstehen, wenn sie Spuren findet, Rattenkot entdeckt, eine Ratte ihr zwinkernd auf dem Fensterbrett einen schönen Morgen wünscht... aber all das passiert nicht. Und um wieder auf die Kügelchen zurückzukommen. Die Person ist an sich die Kugel in der Schale und könnte meines erachtens niemals glaubhaft unter diesen Umständen so einen Zirkus veranstalten.

Der Auslöser ist schlichtweg einfach viel zu klein.

Es wäre ungefähr so, als wenn sie von Ilse erfahren würde, dass sie kaum Geld hat und auch noch Kirchensteuern zahlen muss, sich deshalb nichts mehr zu essen kaufen kann. Die Prot. recherchiert im Netz nach Kirche usw. und muss feststellen, dass sie früher gar abscheuliches getan haben... Ablasshandel, Kreuzzüge usw. Sie beschließt die Kirche nicht zu mögen und erinnert sich, dass auch sie in der Kindheit immer wieder mit dieser Institution aneinandergeraten ist. Sie hat während des Gottesdienstes nicht still gesessen und ständig Ärger mit dem Geistlichen in ihrem Dorf gehabt. Nach dieser Überlegung tut sie in diesem Fall das einzig folgenrichtige: Sie hasst die Kirche und ermordet schließlich... sagen wir den Papst. Wieso sich mit Kleinkram abgeben?

Dieser Plot wäre genauso glaubwürdig wie die Geschichte mit den Ratten. Unter den genannten Randbedingungen (Berg/Schale) viel zu heftige Reaktion bei winziger Aktion.

VG, der Muffinman
 

Lesemaus

Mitglied
Das Besondere an der Geschichte ist aber eben, dass sie völlig unbegründet diese Phobie entwickelt und sich das alles verselbständigt.

Ratten bzw. Spuren davon tauchen absichtlich (außer im Traum) nicht in der Geschichte auf.

Da wir gerade beim Thema "Realität" sind: ich erinnere mich an die kleine Geschichte "Kaffee". Wie real ist es denn, dass ein Küken aus einer Kaffeetasse geboren wird?

Ich denke, du solltest deine Herangehensweise überdenken.

LG Lesemaus
 

ulivs

Mitglied
Nee, keiner von Euch muss seine Herangehensweise überdenken! Die Geschichte mit dem Küken ist gut gelungen, gerade weil sie so absurd ist. Und in der von den Ratten ist ja genau der Punkt, dass quasi aus dem Nichts eine Phobie entsteht. Das hat nichts mit Übertreibung zu tun, sondern ist der Kern der Geschichte.
 

Muffinman

Mitglied
Hallo Lesemaus,

der Unterschied bei der Kaffeesache ist die, dass sie bewusst so überspitzt ist, dass sie nicht in der Realität spielen kann, weil Bilder verwendet werden. Das Küken ist auch nicht nur ein Küken bei genauer Betrachtungsweise. Diese Geschichte stellt den Anspruch an sich selbst in der Realität zu spielen, keine verzerrten Traum/Wirklichkeit Sequenzen oder so etwas, die sich die gesamte Zeit schwer über alles legen und man nicht weiß, ob es jetzt real ist oder nicht. Es ist auch keine Parallelwelt in der die Geschichte spielt oder eine andere Art von Wirklichkeit. Es ist die einfache Tante von nebenan, die ganz real in der realen Welt ohne Grund sinnlos und vor allem grundlos Amok läuft. Egal ob Kern der Geschichte oder nicht.

Ich denke das weitere Diskutieren bringt an dieser Stelle auch wenig Sinn und auf eine dieser typischen: 'Ist es wohl! - Ist es gar nicht! - Natürlich ist es das!' Diskussionen habe ich keine Lust.

Denke einfach drüber nach, ob was dran sein könnte. Wenn aus deiner Perspektive nicht das Geringste an meiner Äußerung dran ist, soll das für mich auch okay sein. Wie gesagt, ich vertrete hier nur meine eigene Meinung und keine universelle :)

Wie auch immer, Geschmäcker sind verschieden und Reizschwellen anscheinend auch. Ich denke so könnte man es stehen lassen.

VG, der Muffinman
 

Kafkarules

Mitglied
Hallo Lesemaus,
ich finde den Text großartig. Es handelt sich um eine sich langsam steigernde durch allerlei Einbildungen und Unsicherheiten gespeiste glaubwürdige Beschreibung einer Paranoia. Dabei finde ich es sehr gut, dass es immer wieder Hinweise gibt, dass überhaupt keine Ratten da sind, dass also die Gefahr, die sich die Frau vorstellt, überhaupt nicht existiert. Man bekommt dabei gut mit, dass die Frau sich selbst durch entsprechende paranoische Einbildungen immer weiter ins Dunkel treibt. Die entsprechenden Einbildungen sind natürlich absurd und unwahrscheinlich (denn welche Ratte kann schon einen Klodeckel hochheben). Am Ende hat der Wahn die Frau schon mehr oder weniger vollständig im Griff und man sieht auch, wie jetzt ihr Leben noch weiter den Bach runtergeht.
Auch sprachlich hat mir der Text sehr gut gefallen (die eigenwillige Kommasetzung stört den Lesefluss nicht).
Streichen würde ich den Satz "wie aus ihren folgenden Worten zu entnehmen war", das erfährt man dann als Leser aus den folgenden Worten von Ilse, Bemerkungen wie "von deren Vorhaben" würde ich nicht verwenden, besser: "von ihrem Vorhaben", Den Satz "Zunächst beschloss ich davon auszugehen, dass vorerst keine Gefahr bestand" würde ich verändern in "Vermutlich bestand keine Gefahr". Das fürs erste.
Super, weiter so!
 

Kafkarules

Mitglied
Reaktion auf Muffinmanns Leseeindrücke

Nein, ich finde die Reaktion nicht unglaubwürdig. Mich stört es auch nicht, dass sich der Wahn mehr oder weniger aus dem Nichts heraus entwickelt. Die Geschichte ist ja relativ kurz und hier nicht auf Gründe oder Hintergründe (z.B. in der Kindheit oder eine Krankheit) einzugehen, steigert für mich die Wirkung der Geschichte nur noch. Außerdem: Nur weil die Geschichte die Gründe für die Paranoia ja nicht thematisiert, heißt ja nich, dass es diese nicht gibt. Die Geschichte wird ja aus der Perspektive der Frau geschildert. Es ist für mich glaubwürdig, dass es Teil des Wahnsystems ist, dass der Person, die wahnsinnig wird, die Gründe dafür nicht bewusst sind. Sie werden ihr vermutlich erst bewusst nach intensiver Therapiearbeit. Und der Anstoß für die Paranoia ist eben die Erzählung der Freundin von den vielen Ratten. Insofern kommt die Paranoia ja nicht aus dem Nichts.
 

Lesemaus

Mitglied
Hallo Kafkarules, ich habe mich sehr über deine Reaktion gefreut. Danke.

Deine Verbesserungsvorschläge werde ich gern umsetzen!

LG Lesemaus
 

Muffinman

Mitglied
Hallo Kafkarules

Ich bin kein Psychologe oder will mir anmaßen irgendwelche ernstgemeinten psychologischen Kommentare zu der Prot. zu geben, aber ich bin mir sehr sicher, dass paranoide Züge oder Wahnvorstellungen nicht einfach durch das Hören einer kleinen Geschichte zustande kommen. Falls sie vorher schon wirklich schlimme psychische Schäden hatte, finde ich die Schilderung mit Freundin Ilse zuvor, die ganz entspannt ein Pläuschen im Fitnessstudio (oder wo auch immer) halten nicht wirklich zuträglich. Ich würde einfach mal behaupten, dass solche Menschen, die eine Neigung zu solch schlimmer psychischer Erkrankung haben sich auch nicht in diesem Maße in ihrer Umwelt einpassen würden, aus Misstrauen heraus oder sonst irgendwas.

Sowas bekommt man nicht einfach über Nacht und es geht auch nicht über Nacht. Es braucht wohl viele Jahre um so etwas auszubilden und sehr viel mehr Gründe als eine kleine Geschichte der Freundin. Die Prot. gibt ja selbst zu, sich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt zu haben oder etwas darüber zu wissen. Außer diese kleine Kindheitsgeschichte. Das heißt doch, dass diese psychische Störung erst ihren Lauf durch diese Geschichte nimmt... vorher war sie fit und gesund was das Thema Ratten angeht.

Aber wie gesagt, ich bin kein Psychologe und fische dort wirklich im trüben. Es wäre aber sehr interessant, wenn sich dazu jemand äußern würde, der vom Fach ist und Erfahung mit der Thematik hat. Und ich spreche nicht davon, ein Semester Psychologie gehört zu haben.

Und weil sich ja Kafka als Vergleich anbietet bei dem Nicknamen... "Ein Hungerkünstler" ist sehr zu empfehlen, wenn es um schleichende Prozesse geht, was ja hier auch angestrebt war.

VG, der Muffinman
 



 
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