Rauch

Rauch
Der Bär sah böse aus, Unheil ging von ihm aus. Er machte ihr angst.
„Und du willst es wirklich aufhängen?“
„Natürlich! Ist doch gelungen, oder?“
Es war eine von Richards improvisierten Collagen. In der Hauptsache bestand es aus einer Reproduktion eines Nazi-Propagandaplakates, das die Karte von Europa zeigte, auf der von der Sowjetunion aus ein Bär, der die Schirmmütze der Roten Armee trug, das Deutsche Reich ansprang. Geifer troff ihm aus dem Maul. In seiner großspurigen, ungehobelten Schrift hatte Richard mit dem Filzstift die Worte „Die Bonzen bekommen Besuch von drüben“ unter den Bären hingekritzelt. Daß er das Poster hatte einrahmen lassen, verriet ihr, daß er seine Idee für besonders geistreich hielt.
Draußen, direkt vor ihrem Wohnwagen fing jemand an, zu lallen und zu schluchzen. Sie konnte die Stimme nicht erkennen. Wenn sie richtig in Fahrt kamen, waren diese Verrückten kaum auseinanderzuhalten. Christina legte das Nähzeug ab.
Sie haßte ihr Leben - ein Leben, das hauptsächlich aus einer stumpfsinnigen Zeitverschwendung in diesem gottverfluchten Selbsterfahrungscamp in der Heide bestand. Jahrelang hatte sie nichts anderes zustande gebracht, als Stoffreste aneinanderzufügen, zusammengeklaubte Fetzen, jedes bißchen, das ihr brauchbar erschien. Kleine gerade Stiche hatte sie gesetzt mit feiner Nadel, exakt im Fadenlauf der Gewebe. Und alles nur, damit ihr das Gewimmer und Gemecker all dieser verhuschten Gestalten, von denen jede zweite eine Psychiatriekarriere hinter sich hatte, nicht mehr so quälend ins Bewußtsein drangen. Sie schaute zu ihm auf.
„Laß uns weg von hier! Denk an deine Tochter!“
„Ich denke immer an meine Tochter! Was hast du gegen das Camp? Willst du wirklich zu den Spießern in eine dieser Betonwaben?“
„Ja! Genau das will ich!“
*
Dann nach dem Umzug in die neue Wohnung am Stadtrand war sie krank geworden, hatte die Angst-vor-fremden-Schritten-Krankheit bekommen. Sie fühlte sich verloren und beobachtet gleichzeitig. Wenn sie die Wohnung verlassen wollte und im Treppenhaus Schritte hörte, wartete sie, die Hand immer auf der Klinke, hinter der Tür ab, bis alle Geräusche verklungen waren.
Dann hatten sich die Dinge gewendet - in dem Augenblick, als Frau Küfer, die Lehrerin aus dem Stockwerk über ihnen, sie auf ihre Schneiderarbeiten ansprach. Christina hatte ihr die alte Jeansjacke gezeigt, eine Patchworkarbeit mit eingenähten Lederstreifen und Kaninchenfellkragen. Frau Küfer war so entzückt, daß sie es ihr gleich abkaufen wollte. Die Finger in die Haare des Fells eingedreht, direkt unter dem Kinn von Christina, die sich über diese Distanzlosigkeit wunderte, erzeugte sie ein gönnerhaftes Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Sie sind sehr begabt! Wenn Sie möchten, habe ich noch andere Aufträge für Sie! Über die Bezahlung müssen Sie sich keine Sorgen machen!“
Und Christina stand da mit ihren siebenundvierzig Jahren, die ersten Hunderter, die sie in ihrem Leben verdient hatte, in der Hand und grinste belämmert. Voller Ungeduld wartete sie, bis ihre Tochter aus der Schule kam, legte ihr zur Begrüßung die Unterarme auf die Schultern und sagte:
„Komm! Laß uns einkaufen!“
Anscheinend war sie jetzt in Sicherheit. Sie wußte nicht mehr, wie sie es geschafft hatte, Janice in diesem schmierigen Wohnwagen großzuziehen. Sie wußte noch nicht einmal, wo sie selber war in all diesen Jahren. Eigentlich wußte sie nur noch, daß ihre Finger dabei ziemlich flink geworden waren.
Wenn sie sich früher bei Richard beklagt hatte, wischte er mit wedelnden Händen ihre Einwände weg, als wären sie ein lästiges Mückengeschwader. Doch schließlich hatte er erkannt, daß er als Übersetzer unbekannterer amerikanischer Beatnik-Autoren keinen Erfolg haben würde, gab ihrem Drängen nach und zog mit ihr und ihrer Tochter in diese Wohnung. Um die Miete zu bezahlen, unterrichtete er jetzt Englisch an irgendeinem Institut des zweiten Bildungsweges. Niemand konnte behaupten, daß er seitdem umgänglicher geworden wäre.
Anders als Christina. Oh ja, sie hatte es genossen, im Supermarkt des Kaufhauses in der Schlange vor der Kasse zu stehen. Es war Juli, und die Frauen trugen Stricktops und smaragdfarbene Kleider mit fingerbreiten Trägern. Hin und wieder stießen in diesen Gedränge ihre nackten, leicht klebrigen Oberarme gegeneinander, wobei Christina für einen kurzen Moment Parfüm und Schweiß der anderen riechen konnte. Es waren große, starke Säugetier-Mutties.
Janice trug ein leicht vergilbtes T-Shirt und Shorts mit ausgefranstem Saum. Während sie durch die Regale schlich, hielt sie die Oberarme an die Seite gedrückt und spreizte die angewinkelten Unterarme von sich. Dabei hielt sie den Mund geöffnet, als sähe sie zum ersten Mal im Leben Parfümflacons oder Frotteebademäntel.
Christina mußte zugeben, daß ihre Tochter ein wenig behindert wirkte. Aber das war sie natürlich nicht - nur ein wenig ungeübt im Umgang mit Menschen außerhalb des Camps. Christina fand es sehr großherzig von ihr, daß sie ihren Eltern keine Schuld daran gab.
Das Mädchen war erbärmlich mager. Trotzdem fand Christina sie sehr hübsch. Ihr dunkelblondes Haar, die sonnenverbrannte Haut, die braunen Augen mit dem tannenzapfenförmigen Schnitt und ihr angestrengter Gesichtsausdruck wirkten, als gehörte sie zu einer Rasse, die erst seit kurzem Kontakt zur übrigen Menschheit hatte. Gut, ihre Beine, die aus den zerfetzten Shorts ragten, waren wirklich ziemlich dünn, aber sie waren auch lang und sehnig. Die Beine einer Leichtathletin. Sie sollte Sport treiben, dachte Christina und stellte sich vor, wie ihr Mädchen, von der Kraft ihres drahtigen Leibes getragen, die Arme ausbreitete, durch die Luft glitt und diese schönen, langen Knie mit verspielter Arroganz über die Hochsprunglatte hob. Und alle ihre Freundinnen würden jubeln und Fähnchen schwingen. Ob Richard unter ihnen wäre? Sie spürte, wie ihre Handinnenflächen feucht wurden.

*
Kurz, nachdem sie sich kennengelernt hatten, aber noch, bevor sie endgültig zu ihm in den Wohnwagen gezogen war, mixte er ihr eines Abends heimlich LSD in den Tee. Nach einer halben Stunde hatte er es ihr gestanden.
„Warum hast du das getan?“
„Weil du dich von allein nicht getraut hättest!“
Er hatte sie vergiftet. Einfach so. Für Sekunden spürte sie das Verlangen, ihn zu ohrfeigen. Aber zu dieser Zeit hatte er noch große Macht über sie
„In diesem Zustand erlangt der Mensch parapsychische Fähigkeiten. Das ist wissenschaftlich erwiesen! Zeit und Raum stehen dir offen! Also - was siehst du? Was sind deine Visionen?“
Sie hatte keine. Bis heute wußte sie nicht, warum. Vielleicht, weil er sich irgendein wirkungsloses Placebo hatte andrehen lassen.
„Nichts? Was soll das heißen - nichts? Irgend etwas mußt du doch sehen!“
Verzweifelt suchte sie nach so etwas wie einer Eingebung. Ihr fiel ein Fernsehbeitrag ein, in der Millionen von Luftballons unter einer Festzeltplane aufgepumpt wurden. Der Moment, in dem die Plane abgezogen wurde, war aus größerer Höhe vom Flugzeug aus aufgenommen. Die Ballons schienen wie winzige grüne Bläschen, die ineinander verschmolzen, dichte Schwaden bildeten und in den Himmel stiegen wie Rauchfahnen, die vom Wind verwirbelt wurden.
„Luftballons? Na, großartig!“ Er hatte damals einfach nur trocken aufgelacht, seinen Blick von ihr abgezogen und das Zimmer verlassen. Mit all dieser idiotischen Theatralik, die demonstrieren sollte, wie groß das Opfer war, sein Leben tagein, tagaus mit einem derart einfachen Menschen zu teilen. Hatte sie damals schon genäht?
*

Immer schaut er woanders hin, dachte Christina, als er das Zimmer betrat und seinen Blick Zentimeter an ihrem Gesicht vorbeiziehen ließ. Fragte sich nur, wohin. In seinem Bart klebten Reste grüner Götterspeise.
„Hast du das Päckchen von Thomas gesehen?“ brummte er.
Sie hob die Schultern. Vielleicht sieht er andere Dinge, sagte sie sich, vielleicht geht sein Blick seit Jahrzehnten auch einfach nur ins Leere. Sie fand ihn nicht mehr geheimnisvoll. Sie wußte sogar, warum er in der letzten Zeit keine Lust mehr auf seinen brutalen, egoistischen Sex mit ihr hatte. Es zählte nur noch, was die nächste Stunde brachte. Ihre linke Hand straffte den Faden, während sie mit der anderen die Schere öffnete und zum Schnitt ansetzte.
Mit den Fingerspitzen das Brustbein massierend, schaute sich Richard im Wohnzimmer um. Weder die breiten Schultern noch der graue Pferdeschwanz konnten die einundsechzig Jahre kaschieren. Sie erinnerte sich an sein bleiches, eingefallenes Gesicht beim letzten Angina-pectoris-Anfall vor zwei Wochen.
„Shit, eh! Ich hab’s vorgestern hier hingelegt!“ Er deutete auf das zweitoberste Brett des Ikearegals.
„Du hast Wackelpudding im Bart!“ zischte sie, worauf er sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr. Sie verzog das Gesicht und wandte sich wieder ihrer Patchwork-Arbeit zu. Ein Ende der zusammengenähten Stoffstücke war mit einer Sicherheitsnadel am Polster der Sessellehne festgepinnt, das andere hielt sie straff über das Knie gespannt. Nur so konnte sie in dem Mustergewirr gerade Nähte hinkriegen.
Es war peinlich, peinlich und ekelerregend, wie verrückt er nach Götterspeise war, die er sich aus diesem obskuren Tütenpulver von Dr. Oetker anmischte. Sie stieß einen unterdrückten Seufzer aus. Ob Götterspeise, Sex oder Drogen: Was er tat, tat er suchthaft. Und das alles in diesem Alter. Als sie sich vorstellte, mit welch ungebremster Gier er diesen grünen Schleim in sich hineinschlang, hatte sie das Gefühl, als rutschte ihr ein Eiswürfel den Rücken hinab.
„Trotzdem würde ich jetzt gern wissen, wo das Päckchen ist!“
„Was war denn drin?“ Sie grinste boshaft. „Deine Medizin? Wie teuer war’s denn diesmal?“
„Hab ich das richtig verstanden? Wie teuer? Es ist dir gleichgültig, wie ich dieses Geld verdiene, dann muß dich doch wohl auch der Preis nicht interessieren, oder?“
„Du hast recht! Wenn es nicht ausgerechnet dafür wäre, könnte es mir wirklich egal sein!“
„Schneiderst du für diese Spießerin über uns? Um die Kleine wieder ins Kaufhaus mitzuschleppen, ja?“
Er machte eine wegwerfende Handbewegung, wandte sich um und stapfte in seiner eigenartig gekrümmten Körperhaltung in die Küche. In der letzten Zeit hatten sie oft über Geld gestritten. Fast wie ein normales Ehepaar. Aber von ihrem normalen Leben hatte sich Christina entfernt, als wäre sie auf einem Boot erwacht, das sich nachts losgerissen hatte und ihr nur noch aus der Ferne einen Blick auf die diesige Küste erlaubte, während sie dem großen Malstrom entgegentrieb.
Es war nicht zu übersehen, wie sehr er sein altes Leben im Camp vermißte. Aber Mitleid hatte sie nicht. Sie sah ihn vor sich, mit wichtigem Gesicht am Teich hinter dem Camp seine Pseudo-Yoga-Show abziehend. Seinen Freikörperkult fand sie immer etwas überzogen und unpassend. Als er in seinen Vierzigern einen Bauch bekam, wurde es sogar lächerlich. Beunruhigt hatte es sie allerdings immer, wie gern er sich mit seinem schlaffen, baumelnden Ding vor seiner kleinen Tochter präsentierte. Ausgerechnet vor Janice, an der alle Bemühungen seiner Anti-Spießigkeitserziehung abgeprallt waren wie Gummigeschosse. Wie sehr hatte es die Kleine verabscheut, wenn er von ihr verlangte, nackt am Strand herumzulaufen! Christina mußte daran denken, wie sich Janice dann immer mit verbissenem Mund den Slip über den mageren Po zog, wenn sie aufbrachen. Da ihm nichts fremder war als Rücksicht, mußte sie es ziemlich oft über sich ergehen lassen.
Zischend sog Christina die Luft durch den schmalen Spalt ihrer Zähne ein. Als sie feststellen mußte, daß sie sich im Gestöber all dieser Erinnerungsfetzen nicht auf ihre Näherei konzentrieren konnte, hob sie den Kopf. Ihr Blick fiel auf das Bild an der Wand, das mit dem Bären. Aus der Küche hörte sie einen Löffel eifrig über den Boden einer Glasschale schaben.
„Wo ist Janice?“ rief er, worauf sie ihre Hände in den Jeansstoff verkrallte. Nach ein paar Sekunden erneutes Wortgebell:
„Ich habe dich etwas gefragt!“
Sie spürte, wie das Blut gegen ihre Trommelfelle brandete. „Fragen?“ dachte sie. „Du hast Fragen? Auf Fragen gibt es Antworten. Frage - Antwort, Frage - Antwort! Ganz einfach! Und du hast deine Antwort schon!“
„Sie ist krank!“ Zuerst hatte sie sagen wollen, sie ist im Bett, aber allein die Vorstellung dieses Wortes erzeugte so unangenehme Resonanzen in ihrem Hirn, daß sie von einem eisigen Brechreiz erfaßt wurde.
Als sie gestern Abend Janices Zimmer betrat, brannte kein Licht, obwohl es erst kurz nach acht war. Eigentlich hätte sie noch wach sein, unter der Bettdecke auf dem Bauch liegen und in „Girls!“ blättern sollen, während N-joy das Radio zum Scheppern brachte.
Christina zögerte einige Sekunden, bevor sie ihre Hand zum Lichtschalter ausstreckte. Das Mädchen hatte unter der Bettdecke eine so gekrümmte Haltung eingenommen, als erinnerte sich ihr Körper an eine frühere Existenz als Wurm. Ihre Stirn berührte die Wand.
„Schläfst du schon? Fühlst du dich nicht gut?“
Als sie keine Antwort erhielt, setzte sie sich behutsam auf den Rand der billigen, nachgiebigen Matratze.
„Ich habe mir gedacht, daß wir... daß wir einfach mehr unternehmen sollten! Das Einkaufen letztens hatt dir doch Spaß gemacht, oder? Du brauchst unbedingt ein paar neue Sachen zum Anziehen. Geld könnte ich selber verdienen!“
Das Mädchen gab ein leises Stöhnen von sich.
„Die Nachbarsfrauen denken, daß ich gut bin. Nicht nur diese Patchwork-Sachen, weißt du? Obwohl die im Moment wieder unglaublich laufen! Frau Küfer möchte sogar, daß ich ihr ein langes Kleid nähe. Was ist? Hilfst du mir? Ich habe doch gesehen, wie geschickt du dich anstellst!“
Als sie die Schultern des Mädchens berührte, zuckten sie zurück, als verteilten ihre Hände Stromschläge. Böse Ahnungen stiegen in ihr auf. Sonst war ihre Tochter ausgesprochen schmusig. Eher passiv, das schon, abwartend, daß sich ihr jemand nähert, aber sehr anschmiegsam und kindlich. Manchmal mußte sie ihr sogar den Daumen aus dem Mund ziehen. Jedenfalls dann, wenn sie es übers Herz brachte.
„He, Liebling! Was hast du“
Janice zog sich unter der Bettdecke noch weiter zusammen und schien die Unterarme zwischen ihre Schenkel zu schieben. Ohne Vorankündigung fing sie an zu weinen. Christina griff nach der Decke und zog sie so weit in ihre Richtung, bis das Mädchen entblößt vor ihr lag. Mit geschlossenen Augen drehte sich Janice auf den Rücken, zog sich den Slip über die Kniekehlen und hob das Becken. Christina betrachtete die Abschürfungen und Blutergüsse, die nur unzureichend von der beginnenden Schambehaarung verdeckt wurden. Sie tat es sehr ruhig und voller Konzentration, so als löste sie eine Denksportaufgabe.
Dann hatte sie ihre Vision. Sie sah ein riesiges rotes Augenpaar, das ihr durch das Fenster entgegenfunkelte. Und sie sah einen massigen, alten Bären, in dessen Fell sich sibirische Schneeflocken verfangen hatten. Brüllend hob er die Tatzen, mit denen er blutige Striemen über den Schoß ihrer Tochter zog. Sie spürte die Kälte, die ihn umgab wie eine Aura, und ihre Nase wurde überwältigt vom beißenden, primitiven Raubtiergeruch.
Sie breitete die Bettdecke, die sie noch immer in der Hand hielt, über den Bauch ihrer Tochter. Dann griff sie nach ihrer Hand und küßte sie, bis Janice sie zurückzog, als sie die Tränen auf ihren Fingern fühlte. Mit einer fahrigen Bewegung strich sich Christina durch die Haare und versuchte ein Lächeln, das ihr grauenhaft mißlang.
„Warte! Ich mache dir einen Tee!“
Die Erinnerungen entfernten sich von ihr wie eine Kamera, die im Rückwärtsgang einen Tunnel abfuhr. Sie schaute zur Küchentür, aus der ein krächzendes Husten zu hören war.
„Sie ist krank, hörst du? Ich mache ihr jede Stunde einen Tee und warte, daß sie wieder gesund wird!“
Splitternd fiel ein Glasgefäß zu Boden. Sekunden später taumelte er ins Wohnzimmer. Er war bleich und schwitzte so stark, daß der Halsausschnitt seines grünen T-Shirts eine dunkle Krause bildete. Er hielt die rechte Hand gegen die Brust gedrückt, in seinen Augen glänzte eine Art Fieber. Christina beugte sich in ihrem Sessel nach vorn.
„Vielleicht weißt du ja, was sie hat?“
Mühsam lösten sich seine Lippen voneinander.
„Mägde! Fleißige Mägde! Ihr dachtet, ich bin... blind?“ Stöhnend sank er vor ihr auf die Knie. Unter Konvulsionen kämpfte sein Oberkörper um jeden Atemzug.
„Wundert... euch nicht, was ich... gemacht habe! Was glaubt ihr, wer ihr seid?“
Sein Lachen klang, als rutschte eine Ladung Kies von der Kippe eines LKWs.
„Nichts als... Mägde! Sie werden euch... härter durchnehmen als ich!“
Seine Gesichtsmuskeln hielten das verächtliche Grinsen noch eine Sekunde lang aufrecht, bevor ihm ein Hustenanfall, der sich in ein verzweifeltes Würgen wandelte, ein Ende machte. Er kippte zur Seite und blieb vor ihr auf dem Rücken liegen. Seine Schläfen berührten fast ihre Fußspitzen. Während er kaum noch verständliche Worte ausstieß, sickerte grüner Schleim aus seinem Mund.
„Den Arzt holen?“ Christina hob die Augenbrauen, als wollte sie ironisch sein. „Warum sollte ich? Du hast deine Medizin doch schon bekommen! Erinnerst du dich? Dein Päckchen von Thomas! Ich hoffe, es hat den Geschmack nicht zu sehr verändert.“
Der Schleim um seinen Mundwinkeln bildete Bläschen. Sie sahen aus wie kleine Luftballons.
 

Oktober

Mitglied
Genügt es, wenn ich schlicht sage: "Hat mir sehr gut gefallen" und mich jeglicher Kritik enthalte?
Ich muß es wohl. Wenn man den Text als Ganzes auf sich wirken läßt, vergißt man eventuelle Stolpersteine. Nach dem Lesen hatte ich einfach keine Lust mehr, nach möglichen Schwachstellen zu suchen. War ich zu beeindruckt? Vielleicht.

Oktober
 
Antwort an Oktober

Vielen Dank für deine freundliche Besprechung! Mir ist durchaus bewußt, daß der Text seine Schwächen hat. Vor allem dadurch, daß ich ihn zu sehr fragmentiert habe, nachdem mir der Aufbau der älteren Version zu linear erschien. Deine Besprechung stärkt meinen Mut, die Story zu renovieren. Dafür nochmals Danke!
 



 
Oben Unten