Rauer Grund

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Ord

Mitglied
Oliver unterdrückt die aufsteigenden Tränen.
Seine Schwester mustert ihn besorgt: „Was ist los mit dir? Du siehst so niedergeschlagen aus.“
„Ach, ich habe eben meine Kontakte im Handy durchgesehen. Omis Nummer ist noch dabei. Ich vermisse sie. Und es gibt kein Grab. Es ist einfach gar nichts mehr da.“
„Ja, ich weiß, was du meinst und es ist ja auch erst zweieinhalb Monate her.
Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.
Ich war neulich mit Mama am Gedenkstein auf der Steilküste. Mir hat es geholfen.
Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren.
Wollen wir gemeinsam hingehen?“
„Ich glaube, ich möchte da lieber erst mal alleine hoch.“
Seine Schwester legt ihm tröstend die Hand auf den Arm.
Zwei Tage später liest Oliver die Inschrift auf dem Stein und sein Blick schweift über die Bucht.
Da kommt ihm eine Idee. Er ruft seinen Freund Daniel an und ist erleichtert, dass dieser ihm seine Bitte erfüllen möchte.
„In Ordnung, dann treffen wir uns Sonntag gegen zehn am Anleger bei Fiete.“
Die Aufregung lässt Oliver am Samstag schlecht einschlafen und dann quält ihn ein Albtraum.
Neongrün leuchtende Seile schlingen sich um seinen Körper. Er versucht, sich zu befreien, aber es werden immer mehr.
Am nächsten Morgen schleppt er seine Taucherausrüstung vom Auto zum Boot.
„Heh, Olli, gut geschlafen?“
Daniel nimmt ihm das schwere Zeug ab.
„Nee, beschissen. Und du?“
„Tief und fest. Ich habe mein Zeug zum Freitauchen dabei, falls du Hilfe brauchen solltest.“
„Danke!“
Der Motor tuckert, Oliver döst vor sich hin. Nach einer halben Stunde sind sie am Ziel.
Ein Stückchen Tang und zwei Quallen treiben vorbei.
„Die Sicht ist okay, ungefähr drei Meter.“
Die beiden zwängen sich in ihre Neoprenanzüge.
Während Daniel die Leiter einhängt und die Taucherflagge hisst, zieht Oliver sich die Flossen und die Weste an.
„Ich brauche maximal ’ne viertel Stunde.“
Seine Hand formt das Okay-Zeichen, dann lässt er sich rückwärts ins Wasser fallen.
Das Austarieren klappt gut und er taucht tiefer.
Drei Meter, vier Meter, fünf. Grünes Licht.
Es wird dunkler und er schaltet die Lampe am Kamerastativ ein.
Acht Meter, neun, zehn.
Seine Atemgeräusche beruhigen ihn.
Noch etwa zweieinhalb Meter, dann müsste er den Grund sehen.
Aus dunklen Schatten werden Steine. Oliver bewegt sich sehr vorsichtig mit dem Frogkick vorwärts, um kein Sediment aufzuwirbeln.
Aus einem Büschel Seegras flitzen kleine Fische. Auf schwarzbraunen Miesmuscheln haften Seepocken und filtern das Wasser. Es sieht so aus, als würden sie ihm zuwinken.
Alles wirkt so friedlich hier unten.
Endlich entdeckt Oliver, wonach er gesucht hat.
Auf dem Sand zeichnen sich fünf kleine, von dunklen Sedimenten bedeckte Erhebungen ab.
Er hatte darüber gelesen, ist aber überrascht, wie deutlich die Hügel zu sehen sind.
Unter einem könnte die Asche seiner Oma liegen. So sieht es also aus, nachdem die Urne sich aufgelöst hat.
Er macht ein paar Fotos.
Zwischen zwei Steinen hat sich eine Plastiktüte verfangen. Er zieht sie heraus. Ein kleiner Goldbutt schwimmt aufgeschreckt davon.
Plötzlich attackiert ein Taschenkrebs die Kameralinse. Der Kleine folgt ihr, als Oliver das Stativ zurückzieht und droht mit den Scheren.
Es wird Zeit, zum Boot zurückzukehren.
Daniel staunt über die Fotos: „Ich war der Meinung, dass alles verteilt wird. Hätte nie gedacht, dass es so aussieht. Wie geht's dir jetzt?“
„Besser, nachdem ich das gesehen habe.“
Auf der Rücktour hängt Oliver seinen Gedanken nach.
Er erinnert sich, wie seine Oma ihm beigebracht hat, Weidenflöten zu basteln und mit einem Grashalm oder einer Schilfspitze Musik zu machen.
Er sieht sich Apfelschalen knabbern, bevor sie ihm den geschälten Apfel mit dem ausgestochenen Kerngehäuse reicht.
Und er meint, gebratene Butter zu riechen. Ob Gemüse oder Fleisch, immer musste ein Klacks Butter ran.
Am Anleger angekommen, bedankt er sich bei Daniel.
„Ich muss das Boot wieder zurückbringen. Mein Vater will heute Nachmittag noch mal raus.
Was machst du jetzt?“
„Ich gehe hoch zur Steilküste. Treffen wir uns nächsten Freitag zum Tauchen drüben am Steinriff?“
„Weiß noch nicht. Freitag oder Samstag. Ich ruf dich an. Tschüss dann.“
„Tschüss!“
Daniel tuckert davon.
Oliver verstaut seine Taschen im Auto und kauft sich ein Fischbrötchen und einen Kaffee.
Auf der Steilküste versucht er die Stelle zu finden, wo er noch vor einer Stunde gewesen ist.
Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde.
Er holt sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Kontaktübersicht.
-Bearbeiten-
-Kontakt löschen-
Dann ruft er noch einmal die Nachricht auf, die ihm seine Schwester am Dienstag geschickt hat:

„Lieber Olli,

es tut schrecklich weh, wenn ein geliebter Mensch sterben muss.
Doch klingen in unseren Herzen die Erinnerungen an Freunde und Verwandte nach, die von uns gegangen sind.
Und die schönen Erlebnisse des gemeinsamen Weges sind unser Trost.

Ich habe Dich lieb.“
 

Silbenstaub

Mitglied
Hallo Ord,
ein anrührender Text über das Loslassen und Abschied nehmen. Die beschriebene Art der Trauerbewältigung gefällt mir und hat Bilder und Emotionen bei mir hinterlassen.
Sätze wie: „Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde“, oder: „Aus dunklen Schatten werden Steine“ sprechen mich an. Gut finde ich auch die Klammer: Schwester zu Beginn, Schwester zum Schluss.
Bei der Unterwasserszene fehlen mir allerdings die Emotionen, ich denke, da könntest du noch mehr herausholen.
Als ich die Geschichte zu Ende gelesen hatte, fragte ich mich, wie sie auf mich wirken würde, wenn sie in der Ich-Perspektive geschrieben wäre. Ich glaube, das wäre viel stärker.
Das in Kürze zu meinem Leseeindruck, auf jeden Fall gern gelesen.
Silbenstaub
 

Ord

Mitglied
Hallo Silbenstaub,
ich freue mich über Deine Rückmeldungen.
Tatsächlich hatte ich begonnen, den Text in der Ich-Perspektive zu schreiben, habe dann aber gewechselt. Unter anderem ergaben sich mehr Möglichkeiten, den Protagonisten zu benennen: er, sein, ihm, ihn, Oliver, Olli.
Was die Unterwasserszene angeht: ich wusste sofort, was Du meinst und fühlte mich erwischt.
Mir ist nämlich beim Schreiben der Hals eng geworden und deshalb habe ich mich schnell davongeschlichen.
Ich werde in mich gehen und die Szene durchleben – und wohl ein paar Taschentücher brauchen.
Ord
 

Ord

Mitglied
Oliver unterdrückt die aufsteigenden Tränen.
Seine Schwester mustert ihn besorgt: „Was ist los mit dir? Du siehst so niedergeschlagen aus.“
„Ach, ich habe eben meine Kontakte im Handy durchgesehen. Omis Nummer ist noch dabei. Ich vermisse sie. Und es gibt kein Grab. Es ist einfach gar nichts mehr da.“
„Ja, ich weiß, was du meinst und es ist ja auch erst zweieinhalb Monate her.
Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.
Ich war neulich mit Mama am Gedenkstein auf der Steilküste. Mir hat es geholfen.
Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren.
Wollen wir gemeinsam hingehen?“
„Ich glaube, ich möchte da lieber erst mal alleine hoch.“
Seine Schwester legt ihm tröstend die Hand auf den Arm.
Zwei Tage später liest Oliver die Inschrift auf dem Stein und sein Blick schweift über die Bucht.
Da kommt ihm eine Idee. Er ruft seinen Freund Daniel an und ist erleichtert, dass dieser ihm seine Bitte erfüllen möchte.
„In Ordnung, dann treffen wir uns Sonntag gegen zehn am Anleger bei Fiete.“
Die Aufregung lässt Oliver am Samstag schlecht einschlafen und dann quält ihn ein Albtraum.
Neongrün leuchtende Seile schlingen sich um seinen Körper. Er versucht, sich zu befreien, aber es werden immer mehr.
Am nächsten Morgen schleppt er seine Taucherausrüstung vom Auto zum Boot.
„Heh, Olli, gut geschlafen?“
Daniel nimmt ihm die schweren Taschen ab.
„Nee, beschissen. Und du?“
„Tief und fest. Ich habe mein Zeug zum Freitauchen dabei, falls du Hilfe brauchen solltest.“
„Danke!“
Der Motor brummt, Oliver döst vor sich hin. Nach einer halben Stunde sind sie am Ziel.
Ein Stückchen Tang und zwei Quallen treiben langsam vorbei.
„Die Sicht ist ganz gut, etwa drei Meter.“
Die beiden zwängen sich in ihre Neoprenanzüge.
Während Daniel die Leiter einhängt und die Taucherflagge hisst, zieht Oliver sich die Flossen und die Weste an.
„Ich brauche maximal ’ne viertel Stunde.“
Seine Hand formt das Okay-Zeichen, dann lässt er sich rückwärts ins Wasser fallen.
Das Austarieren klappt gut und er taucht tiefer.
Drei Meter, vier Meter, fünf. Grünes Licht.
Es wird dunkler und er schaltet die Lampe am Kamerastativ ein.
Acht Meter, neun, zehn.
Seine Atemgeräusche beruhigen ihn.
Noch etwa zweieinhalb Meter, dann müsste er den Grund sehen.
Aus dunklen Schatten werden Steine. Oliver bewegt sich sehr vorsichtig mit dem Frogkick vorwärts, um kein Sediment aufzuwirbeln.
Aus einem Büschel Seegras flitzen kleine Fische. Auf schwarzbraunen Miesmuscheln haften Seepocken und filtern das Wasser. Es sieht so aus, als würden sie ihm zuwinken.
Alles wirkt so friedlich hier unten.
Endlich entdeckt Oliver, wonach er gesucht hat.
Auf dem Sand zeichnen sich fünf kleine, von dunklen Sedimenten bedeckte Erhebungen ab.
Er hatte darüber gelesen, ist aber überrascht, wie deutlich die Hügel zu sehen sind.
Unter einem könnte die Asche seiner Oma liegen. So sieht es also aus, nachdem die Urne sich aufgelöst hat.
Bewegungslos schwebt Oliver über dem Boden.
Sein Hals verengt sich.
Das Bild verschwimmt vor seinen Augen und er schluckt hart.
Dann fängt er sich wieder, lockert die verkrampften Hände und macht ein paar Fotos.
Zwischen zwei Steinen hat sich eine Plastiktüte verfangen. Er zieht sie heraus. Ein kleiner Goldbutt schwimmt aufgeschreckt davon.
Plötzlich attackiert ein Taschenkrebs die Kameralinse. Der Kleine folgt ihr, als Oliver das Stativ zurückzieht und droht mit den Scheren.
Es wird Zeit, zum Boot zurückzukehren.
Daniel staunt über die Fotos: „Ich war der Meinung, dass alles verteilt wird. Hätte nie gedacht, dass es so aussieht. Wie geht's dir jetzt?“
„Besser, nachdem ich das gesehen habe.“
Sein Freund klopft ihm aufmunternd auf die Schulter.
Auf der Rücktour hängt Oliver seinen Gedanken nach.
Er erinnert sich, wie seine Oma mit ihm Weidenflöten gebastelt hat, wie sie Musik machten mit Grashalmen oder Schilfspitzen.
Er sieht sich Apfelschalen knabbern, bevor sie ihm den geschälten Apfel reicht, das Kerngehäuse sorgfältig ausgestochenen.
Und er meint, gebratene Butter zu riechen. Ob Gemüse oder Fleisch, immer musste ein Klacks Butter ran.
Am Anleger angekommen, bedankt er sich bei Daniel.
„Ich muss das Boot wieder zurückbringen. Mein Vater will heute Nachmittag noch mal raus.
Was machst du jetzt?“
„Ich gehe zur Steilküste. Treffen wir uns nächsten Freitag zum Tauchen drüben am Steinriff?“
„Weiß noch nicht. Freitag oder Samstag. Ich ruf dich an. Tschüss dann.“
„Tschüss!“
Daniel tuckert davon.
Oliver verstaut seine Taschen im Auto und kauft sich ein Fischbrötchen und einen Kaffee.
Auf der Steilküste versucht er die Stelle zu finden, wo er noch vor einer Stunde gewesen ist.
Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde.
Er holt sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Kontaktübersicht.
-Bearbeiten-
-Kontakt löschen-
Nach einem tiefen Seufzer ruft er noch einmal die Nachricht auf, die ihm seine Schwester am Dienstag geschickt hat:

„Lieber Olli,

es tut schrecklich weh, wenn ein geliebter Mensch sterben muss.
Doch klingen in unseren Herzen die Erinnerungen an Freunde und Verwandte nach, die von uns gegangen sind.
Und die schönen Erlebnisse des gemeinsamen Weges sind unser Trost.

Ich habe Dich lieb.“
 

Ord

Mitglied
Oliver unterdrückt die aufsteigenden Tränen.
Seine Schwester mustert ihn besorgt: „Was ist los mit dir? Du siehst so niedergeschlagen aus.“
„Ach, ich habe eben meine Kontakte im Handy durchgesehen. Omis Nummer ist noch dabei. Ich vermisse sie. Und es gibt kein Grab. Es ist einfach gar nichts mehr da.“
„Ja, ich weiß, was du meinst und es ist ja auch erst zweieinhalb Monate her.
Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.
Ich war neulich mit Mama am Gedenkstein auf der Steilküste. Mir hat es geholfen.
Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren.
Wollen wir gemeinsam hingehen?“
„Ich glaube, ich möchte da lieber erst mal alleine hoch.“
Seine Schwester legt ihm tröstend die Hand auf den Arm.
Zwei Tage später liest Oliver die Inschrift auf dem Stein und sein Blick schweift über die Bucht.
Da kommt ihm eine Idee. Er ruft seinen Freund Daniel an und ist erleichtert, dass dieser ihm seine Bitte erfüllen möchte.
„In Ordnung, dann treffen wir uns Sonntag gegen zehn am Anleger bei Fiete.“
Die Aufregung lässt Oliver am Samstag schlecht einschlafen und dann quält ihn ein Albtraum.
Neongrün leuchtende Seile schlingen sich um seinen Körper. Er versucht, sich zu befreien, aber es werden immer mehr.
Am nächsten Morgen schleppt er seine Taucherausrüstung vom Auto zum Boot.
„Heh, Olli, gut geschlafen?“
Daniel nimmt ihm die schweren Taschen ab.
„Nee, beschissen. Und du?“
„Tief und fest. Ich habe mein Zeug zum Freitauchen dabei, falls du Hilfe brauchen solltest.“
„Danke!“
Der Motor brummt, Oliver döst vor sich hin. Nach einer halben Stunde sind sie am Ziel.
Ein Stückchen Tang und zwei Quallen treiben langsam vorbei.
„Die Sicht ist ganz gut, etwa drei Meter.“
Die beiden zwängen sich in ihre Neoprenanzüge.
Während Daniel die Leiter einhängt und die Taucherflagge hisst, zieht Oliver sich die Flossen und die Weste an.
„Ich brauche maximal ’ne viertel Stunde.“
Seine Hand formt das Okay-Zeichen, dann lässt er sich rückwärts ins Wasser fallen.
Das Austarieren klappt gut und er taucht tiefer.
Drei Meter, vier Meter, fünf. Grünes Licht.
Es wird dunkler und er schaltet die Lampe am Kamerastativ ein.
Acht Meter, neun, zehn.
Seine Atemgeräusche beruhigen ihn.
Noch etwa zweieinhalb Meter, dann müsste er den Grund sehen.
Aus dunklen Schatten werden Steine. Oliver bewegt sich sehr vorsichtig mit dem Frogkick vorwärts, um kein Sediment aufzuwirbeln.
Aus einem Büschel Seegras flitzen kleine Fische. Auf schwarzbraunen Miesmuscheln haften Seepocken und filtern das Wasser. Es sieht so aus, als würden sie ihm zuwinken.
Alles wirkt so friedlich hier unten.
Endlich entdeckt Oliver, wonach er gesucht hat.
Auf dem Sand zeichnen sich fünf kleine, von dunklen Sedimenten bedeckte Erhebungen ab.
Er hatte darüber gelesen, ist aber überrascht, wie deutlich die Hügel zu sehen sind.
Unter einem könnte die Asche seiner Oma liegen. So sieht es also aus, nachdem die Urne sich aufgelöst hat.
Bewegungslos schwebt Oliver über dem Boden.
Sein Hals verengt sich.
Das Bild verschwimmt vor seinen Augen und er schluckt hart.
Dann fängt er sich wieder, lockert die verkrampften Hände und macht ein paar Fotos.
Zwischen zwei Steinen hat sich eine Plastiktüte verfangen. Er zieht sie heraus. Ein kleiner Goldbutt huscht aufgeschreckt davon.
Plötzlich attackiert ein Taschenkrebs die Kameralinse. Der Kleine folgt ihr, als Oliver das Stativ zurückzieht und droht mit den Scheren.
Es wird Zeit, zum Boot zurückzukehren.
Daniel staunt über die Fotos: „Ich war der Meinung, dass alles verteilt wird. Hätte nie gedacht, dass es so aussieht. Wie geht's dir jetzt?“
„Besser, nachdem ich das gesehen habe.“
Sein Freund klopft ihm aufmunternd auf die Schulter.
Auf der Rücktour hängt Oliver seinen Gedanken nach.
Er erinnert sich, wie seine Oma mit ihm Weidenflöten gebastelt hat, wie sie Musik machten mit Grashalmen oder Schilfspitzen.
Er sieht sich Apfelschalen knabbern, bevor sie ihm den geschälten Apfel reicht, das Kerngehäuse sorgfältig ausgestochen.
Und er meint, gebratene Butter zu riechen. Ob Gemüse oder Fleisch, immer musste ein Klacks Butter ran.
Am Anleger angekommen, bedankt er sich bei Daniel.
„Ich muss das Boot wieder zurückbringen. Mein Vater will heute Nachmittag noch mal raus.
Was machst du jetzt?“
„Ich gehe zur Steilküste. Treffen wir uns nächsten Freitag zum Tauchen drüben am Steinriff?“
„Weiß noch nicht. Freitag oder Samstag. Ich ruf dich an. Tschüss dann.“
„Tschüss!“
Daniel tuckert davon.
Oliver verstaut seine Taschen im Auto und kauft sich ein Fischbrötchen und einen Kaffee.
Auf der Steilküste versucht er die Stelle zu finden, wo er noch vor einer Stunde gewesen ist.
Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde.
Er holt sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Kontaktübersicht.
-Bearbeiten-
-Kontakt löschen-
Nach einem tiefen Seufzer ruft er noch einmal die Nachricht auf, die ihm seine Schwester am Dienstag geschickt hat:

„Lieber Olli,

es tut schrecklich weh, wenn ein geliebter Mensch sterben muss.
Doch klingen in unseren Herzen die Erinnerungen an Freunde und Verwandte nach, die von uns gegangen sind.
Und die schönen Erlebnisse des gemeinsamen Weges sind unser Trost.

Ich habe Dich lieb.“
 
Den Text erst jetzt kennengelernt, Ord, und bin recht beeindruckt von ihm. Für mich hält sich das die Waage: ein, wie mir scheint, neuartiger Plot (Tauchen nach der Asche der Oma), kombiniert mit Gefühlen traditioneller Familienanhänglichkeit, wie schon oft dargestellt.

Es ist mir etwas unangenehm, dass ich so gut wie nichts bemängeln und keine wesentliche Verbesserung vorschlagen kann. Vielleicht würde ich nicht mit unterdrückten aufsteigenden Tränen beginnen und mit tiefem Seufzen schließen. Das sind jene schwierigen Stellen, wo der Hergang und die ihn begleitenden Gefühle durchaus glaubwürdig sind, ihre Darstellung dennoch besser stereotyp verwendete Formulierungen vermeidet. Durch sie wird der Gehalt an dieser Stelle sonst eher verdünnt als unterstrichen. Aber wie besser machen? Vielleicht den ersten Satz einfach weglassen und Olli am Schluss bloß seufzen lassen.

Interessant fand ich Folgendes: Beim Auftreffen auf den Grund wird bald ein Bild friedfertiger Naturidylle gezeichnet - das sich nach dem Auffinden der Urnenreste und dem Fotografieren eher ins Gegenteil verwandelt (Plastiktüte, Krebs droht mit Scheren). Ich weiß nicht, ob das so bewusst gestaltet wurde. Es gefällt mir und gibt einem Stoff zum Nachdenken. Ich würde darin gern den Ruck erkennen, mit dem ein Irdischer sich schließlich aus der lebensfeindlichen Unterwelt zurückzieht, um zu den Lebenden zurückzukehren.

Nebenbei noch eine ganz prosaische Frage: Ist es überhaupt denkbar, sich durch solches Tauchen der realen Begräbnisstätte zu nähern? Könnte wirklich unter einer der aufgefundenen Erhebungen gerade Omas Asche liegen (Problem der Ortung)?

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Lieber Ord,

in meinen Augen leider kein guter Text. Der Einstieg ist m.E. relativ plump und viele Informationen der direkten Rede scheinen eher an den Leser gerichtet als an das Gegenüber im Text:

„Ja, ich weiß, was du meinst und es ist ja auch erst zweieinhalb Monate her.
Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.
Ich war neulich mit Mama am Gedenkstein auf der Steilküste. Mir hat es geholfen.
Vielleicht solltest du das auch mal ausprobieren.
Wollen wir gemeinsam hingehen?“
Ich gehe mal davon aus, dass Oliver selbst weiß, dass es erst zweieinhalb Monate her ist und dass die Oma eine Seebestattung wollte. Eine authentische Antwort wäre in diesem Kontext wohl viel kürzer:

"Der Gedenkstein an der Steilküste. Dort hast du doch einen Ort zum Trauern!"

Selbst das ist für mich noch zu konstruiert. Im Grunde fände ich es besser, wenn durch die Fortführung der Geschichte klar wird, was gemeint ist mit Olivers erster Aussage.

Die Tauchszene empfinde ich ebenfalls als wenig bewegend. Der Text des Briefes ist rührselig und für mich persönlich sind solche Gemeinplätze wenig hilfreich.

Liebe Grüße,

CPMAn
 

Ord

Mitglied
Hallo Arno,

herzlichen Dank für Deine Rückmeldung!
Ich freue mich sehr darüber und werde voraussichtlich nächstes Wochenende ausführlich darauf eingehen.

Freundlichen Gruß
Ord
 

Ord

Mitglied
Hallo CPMan,

herzlichen Dank für Deine Rückmeldung!
Ich freue mich sehr darüber und werde voraussichtlich nächstes Wochenende ausführlich darauf eingehen.

Freundlichen Gruß
Ord
 

Maribu

Mitglied
Hallo Ord,

eine wehmütige, um nicht zu sagen sentimentale Geschichte, des
"Abschiednehmens" von einem geliebten Menschen und gleichzeitiger Rückbesinnung auf gemeinsam Erlebtes.
Dass sich auf dem Meeresgrund nach Auflösung der Urnen Erhebungen bilden, habe ich noch nicht gehört.
Ich hätte es begrüßt, wenn er die Nummer von der Oma nicht gelöscht hätte!
Gruß! Maribu
 

Ord

Mitglied
Olivers Schwester mustert ihn besorgt: „Was ist los mit dir? Du siehst so niedergeschlagen aus.“
„Ach, ich habe eben meine Kontakte im Handy durchgesehen. Omis Nummer ist noch dabei. Ich vermisse sie. Und es gibt kein Grab. Es ist einfach gar nichts mehr da.“
„Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.“
Sie legt ihm tröstend die Hand auf den Arm.
Zwei Tage später steht Oliver vor dem Gedenkstein auf der Steilküste. Er berührt die raue Oberfläche, liest die Inschrift und fühlt sich leer.
Sein Blick schweift über die Bucht.
Da kommt ihm eine Idee. Er ruft seinen Freund Daniel an und ist erleichtert, dass dieser ihm seine Bitte erfüllen möchte.
„In Ordnung, dann treffen wir uns Sonntag gegen zehn am Anleger bei Fiete.“
Die Aufregung lässt Oliver am Samstag schlecht einschlafen und dann quält ihn ein Albtraum.
Neongrün leuchtende Seile schlingen sich um seinen Körper. Er versucht, sich zu befreien, aber es werden immer mehr.
Am nächsten Morgen schleppt er seine Taucherausrüstung vom Auto zum Boot.
„Heh, Olli, gut geschlafen?“
Daniel nimmt ihm die schweren Taschen ab.
„Nee, beschissen. Und du?“
„Tief und fest. Ich habe mein Zeug zum Freitauchen eingepackt, falls du Hilfe brauchen solltest.“
„Danke!“
Der Motor brummt, Oliver döst vor sich hin. Nach einer halben Stunde sind sie am Ziel.
Ein Stückchen Tang und zwei Quallen treiben langsam vorbei.
„Die Sicht ist ganz gut, etwa drei Meter.“
Die beiden zwängen sich in ihre Neoprenanzüge.
Während Daniel die Leiter einhängt, zieht Oliver sich die Flossen und die Weste an.
„Ich brauche maximal ’ne viertel Stunde.“
Seine Hand formt das Okay-Zeichen, dann taucht er ab.
Drei Meter, vier Meter, fünf. Grünes Licht.
Es wird dunkler und er schaltet die Lampe am Kamerastativ ein.
Acht Meter, neun, zehn.
Seine Atemgeräusche beruhigen ihn.
Noch etwa zweieinhalb Meter, dann müsste er den Grund sehen.
Aus dunklen Schatten werden Steine. Oliver bewegt sich sehr vorsichtig mit dem Frogkick vorwärts, um kein Sediment aufzuwirbeln.
Aus einem Büschel Seegras flitzen kleine Fische. Seepocken haften auf schwarzbraunen Miesmuscheln und filtern das Wasser. Es sieht so aus, als würden sie ihm zuwinken.
Alles wirkt so friedlich hier unten.
Endlich entdeckt Oliver, wonach er gesucht hat.
Auf dem Sand zeichnen sich fünf kleine, von dunklen Sedimenten bedeckte Erhebungen ab.
Er hatte darüber gelesen, ist aber überrascht, wie deutlich die Hügel zu sehen sind.
Unter einem könnte die Asche seiner Oma liegen. So sieht es also aus, nachdem die Urne sich aufgelöst hat.
Bewegungslos schwebt Oliver über dem Boden.
Sein Hals verengt sich.
Das Bild verschwimmt vor seinen Augen und er schluckt hart.
Dann fängt er sich wieder, lockert die verkrampften Hände und macht ein paar Fotos.
Zwischen zwei Steinen klemmt eine Plastiktüte. Er zieht sie heraus. Ein Goldbutt huscht aufgeschreckt davon.
Plötzlich attackiert ein Taschenkrebs die Kameralinse. Der Kleine folgt ihr, als Oliver das Stativ zurückzieht und droht mit den Scheren.
Es wird Zeit, zum Boot zurückzukehren.
Daniel staunt über die Fotos: „Ich war der Meinung, dass alles verteilt wird. Hätte nie gedacht, dass es so aussieht. Wie geht's dir jetzt?“
„Besser, nachdem ich das gesehen habe.“
Sein Freund klopft ihm aufmunternd auf die Schulter.
Auf der Rücktour hängt Oliver seinen Gedanken nach.
Er erinnert sich, wie seine Oma mit ihm Weidenflöten gebastelt hat, wie sie Musik machten mit Grashalmen oder Schilfspitzen.
Er sieht sich Apfelschalen knabbern, bevor sie ihm den geschälten Apfel reicht, das Kerngehäuse sorgfältig ausgestochen.
Und er meint, gebratene Butter zu riechen. Ob Gemüse oder Fleisch, immer musste ein Klacks Butter ran.
Am Anleger angekommen, bedankt er sich bei Daniel.
„Ich muss das Boot wieder zurückbringen. Mein Vater will heute Nachmittag noch mal raus.
Was machst du jetzt?“
„Ich gehe zur Steilküste. Treffen wir uns nächsten Freitag zum Tauchen drüben am Steinriff?“
„Weiß noch nicht. Freitag oder Samstag. Ich ruf dich an. Tschüss dann.“
„Tschüss!“
Daniel tuckert davon.
Oliver verstaut seine Taschen im Auto und kauft sich ein Fischbrötchen und einen Kaffee.
Auf der Steilküste versucht er die Stelle zu finden, wo er noch vor einer Stunde gewesen ist.
Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde.
Er holt sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Kontaktübersicht.
-Bearbeiten-
-Kontakt löschen-
Nach einem tiefen Seufzer ruft er noch einmal die Nachricht auf, die ihm seine Schwester am Dienstag geschickt hat:

„Lieber Olli,

es tut schrecklich weh, wenn ein geliebter Mensch sterben muss.
Doch klingen in unseren Herzen die Erinnerungen an Freunde und Verwandte nach, die von uns gegangen sind.
Und die schönen Erlebnisse des gemeinsamen Weges sind unser Trost.

Ich habe Dich lieb.“
 

Ord

Mitglied
Hallo Arno,

ich danke Dir für Deine Vorschläge. Ich probierte aus, wie sie sich auf den Text auswirken und die Veränderung gefällt mir.
Die Plastiktüte habe ich bewusst an die Stelle mit der Krebs-Begegnung eingebaut. Der Gedanke, der mir dabei durch den Kopf ging: „Nun hast Du es gesehen. Schwimm zurück!“
Ich freue mich, dass Du das gespürt hast.

Was die Ortung der Grabstelle betrifft: Die Familienangehörigen erhalten unter anderem eine Seekarte mit den eingetragenen Längen- und Breitengraden.
Auf der Karte, die ich habe, sind sie mit einer Genauigkeit von zwei Stellen hinter dem Komma angegeben.
Es wäre schon ein großer Zufall, wenn der Protagonist die genaue Stelle finden würde.
Das weiß Oliver und vermutet deshalb nur, dass unter einem der Hügel die Asche seiner Oma liegen könnte.

Freundliche Grüße
Ord


Hallo Maribu,

vielen Dank für Deine Rückmeldung.
Als ich das erste mal von den kleinen Grabhügeln gelesen hatte, war ich auch überrascht.
Mehr Informationen sind zu finden, wenn man nach „Seebestattung, auf dem Meeresboden verbleibt ein kleiner Hügel“ sucht. (Ich möchte nicht auf einen speziellen Begräbnisanbieter verweisen).
Es ist nicht einfach für den Protagonisten, die Telefonnummer zu löschen, ist aber der nächste Schritt seiner Trauerbewältigung. Er lässt los.

Viele Grüße
Ord
 

Ord

Mitglied
Hallo CPMan,

Du hast Recht, die Rede der Schwester war viel zu lang und tatsächlich eine Erklärung für den Leser.

Die „stille Seebestattung“ möchte ich gerne beibehalten, weil sie in diesem Fall eine der Ursachen ist, dass es dem Protagonisten so schwer fällt, loszulassen. Die Angehörigen dürfen bei einer stillen Bestattung nicht dabei sein und dem Protagonisten fehlt dieser Schritt der Trauerbewältigung.
Ich danke Dir für Deine Anmerkungen.

Viele Grüße
Ord
 

Ord

Mitglied
Olivers Schwester mustert ihn besorgt: „Was ist los mit dir? Du siehst so niedergeschlagen aus.“
„Ach, ich habe eben meine Kontakte im Handy durchgesehen. Omis Nummer ist noch dabei. Ich vermisse sie. Und es gibt kein Grab. Es ist einfach gar nichts mehr da.“
„Die stille Seebestattung war ihr Wunsch, da kann man nichts machen.“
Sie legt ihm tröstend die Hand auf den Arm.
Zwei Tage später steht Oliver vor dem Gedenkstein auf der Steilküste. Er berührt die raue Oberfläche, liest die Inschrift und fühlt sich leer.
Sein Blick schweift über die Bucht.
Da kommt ihm eine Idee. Er ruft seinen Freund Daniel an und ist erleichtert, dass dieser ihm seine Bitte erfüllen möchte.
„In Ordnung, dann treffen wir uns Sonntag gegen zehn am Anleger bei Fiete.“
Die Aufregung lässt Oliver am Samstag schlecht einschlafen und dann quält ihn ein Albtraum.
Neongrün leuchtende Seile schlingen sich um seinen Körper. Er versucht, sich zu befreien, aber es werden immer mehr.
Am nächsten Morgen schleppt er seine Taucherausrüstung vom Auto zum Boot.
„Heh, Olli, gut geschlafen?“
Daniel nimmt ihm die schweren Taschen ab.
„Nee, beschissen. Und du?“
„Tief und fest. Ich habe mein Zeug zum Freitauchen eingepackt, falls du Hilfe brauchen solltest.“
„Danke!“
Der Motor brummt, Oliver döst vor sich hin. Nach einer halben Stunde sind sie am Ziel.
Ein Stückchen Tang und zwei Quallen treiben langsam vorbei.
„Die Sicht ist ganz gut, etwa drei Meter.“
Die beiden zwängen sich in ihre Neoprenanzüge.
Während Daniel die Leiter einhängt, zieht Oliver sich die Flossen und die Weste an.
„Ich brauche maximal ’ne viertel Stunde.“
Seine Hand formt das Okay-Zeichen, dann taucht er ab.
Drei Meter, vier Meter, fünf. Grünes Licht.
Es wird dunkler und er schaltet die Lampe am Kamerastativ ein.
Acht Meter, neun, zehn.
Seine Atemgeräusche beruhigen ihn.
Noch etwa zweieinhalb Meter, dann müsste er den Grund sehen.
Aus dunklen Schatten werden Steine. Oliver bewegt sich sehr vorsichtig mit dem Frogkick vorwärts, um kein Sediment aufzuwirbeln.
Aus einem Büschel Seegras flitzen kleine Fische. Seepocken haften auf schwarzbraunen Miesmuscheln und filtern das Wasser. Es sieht so aus, als würden sie ihm zuwinken.
Alles wirkt so friedlich hier unten.
Endlich entdeckt Oliver, wonach er gesucht hat.
Auf dem Sand zeichnen sich fünf kleine, von dunklen Sedimenten bedeckte Erhebungen ab.
Er hatte darüber gelesen, ist aber überrascht, wie deutlich die Hügel zu sehen sind.
Unter einem könnte die Asche seiner Oma liegen. So sieht es also aus, nachdem die Urne sich aufgelöst hat.
Bewegungslos schwebt Oliver über dem Boden.
Sein Hals verengt sich.
Das Bild verschwimmt vor seinen Augen und er schluckt hart.
Dann fängt er sich wieder, lockert die verkrampften Hände und macht ein paar Fotos.
Zwischen zwei Steinen klemmt eine Plastiktüte. Er zieht sie heraus. Ein Goldbutt huscht aufgeschreckt davon.
Plötzlich attackiert ein Taschenkrebs die Kameralinse. Der Kleine folgt ihr, als Oliver das Stativ zurückzieht und droht mit den Scheren.
Es wird Zeit, zum Boot zurückzukehren.
Daniel staunt über die Fotos: „Ich war der Meinung, dass alles verteilt wird. Hätte nie gedacht, dass es so aussieht. Wie geht's dir jetzt?“
„Besser, nachdem ich das gesehen habe.“
Sein Freund klopft ihm aufmunternd auf die Schulter.
Auf der Rücktour hängt Oliver seinen Gedanken nach.
Er erinnert sich, wie seine Oma mit ihm Weidenflöten gebastelt hat, wie sie Musik machten mit Grashalmen oder Schilfspitzen.
Er sieht sich Apfelschalen knabbern, bevor sie ihm den geschälten Apfel reicht, das Kerngehäuse sorgfältig ausgestochen.
Und er meint, gebratene Butter zu riechen. Ob Gemüse oder Fleisch, immer musste ein Klacks Butter ran.
Am Anleger angekommen, bedankt er sich bei Daniel.
„Ich muss das Boot wieder zurückbringen. Mein Vater will heute Nachmittag noch mal raus.
Was machst du jetzt?“
„Ich gehe zur Steilküste. Treffen wir uns nächsten Freitag zum Tauchen drüben am Steinriff?“
„Weiß noch nicht. Freitag oder Samstag. Ich ruf dich an. Tschüss dann.“
„Tschüss!“
Daniel tuckert davon.
Oliver verstaut seine Taschen im Auto und kauft sich ein Fischbrötchen und einen Kaffee.
Auf der Steilküste versucht er die Stelle zu finden, wo er noch vor einer Stunde gewesen ist.
Die Brandung hört sich an, als ob das Meer atmen würde.
Er holt sein Handy aus der Hosentasche und öffnet die Kontaktübersicht.
-Bearbeiten-
-Kontakt löschen-
Noch einmal liest er die Nachricht, die ihm seine Schwester am Dienstag geschickt hatte:

„Lieber Olli,

es tut schrecklich weh, wenn ein geliebter Mensch sterben muss.
Doch klingen in unseren Herzen die Erinnerungen an Freunde und Verwandte nach, die von uns gegangen sind.
Und die schönen Erlebnisse des gemeinsamen Weges sind unser Trost.

Ich habe Dich lieb.“
 

G. R. Asool

Mitglied
Hey Orb,

deine Geschichte, wenn auch melancholisch, gefällt mir so ganz gut, hin und wieder empfinde ich es allerdings zu monoton, aber das ist ja Geschmackssache.

Gruß
GR
 

Ord

Mitglied
Hallo GR,

ich freue mich über Deine Rückmeldung! Die Melancholie gehört für mich in diesem Fall dazu.

Viele Grüße
Ord
 



 
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