Regen

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Mazirian

Mitglied
Regen

Als man zum ersten Mal, davon sprach, dass Sturm und Regen immer häufiger kamen, da meldeten sich Menschen mit sanften Herzen und selbstgestrickten Pullovern zu Wort. Sie hoben mahnend den Zeigefinger, bedeutungsschwer prophezeiend, dass man so nicht weiter machen könne. Und sie forderten, man müsse sich besinnen und einen anderen Weg zu leben einschlagen.
Aber ihre Furcht war die des Gefühls und sie konnten nichts erwidern, als die Fachleute in ihren Archiven nachschauten und erklärten:
"Das ist ganz normal. So etwas kommt alle zehn Jahre mal wieder. Geht nach Hause, genießt das Leben und lasst euch nicht von euren Träumen irre machen."

Indes, Sturm und Regen nahmen weiterhin zu. Da begannen die Bauern zu murren, denn es verregnete die Ernten und verhagelte ihnen den Gewinn. Doch ein Oberfachmann, forschte in seinem Archiv und sagte:
"So etwas geschieht nur alle hundert Jahre einmal, aber es kommt vor und hat darum keine Bedeutung. Also seht nicht zu schwarz. Nächstes Jahr wird alles wieder besser."
Da achtete niemand mehr groß auf die Bauern, denn sie waren nur wenige und bekannt dafür, dass sie gerne jammerten. Gut gehen lassen konnte man sich's trotzdem.

Als es aber nicht besser wurde und Sturm und Regen immer heftiger tobten, als der Hagel die Dächer zerschlug und die hochwassernden Flüsse die Ufer mit stinkendem Schlamm bedeckten, da machten sich viele Gedanken und es meldeten sich die Kaufleute zu Wort:
"Das kann niemand mehr bezahlen!", riefen sie "Keiner hat mehr Geld, unsere Waren zu kaufen. Wie kann man sich's da gut gehen lassen?".
Aber ein Hauptfachmann kam, mit einem alten Pergament, und sagte:
"Hier schaut, so etwas ist vor 500 Jahren schon einmal passiert. Also ist es normal und es hat nichts damit auf sich. Dafür werden wir die nächsten 500 Jahre schönes Wetter haben."
Und die Leute waren's zufrieden, gingen nach Hause und setzten ihre Dächer instand. Man konnte ja in 500 Jahren wieder darüber reden.

Doch Sturm und Regen dauerten an, bis man Land von Wasser nicht mehr unterscheiden konnte. Da schrien die Leute vor Angst:
"Wer hilft uns jetzt? Wir ersaufen in unseren Häusern und der Boden wird uns unter den Füßen weggespült. Wir wollen, dass das wieder aufhört!"
Und endlich kam der oberste und weiseste aller Fachmänner und sagte:
"Was schreit ihr und regt euch auf? Auch das hatten wir schon. Siebentausend Jahre ist es her", er öffnete ein schwarzes Buch mit einem geprägten goldenen Kreuz auf dem Deckel. "Seht, hier steht es geschrieben."
Sein Lächeln war warm und zuversichtlich.
 

Rainer

Mitglied
hallo mazirian,

schöne übersetzung von
"erst wenn der letzte baum gerodet ist, ...daß man geld nicht essen kann."
frage mich seit tagen, wann die erste reaktion auf die, haha, jahrhundertflut hier auftaucht. die paar flüchtigkeitsfehler sind geschenkt bei formulierungen wie:

"Und die Leute waren's zufrieden, gingen nach Hause und setzten ihre Dächer instand."

vielleicht gewinnt die geschichte noch mehr, wenn du den alten stil der sprache konsequenter durchziehst.

kleines p.s.: wird auch heutzutage die taube einen palmzweig bringen können?"

gruß

rainer
 

Conny

Mitglied
sehr schön und anschaulich geschrieben. die sprache hat was. auch vom inhalt her sehr zeitgemäß und daher explosiv.
 
E

ElsaLaska

Gast
kleine ergänzung

Hallo rainer,
es war ein Olivenzweig. Das ist wichtig.
Die Palmen waren am Palmsonntag in Jerusalem, ein paar Jährchen später;)

LG
Elsa
 

Rainer

Mitglied
schäm

@ elsalaska

selbst als alter atheist muss ich mich schämen, danke für die richtigstellung, muss wohl mal wieder im buch der bücher lesen.

gruß

rainer
 

Mazirian

Mitglied
Dank an alle

Hallo zusammen,

erstmal vielen Dank für das unerwartete Lob. Freu mich wie ein Plätzchen.

@Rainer
Mit durchgehend archaischer Sprache wär's natürlich konsistenter und hätte mir stilistisch auch besser gefallen. Aber es hätte auch ein wenig nach dem erhobenen Zeigefinger ausgesehen. Und den wollte ich im ersten Absatz "brechen" (ich vermute den meinst du)

Hm, abgesehen davon, dass in der Geschichte eben kein Gott warnt und keine Arche gebaut wird, könnt' ich mir vorstellen, dass die Taube den Schnipsel einer aktuellen Programmzeitschrift mitbringt ("Hurra, Harald Schmidt ist wieder da, alles ist in Ordnung."):)
PS.: Äh, wenn du Zeit und Lust hast, könntest du mir vielleicht sagen welche Flüchtigkeitsfehler du meinst - ich find' nämlich keine *schäm*


schönen Gruß und schönes Wochenende

Achim
 

GabiSils

Mitglied
Hallo Mazirian,

ich habe gerade mal zwei Kommafehler gefunden, vielleicht
hat ja Rainer schärfere Augen:

Regen

>> Als man zum ersten Mal[strike][red] , [/red][/strike]davon sprach, dass Sturm und Regen immer häufiger kamen, da meldeten sich Menschen mit sanften Herzen und selbstgestrickten Pullovern zu Wort. Sie hoben mahnend den Zeigefinger, bedeutungsschwer prophezeiend, dass man so nicht weiter machen könne. Und sie forderten, man müsse sich besinnen und einen anderen Weg zu leben einschlagen.
Aber ihre Furcht war die des Gefühls und sie konnten nichts erwidern, als die Fachleute in ihren Archiven nachschauten und erklärten:
"Das ist ganz normal. So etwas kommt alle zehn Jahre mal wieder. Geht nach Hause, genießt das Leben und lasst euch nicht von euren Träumen irre machen."

Indes, Sturm und Regen nahmen weiterhin zu. Da begannen die Bauern zu murren, denn es verregnete die Ernten und verhagelte ihnen den Gewinn. Doch ein Oberfachmann[red] [strike] , [/strike][/red] forschte in seinem Archiv und sagte: <<


Die Menschen mit snften Herzen und selbstgestrickten Pullovern haben es mir angetan :)

Gruß,
Gabi
 

Amalaswintha

Mitglied
Hallo Achim...!!

Geht unter die Haut...!! Sehr anschaulich beschrieben...wie wir sozusagen lachend und mit wehenden Fahnen in den Abgrund springen....und es noch nicht mal merken...!! Stimmt mich jetzt doch tatsächlich ein bißchen nachdenklich...!! Deinen Stil brauche ich nicht mehr zu loben...liebe ihn...!!*g*

Viele Grüße
Amalaswintha
 

Rainer

Mitglied
kläglicher versuch

hallo mazarian,

große klappe, nichts dahinter. so ungefähr sind meine fähigkeiten zu lektorieren, die lektoratsfunktionen ( neudeutsch lektorattools ?) habe ich noch nicht gefunden, deswegen wird es etwas schwierig für dich sein, es zu lesen.
hatte eigentlich gedacht/gehofft, daß dies ein erfahrener lektor übernehmen könnte.
zweite große klappe von mir: ich bin ein bauch-kommasetzer und -rechtschreiber, also bitte nicht so laut über falsche vorschläge von mir lachen. ausschlaggebend für mein gemaule war hauptsächlich das von gabisils schon korrigierte, erste komma des ersten satzes.
mit einem mulmigen gefühl versuche ich es trotzdem hiermit:
Und sie forderten, man müsse sich besinnen und einen anderen Weg zu leben einschlagen.
leben würde ich in diesem falle groß schreiben, je länger ich aber darüber nachdenke, desto unsicherer bin ich.

Aber ihre Furcht war die des Gefühls und sie konnten nichts
Aber ihre Furcht war die des Gefühls, und sie konnten nichts

da machten sich viele Gedanken und es meldeten sich die Kaufleute zu Wort:
da machten sich viele Gedanken, und es meldeten sich die Kaufleute zu Wort:

zitternd (aba nich vor kälte)

rainer
 

GabiSils

Mitglied
Hallo Rainer,

links neben dem Antwortfenster findest du einen Link zu vB-Code, da sind auch die Lektoratsfunktionen beschrieben. Wie man sie sinnvoll einsetzt, steht einen Link drunter.

Die von Dir angesprochenen Kommas sind, denke ich, optional; aber ich würde mich nicht drauf verlassen <s>

Gruß,
Gabi
 



 
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