Revanchedenken

stearinlys

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Komm schon! Trau dich doch. Was ist, warum wird dein Tritt plötzlich so unsicher? Du siehst aus, als wüsstest du deine Füße auf dem kalten Matsch nicht voreinander zu setzen! Eines der Dinge, die du nie erlernen wolltest? Na komm, versuch es wenigstens, oder soll ich dich gleich mit der kalten Starre meiner Augen zurückschleudern? Dorthin, wo du hergekommen bist?

Noch fünfzig lächerliche Meter, und deine Fratze wird meine kurzsichtigen Augen vollständig erreicht haben. So, dass ich die sich frisch bildenden Pickel auf deiner Nase und um deine verzogenen Mundwinkel erahnen kann. Die den Eiter aus deiner aufgebrochenen Haut stoßen, damit wenigstens ein kleiner Teil deiner verdünnten Alltäglichkeit nach außen dringt. Und alles Unausgesprochene weiterhin in dir verschlagen bleiben darf. Noch für eine kurze Zeit.

Irgendeine Ersatzbefriedigung braucht dein ungewollter Körper ja, ich weiß.
Schau, mein Kleiner. Mach es lieber so wie ich und rauche dir die Lungenflügel fetzig. Das spürst du wenigstens. Nicht mit den ersten paar tausend Zügen. Die suggerieren nur ein kleines bisschen Ruhe in einer verdrehten Gedankenwelt. Aber später dann! Warte nur, bis das Innere zuschlägt! Noch übersiehst du sie, die Äxte und Hämmer, die es still schmiedet, während du in deinem kurzatmigen Schlaf deinen Oberkörper umkrampfst.
Manchmal, wenn dein Atem so schnell wird, dass deine Luftröhre sich aus dem Körper zu stülpen droht, kannst du es spüren. Du musst aufmerksamer sein! In jenen Momenten, in denen du in jedem Winkel deines Körpers erschüttert die Augen aufreißt und nur in die Nacht zu starren weißt. Da zeigt sie sich, die dunkle Energie, die sich aus dir windet und sogleich über dich legt wie ein Leichentuch, weil du sie wieder einmal verneint hast. Und das letzte bisschen Mitleid in deinem zerfransten Herzen sich nach außen stülpen und brüllen möchte.

Ich kann es kaum glauben, wie verpfuscht du dich selbst gemacht hast. Gemacht, hörst du! Gemacht! Dein Wille geschah.

Und verschone mich mit dem Schleier über deinen Augen. Und deinen Wangen, die sich jede Stunde ein Stückchen weiter nach innen legen, wie um dich aufzufressen. Reiß dir die paar Haarbüschel auf deinem kahl werdenden Kopf aus, komm schon! Mach die Destruktivität sichtbar, die in dir lauert und jeden Moment deine Weggefährten anzuspringen droht. Diejenigen, die sich noch in deinem Schatten sonnen. Blende sie alle, die Ungedachten, welche dich noch nicht kennen.

Was kümmern sie mich? Ich bin um mein Leben froh, dich passiert zu haben. Dich passieren gelassen zu haben. Nur ein fast undurchblutetes Stückchen von meinem Herzen, kurz vor dem Ausschlagen, an dich verschwendet zu haben. Weil du so gleißend warst, dass ich nicht mehr denken konnte. Ich hätte es schon damals ahnen sollen, denn dein Licht hat mir fast die meine Augen versengt. Die dünne, unnütze Schicht ist dabei verschmort. Was soll’s. Ich habe noch genug Fleisch um meine Rippen gehüllt, um nach dir in diesem Matsch zu stehen und dir lachend mein ausgetrunkenes Weinglas hinterher zu schleudern.

Und solltest du deinen Dolch im Vorbeischleichen noch ein paar Mal in meine Brust rammen wollen, bedecke dein bleiches Gesicht! Mein Stolz ist stärker als dein klagender Wille. Ich werde so gerade vor dir stehen, dass sogar deine Pickel verkümmern werden.

Komm schon, worauf wartest du? Nur noch ein paar Schritte!

Ach, du stolperst? Das tut mir aber Leid. Ich wünschte, du könntest jetzt sehen, wie sich dieses fahle Rosa über die beiden unter deinen schalen Augen vorstehenden Knochen schleicht! Wie dein Gesicht von deiner Angst überlagert wird. Und wie man dir ansieht, dass du das weißt. Dieses leise Zucken zwischen deinen Wimpern. Es soll dich um (dein Denken) bringen.

Und ich sehe gerne an dir vorbei.
Nie wieder unter deinen Augen gebückt.
 



 
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