Risiken der Telepathie

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Risiken der Telepathie

Sie war eine Legende. Die Jungs vom Dezernat für Wirtschaftskriminalität pfiffen anerkennend durch die Zähne, als sie die 248. Ebene betrat. “Man, Betty, wenn das die neue Dienstkleidung ist, werden die Gauner Schlange stehen, um eingelocht zu werden!”, rief ein junger, noch unerfahrener Detective und versetzte ihr einen Klaps auf das pralle Hinterteil, das durch die hauchdünne Sythoseide ihres knallroten Kleides schwerlich verborgen wurde. Sie grinste frech und fragte in die Runde: “Ist der neu hier?”
Die Kollegen nickten nur mitleidig, denn sie ahnten, was jetzt passieren würde. Betty lächelte den vorwitzigen Neuling zuckersüß an und streckte ihre rechte Hand aus: “Gestatten, Elisabeth Buttkick, F.B.I.”
Der Detective ergriff erfreut ihre Hand: “Angenehm, Derek Milwiiiiaaaauuuuh....!”
Weiter kam er nicht, denn Betty Buttkick hielt seine Hand mit der Rechten fest wie ein Schraubstock und drehte ihm mit der Linken genüsslich den Daumen aus dem Gelenk. Der Medibot, der Detective Milwoods Biodaten online überwachte, kam angeschwebt, gab ihm eine schmerzstillende Infusion und renkte den Daumen mit einem hässlichen Knacken wieder ein. Betty hatte seine Hand während dieses Prozesses, der keine 30 Sekunden dauerte, nicht einen Moment losgelassen, die ganze Zeit freundlich gelächelt und sprach jetzt mit leiser, jedoch rauher Stimme: “Nett, dich kennenzulernen, Derek Milwiiaauuh, leider muss ich jetzt zur Arbeit, Darling. Es war schön so lange es dauerte. Ruf mich mal an!”
Dann hauchte sie ihm noch einen Kuss auf die Wange und ließ seine Hand los, damit der Medibot den lädierten Daumen mit einem Duroplastgips fixieren konnte. Sie griente die Jungs an, zuckte indifferent mit den Schultern und stolzierte mit einem aufreizendem Arschgewackele, von dem alle wussten, dass es ironisch gemeint war, zum Chief der Abteilung, um ihn mit ihren langen roten Fingernägeln unter seinem wabbligen Doppelkinn zu kraulen: “Na Süßer, begeleitest du mich zum Verhörraum?” Der fette Chief platzte vor Lachen und drückte Betty fest an sich, so dass sie in seinen riesigen Armen fast verschwand. Die ganze Abteilung schlug sich auf die Schenkel und wieherte, nur Detective Milwiiaauuh, wie man ihn fortan nennen würde, hatte in seinem Leben schon Lustigeres erlebt. Alle liebten Elizabeth, denn sie war witzig und ein echter Kumpel. Sie konnte jeden unter den Tisch saufen, hatte dieses Talent auch schon mehrfach unter Beweis gestellt, und man munkelte, sie würde im Stehen pinkeln. Doch nur, wenn sie nicht in der Nähe war. Man respektierte sie, denn Special Agent Buttkick sah nicht nur blendend aus, sondern war auch die Nummer 1 der Verhörexperten des F.B.I.. Sie war ein Topagent, hatte viele spektakuläre Fälle gelöst, verdiente 800.000 Credits im Jahr, aber sie ließ das niemals raushängen. Agent B blieb der einfache Cop von der Straße, und genau das machte sie so sympathisch.
“Mann Betty!”, seufzte Chief Antonio Maria Cholesterogrande, “Lange nicht gesehen. Wie war dein Urlaub? Erzähl!” Betty gab ihrem alten Kumpel einen dicken Schmatzer und legte den Arm um seine Hüfte, was nur teilweise gelang. Seine zentnerschwere Pranke lag auf ihrer Schulter, als sie zum Verhörkomplex schlenderten, doch Betty war durchtrainiert genug, um unter dieser Last nicht zusammenzubrechen: “Athmo-diving auf dem Mars, kann ich dir nur empfehlen, Tony. Allerdings habe ich gehört, dass die Gleitschirme maximal 200 Kilo tragen, aber ich bin sicher, sie machen dir ‘ne Sonderanfertigung.”
“Nein Danke, Sweetheart. Das ist mir zu stressig. Mein altes Mädel und ich haben diesen Sommer auf Relax IV gebucht, du weißt schon, dieser synthetische Urlaubsmond aus der Inter-V-Werbung. Aber lass uns über Paul Projector reden. Hast du unsere Ermittlungsakte gelesen?”
“Gute Arbeit, Tony! Zu 99,2% war er der Täter. Alles, was noch fehlt ist...”
“...der Beweis.”, vollendete Chief Cholesterogrande den Satz, “Wenn jemand einen Telepathen austricksen kann, dann bist du es, Baby.”

Zu Beginn des 23. Jahrhunderts stellten die Telepathen etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung unter den Homo sapiens. Bei den Immigranten lag die Quote sogar doppelt so hoch. Paul Projector, der Verdächtige, den Betty verhören sollte, war eines dieser Wiesel, die sich mit Industriespionage eine goldene Nase verdienten. Zumindest wiesen alle Indizien darauf hin. Doch er leugnete hartnäckig, ein Telepath zu sein, und es schien unmöglich, das Gegenteil zu beweisen. Aber Special Agent Betty Buttkick wäre nicht Special Agent Betty Buttkick, wenn sie nicht einen Plan auf Lager hätte, wie man den vermeintlichen Gedankenleser aufs Kreuz legen könnte, um ihm statt Gedanken ordentlich die Leviten zu lesen. Trotzdem: die Chancen standen gegen Betty, denn wenn er unschuldig war, hatten sie sich verspekuliert. War er hingegen schuldig, konnte auch die gewiefteste Verhörtaktik ihn nicht überraschen, denn dann war er ein verdammter, krimineller, betrügerischer Telepath und sah jeden ihrer Schritte voraus. Um hier keine Vorurteile entstehen zu lassen: Die meisten Telepathen sind überdurchschnittlich nützliche Mitglieder der Gesellschaft, doch es gibt schwarze Schafe. Diese zu neutralisieren, ist die Aufgabe des Dezernates für Wirtschaftskriminalität. Den Großteil aller telepathischen Gauner stellen Kleinkriminelle dar, die Kasse machen, indem sie Passworte und Geheimnummern für Creditcards verkaufen, doch zuweilen stieß die Abteilung auf einen dicken Fisch wie Mr. Projector und dann holte man einen Spezialisten. Vorzugsweise Special Agent B.

“Ist das Team vom PSI-Chor schon da? Ich brauche ihr Equipment, bevor ich ihn verhöre.”
“Sie warten schon auf dich.” Der Chief öffnete eine Tür. Betty betrat den Raum und begrüßte Dr. Farout, den Leiter der parapsychologischen Spezialeinheit des F.B.I.: “Hallo Narvahal, alter Junge, hast du deine Zauberkiste dabei?”
“Hallo, Betty! Du hast uns angefordert und hier sind wir.”, antwortete Narvahal Farout, sich mit gefalteten Händen verbeugend, “Aber du weißt doch genauso gut wie ich, dass es illegal ist, seine Gedanken anzuzapfen. Damit kommen wir vor Gericht niemals durch. Man wird die Anklage wegen groben Verfahrensfehlern niederschlagen und ihn mangels Beweisen frei lassen.”
“Deine Bedenken sind grundlos, Meister!”, antwortete Betty in einem Ton, der irgendwo in der Grauzone zwischen schnippisch und respektvoll lag, “Du sollst nicht seine Gedanken aufzeichnen, sondern meine.”
“Was soll das bringen, Honey?”, fragte der Chief, der eine ungefähre Vorstellung davon hatte, wieviel ein einziger Einsatz des Psi-Chors den Steuerzahler kostete.
Betty sah ihn herausfordernd an: “Ich habe sein Psychogramm letzte Nacht auswendig gelernt. Paul Projector ist ein hochintelligenter, berechnender, telepathischer aber vor allem selbstverliebter Bastard. Er sieht gut aus, ist nicht geizig, lässt die Puppen tanzen. Ein echter Sugardaddy. Er sieht sich selbst als Frauentyp, und genau da liegt seine einzige Schwachstelle. Warum, meinst du, habe ich mich aufgetakelt wie ein notgeiler Cheerleader? Ich werde ihn an seinen dicken Eiern aus diesem Verhörraum schleifen. Er wird singen wie ein Operettenvogel von Triller VIII, wenn ich mit ihm fertig bin. 100 Credits?”
Chief Cholesterogrande lachte sein tiefes Jabba-the-Hutt-Lachen, wohl wissend, dass er nicht verlieren konnte, denn einerseits waren 100 Credits nicht zu verachten, andererseits würde die Überführung eines internationalen Industriespions wahrscheinlich seine längst fällige Beförderung zur Folge haben. Er schlug ein: “Wir haben ihn vor 10 Stunden verhaftet. Dir bleiben also maximal 38. Die Wette gilt.”
Betty Buttkick gähnte gelangweilt: “Und du lädst mich zum Dinner ein, wenn ich sein Geständnis bis 18 Uhr habe.”
“Deal!”, meinte der Chief, “Knöpf ihn dir vor!”
Narvahal befestigte die Elektroden an ihren Schläfen. Ihr langes blondes Haar verdeckte die Transmitter. „O.K., Test 1 2 3“ dachte sie, und sah ihre Gedanken prompt in Druckschrift auf dem Kontrolldisplay erscheinen. Der benachbarte Bildschirm zeigte den Verdächtigen, wie er gelangweilt auf einem harten Stuhl im Verhörraum saß. “Computer!”, rief Betty, “Blende Datum und Uhrzeit ein und zeichne alles simultan auf!”
Auf beiden Monitoren erschien eine Anzeige: 14.2.2308, F.B.I., L.A.Branch, 12.58.27, 28, 29, die Zeit lief synchron. “Medibot, Brustverrößerung, 80%!” Betty ging die Akten noch einmal durch, während der Medibot ihre ohnehin prächtigen Brüste mit 2 Synthycolkissen in absolute Mördertitten verwandelte. Sie betrachtete sich noch mal im Spiegel, legte etwas mehr Rouge auf und war fast zufrieden. Fast: “Ich brauche noch etwas von dem Pheromonspray, dann bin ich bereit.”
Eine Assistentin sprühte sie mit dem sexuellen Lockstoff ein, woraufhin alle männlichen Mitarbeiter des Teams den Raum verließen, um eine Erektion zu vermeiden, denn Betty roch jetzt noch viel schärfer, als sie aussah. Eine letzte Konzentrationsübung und ihre Vorbereitungen waren abgeschlossen: “Ich gehe jetzt rein.”

Ein Beamter begleitete sie zur Tür des Verhörraums: “Psychogenes Kraftfeld aus! Zugriffscode: L A Epsilon 87231. Eintrittsgenehmigung Eta 29.”
Ein rotes Licht scannte seine Iris, verwandelte sich in ein grünes Licht und bedeutete bedeutete ihm somit, dass es geneigt war, seine Autorisation anzuerkennen. Es schaltete das Kraftfeld aus und veranlasste das zischende Öffnen der Bleitür. Ab sofort waren ihre Gedanken ungeschützt.

Special Agent Buttkick betrat den Raum und stellte sich vor: “Guten Tag, Sir, mein Name ist Melinda Brunswick, meine Aufgabe ist es, ihre Aussage zu Protokoll zu nehmen. Darf ich mich setzen?”
Gleichzeitig dachte sie: „Du weißt, dass das nicht mein wirklicher Name ist, aber das tut nichts zur Sache, Du Wichser. Ich werde dich kriegen!“
Paul Projector stand höflich auf und begrüßte seine Inquisitorin: “Nehmen sie Platz! Es handelt sich hier um ein fürchterliches Missverständnis und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um es aufzulösen.”
„Einen Scheiß wirst du tun, du verlogener Bastard!“

Das schallsichere durchsichtige Spiegelglas verhinderte, dass das Gelächter ihrer Kollegen aus dem benachbarten Monitorraum zu hören war.
Der Verdächtige verzog keine Miene und Betty begann mit dem Verhör: “Mr. Projector, ist es wahr, dass ihre Firma allein im letzten Jahr 34 bedeutende Patente angemeldet hat?”
“Wenn sie es sagen... Die genaue Anzahl der Patente ist mir leider nicht gegenwärtig, doch diese Zahl könnte ungefähr hinkommen.”
“Was sagen sie dazu, wenn in 28 von 34 Fällen angesehene Wissenschaftler auftauchen, und behaupten, sie, Mr. Projector, hätten ihre Ideen gestohlen. Ist das nicht ein auffälliger Zufall?”
“Was heißt denn hier “ihre Ideen”? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei der Lösung eines wissenschaftlichen Problems oft mehrere Forscher unabhängig voneinander zu dem selben Ergebnis kommen. Man kann mir doch nicht vorwerfen, dass ich mit meinen Patenten schneller bin als Andere.”
Betty verdrehte die Augen: “Aber allein die Anzahl der Anklagen deutet doch darauf hin, dass diese Beschuldigungen nicht völlig aus der Luft gegriffen sein können. Wie oft kann es denn vorkommen, dass zwei Menschen gleichzeitig dieselbe Erfindung machen?”
“Kennen sie die Geschichte vom hundertsten Affen?”
„Ja“, dachte sie, „die letzten 99 Affen habe ich auch hinter Gitter gebracht“, doch ihre Antwort lautete: “Nein. Erzählen sie sie mir!”
“Ende des 20. Jahrhunderts führten Verhaltensforscher in der Südsee Experimente an Primaten durch. Sie wollten deren Lernfähigkeit testen. Dazu suchten sie sich Inseln aus, auf denen Paviane lebten. Sie konzentrierten sich zuerst auf eine einzige Insel. Später wollten sie alle Versuche an den übrigen Pavianen auf den anderen Inseln wiederholen, um aussagefähige Referenzgruppen vorweisen zu können. Sie führten unzählige Tests durch, die sich allesamt als wissenschaftlich unbedeutend herausstellen sollten, doch der Zufall kam ihnen zu Hilfe. Affen sind bestechlich, und die Forscher hatten sich diese Tatsache zu Nutze gemacht, indem sie die Forschungsobjekte zwecks besserer Studierbarkeit mit Süßkartoffeln bestachen. Am Strand, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, kippten sie jeden Morgen einen Sack Süßkartoffeln aus, und nach nicht mal einer Woche hingen alle Paviane der Insel am Strand herum und ließen sich bereitwillig studieren, denn auf den besagten Inseln wuchsen keine Süßkartoffeln. Sie stellten eine Delikatesse dar, die jeden Pavian bewegte, freudig der Verhaltensforschung zu dienen und sein Leben in den Dienst der Wissenschaft zu stellen. Die Süßkartoffeln waren natürlich sandig, doch das stört Paviane nicht. Sie streifen den gröbsten Sand ab und verputzen die Kartoffel. Ein bischen Dreck mitzuessen ist normal. Doch nach etwa zwei Wochen kam ein Pavianweibchen auf die geniale Idee, ihre sandige Süßkartoffel in der Brandung zu waschen. Es knirschte jetzt nicht mehr zwischend den Zähnen und das Salz des Meerwassers verbesserte auch noch den Geschmack. Über die Kommunikationsfähigkeiten von primitiven Primaten ist in den letzten 400 Jahren viel gestritten worden. Tatsache ist, dass schon am nächsten Morgen ein Dutzend Paviane seine Süßkartoffeln im Meer wusch und am zweiten Tag 42, knapp die Hälfte der Population der Insel. Unsere Verhaltensforscher flippten angesichts dieser Beobachtung fast aus und beschlossen, sich aufzuteilen. Auf 4 weitere Inseln, die Paviane aber keine Süßkartoffeln aufzuweisen hatten, dehnten sie ihren Feldversuch aus und kippten Säcke mit dem begehrten Knollengewächs am Strand aus. Die Referenzpaviane vertilgten die Kartoffeln und scherten sich nicht um den Sand. Am vierten Tag geschah das Unglaubliche: Die gesamte Bevölkerung der ersten Insel hatte gelernt, ihre Süßkartoffeln mit Meerwasser zu waschen und zu würzen. Als der (laut Aufzeichnung) hundertste Pavian das Geheimnis entdeckte, begannen die Affen auf den anderen Inseln, ihre Kartoffeln ebenfalls zu waschen. Der erste Affe hatte gut zwei Wochen gebraucht, um die Erfindung zu machen. Seine Gruppe äffte ihn nur nach. Doch als der hundertste Affe dahinter gekommen war, begannen auf einmal Affen auf der ganzen Welt, sich diese Entdeckung binnen kürzester Zeit zu Nutze zu machen, ohne dass sie jemals davon gehört hätten. Unsere Wissenschaftler formulierten der Logik folgend die einzig mögliche Erklärung, die auch für uns Menschen gilt: Primaten, wahrscheinlich aber auch andere Spezies, verfügen über ein kollektives Unterbewusstsein, ein Rassen- oder Gruppenwissen, das neue Ideen oder Entwicklungen anderen Individuen unabhängig von räumlicher Entfernung über das Gruppenbewusstsein zugänglich macht. Auf Deutsch: Hat irgendjemand eine neue Idee, wird innerhalb kürzester Zeit auch jemand anders darauf kommen, selbst wenn seit einer Million Jahren niemand daran gedacht hat.”
“Interessante Geschichte. Sie behaupten also, all diese Wissenschaftler, die sie verklagt haben, seien nur die Primaten von den anderen Inseln, quasi Affen der 2. Generation?”
Der Verdächtige schmunzelte: “Treffender hätte ich es nicht formulieren können.”
“Lassen sie uns doch mal konkret werden! Sie leben in Oxford, nahe der Universität. 21 der Kläger haben dort ihren Lehrstuhl oder arbeiten in den Forschungslabors. Komischer Zufall! Oder was ist mit Professor Quarkspin aus dem Hahn-Meissner Institut in Deutschland? 12 Jahre brauchte er, um eine neue supraleitfähige Metalllegierung zu erfinden. Doch als er sie zum Patent anmelden will, stellt er fest, dass ein gewisser Paul Projector ihm zuvor gekommen war, ein Mann der nicht einmal Physik studiert hat...”
“Ich bin Autodidakt.”, behauptete der Verdächtige.
„Du bist ein abgebrühter Hurensohn“, dachte Betty.
Er reagierte nicht, starrte nur auf ihr Dekolleté, das sich verführerisch hob und senkte. Er hatte den Eindruck, beim nächsten Atemzug würde es explodieren und sein Inhalt ihm ins Gesicht springen. Mann, diese Braut war rattenscharf! Nur schade, dass sie ihm diese erniedrigenden Fragen stellte.
Sie fuhr fort: “Wir haben herausgefunden, dass sie zu dem Zeitpunkt, als Professor Quarkspin seine abschließenden Experimente durchführte, in Deutschland warten. Noch so ein unglaublicher Zufall...”
“Ich war auf Urlaub dort und erholte mich in einem Golfhotel. Das können sie gerne nachprüfen.”
“Haben wir schon. Dieses Golfhotel liegt nur 4 Kilometer vom Hahn-Meissner Institut entfernt. Wie erklären sie das?”
“Ganz einfach: jemand hat es dort hin gebaut.”

Betty bombardierte ihn noch weitere 4 Stunden mit Fragen. In einigen Fällen konnte sie belegen, dass er zufällig in der Nähe war, als bedeutende Wissenschaftler ihre Erfindungen machten, jene Erfindungen, die er zum Patent angemeldet hatte. Er musste ein Telepath sein. Alles Andere ergab keinen Sinn. Doch er war aalglatt und ließ sich durch keine ihrer Finten aus der Ruhe bringen. Sie konnte ihn nun mal nicht verhaften, bloß weil die Tatsache, dass er telepathische Industriespionage betrieb, die einzig mögliche Erklärung darstellte. Kein Richter würde daraufhin ein Verfahren eröffnen. Er ärgerte sie. Allein die Arroganz, zu diesem Hearing ohne einen Anwalt zu erscheinen, brachte sie auf die Palme. Als sie ihm dies vorhielt zeigte er sich überrascht und säuselte mit Unschuldsmiene, er hätte nichts verbrochen, vertraue in die Gerechtigkeit des Systems und benötige daher logischerweise keinen Rechtsbeistand. Sie bekam ihn nicht zu fassen. Das machte sie wütend. Er saß da, braungebrannt und durchtrainiert, seine manikürten Finger devot gefaltet, und konnte kein Wässerchen trüben. Doch insgeheim bewunderte sie seine Kaltschnäuzigkeit. Das war wenigstens ein richtiger Mann.
Egal. Sie gab auf und beendete das Verhör: “Mr. Projector...”
“Nennen sie mich Paul!”
“O.K., Paul..”, sie kicherte unsicher. Sie hatte verloren, aber wenigstens gegen einen extrem außergewöhnlichen Gegenspieler, “Äh, ich danke ihnen, dass sie so kooperativ waren, und sich dieser Befragung gestellt haben. Wir werden das Verfahren wohl einstellen.”

„Verdammt, ich bin schon ganz feucht“, dachte Special Agent Betty Buttkick, „Dieser Typ macht mich noch ganz irre. Wenn er nur endlich merken würde, dass sein Hosenstall offen ist“

Paul Projector blickte unwillkürlich nach unten. Reflexartig zuckte seine rechte Hand zum Reissverschluss. Doch das Familienerbstück war ordungsgemäß verpackt. Sofort sah er wieder auf und blickte in ein schadenfroh grinsendes Gesicht.

„Hab ich dich, du Wichser!“
 
Bei einem Krimi ist m.E. sekundär, in welcher Zeit er spielt, obwohl Du Recht hast, SF wäre auch passend. Was gefällt dir an der Pointe nicht? Es gibt nicht viele Möglichkeiten, einen Telepathen auszutricksen ...
 
Die Pointe:
Der Witz mit dem offenen Hosenstall ist ja ziemlich alt, wenn man ihn mag, in der Geschichte auch ziemlich orginell.

Da hast du so viel Vorgeschichte eingebaut, das Mädel gezeichnet, etc., das empfinde ich als etwas lang.
Aber dann kommt das Verhör.
Für meinen Geschmack nimmt sie ihn nicht wirklich in die Mangel, die Fragen waren aus seiner Sicht zu erwarten, wenig überraschend, wenn man vor allem ihren Ruf bedenkt.
Dann kommt überraschend die Hosenstall-Sache und sie hat ihn. Mir fehlt wahrscheinlich ihre Verzweiflung, dass sie ihn bei all den Versuchen nicht ertappt. Ihre vermeitlichen Geistesblitze, die er souverän kontert.

Zum Genre:
Die ersten Atlan-Romane waren Krimis, ne Menge PR und Rhen Dark ebenso.
Das wesen des Spannungsromanes ist auf der Struktur des Krimis aufgebaut, ob es Horror, SF oder Fantasy ist.
Also, Recht hast du mit deiner Argumentation.

Nur ist der Krimileser in der Regel traditionell ( wenn er nicht auch andere Sachen liest) und sehr realitätsverbunden.
Ich wüßte nicht, unter dem Label Krimi mal einen Roman gelesen zu haben, der in der Zukunft spielt. Weder Bladerunner noch 12 Monkeys werden als Krimi bezeichnet.

Und meiner Meinung nach ist die Erwartung des Lesers auschlaggebend.
 
Das Verhör diente nur dazu, ihn einzulullen, das war ihr Plan all the way. Ihre (gespielte) Verzweiflung, dass sie ihn nicht zu fassen bekommt, habe ich auch beschrieben.

"Wer stielt schon Unterschenkel" von Gerhard Prokop zum Beispiel kann ich sehr empfehlen, ausnahmslos Krimis - die in der Zukunft spielen.
Was einen Krimi ausmacht, ist die Handlung und nicht das Setting. Wie gesagt, beide Genres wären passend, genauso wie Blade Runner SF aber auch ein Thriller ist. Zu sagen, etwas MUSS das eine oder das andere sein, halte ich für übertriebenes Schubladendenken. Ist Space Balls SF oder eine Komödie? Beides!
Trotzdem, interessante Diskussion.
 



 
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