Rochen

stemo

Mitglied
Rochen

Ruchlose Rochen am Himmel
Ihre Schatten verheeren mein Kinderzimmer
Zu spät sieht sie mein entblösstes Auge
Sie haben die Schirme überlistet
Zum Tode verurteilt! Mutter hat es zugelassen
Gnadenlos steht sie im Rahmen der Tür
Schüttelt den Kopf, wird es nicht verhindern,
lässt mich nicht an ihr vorbei
Unsichtbare Schergen stehen hinter ihr
Mutter, wessen bin ich angeklagt?
Mutter höhnt, du hättest es besser wissen müssen!
Doch meine Schuld ist zu schwer für Kinderhände
Ich kann sie nicht erfassen
Sie kniet mir wie ein kalter Schauer auf den Schultern
Das kann nur ein Albtraum sein,
bete ich mir vor
 
M

Moonfox

Gast
Hallo Stemo,

dein Text ist bitter, nüchtern, anklagend.
Auch ich empfinde ihn als eine Art des Herantastens an einen schwer fassbaren Zustand.
Wie wirkt der Schrecken dieser Welt gerade auf Kinder, die für den Wahnsinn, der um sie herum geschieht, noch nicht vorbereitet sind? Wem geben sie für was die Schuld?
Oder vielleicht sehen sie mehr als Erwachsene das wirklich Entscheidende an den Dingen. Ich habe auch drei Töchter, die mir häufig zeigen, dass sie eine wesentlich vernünftigere und natürlichere Einstellung zu den Dingen haben als viele "Alte".
Titel und Einstieg finde ich gelungen. Es ist hart, aber sicher treffend, dass das Kind die Mutter als wichtige Bezugsperson für etwas verantwortlich macht, das es sich nicht vollständig erklären kann.
Die Zeile, "Mutter höhnt, du hättest es besser wissen müssen!" habe ich nicht ganz verstanden. Bitte kläre mich auf.

M.
 

stemo

Mitglied
Du hättest es beser wissen müssen

Lieber Moonfox

Ich bin sehr froh, dass Du soviel von diesem Text verstanden hast. Toller Händedruck! Und tatsächlich hast Du mir gerade jene Frage gestellt, die ich eben nicht beantworten kann.
Ich erläutere nun die Geschichte ein wenig:
Also einerseits gingen mir die schrecklichen Tarnkappenbomber als Bild schon lange durch den Kopf: Aus ihnen sind die fliegenden Rochen geworden. Irgendwie muss sich dieses Bild mit der geschilderten Tatsache ihrer Fähigkeit, für die Radarschirme (=Assoziation Mutter)unsichtbar zu sein in mein Unterbewusstsein eingeschlichen haben. Denn den geschilderten Albtraum hatte ich tatsächlich vor Kurzem. Wessen mich mich meine Mutter anklagt, bleibt in diesem Zusammenhang wohl ein persönliches tiefenpsychologisches Rätsel. Dass ich es in Wort und Schrift gestaltet habe, ist der Versuch einer persönlich betroffenen Annäherung an den unbeschreiblichen Wahnsinn, den Kinder im Opfergebiet erleben, die keine Ahnung von der UNO haben, und sich vielleicht in ihren Albträumen gar noch schuldig fühlen.
 
M

Moonfox

Gast
Lieber Stemo,

vielen Dank für deine Erläuterungen.
Die Assoziation Radarschirm - Mutter - Schutz finde ich wahnsinnig und faszinierend zugleich. Auch ich bekomme jedesmal schlimme Zustände, wenn ich diese perversen Tarnkappenbomber sehe und wünsche mir, die "Mutter",die ihre Kinder (auch Landeskinder) beschützt, könnte ihrer Funktion gerecht werden.
An die Kinder, die früh, ohne etwas Böses getan und ohne viel von ihrem Leben gehabt zu haben, so barbarisch getötet werden, aber auch an die psychologischen Schädigungen der Überlebenden, kann man kaum denken, ohne wahnsinnig zu werden.
Jetzt spüre ich die Tiefe gerade dieses, nur scheinbar irrationalen Verses.

Moonfox
 



 
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