Rose

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sweetchilly

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Meine schwarze Rose, mein gefallener, abgrundtief wunderbarer dunkler Engel!

Heute regnet es draußen, und das graue, nasse Wetter passt zu meiner Stimmung. Zu meiner grauen, nassen Stimmung. Ich weiß nicht, was ich denken und fühlen soll. Ich habe versucht, dich gestern zu erreichen, doch du wolltest nicht mit mir sprechen, oder vielleicht warst du wirklich nicht da, aber ich glaube du wolltest nicht. Das ist doch dumm, meine Rose, du willst mit mir sprechen, du weißt es nur nicht. Oder vielleicht willst du es nicht wissen. Ich vermisse deine weiße Haut und deine blutroten Lippen. Lippen, die ich so selten berühren und spüren durfte. Lippen, die ich über alles liebe. Vielleicht habe ich mich ja in deine Lippen verliebt, mein Engel, meine Rose, in deine blutroten Lippen, die immer so aussehen, als hättest du frisches Blut geleckt.

Meine Rose, stimmt es, was ich hören musste? Dass du jemand anderen liebst? Ist es dieser Junge, dessen Augen so gestrahlt haben, jedes Mal, wenn er dich gesehen hat? Das kann doch nicht dein Ernst sein, meine Rose, ich bitte dich, dass ist ein Junge, mehr nicht. Du liebst doch mich, hab ich Recht? Wie kannst du also auch ihm das Gefühl geben, dass er dir etwas bedeutet? Mein schwarzer Engel, ich bin doch der einzige, der dir etwas bedeutet und je bedeuten wird. Du kannst mir nicht weismachen, dass ich dir gleichgültig bin- du weißt doch selbst, dass es nicht so ist, Du bringst mich zum Lachen, Rose, zum Lachen, doch es ist ein bitteres Lachen. Belüg dich doch selbst nicht, belüge mich nicht! Tu dir den Gefallen und komm zurück zu mir. Ich bin doch der einzige, der dich je glücklich machen wird!

Zögere nicht, meine Rose, zögere nicht. Du sehnst dich doch auch danach, meine starken Arme zu spüren und dich fallen lassen zu können. Bitte, meine Rose, mein Ein und Alles, bitte, tu es für dich. Komm zurück in meine Arme, lass mich wieder das Blut auf deinen Lippen schmecken und das Feuer in deinen Augen aus Eis sehen. Du willst es doch, wieso tust du es also nicht? Was hindert dich daran? Hör nicht darauf, was sie sagen, höre auf dein Herz, höre auf dein Verlangen nach mir! Es kann dir doch einerlei sein, was sie sagen, se haben dir doch nichts zu befehlen, oder nicht? Oder nicht?

Ich weiß, was sie sagen, meine Rose. Sie sagen, ich sei verrückt, krankhaft eifersüchtig und ich würde dich kaputt machen. Ach Engelchen, du glaubst doch nicht, dass das stimmt? Engelchen, ich wusste immer, dass du naiv bist. Ich bin es doch, dein Ein und Alles, deine große Liebe, und kein Fremder, der dir Böses will! Wenn du genau nachdenkst, kommst du auch von selbst darauf, dass sie unsere Liebe kaputtmachen wollen, weil sie ihnen nicht passt!
Sie sind einfach nur eifersüchtig, ich bin ihnen zu intelligent und scharfsinnig, und sie wissen genau, dass ich kein dummer Einfaltspinsel bin! Sag mir, meine schwarze Rose, was sagen sie noch über mich? Ich habe viel gehört, viel…Sie sagen, ich wäre krank, und ich gehörte eingesperrt und noch vieles mehr! Und sie versuchen dich davon zu überzeugen, dass sie dich nur schützen wollen…Ach, dumme kleine Rose, ich bin es doch, der dich schützen kann, begreif das doch!

Sicher meinen sie, dass ich schuld wahr, dass du damals begonnen hast, dich zu schneiden. Wahrscheinlich meinten sie auch, dass du verrückt warst, weil du dich selbst zerstören wolltest. Ach, mein Engel, mein Engel der Nacht, sie haben keine Ahnung, wovon sie reden. Wir sind eben sensible Menschen, und nicht so grob und dumm wie sie es sind. Wir müssen eben manchmal unser Blut auf den Boden tropfen sehen, um zu merken, dass wir noch leben, nicht wahr, Rose? Manchmal musst du dich eben an deinen eigenen Stacheln stechen, um zu merken, dass du blühen kannst. Ich weiß schon, was sie sagen, natürlich sagen sie, dass ich dich gezwungen habe, mit dem Ritzen anzufangen. Nein, nein, nein… Sie liegen so falsch, wie man nur liegen kann. Ich habe dich nie gezwungen, du hast es freiwillig getan, ich weiß es. Wie stolz war ich, als du dir meinen Namen in den Arm geschnitten hast, unheimlich stolz. Du wolltest mir gehören, das wusste ich damals schon, ich hab doch das Leuchten in deinen Augen gesehen. Wahrscheinlich siehst du immer noch meinen Namen in deiner Haut, ich weiß doch noch, dass es sich entzündet hat. Aber du hast keine einzige Träne geweint, kein einziges Anzeichen von Schwäche kam über deine Lippen. Wahrscheinlich hat deine vor Liebe krankes Herz blutige Tränen der Freude geweint, Freude, weil es nicht so schnell verheilen würde, und mein Name nie ganz verblassen würde. Dumm war nur, dass es nach einiger Zeit so geschmerzt hat, dass du zum Arzt gegangen bist. Das war ein Fehler, mein gefallener Engel. So sind sie auf mich aufmerksam geworden, so haben sie bemerkt, wer in dein Leben getreten ist, um es dir zu versüßen. Verdammt, es war schade, dass sie es bemerkt haben, denn sie begannen, dir den Kontakt zu mir zu verbieten. Das war wohl, als sie mich das erste Mal gestört genannt haben. Sie haben gemeint, ich würde dich dazu verführen, den Schmerz zu genießen, sie haben gemeint, dass ich dich dazu verleiten würde, in Kontakt mit dem Tod zu treten.

Was für ein Schwachsinn, mein Engel, ich weiß noch, wie wir beide darüber gelacht haben. Als wir noch drüber lachen konnten, denn nicht viel später haben sie dir verboten mich zu sehen. Das hat uns natürlich nicht davon abgehalten, denn unsere Liebe war unheimlich stark. Du wolltest mich, ich wollte dich, wir wollten uns. Liebe, die einzig wahre in unseren gottverdammten Leben. Zwei Herzen die zu einem schmelzen, zu einem das so mächtig und stark ist, wie ein Herz nur sein kann. Wir haben unsere Liebe mit unserem Blut begossen, wir sind verbunden, auf ewig, verstehst du? Du kannst den Teufel nicht betrügen, denn ein Pakt, eine Verbindung, die mit Blut gefestigt wurde ist eine Verbindung mit dem Teufel!
Das verstehen sie natürlich nicht. Sie haben noch nie richtig geliebt, und sie wissen auch nicht, wie es ist, auf immer und ewig verbunden zu sein. Für immer, das ist ein großes Wort, das ist ein großes, verbindliches Versprechen, weißt du?

Oh natürlich weißt du, niemand wusste, niemand verstand mich besser als du es tust. Niemand, absolut niemand. Sie können sagen, was sie wollen, sie können versuchen, unsere Liebe zu vertuschen, schaffen werden sie es sowieso nicht, weißt du?
Du bist meins, keiner kann uns je trennen, ich bin deins, keiner kann uns je trennen.
Ich kann mir so gut vorstellen, was sie versuchen wir vorzugaukeln. Dass ich schlecht und böse bin, dass ich dich armes unschuldiges Ding verführt habe, versucht habe, deine Seele zu missbrauchen. Sie versuchen dir einzureden, dass du jemand anderen lieben kannst, jemand, wie sie sagen, guten. Von wegen! Ich bin gut, denn ich liebe dich, und Liebe kann doch nicht schlecht sein! Wer weiß das besser als du, mein Engel, meine schwarze, stachelige, in Blut getränkte Rose, wer weiß das besser als du, die du mich doch auch abgöttisch liebst?

Du kannst unsere Gefühle und unsere Verbindung nicht leugnen, dazu geht unsere Beziehung und Liebe zu tief unter die Haut. Sie geht ins Herz, weißt du, mitten ins Herz sticht sie, sowohl mich als auch dich!

Ich sage es ein letztes Mal, komm zurück, widersetz dich ihnen. Ich weiß, dass du es schaffen kannst, immerhin haben sie dich wenigstens nicht eingesperrt. Du weißt doch, wo du mich finden kannst, dort, wo ich immer bin, wenn ich mich tödlich einsam fühle, also komm schon, komm auch, bitte, mein Engel, der du so tödlich sein kannst und so kalt. Komm, und lass mich das Blut von deinen Lippen küssen und die Schuld von deinem Herz nehmen.

Du wirst erkennen, dass dieser Brief von mir ist, mein Engel, denn er ist mit Blut unterschrieben, und du weißt genau, wie mein Blut riecht und schmeckt, nicht wahr? Führe diesen Brief an deine zarten Lippen, und du wirst merken, dass du ohne mich eingehen wirst…

Dein Ein und Alles


Rose’ Hände zitterten, als sie den Brief zurück auf den Tisch legte. Nicht nur ihre Hände, ihr ganzer Körper zitterte, so sehr, dass sie sich hinsetzen musste.
Gabriel…wie lang hatte sie versucht, zwanghaft nicht an ihn zu denken, wie lange hatte sie sich gezwungen, ihren geschundenen Arm, auf dem blutig rot sein Name geprangt hatte und immer noch nicht ganz verheilt war, nicht anzusehen. Und doch hatte sie ihn nie vergessen, nie vergessen können, wie denn auch?
Jeder Alptraum galt ihm, jede Tränen, jeder Schnitt.

Und jetzt ein Zeichen von ihm.
Ein Alptraum, der kein Ende hatte. Er redete von Liebe, verdammt, das war keine Liebe. Das war krank, und sie wusste das sehr gut. Nur er…er schien es nicht begreifen zu wollen. Rose brach in Tränen aus.
Sie wusste genau, was passieren würde, wenn sie jemand diesen Brief zeigen würde. Sie würden Gabriel anklagen und Rose einsperren, damit sie sicher war, würden sie sagen, und nicht wissen, dass sie so ihr Herz in Ketten legten.
Stille Tränen flossen ihre Wangen herab, befeuchteten ihre Lippen mit salzigem Wasser. Blutrote Lippen…
Sie zerriss den Brief in kleine Teile, sodass der Inhalt unleserlich wurde. Es musste ein Ende haben, ein für alle mal. Sie musste so tun, als hätte sie diesen Brief nie bekommen. Sollte er sich doch umbringen oder verletzten oder sonst was tun. Es war ihr egal.

Was Rose nicht merkte, was, dass jemand sie durch das Küchenfenster beobachtet hatte. Jemand hatte genau gesehen, wie sie reagiert hatte, jemand hatte ihr jedes Wort von den Lippen abgelesen. Und jemand hatte gemerkt, dass sie ihn ablehnte, endgültig.

Er hatte vor, vor der Haustür zu warten, bis sie rauskommen würde, er hatte Zeit, er war bereit. Bereit zu warten und zu handeln, wenn sie, nichts ahnend, rauskommen würde. Niemand verletzte ihn so sehr. Niemand. Niemand.
Und wenn Rose das doch tun wollte, dann würde sie dafür büßen. Und dafür büßen, dass sie ihn belogen hatte und ihren Pakt gebrochen hatte.
Wenn er sie nicht haben sollte, sollte sie niemand haben.

Etwas später saß Rose in ihrem Zimmer, an ihrem Schreibtisch. Draußen wurde es langsam dunkel, die Dämmerung legte sich um die Häuser und hüllte sie ein.
„Bald müssten die anderen auch kommen“, dachte Rose, „noch nie haben sie mich so lange alleine gelassen. Was denken sie eigentlich, was ich tun werde, mich umbringen?“

Der Tod ist auch eine Lösung, fuhr ihr durch den Kopf, eine Lösung, die jeden Kummer und Schmerz beendet.
Sie wusste noch genau, wer das gesagt hatte. Gabriel, als sie noch dasselbe für ihn empfand wie er für sie. Damals bewunderte sie ihn noch, dafür, dass er anders war, dass er interessant war.

Sie konnte es nicht ignorieren, dass er wieder Kontakt aufnehmen wollte, um jeden Preis. Sie musste irgendwie handeln, ihm klar machen, dass er für sie gestorben war, dass er ein abgeschlossener Alptraum war.
Sie holte einen Briefbogen aus einer Schublade und fing an zu schreiben…

Gabriel,
Ich bitte dich nicht, mich zu vergessen, ich bitte dich nicht, aus dieser Stadt zu verschwinden, ich bitte dich nicht mal, dich zu verändern. Aber ich bitte dich, mich in Ruhe zu lassen, mich i Ruhe zu lassen mit deinem Wahnsinn, denn jetzt weiß ich auch, dass es Wahnsinn ist. Es muss Wahnsinn sein. Liebe muss man nicht mit Blut und Schmerzen besiegeln, Liebe muss nicht verbindlich und ewig sein. Liebe sollte ein zartes Band sein und keine Fessel, du solltest diesen Spruch beherzigen! Du wolltest mir Fesseln anlegen und mich für immer in deinem Herzen und in deiner Seele anketten, und ich wollte das nicht, ich bin jung, du bist jung, wir müssen doch beide leben, und die Chance haben zu leben!

Ich bitte dich nur, lass mich in Ruhe, lass mich in Ruhe mein Leben leben, du musst doch verstehen, dass ich nicht deins sein kann! Ich will meins sein, nur meins, und ich will leben, wie ich will. Nein, ich will nicht wie die anderen sein, so normal, so simpel, aber ich will auch nicht wie du sein, denn du bist krank!

Schreib mir keine Briefe mehr, ich will nicht mehr, es ist vorbei mit unserer kranken Beziehung, die aus Schmerz und Blut bestand!
Schreib mir nicht mehr, ich bitte dich, denn wenn sie deine Briefe finden, werden sie mich einsperren, nur damit ich sicher vor deinen Krallen bin, und ich will nicht eingesperrt werden, denn du weißt, wie glücklich es mich immer gemacht hat, dass Gras zu riechen und die Sonne zu spüren!

Lass mir meine Freiheit,
Rose


Schon wieder zitterten ihre Hände, doch diesmal, weil sie wusste, dass es das war, was sie tun musste.
„Ich werde dieses Papier heute noch zur Post bringen, er soll es erhalten, so schnell wie möglich. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch, bevor es dunkel ist.“, dachte sie.

Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, als sie die Haustür hinter sich zuzog. Doch was sollte schon passieren? Sie versuchte selbstsicher zu gehen, nach außen hin stark zu erscheinen. Die Steine des Kieselweges, der zu ihrem Gartentor führte, knirschten unter ihren Schuhen.

Auf einmal spürte Rose einen warmen, nach Bier stinkenden Hauch im Nacken. Keinen Schritt hatte man gehört, lautlos wie ein Tiger, der sich an sein Opfer anschlich war er gewesen.
„Hallo, Rose, wo willst du so spät noch hin? Deine schwarzen Flügel ausbreiten und durch die Nacht fliegen?“
Rose spürte, wie ihr der Boden unter ihren Füßen weg glitt.
 



 
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