Rosen

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Conny

Mitglied
ROSEN

Jeden Morgen, wenn sie erwacht, ist es da. Dieses Gefühl der Leere. Neben ihr, zusammengerollt wie ein Embrio, liegt Paul. Seine Augen, halb geöffnet, verleihen ihm ein Gesicht, das Amber an einen Toten erinnert. Sie schaut ihn nicht an. Sie möchte noch etwas im Bett sitzen und seinem Atem lauschen. Sie denkt an das Frühstück, an Toast, Marmelade und Kakao. Kaffee hat sie noch nie gemocht. Paul liebt Kaffee. Amber mag vieles nicht, was Paul mag.
Jetzt sieht sie ihn an. Seine Lippen sind aufgedunsen, an seinem Kinn fließt ein Tropfen Speichel. Amber öffnet die Nachttischschublade und greift nach den Papiertaschentüchern. Vorsichtig wischt sie den Tropfen weg. Paul rührt sich nicht. Das Taschentuch legt sie in seine linke Hand. Sie sieht, wie sich die Finger öffnen und es fast zärtlich umschließen. Das Geräusch des Taschentuchs. Wie getrocknete Blütenblätter. Amber steht auf und geht zum Fenster. Die Sonne scheint. Ein Gewitter hat die Schwüle des Vortages vertrieben. Durch den kleinen Spalt fühlt Amber die Morgenluft. Sie atmet tief durch. Doch etwas Schweres aus ihrem Inneren sträubt sich. Hat sich festgesetzt wie eine Zecke. Sie atmet, pustet die Luft hörbar aus. Doch die Schwere bleibt. Auch, als Amber die Schultern lockert, tritt keine Linderung ein. Nicht zu lange diesem Gefühl nachhängen. Sie möchte sich auf den kommenden Tag vorbereiten. Ihn Willkommen heißen. Ein Geschenk.
Paul bewegt seinen Kopf, seine Schultern. Rollt sich stöhnend auf die andere Seite. Soll sie ihn wecken? Mit ihm den Morgen begrüßen? Nein, er soll schlafen. Verloren in diesen endlosen Gedanken, die zu Träumen werden. Was Paul wohl träumt?

Amber erinnert sich an Pauls Worte. An den Tag ihres Treffens. Vor zwei Jahren. Ich habe die Rosen vergessen, sagte er. Es tut mir leid. Er trat von einem Bein auf das andere. Wirklich beschämt. Rosen. Schon seit Ewigkeiten hatte sie keine Rosen mehr berührt. Diese zarten Blüten. Eine Huldigung an die Schönheit.

Amber verläßt das Fenster. Das flüssige Licht der Sonne lädt sie ein. Aus ihrem Kleiderschrank wählt sie das schlichte, dunkelblaue Seidenkleid. Ein Erbstück ihrer Tante. Zart ist es und von einem tiefen Blau. Erinnerung an Nächte des Staunens. Wenn der Himmel so tief hängt, als könne man die Sterne wie Äpfel pflücken.
Das sanfte Rascheln des Kleides durchdringt die Stille. Paul atmet schneller, sein Mund ist geöffnet. Sie lächelt ihm zu. Verläßt das Schlafzimmer und taumelt, noch immer den Schlaf in den Beinen, zum Bad.
Ihr schwarzes Haar wird mit einer Naturbürste glatt gestrichen. Sie bindet es mit einem weißen Haarband zusammen. Fast könnte man annehmen, sie sei erwachsen geworden. Das blaue Seidenkleid, das straff zurück gekämmte Haar. Doch ihre Augen schimmern im künstlichen Licht wie Schokolade. Und ihr Mund, der Mund eines Kindes: wie eine Knospe, rosa und klein.

Auf der Straße ist alles friedlich. Zwei Kinder, begleitet von einem schwarzen Hund, lächeln sie an. Der Hund schnuppert im Vorübergehen an ihrem Bein. Blickt kurz zu ihr hoch. Seine Augen zwei glühende Kohlenstücke, von der Sonne geblendet. Ambers Schritte sind beherzt und zielstrebig. In der rechten Hand hält sie eine weiße Tasche. Die Hand ist locker, die Tasche schwingt im Takt ihrer Schritte. In ihrem Kopf hört Amber eine Melodie. Sie hat sie noch nie zuvor gehört. Erstaunt über ihre Schönheit, beginnt sie zu Summen. Niemand kreuzt ihre Wege. Sie ist allein. Der Morgen gehört ihr.

Das Blumengeschäft liegt, umgeben von hohen Kastanien, in einer Seitenstraße. Sie riecht den süßen Duft schon vor der Eingangstür. Wie ein Biene, angelockt vom Blütenstaub, betritt sie den Laden. Sie sieht sie sofort. Ihr Blick nimmt die Farbe begierig auf. Weiße Rosen. In einem grünen Behälter stehend, warten sie auf Amber. Ihre Köpfe stolz erhoben, präsentieren sie ihre Leidenschaft.
Die Floristin sieht Amber an. Eilig wischt sie sich die Hände an der grünen Schürze ab. Sie lächelt.
Amber bemerkt ihre Freundlichkeit. Sie geht näher, bückt sich leicht und berührt mit einem Finger die weißen Blütenblätter. Wie schön, sagt sie. Die Floritsin nickt. Amber kauft alle Rosen. Sie zählt nicht, wie viele es sind.

Paul schläft noch immer. Amber geht in die Küche, befreit die Rosen von unnützen Blättern. Stellt sie in die größte Vase, die sie finden kann. Schließlich vergäbt sie ihre Nase in ihrem Duft. Seligkeit. Sie nimmt die Vase und geht ins Schlafzimmer. Paul liegt auf dem Rücken. Die Augen noch fest geschlossen. Amber stellt die Vase neben ihn auf seinen Nachttisch. Die Blüten rascheln wie ihr Seidenkleid. Der Duft verbreitet sich schnell. Endlich öffnet Paul die Augen. Er sieht die Rosen. Nimmt ihren süßen Geruch wahr. Leise und langsam sagt Amber: Die Rosen sind für dich.
Fragende Blicke von Paul.
Paul lächelt.
Komm her, sagt er.
Amber kommt.
 

unbekannt2581

Verbotenes Mitglied
hhhmmm.

du hast eingeladen zu kommentieren... alsodenn.

du verstehst es banales spannden zu machen und doch die antibanalität des gewöhnlichen sichtbar zu machen.

so weit zu gut, aber du "durchdenkst", "konstruierst" die story zuviel , vermeinte ich zu lesen.

zitat :
"ihr Licht fällt wie flüssiges Silber auf die Pfütze der Nacht"

ist ein gutes, starkes bild, einem gedicht keats'scher ( schreibt man das so ? )stimmung würdig, aber an dieser stelle völlig deplaziert.und solche "stimmungsbilder" streust du immer wieder ein.meinem lyrischen empfinden schmeichelt das, aber der story tut es nicht gut.

"Leise und langsam sagt Amber: es tut mir leid, Paul.
Fragende Blicke von Paul.
Sie spricht weiter, sieht ihm dabei in die Augen.
Ich erwarte so viel von dir. Es ist egoistisch. Die Rosen sind für dich. Weil du bei mir bist. Und mich liebst."

und das ist überflüssig....... ;-) lass es den leser denken..


so dann hab ich mal....

liebe grüsse an amber ( duck)

mike
 

Conny

Mitglied
Hallo Mikel,

ich bin ganz deiner Meinung. Man sollte sehr sparsam mit solchen Vergleichen umgehen. Ich streiche die meisten raus, aber manchmal ist meine poetische Ader zu stark.
Ich nehme den Satz raus. Und verändere das Ende.

Dank für deinen Kommentar!


Liebe Grüße

Conny
 
A

Arno1808

Gast
Liebe Conny,

ich schließe mich grundsätzlich Mikel an.

Du nimmst dir das Foto einer Momentaufnahme als Vorlage und zeichnest danach mit zarten Farben ein gefühlvolles Bild.

Eines dieser Bilder jedoch hat mich etwas stocken lassen:

'Seine Hand, immer noch verwoben mit dem Papiertaschentuch. Wie ein zarter Vogel liegt es in einer warmen Höhle.'

Ich sehe die Hand, deren Finger mit dem Papiertaschentuch 'verwoben' sind. Der zarte Vogel in der warmen Höhle scheint nicht ganz dazu zu passen.

Aber dies nur am Rande. Die Geschichte ist sehr schön erzählt.

Gruß

Arno
 

Conny

Mitglied
Hallo Arno,


Danke für deinen Kommentar. Du hast recht. Diese Sätze klingen sperrig in dieser Geschichte, ich habe sie gelöscht. Ich bin auch der Meinung, dass Klarheit sehr wichtig ist.
Jetzt klingt es flüssiger, finde ich.

Liebe Grüße

Conny
 
N

niclas van schuir

Gast
Hallo Conny,
auch ich muss mich Mikel weitgehend anschließen. Wie und was du schreibst, liest sich gut, baut sogar Spannung auf. Aber die poetischen Abzweigungen passen nicht immer, obwohl ich darunter sehr schöne Formulierungen finde. Diese Bilder solltest du in Gedichten verarbeiten oder aber poetisch-traumhafte Geschichten schreiben.
Dennoch: ich lese dich gerne!
LG, Nic
 

Conny

Mitglied
Hallo Nic!

Danke für deinen Kommentar.
Ich stimme euch allen zu.
Danke für eure Worte.


Liebe Grüße

Conny
 
N

niclas van schuir

Gast
Oh, ein neuer (K)ranicki! Selber noch nichts Nennenswerters präsentiert, aber schon hervorragend in gut formulierter Kritik. Auf seiner Homepage erwartet er "Fanpost". Sag mal Kalle, hast du etwa einen?
 

Conny

Mitglied
Hallo Kalle!

Du mußt meine Geschichten nicht lesen. Zum Glück hat der Mensch, die Wahl zu entscheiden. Mache davon Gebrauch.
:)
 

sammy

Mitglied
Poetisch

Liebe Conny,

deine Geschichte liest sich sehr poetisch. Genau mein Geschmack!

@Kalle:Du trittst sehr unhöflich auf. Wozu?

Liebe Grüße
Sammy
 

sammy

Mitglied
Smiley

Gerne würde ich diese idiotisch grinsende Ikone aus meinem Beitrag entfernen, die sich da versehentlich reingeschmuggelt hat, aber leider stelle ich soeben fest, dass es eine Veränderungs-Deadline gibt.
 

Conny

Mitglied
Hallo Sammy,

Danke für deinen Kommentar. Ich denke, Kalle hat seine offene Meinung gesagt. Das darf er. Habe keine Probleme damit.
 

sammy

Mitglied
Beschützerrolle

Liebe Conny,

Ja, da hast du sicher Recht. Vielleicht bin ich voreilig in die Beschützerrolle geschlüpft…

Liebe Grüße
Sammy
 

Conny

Mitglied
Einige finden meine Kritiken zu hart. Aber ich bin sehr ehrlich und habe keine Lust, hier etwas schön zu reden, was ich eindeutig als mangelhaft einstufe. Ich bin immer bereit, Tips zu geben und kann selber auch mit Kritik umgehen.
 

sammy

Mitglied
Umgang mit Kritik

Du wirst mir immer sympathischer, Conny. Bleib so, wie du bist. Ehrlichkeit ist eine meiner Lieblingstugenden. Ach ja, zu deinem Text wollte ich noch sagen, dass mir das überraschende Ende besonders gut gefallen hat, auch wenn ich selber lieber Rosen schenke, als beschenkt zu werden.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

zu schade, daß ich jetzt erst auf die geschichte gestoßen bin. ich hätte sie gern in ihrer urform gelesen. im moment habe ich das gefühl, etwas amputiertes vorgesetzt bekommen zu haben. aber immer noch sehr anrührend, deine geschichte. ganz lieb grüßt
 

Conny

Mitglied
Hallo Flammrion,

von Amputation kann keine Rede sein. Die Geschichte wurde nur etwas geschliffen. Ich nehme grundsätzlich nur Sätze oder Formulierungen raus, die mir selber nicht so gut gefallen.

Hast du vielleicht Tips oder Anregungen? Wäre lieb.


Grüße

Conny
 



 
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