SIE - mich hauts um!

Haget

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SIE - und mich haut's um!
Haget 3/94 Nr.115

Beim letzten Ball - wie war das schön! -
hat zärtlich SIE mich angesehn;
ich geb' zwar zu, ganz unumwunden,
es war ein Blick nur von Sekunden,
und rief mir zu: "Ich möcht' ein Bier!"
- es galt dem Ober hinter mir.

Ich seh' SIE jede Nacht im Traum
- SIE ist so schön, man fasst es kaum -
und sprech' mit ihr, halt' ihre Hand,
SIE schwärmt von mir, nennt mich galant
- doch wenn dann früh der Wecker schellt,
erblick' ich meine leere Welt.

Doch bald werd' ich, SIE wirklich sehn,
ich hört' SIE würd' zum Nähkurs gehn,
stets donnerstags, im Nachbarort.
Wenn SIE dann kommt, steh' ich schon dort,
SIE wird mich ansehn und gleich spüren,
an den muss ich mein Herz verlieren.

Und ich will ihr viel Nettes sagen,
vom Ballkleid, das SIE 'letzt getragen,
und wie ihr Gang mir so gefällt,
ihr weiches Haar, das lockig fällt,
ihr sanftes Lächeln, der Augen Blau
- ich übe es täglich, damit ich mich trau.

Am Donnerstag, vor Kursbeginn,
stellt' ich mich nah beim Eingang hin.
Da kommt SIE schon, öffnet die Pforte ,
mein Text - wie waren noch die Worte? -
ich stammle was von "Wetter schön"
- SIE hat mich nicht einmal gesehn!

Seit Wochen schick ich ihr ins Haus
- fast täglich! - einen Rosenstrauß
und ganz persönlich leg' ich ihr
sonntags Pralinen vor die Tür
mit handgeschriebnem Gruß auf Bütten -
ganz wie im Film - nach Väter Sitten.

Doch SIE sieht weiter stur an mir vorbei -
und durch mich durch, als ob aus Luft ich sei!
Ich mag den Hut ziehn, ihn mit Verbeugung schwenken,
ganz offen lächeln - auch mal die Augen senken -
mit vorgestreckter Brust fast wie ein Pfau stolzieren
- ihr ist mit keinem dieser Tricks zu imponieren!

Na gut - begrab' ich meinen Stolz. -
So geht es nicht, SIE ist aus andrem Holz!
Eine Methode bleibt jetzt mir nach allem nur:
Mutterinstinkt! Ich mache auf die Mitleidstour!
Ganz klein mit Hundeblick, zerknittert und verdreckt -
so zeig' ich mich - Instinkte hab' ich nicht geweckt!

So ging ich - wochenlang! - durch viele Höllen.
Ich mag und will mich nun nicht mehr verstellen!
Ich mach' mich einfach jetzt mal "unsichtbar":
Mein Anblick wird ihr fehlen - ist doch klar!
Doch ob SIE wirklich suchte oder was geschehn -
ich weiß es nicht - ich konnte SIE ja auch nicht sehn!

Und ich sah SIE nicht bis heut' - es regnet fürchterlich -
doch Mutter schickte trotzdem noch zum Einkauf mich.
Verlasse grad des Bäckers Laden - Torte in der Hand -
mit rechts den kleinen Schirm schnell aufgespannt,
verwechsle dann - ich hätt' es wissen müssen! -
leider rechts und links mit meinen Füßen!

Vielleicht lag's auch an jener Matte vor der Tür?
Ich flieg' - die off'ne Torte unter mir! -
und rutsche - liege quer nun hier auf dem Trottoir,
ganz weich - auf jenem Ding, das grad noch Torte war.
Und schimpfe wild, auf eine Lage so wie diese!
- Sanft schaukelt noch mein Schirm an der Markise.

Nun ganz schnell hoch und wieder aufrecht stehn -
vielleicht hat mein Malheur ja doch keiner gesehn!
Ganz schnell schau ich mich um - erstarr' vor Schreck! -
denn hinter mir steht SIE - - und lacht sich weg!
Schnappt Luft - und spricht zum ersten Mal zu mir:
"Dich nehme ich
- solch' lustig Leben wünsch' ich mir!"
 



 
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