SMS

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Raniero

Textablader
SMS
„Aber Max, doch nicht jetzt, das kannst du doch nicht machen, bist du denn verrückt geworden?“ stöhnte Silvia Rotfuß und verdrehte die Augen.
Soeben hatte sie sich mit ihrem Gatten Max zu Bett begeben, zu einem seit längerer Zeit überfälligen, sogenannten Schäferstündchen, als sie zu ihrem Ärger bemerkte, dass ihr Mann etwas vollkommen anderes im Sinn hatte, etwas, das nun absolut nicht im Einklang stand, zu der beabsichtigten Maßnahme.
„Wen willst du denn jetzt noch anrufen, vorher? Das kann doch wohl nicht wahr sein?“
„Aber beruhige dich doch, Schatz; ich rufe niemanden an.“
„Was willst du denn dann mit dem Handy, Mann?“ schrie Silvia.“
„Aber Schatz, hab’ nur einen Moment Geduld, das geht doch ganz schnell. Ich schick nur eben schnell noch eine SMS los, das hatte ich ganz vergessen.“
„Aber doch nicht jetzt, du Blödmann!“

Silvia und Max Rotfuß führten seit mehr als zwanzig Jahren eine zwar kinderlose, jedoch im Allgemeinen mehr oder weniger glückliche Ehe. Während Silvia eher als temperamentvoll zu bezeichnen war, galt Max als ausgesprochen ruhig und zurückhaltend, dafür aber hatte er eine ganz spezielle Marotte; er hatte es mit dem simsen. Seitdem er sich nämlich vor einiger Zeit ein Handy angeschafft hatte, mit dem man zu seiner großen Freude nicht nur telefonieren sondern auch schriftliche Kurzbotschaften, sogenannte short messages, versenden konnte, unterlag er bei entsprechender Laune von Zeit zu Zeit dem Zwang, gemäß dem alten Beatlesong I feel fine mit der Zeile telling all the world allen Freunden gleichzeitig und in einem Rundumschlag mitzuteilen, was er so zur Zeit gerade mit seiner Frau unternahm resp. zu unternehmen beabsichtigte. So nahm denn nicht gerade die ganze Welt aber der Freundeskreis von Max und Silvia verblüfft zur Kenntnis, dass diese beispielsweise soeben einen hohen Gipfel in den Alpen erklommen hatten und just in diesem Moment die wunderschöne Aussicht genossen oder dass sie sich gerade auf einer Butterfahrt auf einem Ostseedampfer befanden.
Doch es blieb nicht nur bei diesen Mitteilungen, die Max versandte; darüber hinaus gab es auch Botschaften eher alltäglichen Inhalts wie ‚Befinden uns gerade im Supermark, um Käse zu kaufen, für das gleichnamige Fondue heute Abend’ oder ‚Silvia putzt im Moment den Flur, derweil ich die Füße hochgelegt habe und in den Fernseher schaue.’
Die Freunde fanden die Idee grundsätzlich nicht schlecht, verzichteten aber weitgehend darauf, ebenfalls Botschaften abzusetzen; stattdessen hofften sie darauf, irgendwann etwas intimere Mitteilungen zu erhalten, aus dem Leben von Sylvia und Max.
Diese trafen dann in der Tat auch ein, aber verschlüsselt, und diesen Schlüssel in Form eines Kürzels gab Max all seinen Geschlechtsgenossen aus dem Freundeskreis bekannt, aber nur diesen, nicht jedoch deren Partnerrinnen.
Dieses Kürzel lautete in Analogie zum Begriff short messages systems ebenfalls SMS, bedeutete aber für Max nichts anderes als Sex mit Silvia und stand folgerichtig für die Erfüllung seiner ehelichten Pflichten. Sobald die Freunde dieses Kürzel lasen, schmunzelten sie und musterten ihre eigenen Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen, wenn sie zugegen waren, mit verheißungsvollen Blicken, während diese herumrätselten und sich keinen Reim darauf machen konnten, warum ihre Männer auf einmal von Gelüsten heimgesucht wurden, mit denen sie im Moment gar nicht gerechnet hatten.
Im Normalfall allerdings verschickte Max seine Ankündigung per SMS nicht unmittelbar vor der Aktion in Silvias Gegenwart, sondern hinter deren Rücken, doch beim letzten Mal hatte er einfach vergessen, die frohe Botschaft rechtzeitig an die Freunde zu senden.
Aus diesem Grunde reagierte Silvia natürlich mehr als befremdet, als Max zum Handy griff, statt zu ihr ins Bett zu huschen.
„Ich liege hier im Bett, wie Gott mich schuf, und du willst eine SMS losschicken, ja, bist du denn noch zu retten? Und an wen willst du schreiben“, fragte Silvia mit ironischem Unterton, „wie heißt die Dame?“
„An unseren Steuerberater, Schatz.“
„Was??? Jetzt bist du wohl völlig übergeschnappt, Max. Wie kannst du jetzt an unseren Steuerberater denken?“ Silvia nahm einen Pantoffel zur Hand, um damit nach ihrem Mann zu werfen. “Komm sofort zurück ins Bett!“ brüllte sie.
Max gehorchte, widerwillig, und legte das Handy beiseite.
‚Dann eben nicht, kriegen die Jungs dieses Mal eben keinen Bescheid’ ,dachte er verbittert und schritt ein wenig lieblos zur Tat.
Kaum, dass Silvia nach vollzogener Aktion das Bad aufgesucht hatte, gab das Handy einen leisen, einfachen Signalton ab, zur Bestätigung des Empfangs einer SMS, doch es war nicht sein Handy, sondern das seiner Frau, welches in ihrer Nachttischschublade lag.
Neugierig öffnete Max die Nachricht und las mit wachsendem Entsetzen die Mitteilung des von ihm eben erwähnten gemeinsamen Steuerberaters:
„Hallo Silvia, Liebes! Habe gerade mit meiner Alten geschlafen, aber nur an dich dabei gedacht. Ich zähle die Stunden, bis wir uns wiedersehen. Tausend Küsse, Ralf.“

Mit einem Aufschrei sprang Max aus dem Bett und warf beide Handys in hohem Bogen aus dem Fenster. Es ist durchaus damit zu rechnen, dass er künftig keine frohen Botschaften mehr in die Welt setzen wird, per SMS. Weiterhin ist fraglich, ob Silvia und Max in Zukunft eine gemeinsame Steuererklärung abgeben werden.
 

NicoD

Mitglied
Hi,

mir ist so vieles nicht klar geworden:

- Warum hoffen alle Freunde auf intimiere Details, wenn er seine harmlose SMS losschickt? Mir persönlich wäre das ja ziemlich egal, wenn ich von meinen Freunden SMS wie "Geht jetzt los - ran an die Uschi" bekommen würde. Und warum verschickt man sowas?
- Wie sieht der Code "SMS" jetzt wirklich aus? Sex mit Silvia ist ja eine coole Abkürzung, aber wird die einfach in einen harmlosen Text mit eingepackt? Anscheinend ja, aber die letzte, verhängnissvolle verschickt er doch an alle, im Klartext, dabei soll sie doch nur an seine Bettbekanntschaft gehen?
- Was würde seine Geliebte sagen, wenn er ihr schreibt, daß er gerade mit seiner Frau im Bett war? Da muss die Dame aber schon ganz schön abgebrüht sein, dass die sowas mit macht - nicht umsonst erzählen die meisten Fremdgeher ihrem Fräulein, daß zu Hause nichts mehr liefe..
- Warum löscht er nicht einfach seine SMS auf dem Handy seiner Frau, statt es aus dem Fenster zu werfen. Wäre das nicht einfacher?

So, vielleicht habe ich mich gerade als Volldepp geoutet, weil ich soviel nicht verstanden habe. Aber vielleicht signalisiert es Dir auch, wo Deine Geschichte etwas eindeutiger werden müßte, um auch wirklich lustig zu werden. Wenn ich noch einen Tip geben darf: Ich würde die Marotte SMS stärker betonen. Dann würde der Leser automatisch alles auf diese kleine geistige Schwäche schieben.

Ach ja, eine Sache noch:

Im Normalfall allerdings verschickte Max seine Ankündigung per SMS nicht unmittelbar vor der Aktion in Silvias Gegenwart, sondern hinter deren Rücken, doch beim letzten Mal hatte er einfach vergessen, die frohe Botschaft rechtzeitig an die Freunde zu senden.
Aus diesem Grunde reagierte Silvia natürlich mehr als befremdet, als Max zum Handy griff, statt zu ihr ins Bett zu huschen.


Hier ist der kausale Zusammenhang nicht ganz gegeben! Es klingt, als wäre Silvia befremdet, daß Max beim letzten Mal einfach vergessen habe, seine Freunde zu informieren.

Alles Gute,

Nico
 

Raniero

Textablader
Hallo Nico,

diese Story ist eine nicht allzu ernst zu nehmende Persiflage über Zeitgenossen, die Tag und Nacht zum Handy greifen, um 'Botschaften' über das, was sie gerade tun, in alle Welt hinauszuposaunen. (I feel fine... telling all the world)
Hierbei handelt der Protagonist nicht gerade immer nach der Ratio.
:)

Gruß Raniero
 



 
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