SUE - version 2000

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habicht

Junior Mitglied
„Nein....“ Ihr Schrei hallt durch die leeren Räume des Rohbaus.
Dunkel ragen Kräne in einen sternklaren Nachthimmel, längst, hatten sich die Regenwolken verzogen und der Mond tauchte die Landschaft in ein fahles Licht, daß die Realität verschwimmen läßt.
Ihre Stimme..... erlosch in der Einsamkeit der Nacht.
Sie zittert am ganzen Leib. Jeder Muskel ist angespannt. Zusammengekauert mit Tränen in den Augen preßt sie sich in ein Eck der halbfertigen Wohnanlage. Zugedeckt mit dem Schweigen eines lauwarmen Sommerwindes.
Er stand vor ihr. Den Mund leicht offen, den Blick fragend, erkennend das sie ihm nur hassen konnte. Das sie ihm nie wird verzeihen können. Das sich seine Realität gerade in der Wirklichkeit des Mondlichtes verliert. Spürt wie die Einsamkeit zurück kommt, wie dieser unendliche Schmerz wieder aufsteigt und er in den tief schwarzen, spiegelglatten Wasser des Lebens zu versinken droht.
„Ich...“ weiter bringen ihn seine Worte nicht, weiter tragen ihn seine Gedanken nicht, bis alles in seinen Kopf zusammenbricht.
Sie schluchzt... Angst mehr zu sagen, Angst ihn zu reizen, Angst davor das alles wieder von vorne beginnen könnte. Blut, das über ihre Haut rinnt. Schmerzen, die ihren geschundenen Körper durchziehen. Die Kleider halb von Leib gerissen in der Lache kauernd, die vom Regen übrig geblieben ist, von oben bis unten mit den Staub des Neubaus überzogen.
Es ist ein großer Raum, in dem Sie kauert, nach oben hin offen. Das Wasser, das sich über den Boden breitete, wie ein feiner Schleier den Abendhimmel spiegelnd. ER ist eine Silhouette, gemalt gegen den Schimmer, der über diesen Zimmer lag. Zeichnete sich schwarz gegen die Schwärze der Nacht ab. Die Mauer in ihrem Rücken ragt empor, als würde sie sie schützen wollen, aber es ist ein trügerisches Gefühl....
Er...
Es war auf einer Party. Er war ein entfernter Verwandter. Sie hatte ihn schon öfters getroffen, nie wirklich beachtet oder wahr genommen. An diesem Abend war es anders. Er stand gelangweilt an der Theke mit einem Glas Sekt in der Hand an dem er Gedankenverloren nippte, während sein Blick über die Anwesenden Personen glitt.
Sein Blick...
Das war der eigentliche Grund, der sie gefesselt hatte, fasziniert hatte. Er hatte etwas unnahbares, etwas unheimliches. Es war, als würde man wissen, da ist eine Türe und hinter der Tür ist ein Geheimnis versteckt und dieses Geheimnis ist es, das sie auf den Grund gehen wollte. Jetzt war sie auf diesem Grund angekommen und wußte nicht mehr wie sie je wird wieder auftauchen könnte.
„Hallo...“ Mit einem Lächeln auf den Lippen, hatte sie sich an ihn herangeschlichen. „So nachdenklich?“
Er erwiderte ihr Lächeln, senkte den Blick, bot ihr ein Glas Sekt an. Sie nahm dankend an. Irgendwie hatten Sie sich dann langsam begonnen in ein Gespräch zu vertiefen, waren eingetaucht in Ihre eigene Wirklichkeit und die Party herum versank hinter einen samtenen Schleier. Stück für Stück war sie ihn näher gekommen, schneller als gedacht, schneller als gewollt.

Es war irgendwie unverbindlich, es war irgendwie unkompliziert. Sein Lachen berührte sie auf eine eigenartige Art und weise und sein Wort stießen etwas in ihr an – unbewußt. Irgendwann vergaßen sie die Menschen herum vergaßen die Bekannten und alles schien in einem schönen ruhigen Fluß der Vertrautheit dahinzugleiten.
Es war nicht einfach nur ein Gespräch. Es war nicht einfach nur einige Worte. Es war mehr und doch nicht und unter all dem war da etwas, daß sich immer wieder ihrer Neugier entzog und abtauchte.
Es war nicht das äußerliche, das einem den Puls nach oben trieb. Er war nicht wirklich eine Schönheit, aber er hatte eine Atmosphäre um sich herum. Wie er am Glas nippte, wie er zu ihr aufblickte, wie seine Augen sich in sie bohrten, als würde er durch sie hindurch sehen. Er war auch nicht gerade häßlich, aber es war mehr hinter dieser Fassade aus Charme und Stil. Irgendwie paßte alles an ihn. Wie er angezogen war... wie er redete.... wie er die Tür aufhielt, wie er den Stuhl für sie zurück zog.
Irgendwann fragte sie, ob sie nicht spazieren gehen wollten, Sie bräuchte etwas Luft, außerdem liebte sie es den Regen zu genießen, den Duft vom nassen Gras und Asphalt einzuatmen. Er lächelte. Nicht mehr, nicht weniger.
Etwas nach Mitternacht verließen sie die Party und schlenderten die Straße hinunter und die hell erleuchteten Fenster begannen in einer Regennacht zu versinken. Er war neben ihr und irgendwie beruhigte es Sie.
Eigentlich war sie nicht solo. Ihr Freund war vor diesem Wochenende abgereist. Geschäftlich. Sie war allein, sie war viel zu oft alleine. Jetzt genoß sie es, jemanden neben sich zu haben. Jemanden der Stärke ausstrahlte. Jemanden der einen Beschützen kann. Es war irgendwie unbewußt, als sie während des Gehens sich an ihn lehnte. Sein Arm legte sich um ihre Schultern und zogen sie etwas näher heran. Irgendwie war da fast eine Dominanz, in der Art der Bewegung.
Er hielt den Regenschirm.
Das Spiegelbild der Lachen auf der Straßen wurden von hunderten kleinen Tropfen in Stücke gerissen, verzerrt.
Am Ende der Straße ragte ein Kran aus der Finsternis, löste sich als Schatten von einem wolkenverhangenen Himmel. Das Wasser gurgelte durch die Regenrinnen in den Kanal.
„wart.“ er lachte, lies sie los und sprang mit allen zwei Füßen gleichzeitig in eine Wasserlache. Tausende funkelnde Perlen unter den Licht der Straßenlaterne stoben auseinander.
Sie lächelte und schaute ihr gegenüber an. Wie ein kleines Kind lachend in der Wasserlache, der Regen um ihn herum und die funkelnden Tropfen, die aufstoben, wenn er mit den Fuß durch das Wasser fuhr. Ein kleiner Junge in der Welt der Erwachsenen, dachte sie sich, neigte leicht den Kopf.
„He, Schöner.“
Er stoppte und schaute zu ihr hinüber.
„Werde hier von deinem Regentanz noch über und über naß.“
Er schaute sie an, etwas verwirrt.
„Komm weiter, kleiner Junge.“ wie lange hatte ihre Stimme nicht mehr so zärtlich geklungen wie in diesem Moment. Es tat gut, sich selbst wieder zu spüren, dachte sie bei sich.
Er wartete. „Sind wir etwa aus Zucker?“ Platsch, Wasser stob auf, regnete auf sie hernieder.... Er lachte. Sie lachte und langsam begann der Regen nach zu lassen und dann schlenderten sie weiter, die Straße hinunter, an deren Ende ein Rohbau einer Wohnanlage die Dunkelheit unterstrich und langsam tauchten hinter den Häusern auch die anderen Kräne aus.
Es war irgendwie unverbindlich, diese Nacht, jedenfalls begann sie so.

Wann es sich änderte – begann in der Erinnerung zu verschwimmen. Es war am Ende der Straße, glaubt sie, als sie stehen blieben.
Der Regen hatte aufgehört, ein leichter Wind war aufgekommen und begann die Wolkenwand am Himmel auseinander zu treiben und das fahle Licht des Mondes bahnte sich langsam seinen Weg. Er hielt sie an der Hand und zog sie vom Licht der Straße in die Dunkelheit, die die Schatten des Rohbaus warfen und mit einmal fühlte sie sich neben ihn nicht mehr so sicher, sie Blick hatte sich verändert. Sie spürte sein verlangen in den Griff spürte seine Sehnsucht und dann war da etwas schwarzes unnahbares, daß auf seinen Gesicht lag – etwas, daß sie fast erschreckte.
Er zog sie zu sich, seine Hand umschloß ihr Gelenk, sein Griff wie aus eisen und das Bewußtsein, daß er sie nicht gehen lassen würde. Er sagte kein Wort, zog sie hinter sich her... die Erde auf der Baustelle war zu einen weichen Morast und sie sank mit ihren Schuhen ein.
„He, Moment – laß das....“ sie versuchte sich zu lösen, aber seine Hand war wie ein Schraubstock geschlossen und er dachte nicht sie frei zugeben und dann kam diese Panik die in ihr begann aufzusteigen. Er schien nichts zu merken, auf nichts zu reagieren. Sie fiel, er blieb nicht stehen, schliff sie fast hinter sich her. Stolpernd versuchte sie wieder auf die Füße zu kommen. Atmete schwer, dann verschwanden sie in eine der schwarzen Öffnungen des Rohbaus.
Er weiß nicht mehr, wann sich alles geändert hatte. Ihr Blick, ihre Stimme, ihre Zärtlichkeit, ihre Haut an seiner, ihre Hand – Schutz suchend. Irgendwie machte es ihn stark und da war die Hoffnung endlich diese Nacht durchbrechen zu können. Endlich aus ihr ausbrechen zu können. Endlich die Nächte hinter sich lassend... das Gefühl das es keine Ende gibt. Das dieser Tunnel nie wird aufhören und das er es nicht schaffen könnte. Es war schon so viel passiert. Jemanden zu finden, der ihn vertrauen könnte.
Dann war es aus...
Warum wußte er nicht. Er hatte es irgendwie nicht bemerkt. Es war die Sehnsucht sie zu berühren, die Sehnsucht, sie in seinen Arm zu nehmen, sie zu küssen, sie zu lieben, in sie einzudringen und sie zu nehmen. Die Sehnsucht die in lauf des Abends immer stärker wurde und langsam begann all seine Gedanken auszulöschen, all seine Vernunft erstickte. Er sah sie und sah wie sie sich liebten – leidenschaftlich küßten. Er spürte sein verlangen. Hinter in war sein leeres Bett, waren seinen Nächte der Einsamkeit gemeißelt in seiner Erinnerung.
Sie redete von ihrer Familie, redete von ihn, redete von ihrer Einsamkeit, wenn er nicht da war. Konnte es sein, daß es die gleiche Einsamkeit war?
Dann erlosch ihre Stimme in seiner Wahrnehmung und da waren nur noch die Bilder in seinen Kopf. Sie war nackt, sie berührten sich, sie küßte ihn, er erwiderte ihren Kuß und gemeinsam verfielen sie in eine Nacht er unendlichen Leidenschaft. Und er wollte es. Er wollte es jetzt. Er wollte nicht mehr warten. Er hatte so lange gewartet, dachte er sich. Er konnte es nicht mehr aufhalten. Sie wollte es doch auch, hinaus aus dieser Einsamkeit.
Sie waren am Ende der Straße angekommen und die Ruine stieg hinter ihn in die Finsternis empor, die Kräne die empor ragten.
Perfekt – dachte er sich. Es würde sie niemand sehen. Das war der Ort für sie beide.
Er packte sie bei der Hand, zerrte sie aus den Licht der Straße in die Dunkelheit, merkte nicht das der Boden unter seinen Füßen durch den Regen nachgab, merkte nicht daß sie sich begann zu wehren, versuchte aus seiner Hand zu lösen und auszureißen. Längst war sie nur die Möglichkeit der Einsamkeit zu entkommen. Längst war sie nur mehr die Möglichkeit dieses Verlangen zu stillen. Ihre Stimme erlosch, bevor er sie hören konnte. Ihr versuch sich loszureißen starb unter seiner kräftigen Hand.
Er würde sie nicht mehr los lassen. Er würde seine Chance nicht mehr hergeben. Und dann verschwanden sie in eine der schwarzen Öffnungen des Rohbaus.

Seine Hände zittern
Sie wagt es nicht aufzuschauen. Die Silhouette von ihm im Gedächtnis eingebrannt. Sie spürt das er noch da ist. Sie braucht ihn nicht zu sehen um zu wissen, daß er ein paar Meter von ihr entfernt steht, die Hände kraftlos, den Blick auf Sie gerichtet. Sie spürt wie er sie durch dringt, wie er beginnt wahr zu nehmen was passiert war. Sie wahr zu nehmen, verschmiert mit Blut, Erde, Staub. Durchnäßt. Die restlichen Fetzen an ihren Körper pressend, sich keine Blöße mehr geben wollend.
„Ich....“
Seine Stimme klingt gebrochen, holpert querfeldein, orientierungslos, steurlos.
„Ich... Ich wollte nur sagen, daß ich dich liebe..“ Schweigen
Lichtspiele am Himmel. Sternenfunkeln. Wolkenfetzen halb in weißes Leuchten getaucht, halb in der Dunkelheit untergehend, von Wind getrieben.
Kein Geräusch in der Umgebung... Verlassen...
„Ich .... Ich wollte dich ....“ seine stimme bricht ab, stürzt... endet.
Seine Hände zittern. Langsam beginnt er den Schmerz zu spüren, die Kratzer ihrer Fingernägel auf seinem Rücken, den Geschmack ihrer Haut, ihres Blutes, ihrer Verzweiflung in seinem Mund. Ein bitterer Nachgeschmack der ihn ausfüllt, niederringt.
Lauf... lauf so schnell du kannst, aber seine Beine rühren sich nicht, sein Blick kann sich nicht von den etwas lösen, das schluchzend in der finsteren Ecke hockt, zusammengekauert, diesen abend verfluchend, ihn verfluchend, ihn hassend.
„ich wollt dich lieben, dich berühren, dich küssen. Ich wollte in deinen Armen versinken. Ich ... ich wollte nicht.... nicht das ... das es so kommt.. ich...“
Seine Worte verhallen ungehört zwischen unverpuzten Ziegelwänden, nassen Stahlbetondecken und Stiegenaufgänge ohne Geländer, ohne Fliesen. Verhallen in der Einsamkeit... mächtiger als sie je zuvor war. Er wollte doch nur ein Stück, ein Stück leben spüren, spüren geliebt zu werden, sie zu lieben. Er wollte doch nur einmal diese Mauer aus Schweigen, endlosen Nächten in leeren Betten entrinnen... mehr war es nicht und jetzt steht er mitten in dieser endlosen einsamen Nacht. und jetzt ist der Hass, das einzige Gefühl, daß für ihn in ihren Kopf übriggeblieben ist.
Sie merkt nicht daß er redet, hört nicht die Worte... Tränen rinnen ihren Wangen herunter.... Sie war verletzt, als würde jemand ihr innerstes nach Außen gestülpt haben. Als würde sie gebrandmarkt worden sein und sie roch noch das verbrannte Fleisch, spürte noch das glühende Eisen auf ihrer Haut. Sie weiß nur daß er noch da ist. Seine Anwesenheit, wie ein dunkler Schatten der sich in einem heißen wolkenlosen Sommertag, plötzlich über die Stadt legt.
Verflucht.... er soll gehen, er sollte verschwinden, sie will niemanden jetzt, sie will nach Haus, endlich den Schlüssel umdrehen, die Badewanne einlassen und all das was geschehen aussperren, nicht mehr in ihre Wohnung lassen. Will den Abend aus ihrem Gedächtnis löschen, ihn eliminieren und alles was mit dem Jetzt verbunden ist.
Tränen, des Schmerzes, Tränen der Verzweiflung, Tränen des Bewußtseins, daß sich alles geändert hat und das die Erinnerung sich durch jedes Schlüsselloch schleichen würde. Die Gewißheit, daß sie noch so lange laufen könnte, am Ziel würde die Erinnerung an Ihn bereits da stehen und sie empfangen... atemlos.
„wieso hörst du mir nicht zu...“ er tritt einen schritt vor, „verflucht noch mal ich red mit dir.“
Stille..
„scheiße.“ er schreit, das Echo des Baus antwortet...“HÖR MIR ZU! VERFLUCHTE HURE ICH RED MIT DIR! GLAUBST DU ES IST LEICHT FÜR MICH..... LEICHT DAS ALLES ZU ÜBERSTEHEN. LEICHT JEDEN ABEND ZU NIEMANDEN NACH HAUSE ZU KOMMEN! GLAUBST DU ICH MACH DAS ALLES ZU MEINEN VERGNÜGEN....“
Während er schreit kam er näher und näher, geht auf sie zu dann bricht seine Stimme ab und ihr verzweifeltes Schluchzen. war das einzige das diesen Raum noch erfüllt.
„oh Gott...“
Er sinkt auf die Knie, bricht plötzlich unter ihren Anblick zusammen.
„oh Gott...“
Dann ist lange Zeit nur mehr Sie zu hören....

Es war lange nach Mitternacht....
Die letzten Gäste hatten die Party verlassen, das letzte Taxi war schon weg und die Räume blieben im Dunklen zurück.
In den nächsten 2 bis 3 Stunden würde sich die Sonne über den Horizont schieben. In den nächsten 2 bis 3 Stunden würde langsam der Tag heraufziehen und würde im Osten ein heller schmaler Streifen beginnen zu glühen. Bald würde die Stadt wieder erwachen und der Alltag beginnen. Bald wäre seine Zeit vorüber, sein Reich besiegt endgültig erlegen.
Er starrte sie an...
Sie war schön, ihre Haut im milchigen Mondlicht, schimmernd. Er hätte sie haben können, vielleicht. Er hat es gespürt, wie sie ihn anschaute, er hat es gespürt wie sie mit ihm sprach.... Ja, denkt er, vielleicht hätte es klappen können, jetzt bleiben nur noch ihre Tränen übrig. Jetzt bleibt nur noch er übrig als düstere Gestalt als Erscheinung in traumlosen Nächten, als Schatten ihres Lebens. Er hat sich in ihr Leben geschlichen und sie mußte mit ihm leben, nur war es das Leben, das er mit ihr führen wollte...
Momentaufnahmen, Blitzlichter gleich, schoß durch seinen Kopf... wie es war, wie es sein hätte können, wie es sein wird.
Er kniete vor ihr, keinen Meter von ihrem Körper entfernt, ihr Gesicht vergraben, ihre Hände an sich pressend, die Beine angezogen, zu einer Kugel zusammengekauert.
Er könnte sie berühren ihre Haut....
Nach einem Schweigen, das jahrelange Minuten gedauert hatte:
„Ich.... weißt du, ich dachte ich schaffe es... ich dachte du wärst die Richtige. Mein Leben... es gibt da nicht mehr viel. Es gibt mich, meine Wohnung und jeden Tag die Hoffnung, das es Nacht werden würde. Die Hoffnung endlich von den Menschen weg zu kommen. Vor ihren Lachen zu fliehen und in meine Welt zu flüchten.
Ich sperre immer ab, wenn ich nach Hause komme... Manchmal schieb ich auch ein Sofa vor die Türe. Ich gehe nicht zum Telefon, ich muß mich überwinden wenigstens einmal in der Woche den Briefkasten zu öffnen. Die meiste der Post lese ich nicht, nicht mehr und jede Nacht hoffe ich, es würde etwas passieren. Es würde etwas geschehen und es würde nicht mehr Morgen werden, nie mehr...“
Mitten durch ihren Schleier aus Schmerz, den Gefühl ausgeliefert zu sein, der Ohnmacht des jetzt, mitten durch all das durch begann sich seine Stimme langsam zu Sätzen zu formen, zu Wörtern, begann sie ihn wahr zu nehmen.
„Es ist nur ein Nachteil, dieser Nächte... Man ist alleine und findet keinen Weg mehr aus der Einsamkeit. alles was man macht führt einen immer tiefer in diese Einsamkeit und allmählich wird diese Einsamkeit, zu einem Schraubstock in dem man eingespannt ist, und der einem nicht mehr los läßt.
Weißt du, diese Einsamkeit kann einem das Herz herausreißen solange bis man nichts mehr spürt. Kein Mitgefühl, kein Leid, keine Liebe nur noch die Einsamkeit ist da, allumfassend, ist sie das einzige Gefühl das übrig geblieben ist und irgendwann kannst du nur noch an Sie denken. Du wirst wütend, wenn du ein verliebtes Paar siehst, wütend, wenn jemand lacht, wütend auf die Kollegen die nach dem Dienst zu ihren Familien fahren und mir bleibt die Erinnerung daran.
Heute habe ich gedacht du führst mich da raus, heute habe ich gedacht ich schaffe es endlich mein Gedächtnis niederzuringen, anstelle habe ich mich niedergerungen und ich weiß, daß es nie wieder Tag werden wird, daß es für mich nie wieder ein Morgen geben wird...“
Er hielt inne....
Sie hob langsam den Kopf..... Vorsichtig.... ihr Körper zitterte, zerrissen zwischen den Drang weg zu laufen, der Hoffnung hier heraus zu kommen, andererseits über die Angst, daß alles noch nicht zu ende war, daß sie nicht entkommen konnte, daß die Wirklichkeit eine andere ist....
Sie hob langsam den Kopf und dann trafen sich ihre Blicke.
Dann schwiegen alle beide.. nichts rührte sich in dem Haus, die zwei wie in die Luft gemeißelt, einander gegenüber sitzend. Ein Auto riß sie für Sekunden aus dieser Stille, Hoffnung, Sehnsucht von hier weg zu kommen... sie rührte sich nicht und der Motor erstarb in der Dunkelheit....
„Ich hatte gehofft sie wieder zu finden. Ich hatte gehofft SUE wieder zu finden....“
fanden irgendwann seine Worte den Weg aus dem Schweigen.
„Sue...“ er lies den Namen auf seiner Zuge zergehen... Es war noch immer da... Tränen die hoch schossen... er biß die Zähne aufeinander, versuchte die Kontrolle wieder zu finden, die er schon vor Jahren verloren hatte. Nur mehr ein Passagier seiner Gefühle.
„Sue... sie war....“ seine Stimme brach immer wieder ein, stockend „meine Frau.... bis.... vergewaltigt und dann ermordet.... ich....“
Seine Blick löste sich von ihr. Seine Hände vor ihn betrachtend.... er haßte sich für all das, für jede Sekunde seines Lebens haßte er sich. Für jedes Glück, das er selbst wieder zerstörte. Für jede Hoffnung, die er selbst wieder zu nichte macht. Die Nacht hat endgültig gesiegt... die Einsamkeit den Sieg davon getragen.... die Eifersucht den Grundstein gelegt.....
Mit Tränen in den Augen hob er langsam seine Hand... Millimeter...
Sie rührte sich nicht. Angst, Verwirrung, Schmerzen, Verzweiflung und das Gefühl nichts dagegen mehr machen zu können hatten sie längst gelähmt, gefesselt.
Zentimeter vor ihrer Haut stoppte seine Hand. Sie fühlte die wärme seines Körpers, roch seinen Atem. Unterdrückte die Übelkeit, die in ihr aufstieg. Es würgte sie und der Geschmack von erbrochenen lag irgendwie auf ihrer Zunge.... wagte es nicht sich zu rühren.
Dann ganz Vorsichtig, wischte er mit den Finger über ihrer Wange, wischte eine Träne weg... zärtlich, liebevoll....
Einmal noch SIE zu berühren bevor der Vorhang fällt
Einmal noch zu lieben, bevor sein Film zu ende ist
Einmal noch zu küssen, bevor das Buch aus ist
Einmal noch glücklich sein, bevor es vorbei ist
„Sue....“ flüsterte er.... „Sue wie sehr hab ich dich vermißt....“

ENDE
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
starker tobak.

hat er sue auf dem gewissen oder hat er etwas getan, von dem er nun glaubt, daß es halbwegs normal ist oder was? ich stehe staunend vor deiner geschichte. klär mich bitte auf. lg
 

habicht

Junior Mitglied
hmmm... ich will es mal versuchen ohne etwas zu verraten. Denn die "eigentliche" Geschichte bzw. seine Vergangenheit nicht greifen zu können soll jeder selbst.

SUE ist nicht sie, nicht die, die im "jetzt" sue ist im grunde eine andere Geschichte und wer weiß, vielleicht hat er sie auf den gewissen, aber das was sie mit sicherheit ist, ist ein Teil seiner Vergangenheit, ins jetzt projeziert.

Und noch etwas - ich denke, daß jeder "Verbrecher" sich ein Bild zurecht legt - das seine Handlung jedenfalls für ihn halbwegs normal sind oder kennst du einen Menschen der absichtlich falsch handelt und dann auch noch ohne wenn und aber hinzuzufügen sagt es war falsch. Oder baut sich nicht jeder sein Bild von seinen Handlungen zurecht? Versucht sich vor sich selbst zu rechtfertigen?

ich hoffe es hilft etwas *lächelt*

gruß habicht
 



 
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