Samstagabend

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Ji Rina

Mitglied
Es war Samstagabend, irgendwann mitten im Sommer, und ich ging gerade über unseren Dorfplatz, als mir sofort zwei Typen auffielen, die dort neben ihren Rucksäcken auf einer Bank saßen. Mein Gott, wie sahen sie aus –, zerlumpte Kleider, Dreitagebart, lange, filzige Haare bis auf die Schultern. Sie sahen aus, als seien sie um die halbe Welt getrampt. Ich hatte an dem Abend nichts Besonderes vor, es war einer dieser Abende, an denen man sich einfach irgendwo hintreiben ließ, weil die Überraschungen sowieso an jeder Ecke warteten. Was ich tat, tut heute kein Mensch mehr, aber damals … Das waren die achtziger Jahre, und da tat es jeder: Ich ging also schnurstracks auf sie zu, setzte mich einfach neben sie und fragte, woher sie kämen. Einer von ihnen war der Sprecher und ergriff sofort das Wort, sagte, dass sie aus Paris kämen und sie hier irgendwie durch Zufall gelandet seien. Und der andere –, oh Gott, der andere –, wie sah er aus: ganz warme sanfte Augen, braune schulterlange Locken und dieser Blick … Wie ein Reh sah er aus, scheu und zart, er sagte nichts, sondern lächelte mich nur an.

Mir fiel auf, dass der Sprecher einen verbundenen Fuß hatte, mit Gips und so, einen ganzen Klumpen trug er da mit sich herum, und als ich danach fragte, gab er mir eine endlose Erklärung, von der ich kaum etwas verstand, weil ich nicht genug Französisch spreche. Dieser Klumpfuß hatte wohl etwas mit einem Unfall zu tun, irgendetwas mit einem Auto und einem Motorrad an einer Kreuzung im Zentrum von Paris. Ich hörte ihm aufmerksam zu, während mein Blick sich jedoch immer wieder auf den anderen richtete, auf dieses zarte Reh, der nur lächelte, mich ansah und stumm blieb. Einmal gab er mir Feuer, und allein das Erspüren seiner Hand in der Nähe meiner Hand ließ ganze Bildbände in meinem Kopf entstehen, von wilden Nächten und Leidenschaft und Romantik. Er hatte so schöne Augen, und an seinem Handgelenk hingen viele kleine Bändchen aus Leder. Er war durch und durch ein Hippie. Oh, mir war so schwach ums Herz …

Der Sprecher fragte, ob ich denn nicht wüsste, wo sie übernachten könnten. Ich sah ihn grinsend an. Na klar wusste ich es. In so einem Dorf wie diesem, und dann noch in den achtziger Jahren, da teilte man alles mit jedem. Die Leute teilten ihre Wohnungen, ihre Autos, ihre Freundinnen, ihre Männer, die Betten, die Kleidung, die Joints; hauptsächlich Schlafplätze wurden gern rumgereicht, sie waren sehr gefragt, und man gab sie gern. Ich überlegte kurz, zu wem ich wohl gehen könnte, und sagte, dass sie einen Augenblick auf mich warten sollten. Dann lief ich zu Anna, um mir den Schlüssel dieser Wohnung in der Nähe des Hafens zu holen. Ich erinnerte mich, dass diese Wohnung direkt zwischen zwei Kneipen vor der Hafenhalle lag und dass die meisten von uns diese Wohnungsschlüssel schon einmal besessen hatten. An jenem Abend konnte ich mich nicht mehr genau erinnern, ob auch ich diese Schlüssel schon einmal besessen hatte, aber das war ja auch nicht wichtig. Ich hatte auch keine Ahnung, wer der Besitzer dieser Wohnung war, aber Anna besaß die Schlüssel, und das wusste jeder.

»Sind die auch okay?«, fragte sie mich, nachdem ich ihr meine Geschichte erzählte: Arme Franzosen aus Paris, mit ‘nem Gipsfuß und so, schlimmer Unfall, gute Kumpel, mit nix in der Tasche …»Ich hab da nämlich ’n ziemlich teuren Mantel im Eingang hängen, nicht dass der dann futsch ist?«

Ich beruhigte sie und klopfte ihr auf die Schulter, sei doch nur für eine Nacht, sagte ich, nahm daraufhin die Schlüssel und lief zurück.
Die beiden Typen saßen noch genau an derselben Stelle, ich lachte schon von Weitem und klimperte mit den Schlüsseln in der Luft herum, wobei sie beide verlegen wirkten, sich aber auch freuten. Dann machten wir uns auf den Weg. Der mit dem Gipsfuß ging am Stock; er humpelte so stark, dass wir sehr langsam gehen mussten.
Er redete ständig auf mich ein, und ich denke, dass er sich für meine Mühe bedanken wollte, denn er schüttelte immerzu den Kopf, und sagte: »Incredible … c’est incredible …« Wobei er dann mit einem breiten Lächeln hinzufügte: »Merci! Merci beaucup!«
Alles, was ich dazu sagte, war: »C’est normal!« Auf jeden Satz, den er sagte, antwortete ich: »Eh bien oui, c’est normal!«
Diesen Satz hatte ich bereits tausendmal unter den französischen Touristen gehört, und er klang unheimlich gut, halt sehr französisch.

Als wir in der Wohnung ankamen, ich das Licht anknipste und auf die zwei armseligen Laken und deckenlosen Matratzen blickte, hatte ich meinen Kopf schon längst voller Pläne. Ich würde die beiden am nächsten Morgen zum Frühstück einladen; sie dann aufs Land, bis zu Corkis Haus schleppen, wo wir eine Session Blues spielen würden – wir könnten das ganze in Corkis Garten unter dem Feigenbaum durchziehen und da dann auch zu Mittag essen. Corki hatte sein Haus immer voller Leute. Irgendwelche Freunde, die kochten, andere, die zusammensaßen und Musik machten und wiederum andere, die ihre Geschichten erzählten –, da langweilte man sich nie. Und der Zarte, das Reh … Oh, ich hatte ihn keineswegs vergessen. Ihm würde ich irgendein ganz besonderes Lied widmen, irgendwas wie »You’ve got a friend« von James Taylor oder so, und ihm dabei ganz tief in die Augen blicken, so tief und so lange, bis er verstehen würde, wie der Hase läuft.
Ich versuchte also, mich mit Händen und Füßen verständlich zu machen, und sagte: »Demain, moi ici, a le dix au matin. Petit dijeuner. Croissant. Cafe. Vous compris?«
Und da beide mich mit strahlenden Augen anlachten und mit dem Kopf nickten, wusste ich, dass sie mich verstanden hatten. Ganz besonders der Zarte, das stumme Reh, lächelte mich in einer so verflucht unwiderstehlichen Art an, wie es nur Komplizen tun.

Am nächsten Morgen konnte ich nicht schnell genug am Hafen sein. Als ich ankam, stand die Wohnungstür weit offen. Ich ging rein und war nicht einmal überrascht: Natürlich waren sie nicht mehr da. Keine Rucksäcke, kein Zettel, kein Zeichen. Der Mantel war natürlich weg, so auch ein elektrischer Wecker, ein Kassettenrekorder und sämtliche Kassetten. Sogar die Papierbecher aus der Küche hatten sie mitgenommen. Ein paar Minuten stand ich einfach nur da und blickte auf die herumfliegenden Zigarettenstummel und leeren Bierdosen.
Dann schloss ich die Tür wieder sorgfältig zu, und machte mich auf den Weg zu Anna. Und dabei wurde mir klar, was sie alles verpasst hatten: ein üppiges Frühstück im Café, eine Blues-Session auf dem Land, ein Mittagessen unter Corkis Feigenbaum und wer weiß, was noch alles gekommen wäre. Mit dem stummen Reh jedenfalls hatte ich die Liebe meines Lebens verpasst.
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo Ji!

Eine hinreißende Geschichte! Ich sehe sie direkt vor mir, deine Protagonistin, dieses hilfbereite, verliebte, arglose Mädchen. Ich hätte ihr das Abenteuer mit dem 'scheuen Reh' von Herzen gegönnt. Schade, aber die Realität ist nun mal oft anders, als man sie sich wünscht.
Wie immer: toll geschrieben! Die etwas flapsige Sprache passt gut zur Ich-Erzählerin, so dass ein paar ungeschickte Kleinigkeiten ("dieses zarte Reh,[red] der [/red]nun lächelte") oder Wortwiederholungen ("schon einmal besessen hatte") kaum ins Gewicht fallen.

Gruß, Hyazinthe

PS: Danke für deine Tipps zur "Taube"!
 

Ji Rina

Mitglied
Guten Morgen Hyazinthe,

Freut mich, dass dir das Geschichtle gefallen hat.
Die Wiederholung mit "besessen" war Absicht, um der Aussage mehr Kraft zu geben, dass diese Schlüssel immer hin und her wanderten. Aber wenns schlecht ist, lösch ich es.
Dankbar wäre ich dir, für weitere Fehler! "Dieses Reh, der nur lächelte" geht natürlich garnicht....Aber würde sich "Dieses Reh, das nur lächelte" sich nicht seltsam anhören?...Grübel. Wie könnte ich es denn richtig schreiben?

Was die Taube betrifft, finde ich die Idee garnicht so schlecht. Wenn du dich damit anfreunden könntest, wäre ich sehr gespannt auf dein Einfallsreichtum und was du dann alles darein packen würdest.

Sonntagliche Grüsse aus einem (schon wieder) überhitzten Spanien,
Ji
 

molly

Mitglied
Hallo Ji,

""Ich hatte auch keine Ahnung, wer der Besitzer dieser Wohnung war, aber Anna besaß die Schlüssel, und das wusste jeder.

»Sind die auch okay?«, fragte sie mich, nachdem ich ihr meine Geschichte erzählte: Arme Franzosen aus Paris, mit ‘nem Gipsfuß und so, schlimmer Unfall, gute Kumpel, mit nix in der Tasche …»Ich hab da nämlich ’n ziemlich teuren Mantel im Eingang hängen, nicht dass der dann futsch ist?«""

Ist es dann nicht Annas Wohnung? Der Eindruck entsteht, weil SIE im Eingang noch einen Mantel hängen hat.


,der nur lächelte, mich ansah und stumm blieb.
Wie wäre es mit:
auf dieses zarte Reh, der Typ der nur lächelte...

oder: "der zarte Typ (Kerl, Kumpel)

Ich würde auch "Mein Gott" weglassen, nur meine Meinung!

Liebe Grüße in die Hitze

molly
 
A

aligaga

Gast
Diese an sich nette Schülergeschichte leidet ein wenig darunter, dass ihr Deutsch ebenso unbeholfen ist wie die in ihr vorkommende Protagonistin, @Ji. Ich hab dir im ersten Absatz mal alles eingefärbt, was diesen Eindruck erweckt und ganz offensichtlich nicht Stilmittel, sondern Unvermögen ist:
Es war Samstagabend, irgendwann [blue](es ist Samstagabend, mitten in einem Sommer der 80er, nicht "irgendwann". Unnütze Floskel!)[/blue] mitten im Sommer, und ich ging [blue]gerade (wieso "gerade"? Als Gegensatz zu "in Kreisen"? Unnütze Floskel!)[/blue] über unseren Dorfplatz, als mir sofort [blue](Wieso "sofort"? Sie fallen auf, Punkt. Floskel!)[/blue] zwei Typen auffielen, die dort neben ihren Rucksäcken auf einer Bank saßen. Mein Gott, wie sahen sie aus [blue]–, (besser: Ausrufezeichen!) [/blue]zerlumpte Kleider, Dreitagebart, lange, filzige Haare bis auf die Schultern. [blue]Sie sahen aus (unschöne Wiederholung)[/blue], als seien sie um die halbe Welt getrampt. Ich hatte an dem Abend nichts Besonderes vor, es war einer dieser [blue]Abende (unschöne Wiederholung)[/blue] , an denen man sich [blue]einfach (Floskel!)[/blue] [blue]irgendwo (Floskel!)[/blue] hintreiben ließ, [blue]weil die Überraschungen sowieso an jeder Ecke warteten (das ist unlogisch - dann wären die "Ecken" ja ein Ziel!) [/blue]. [blue]Was ich tat, tut heute kein Mensch mehr (wie bitte?)[/blue] , aber damals … Das waren [blue]die achtziger Jahre (was waren die denn Besonderes?)[/blue], und [blue]da tat es jeder (ganz bestimmt nicht, und schon gar nicht auf dem Dorf!)[/blue]: Ich ging also schnurstracks auf sie zu, setzte mich [blue]einfach (Floskel!) [/blue]neben sie und fragte, woher sie kämen. Einer von ihnen [blue]war der Sprecher (besser: den Typ beschreiben. "Sprecher" gibt's eigentlich nur bei Gruppen, bei Regierungen und NGOs)[/blue] und [blue]ergriff sofort das Wort (Floskel!) [/blue], sagte, dass sie aus Paris kämen und sie hier [blue]irgendwie (Floskel!) [/blue]durch Zufall gelandet seien. [blue]Und der andere –, oh Gott, der andere –, wie sah er aus: (besser: Und der andere – oh Gott, der andere – wie sah der aus!) [/blue][blue]ganz (Floskel!)[/blue] warme sanfte Augen, braune schulterlange [blue]Locken (war da vorher nicht nur Filz?)[/blue] und dieser Blick [blue]… (besser: Ausrufezeichen!)[/blue] Wie ein Reh [blue]sah er aus (das ist kaum glaublich ...*giggle*... besser: "Wie der eines Rehs")[/blue] , scheu und zart, er sagte nichts, sondern lächelte mich nur an.
Tipp: vermeide unnütze Floskeln und reine Worthülsen. Und lass Dinge weg, die nicht essentiell sind und den Leser eher nerven, statt ihm hilfreich zu sein. Die ganze Gipshufnummer, zum Beispiel. Die Hippies waren in den 80ern des vorigen Jahrhunderts übrigens schon längst mausetot. Da krochen nur noch ein paar verknitterte Omis und Opis in den bunten Klamotten herum; die Mädelz und Jungs, die auf sich hielten, waren Punkers und hatten nicht Filz, sondern Eierschnee in der Mähne. Oder ne Glatze.

Anyway. Viele der Fehler, die du (noch) machst, sind wohl nur der Oberflächlichkeit und der Flüchtigkeit geschuldet. Bei etwas mehr Sorgfalt und reflektorischer Mühewaltung wird's schon noch werden!

Gruß

aligaga
 
Hallo Ji Rina,
vielleicht kannst du den Satz:

auf dieses zarte Reh, der nur lächelte, mich ansah und stumm blieb
so formulieren:
auf dieses zarte, stumm lächelnde Reh...
oder
der mich nur ansah mit seinen stumm lächelnden Rehaugen.
Das mit dem Gipsfuss kann ich mir ehrlich gesagt auch nur schwer vorstellen und es tut meiner Meinung nach auch nichts für die Geschichte. Jemand der so schwer verletzt ist, dass er am Stock geht und stark humpelt, begibt der sich wirklich auf solch eine Reise?
Die Sache mit der Wohnung klingt für mich auch nicht ganz plausibel. Eine Wohnung, von der niemand weiß, wem sie gehört? Vielleicht könnte man eine Wohnung daraus machen, von der Anna die Schlüssel hat, weil sie nach den Rechten sehen soll, da der Besitzer im Urlaub ist.
Damit viele Grüße
klein lottchen
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Ji Rina
Eine schöne, romantisch verklärte Episode erzählst Du uns hier. Eine leicht verträumte (ich möchte fast „liebliche“sagen) Sprache nennst Du dein eigen.
Die Geschichte versetzte mich wieder zurück in die frühen Achtziger, mit der Musik aus den Siebzigern, spontan kam mir Maffay in den Sinn, ich konnte ihn förmlich hören:
„Samstag Abend, in unserer Straße ...“
Und als sie „das Reh“ erblickte, lief gerade „Bright Eyes“ im Radio. ;)

Erbsenzählerei
wie sahen sie aus –, zerlumpte Kleider
Kein Komma hinter dem Gedankenstrich. Gedankenstriche ersetzen die Kommata. Dies Problem taucht hier öfter auf.

ganz warme sanfte Augen, braune schulterlange Locken und dieser Blick
Ich würde Augen und Blick etwas näher zusammenrücken, die „Ansicht“ springt sonst zu sehr hin und her. Ich bin mir ziemlich sicher, das Sie den „Blick“ unmittelbar mit den „sanften Augen“ registriert.

... weil ich nicht genug Französisch [blue]spreche[/blue].
Zeitfehler: sprach

Ich hörte ihm [strike]aufmerksam[/strike] zu, während mein Blick sich ...
Man kann normalerweise niemandem aufmerksam zuhören, wenn der eigene Blick wandern geht.

... auf dieses zarte Reh, der nur lächelte, mich ansah und stumm blieb.
Jepp, ich verstehe Dein sprachliches Problem. Dieses „der nur lächelte“ bezieht sich zwar sprachlich korrekt auf den Mann, verdirbt aber das romantische Bild.
Auch nicht ganz perfekt gelungen, aber vielleicht „etwas“ besser:
„... auf dieses stumm lächelnd mich betrachtende, zarte Reh.“
Ich weiß, irgendwie gesteltzt. ;)

Er war durch und durch ein Hippie.
Hier kollidiert es mit den „Achtzigern“. Vielleicht eher:
„Er war durch und durch das, was ich mir unter einem Hippie vorgestellt hätte.“
Würde auch wieder einen Bezug zum romantischen Blick der Prota konstruieren.

Oh, mir [blue]war[/blue] so schwach ums Herz …
Aus dem Gefühl heraus hätte ich „wurde“ geschrieben.

Alles, was ich dazu sagte, war: »C’est normal!« Auf jeden Satz, [blue]den er sagte[/blue], antwortete ich: »Eh bien oui, c’est normal!«
Unschöne Dopplung, hier würde ich verknüpfen mit:
„Auf jeden Satz von ihm antwortete ich:“

Ich hoffe, Du nimmst mir die Erbsenzählerei nicht übel. ;)


Viele Grüße aus Westfalen
Frank
 
S

steky

Gast
Hallo, Ji Rina,

mir gefällt deine Geschichte grundsätzlich sehr gut. Die Ich-Erzählerin ist charakterisiert als naive, gutgläubige Dorfbewohnerin, die sich nach etwas Gesellschaft sehnt - und am Ende schamlos abgezockt wird. Dass Hippies immer auf dem Sprung sind und somit nicht viel übrig haben für ein Mittagessen unter Corkis Feigenbaum (was immer das auch sein mag), versteht sich von selbst.

Was mir nicht gefällt, ist die Sprache. Die ist mir zu amerikanisch, riecht mir zu sehr nach T.C Boyle (der bis auf "America" nichts hervorgebracht hat, was mich begeistern konnte).

Was den Text angeht, hast du von Aligaga und Frank wertvolle Hinweise bekommen, wie du ihn verbessern könntest.


LG
Steky
 

Ji Rina

Mitglied
@Molly!

Danke Dir!
Nein, liebe Molly, es ist nicht Annas Wohnung (obwohl sie die Schlüssel hat und obwohl, sie dort einen Mantel hängen hat) Ich weiss, es klingt verwirrend, aber so was gibt´s….
Das Reh ist mir jetzt ein Dorn im Auge. Deshalb vielen Dank für deine Ratschläge! Irgendetwas davon werde ich mir aussuchen und einfügen.
Was den lieben Gott betrifft, so kann ich ihn nicht weglassen, weil ich es damals tatsächlich gedacht habe. “Dios mio!” ist in Spanien ein sehr alltäglicher Gedanke.
Nochmals ein Dankeschön dass du dich mit dieser Reh Geschichte befasst hast!
Ji
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@Aligaga

Tatsächlich habe ich vieles in dieser Geschichte “absichtlich” so gescshrieben, um der Protagonisten einen bestimmten Ton zu geben. Andere Geschichten (Sand, E.Rubino, etc) sind ganz anders geschrieben. Aber wenn das hier nix ist – dann schick ich den Text ins Krankenhaus.
Vieles von dir korrigierte scheint mir sinnvoll. Die Gips-Nummer kann ich jedoch nicht weglassen, weil sie wahr ist (es ist ja keine erfundene Story). Was die Hippies betrifft, so laufen sie hier in Spanien noch immer rum. Auf Ibiza gibts sogar eine Hippie Kommune. Aber statt achtziger werd ich siebziger hinschreiben……Dann ist es glaubwürdiger.

“””Anyway. Viele der Fehler, die du (noch) machst, sind wohl nur der Oberflächlichkeit und der Flüchtigkeit geschuldet. Bei etwas mehr Sorgfalt und reflektorischer Mühewaltung wird's schon noch werden!”””

Leider nicht…Wenn man zu 90% den ganzen Tag Spanisch spricht und Deutsch nur in Büchern liest – dann ist´s schwierig. Was also tun? Ich schicke die Texte an deutsche Korrektoren, manchmal, wie ich jedoch sehe, nützt´s nicht viel. Muss mich mal hier in der Lelu umschauen, da gibts sie ja auch. Ich könnte ja auch nur in spanisch schreiben, aber die deutsche sprache gefällt mir viel viel mehr.
Vielen Dank Ali, dass Du Dir die Zeit genommen hast!!
Mit Gruss, Ji
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@Hi Klein Lottchen!

“”””Das mit dem Gipsfuss kann ich mir ehrlich gesagt auch nur schwer vorstellen und es tut meiner Meinung nach auch nichts für die Geschichte. Jemand der so schwer verletzt ist, dass er am Stock geht und stark humpelt, begibt der sich wirklich auf solch eine Reise?
Die Sache mit der Wohnung klingt für mich auch nicht ganz plausibel. Eine Wohnung, von der niemand weiß, wem sie gehört? Vielleicht könnte man eine Wohnung daraus machen, von der Anna die Schlüssel hat, weil sie nach den Rechten sehen soll, da der Besitzer im Urlaub ist.””””


Ja Molly, diese Typen haben sich so auf eine Reise begeben. Damals fragte ich sie nicht danach (Warum sie in diesem Zustand reisen). Könnte sein, dass dies nichts für die Geschichte tut, aber ich hab halt einfach eine reale Geschichte, sowie sie mir passiert ist, aufgeschrieben. Genauso mit der Wohnung, was ich dir gern erklären werde: In meinem Dorf gab es mal sehr wilde Zeiten – und genau wie ich´s beschrieben habe: Man teilte alles mit jedem. Da kam es schonmal vor, dass man irgendwelche Schlüssel für Liebespärchen oder “Durchreisende” (die sonst keinen Platz hatten), hergab. Der Besitzer hatte wahrscheinlich noch andere Häuser/Wohnungen/ war nicht Im Urlaub, sondern gehörte selbst in diese “Szene” und es war ihm wurscht, wer da übernachtete.

Danke, dass du dir diese Gedanken gemacht hast, denn die sind für mich Interessant!
Mit lieben Gruss!
Ji
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@Hallo Frank/Dank

Danke für Deine Zeit und die Korrekturen!

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Nochmal ein dickes “Gracias” an alle! Was wäre die Lelu ohne Euer Lesen!

Und nü?

Doc!!! Ich brauch ne Ambulanz! (Mein Text ist aus´m dritten Stock gesprungen!)
 

Ji Rina

Mitglied
Oh! Steky!
Lieben Dank für Deinen Kommentar!
Als ich ihn las, habe ich ein kleinen Freudensprung gemacht – auch wenn ich bereits mit einem Auge auf dem Teppich hänge (wegen Müdigkeit). Natürlich hat´s mich gefreut, dass Du den Text genauso empfunden hast- wie ich ihn zu verstehen geben wollte. Aber was mich auch sehr gefreut hat, ist dein Kommentar über TC Boyle.
Elf Bücher habe ich von ihm und jede Einzelne Geschichte gelesen. Für mich ist er ein Genie. Manche Geschichten sind arg bizarr – aber Romane wie “Grün ist die Hoffnung” oder “Drop City” und besonders Kurzgeschichten wie “Die grosse Werkstatt” oder “Die unterirdischen Gärten” sind für mich ganze Kunstwerke. Es ist mir ein Rätsel, wo der Mann nur diese Fähigkeit her hat, sich so auszudrücken.

Fast alle meine Bücher sind von Amerikanern – leider kenne ich mich mit deutscher Literatur nicht genug aus. Hinzu kommt, dass es in Deutschland anscheindend nicht soviele Autoren gibt, die sich heute noch mit Kurzgeschichten befassen. (Kehlmann gefällt mir).

Ja, die Tipps sind wertvoll, aber ich glaub, ich muss diesen Text ins Spital schicken….

Wir lesen uns!
Mit lieben Gruss,
Ji
 
A

aligaga

Gast
Man erlebt immer wider, @Ji,

dass einem schlechte Musiker weismachen wollen, ihre grausamen Patzer und ihre schlechte Intonation seien nicht Unvermögen, sondern geschickt gewählte, virtuos dargebotene Kunstgriffe.

Da hilft nur eins: Lachen, die Tür ihres Kellerlokals von außen schließen und nie wieder öffnen.

Ollé!*

aligaga

*Achtung: Satire!
 

FrankK

Mitglied
Für eine Heilung, werte Ji Rina, braucht Dein Text nicht unbedingt in ein Spital.
Möglicherweise ist er aus dem dritten Stock gesprungen, aber er ist weich gelandet. ;)

Einiges lässt sich ganz leicht ambulant behandeln. :)


Aufmunternde Grüße aus Westfalen
Frank
 
S

steky

Gast
@Ji Rina

Ich denke auch, dein Text muss nicht in die Klinik. Du streichst einfach ein paar Wörter aus, fügst hier und da eines ein, und das war´s dann auch schon ... Die kurze Form erfordert präzise Worte; alles, was die Handlung nicht nach vorne treibt, kannst du ruhigen Gewissens streichen.

Den Titel finde ich übrigens etwas schwammig. Ich bin mir sicher, da fiele dir etwas Besseres ein. "Das stumme Reh" zum Beispiel.

Es ist deine Geschichte.


LG
Steky
 

Ji Rina

Mitglied
Es ist Samstagabend, mitten in einem Sommer der siebziger, und ich ging über unseren Dorfplatz, als mir zwei Typen auffielen, die dort neben ihren Rucksäcken auf einer Bank saßen. Mein Gott, wie sahen sie aus! Zerlumpte Kleider, Dreitagebart, lange Haare bis auf die Schultern so, als seien sie um die halbe Welt getrampt. Ich hatte nichts Besonderes vor, es war einer dieser Abende, an denen man sich einfach irgendwo hintreiben ließ, weil die Überraschungen sowieso an jeder Ecke warteten.

Was ich tat, tut man heute eher selten, aber damals … Das waren die siebziger Jahre, und da tat es jeder: Ich ging schnurstracks auf sie zu, setzte mich neben sie und fragte, woher sie kämen. Einer von ihnen ergriff sofort das Wort, sagte, sie kämen aus Paris und dass sie hier irgendwie durch Zufall gelandet seien. Und der andere – oh Gott, der andere – wie sah er aus: braune schulterlange Locken, ganz warme sanfte Augen, und dieser Blick!… Wie der eines Rehs, scheu und zart, er sagte nichts, sondern lächelte mich nur an.

Mir fiel auf, dass der eine, ein verbundenen Fuß hatte, mit Gips und so, einen ganzen Klumpen trug er da mit sich herum, und als ich danach fragte, gab er mir eine endlose Erklärung, von der ich kaum etwas verstand, weil ich nicht genug Französisch sprach. Dieser Klumpfuß hatte wohl etwas mit einem Unfall zu tun, irgendetwas mit einem Auto und einem Motorrad an einer Kreuzung im Zentrum von Paris. Ich hörte ihm zu, während mein Blick sich jedoch immer wieder auf den anderen richtete, auf dieses zarte Reh, das nur lächelte. Einmal gab er mir Feuer, und allein das Erspüren seiner Hand in der Nähe meiner Hand ließ ganze Bildbände in meinem Kopf entstehen, von wilden Nächten und Leidenschaft und Romantik. Er hatte so schöne Augen, und an seinem Handgelenk hingen viele kleine Bändchen aus Leder. Er war durch und durch ein Hippie. Oh, mir wurde so schwach ums Herz …

Der eine fragte, ob ich denn nicht wüsste, wo sie übernachten könnten. Ich sah ihn grinsend an. Na klar wusste ich es. In so einem Dorf wie diesem, und dann noch in den siebziger Jahren, da teilte man alles mit jedem. Die Leute teilten ihre Wohnungen, ihre Autos, ihre Freundinnen, ihre Männer, die Betten, die Kleidung, die Joints; hauptsächlich Schlafplätze wurden gern rumgereicht, sie waren sehr gefragt, und man gab sie gern. Ich überlegte kurz, zu wem ich wohl gehen könnte, und sagte, dass sie einen Augenblick auf mich warten sollten. Dann lief ich zu Anna, um mir den Schlüssel dieser Wohnung in der Nähe des Hafens zu holen. Ich erinnerte mich, dass diese Wohnung direkt zwischen zwei Kneipen vor der Hafenhalle lag und dass die meisten von uns diese Wohnungsschlüssel schon einmal besessen hatten. An jenem Abend konnte ich mich nicht mehr genau erinnern, ob auch ich diese Schlüssel schon einmal besessen hatte, aber das war ja auch nicht wichtig. Ich hatte auch keine Ahnung, wer der Besitzer dieser Wohnung war, jedenfalls besaß Anna die Schlüssel, und das wusste jeder.

»Sind die auch okay?«, fragte sie mich, nachdem ich ihr meine Geschichte erzählte: Arme Franzosen aus Paris, mit ‘nem Gipsfuß und so, schlimmer Unfall, gute Kumpel, mit nix in der Tasche …
»Ich hab da nämlich noch ’n ziemlich teuren Mantel im Eingang hängen, nicht dass der dann futsch ist?«
Ich beruhigte sie und klopfte ihr auf die Schulter, sei doch nur für eine Nacht, sagte ich, nahm daraufhin die Schlüssel und lief zurück.
Die beiden Typen saßen noch genau an derselben Stelle, ich lachte schon von Weitem und klimperte mit den Schlüsseln in der Luft herum, wobei sie beide verlegen wirkten, sich aber auch freuten. Dann machten wir uns auf den Weg. Der mit dem Gipsfuß ging am Stock; er humpelte so stark, dass wir sehr langsam gehen mussten.
Er redete ständig auf mich ein, und ich denke, dass er sich für meine Mühe bedanken wollte, denn er schüttelte immerzu den Kopf, und sagte: »Incredible … c’est incredible …« Wobei er dann mit einem breiten Lächeln hinzufügte: »Merci! Merci beaucup!«
Alles, was ich dazu sagte, war: »C’est normal!« Auf jeden Satz von ihm, antwortete ich: »Eh bien oui, c’est normal!«
Diesen Satz hatte ich bereits tausendmal unter den französischen Touristen gehört, und er klang unheimlich gut, halt sehr französisch.

Als wir in der Wohnung ankamen, ich das Licht anknipste und auf die zwei armseligen Laken und deckenlosen Matratzen blickte, hatte ich meinen Kopf schon längst voller Pläne. Ich würde die beiden am nächsten Morgen zum Frühstück einladen; sie dann aufs Land, bis zu Andys Haus schleppen, wo wir eine Session Blues spielen würden – wir könnten das ganze in Andys Garten unter dem Feigenbaum durchziehen und da dann auch zu Mittag essen. Andy hatte sein Haus immer voller Leute. Irgendwelche Freunde, die kochten, andere, die zusammensaßen und Musik machten und wiederum andere, die ihre Geschichten erzählten –, da langweilte man sich nie. Und der Zarte, das Reh … Oh, ich hatte ihn keineswegs vergessen. Ihm würde ich irgendein ganz besonderes Lied widmen, irgendwas wie »You’ve got a friend« von James Taylor oder so, und ihm dabei ganz tief in die Augen blicken, so tief und so lange, bis er verstehen würde, wie der Hase läuft.
Ich versuchte also, mich mit Händen und Füßen verständlich zu machen, und sagte: »Demain, moi ici, a le dix au matin. Petit dijeuner. Croissant. Cafe. Vous compris?«
Und da beide mich mit strahlenden Augen anlachten und mit dem Kopf nickten, wusste ich, dass sie mich verstanden hatten. Ganz besonders der Zarte, das stumme Reh, lächelte mich in einer so verflucht unwiderstehlichen Art an, wie es nur Komplizen tun.

Am nächsten Morgen konnte ich nicht schnell genug am Hafen sein. Als ich ankam, stand die Wohnungstür weit offen. Ich ging rein und war nicht einmal überrascht: Natürlich waren sie nicht mehr da. Keine Rucksäcke, kein Zettel, kein Zeichen. Der Mantel war natürlich weg, so auch ein elektrischer Wecker, ein Kassettenrekorder und sämtliche Kassetten. Sogar die Papierbecher aus der Küche hatten sie mitgenommen. Ein paar Minuten stand ich einfach nur da und blickte auf die herumfliegenden Zigarettenstummel und leeren Bierdosen.
Dann schloss ich die Tür wieder sorgfältig zu, und machte mich auf den Weg zu Anna. Und dabei wurde mir klar, was sie alles verpasst hatten: ein üppiges Frühstück im Café, eine Blues-Session auf dem Land, ein Mittagessen unter Andys Feigenbaum und wer weiß, was noch alles gekommen wäre. Mit dem stummen Reh jedenfalls hatte ich die Liebe meines Lebens verpasst.
 

Ji Rina

Mitglied
@FrankK
Pflaster ist schon drauf.
Nochmals vielen Dank für Deine Hilfe!
Ji

@Steky
Der Titel war nicht sehr ernst gemeint, so nachdem Motto: Saturday Night Fever - was kostet die Welt? (Um dann abgezockt zu werden).
"Das stumme Reh" kann mich aber auch nicht wirklich begeistern...
Aber Titel kann man sowieso nicht mehr ändern.
Auch Dir Steky, nochmals vielen Dank.
Ji
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Ji Rina

Aber Titel kann man sowieso nicht mehr ändern.
Doch, kann man. ;)

Kurze PN oder Mail an den zuständigen Redakteur, bitte um Titeländerung äußern und den neuen Titel angeben.
In der Regel wird Dir da gehilft. ;)


Westfälische Grüße
Frank
 

nachts

Mitglied
Egal ob der ein oder andere Kleinkram zu ändern wär - du kannst richtig gut erzählen, es ist im Fluß - das ist die Hauptsache, find ich
 

Ji Rina

Mitglied
Huch! Da frag ich mich, wie stösst jemand (der Nachts aus dem Nichts auftaucht) auf diese sich verabschiedende Geschichte?
Über solch einen Kommentar freue ich mich natürlich.
Vielen Dank! (Krimikrause-Seite, hab ich mir auch angeschaut. Respekt.)
Ji
 



 
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