Sandstein

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Karinina

Mitglied
Sandstein

Es war ein ockerfarbener Stein mit helleren und dunkleren Maserungen, sehr feiner Quarz machte, dass er flimmerte in der Sonne. Er war nicht sehr fest, man konnte ihn mit den Händen auseinanderbrechen oder feinkörnigen Sand abschaben.

Sie betrachteten die verschiedenen Muschelabdrücke. Einige waren sehr gut erhalten, man konnte mit den Fingernägeln die schmalen Längsstreifen entlang fahren, von anderen waren es die glatten Unterseiten, ausgefüllt mit bräunlicher gefärbtem und etwas härterem Stein.

Sie gingen an dem Bruch entlang, unter ihnen ein weiter Abhang mit saftigem Gras, die weißen Blütenköpfe des Schwedenklees machten, dass man an Schnee dachte, der in großen Flocken auf dunkelgrünen Matten lag. Es war ein Sandsteinbruch. Eine versteinerte Sanddüne aus einer sagenhaften Zeit, in der die Sonne vielleicht sehr weißglühend über einem sehr blauen Himmel gestanden hatte und das Meer türkisfarben und warm gewesen war. Aber wer wusste das schon.
Sie gingen an diesem Bruch entlang und brachen aus dem Gestein, was ihnen gefiel, und sie lachten dabei und schubsten sich und dann standen sie still und besahen sich das Tal vor ihnen und den Abhang aus dunkelgrünem und saftigem Gras und weißroten Schwedenkleeköpfchen, und hinter dem Kammgebiet jenseits des Tales sahen sie eine schwere Dunkelheit herauf quellen, graugetürmt, und da wussten sie, sie würden vergeblich versuchen, dem Regen auszuweichen.
„Hach, ich leg mich einfach in die Wiese,“ sagte sie „ der Regen wird mich begießen und ich werde vielleicht anwachsen.“
„Und Bäume werden aus dir sprießen!“
„Oder Korn, und du wirst Brot aus mir backen.“
„Ja,“ sagte er, „darf ich schon jetzt mal an dir knabbern?“
Sie gingen ein Stück über das Gras, setzten sich und lachten.

Die Sonne hatte eine andere Farbe angenommen. Sie wurde intensiv gelb, fast rötlich, und die Wiese und der Waldstreifen zum Tal hinunter tauchten in eine schwere gelbe Herbstfarbe.
Das Mädchen hatte immer noch den Stein in der Hand, jetzt aber flimmerte die Sonne nicht mehr darin.
„Wenn ich ihn wegwerfe, weißt du, dann bleibt er trotzdem vorhanden“ sagte sie, „ auch wenn ich ihn zerkrümle, dann bleibt er als Sand hier liegen...“
Er lag jetzt still neben ihr, blinzelte in das unglaubliche Gelb über der schnell näher kommenden dunklen Wolkenmasse.
Dann sagte er und drehte sich zu ihr :
„So ist das mit dieser Welt, alles bleibt erhalten, nichts kann herunterfallen oder verloren gehen...“

Erst war es still danach, plötzlich aber warf sich das Mädchen auf ihn, sie schrie und schlug auf ihn ein :
„Und Bert? Und wo ist Bert geblieben? Du lügst, du lügst du lügst ...“

Er richtete sich auf und drückte sie fest an sich. Er hielt sie und wiegte sie wie ein Kind und dann spürte er, wie sie langsam ruhiger wurde und es schien ihm, als finge sie an, sich mit ihrem nassen Gesicht in seine tiefe Wunde zu graben, die er seit jenem Tag, als Bert aus dem 4. Stock gesprungen war, sehr verborgen in seinem Innern trug.

Als die ersten schweren Tropfen fielen, zögernd noch, schlugen sie ihre Jacken umeinander und bedeckten sich damit.
Lange saßen sie warm aneinander, ihre Schulter in seiner Achselhöhle, seine Hand unter der ihren.
Der Regen brach über sie hernieder, und sie saßen stumm und sahen, wie das Land vor ihnen sich auflöste und zerging...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

und warum haste das nicht bei kurzgeschichten eingestellt? es gefällt mir sehr und anderen gewiss auch. gib der sache n titel, vielleicht Bert, und dann hinein!!!
vielleicht in längeren sätzen das komma wegnehmen und punkte dafür einsetzen. zb der erste, der dritte und die anderen findest du schon selber.
lg

ps - falls du noch nicht weißt, wie man hier eine antwort verfasst: einfach das feld Antworten anklicken, in das schmal feld den anfang setzen und den rest (die eigentliche antwort) in das darunterliegende größere fach. am ende (also unter dem großen fach) den entsprechenden kreis markieren und dann veröffentliche aktivieren.
 

Karinina

Mitglied
für Flammarion

Danke, nun hast Du es also schon gelesen. Ja, vielleicht komm ich jetzt besser zurecht, aber wie ich nun statt "Kurzgeschichte" bei den beiden Erzählungen den Titel reinkriege, weiß ich trotzdem noch nicht. Jetzt stelle ich noch eine rein, diesmal mit Titel "Leidenschaft", dann will ich erst einmal bis März schweigen. Liebe Grüße Karinina
 
Hallo Karinina,

eine wundervolle Geschichte! Erstaunlich bildhaft hast du auch die Natur beschrieben. Den Schluss hätte ich nicht erwartet (Bert), und gerade das ist das Hervorragende. Prima!

Lieber Gruß,
Estrella
 

wirena

Mitglied
Liebe Karinina

....suche Worte, damit ich nicht einen wortlosen Gruss senden muss :) eine wunderschöne eindrückliche Erzählung. Dank Titel hab ich sie entdeckt, und sie hat mich sofort ergriffen.
lg wirena
 
S

suzah

Gast
hallo karinina,
sehr gut erzählt.
vielleicht könntes du noch die wiederholung des saftigen gras und des schwedenklees und "Sie gingen an dem Bruch entlang", ändern, dann wäre der text noch besser:

Sie gingen an dem Bruch entlang, unter ihnen ein weiter Abhang mit saftigem Gras, die weißen Blütenköpfe des Schwedenklees machten, dass man an Schnee dachte, der in großen Flocken auf dunkelgrünen Matten lag.

den Abhang aus dunkelgrünem und saftigem Gras und weißroten Schwedenkleeköpfchen,

liebe grüße suzah
 

Clara

Mitglied
Das Bild des Sandsteinbruchs - also der Bruch ansich -
das ist auch für die Erfahrung mit dem Jungen der sprang ein sehr gutes Bild.
Ein Bruch im Leben junger Menschen.

Auch das Fallen des Steins - wie der Junge aus dem 4. Stock -
das ist alles sauber verpackt
 

Karinina

Mitglied
Danke

Danke Euch allen, auch Dir Clara, ich bin erst einmal zeitmäßig nicht mehr da, bis März, es ist schön, dass es Euch gibt. Karinina
 



 
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