Sandsturm

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anbas

Mitglied
Sandsturm

Mein Gott, was für ein Sandsturm! So etwas hatte ich bisher noch nie erlebt. Ich war mittendrin, kämpfte um ein wenig Orientierung und musste zwischendurch an Lawrence von Arabien denken. Der hatte sicherlich öfters solche und noch viel stärkere Stürme erlebt. Doch nun fegte mir selber der Sand nur so durch das Gesicht, zwiebelte in den Augen, setzte sich zwischen den Zähnen fest und ließ mich kaum atmen. Es war unmöglich, nach vorne zu schauen. Zum Glück kannte ich den Weg, und der Weg war kurz. Wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre.

Doch nun ist erst einmal Ruhe. Ich bin in Sicherheit. Nachher muss ich jedoch weiter - ganz gleich, wie die Hölle da draußen sich entwickelt. Auch Lawrence von Arabien ist allen Widrigkeiten zum Trotz seinen Weg gegangen. Das werde ich auch tun. Zunächst kann ich mir aber in aller Ruhe den Sand aus Wimpern und Augenbrauen puhlen und kräftig die Nase durchschnauben. Ganz bekomme ich sie aber nicht sauber - meine Atemluft bleibt weiterhin leicht gekörnt. Auf dem Boden um mich herum sammelt sich Sand, der immer noch aus meiner Kleidung rieselt, sobald ich mich auch nur ein wenig bewege. Meine Lippen sind spröde. Ich habe schon viel getrunken und bin immer noch durstig. Erst jetzt spüre ich die Sandkörner, die zwischen den Zähnen knirschen. Ich lutsche und sauge sie aus allen möglichen Ecken meines Mundes hervor. Am liebsten würde ich sie ja ausspucken, aber so etwas tut man nicht. - Zumindest dann nicht, wenn man in einem Restaurant sitzt.

Gestern bin ich auf Amrum angekommen. Seitdem stürmt es. Windstärke sehr, sehr hoch - also mindestens so hoch, wie ich es hier noch nie erlebt habe.

"Da unten am Strand ist es heute nur was für Verrückte!", waren die warnenden Worte der Frau gewesen, die ich nach der Uhrzeit gefragt hatte.

'Also genau das Richtige für mich', habe ich gedacht und bin weitergegangen. Und dann war ich wie Lawrence von Arabien, habe mich durch den Sandsturm am Strand gekämpft und meinen Weg unbeirrt weiter verfolgt. Ihn hatte man damals auch für verrückt gehalten, und später ist er sehr berühmt geworden.

Ich weiß nicht, ob auch ich einmal berühmt werde. Mich quält im Moment viel mehr die Frage, wo ich den Sand lassen soll, den ich mir aus allen Winkeln meines Mundes zusammengelutscht habe. - Solche Probleme hatte Lawrence sicherlich nicht gehabt.
 

Buecherbiene

Mitglied
Hallo anbas, ich kann da jetzt gar nicht mitreden, da ich noch nie einen Sandsturm erlebt habe, doch mir hat Dein Text gefallen. So gut, dass ich mir jetzt einen sandigen Mund einbilde.
 

anbas

Mitglied
Hallo Bücherbiene,
schön, dass Dir der Text gefällt. Ich hoffe, dass Dein Mundgefühl wieder sandfrei ist :D.
Liebe Grüße
Andreas
 
S

suzah

Gast
hallo anbas,
du hattest wohl leider kein tuch oder schal bei dir, um dein gesicht zu verhüllen und nase und mund vor dem sandsturm zu schützen wie es lawrence von arabien tat!

immerhin sturm bzw sandsturm an der nordsee ist schon ein erlebnis, das ich auch gern genossen habe.

liebe grüße aus berlin in meine alte heimat hamburg, suzah
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Andreas,

die Idee deiner Kurzprosa gefällt mir sehr gut.

Kritisch möchte ich anmerken, dass ich es besser fände, wenn du Amrum erst ganz am Schluss erwähntest, weil es sich ja um die Pointe handelt. Also den Text vielleicht ein wenig umstellen ...

Zudem würde ich den Namen des Lawrence von Arabien (übrigens auch einer meiner Lieblingsfilme *schmelz) nur einmal, höchstens zweimal nennen. Es gäbe genügend Ersatz: Der Brite, der Held, David Leans`s Filmheld usw.

Herzliche Grüße
Heidrun
 

anbas

Mitglied
Liebe Heidrun,

ganz herzlichen Dank für Deine Rückmeldung.

Was die Erwähnung von dem Lawrence betrifft, werde ich noch mal in mich gehen. Auf den ersten Blick tue ich mich etwas schwer, dort eine Änderung vorzunehmen. Da ich grundsätzlich sehr dafür bin, Wiederholungen zu vermeiden, will ich den Vorschlag aber nicht gleich beiseite legen.
Die Erwähnung von Amrum möchte ich dort lassen, wo sie ist. Ich sehe Amrum nicht ganz als Pointe, sondern als eine überraschende Wendung in dem Text. Die Pointe ist eher, dass der Erzähler doch nicht so ganz an Lawrence herankommt und in einer ganz banalen Sache von der Realität eingeholt wird. Je öfters ich mir andererseits den Text ansehe, um so mehr kann ich aber auch Deinen Einwand verstehen. - Ich seh schon, auch hier werde ich noch mal in mich gehen müssen (menno...:D).

Liebe Grüße

Andreas
 

MarenS

Mitglied
Himmel! Ich musste soooo grinsen:
Da sitzt der tolle Hecht, sich an seinem Held Lawrence von Arabien messend und hat den Mund voller Sand.
Tja, was tut ein Held damit?

Vielleicht am Ende eher die Wendung wie: Lawrence von Arabien hätte auch da eine Lösung gefunden.

Sehr gern gelesen von Maren
 
S

suzah

Gast
hallo maren,
sicher hätte lawrence von arabien eine lösung gefunden, eine davon hatte ich ja schon erwähnt: die verhüllung von mund und nase durch ein tuch. (frauen haben es einfacher, denn sie haben meist irgendeinen schal dabei, wenn es windig ist, grins.)

liebe grüße suzah
 

anbas

Mitglied
Hallo Maren,

ja so ist das manchmal mit den Möchte-Gern-Helden - an irgendeiner Kleinigkeit hapert es dann mit dem Held sein. Vielen Dank für Deine Rückmeldung.

Und hätte der "Held" der Geschichte eine Lösung gefunden, wie von Suzah vorgeschlagen, dann wäre diese Geschichte nicht geschrieben worden :D.

Liebe Grüße

Andreas
 

MarenS

Mitglied
Maren hat den "Held" vor Augen, sandknirschend, verzweifelnd...

Verzeih, ich muss sooo breit grinsen!
Maren
 

anbas

Mitglied
Schön, dass ich Dich mit diesem Textlein zum Grinsen bringen konnte/kann. Deshalb gibt es auch nix zum Verzeihen.

Liebe Grüße

Andreas
 
hallo Andreas

mir gefällt dein Sandsturm auch, nur eine Anmerkung hätte ich:

'Also genau das Richtige für mich', habe ich gedacht und bin weitergegangen. Und dann war ich wie Lawrence von Arabien, habe mich durch den Sandsturm am Strand gekämpft und meinen Weg unbeirrt weiter verfolgt.
Lass das "wie" bitte weg, ich glaub, dass kommt viel besser.

liebe grüße
gernot
 

anbas

Mitglied
Sandsturm

Mein Gott, was für ein Sandsturm! So etwas hatte ich bisher noch nie erlebt. Ich war mittendrin, kämpfte um ein wenig Orientierung und musste zwischendurch an Lawrence von Arabien denken. Der hatte sicherlich öfters solche und noch viel stärkere Stürme erlebt. Doch nun fegte mir selber der Sand nur so durch das Gesicht, zwiebelte in den Augen, setzte sich zwischen den Zähnen fest und ließ mich kaum atmen. Es war unmöglich, nach vorne zu schauen. Zum Glück kannte ich den Weg, und der Weg war kurz. Wer weiß, wo ich sonst gelandet wäre.

Doch nun ist erst einmal Ruhe. Ich bin in Sicherheit. Nachher muss ich jedoch weiter - ganz gleich, wie die Hölle da draußen sich entwickelt. Auch Lawrence von Arabien ist allen Widrigkeiten zum Trotz seinen Weg gegangen. Das werde ich auch tun. Zunächst kann ich mir aber in aller Ruhe den Sand aus Wimpern und Augenbrauen puhlen und kräftig die Nase durchschnauben. Ganz bekomme ich sie aber nicht sauber - meine Atemluft bleibt weiterhin leicht gekörnt. Auf dem Boden um mich herum sammelt sich Sand, der immer noch aus meiner Kleidung rieselt, sobald ich mich auch nur ein wenig bewege. Meine Lippen sind spröde. Ich habe schon viel getrunken und bin immer noch durstig. Erst jetzt spüre ich die Sandkörner, die zwischen den Zähnen knirschen. Ich lutsche und sauge sie aus allen möglichen Ecken meines Mundes hervor. Am liebsten würde ich sie ja ausspucken, aber so etwas tut man nicht. - Zumindest dann nicht, wenn man in einem Restaurant sitzt.

Gestern bin ich auf Amrum angekommen. Seitdem stürmt es. Windstärke sehr, sehr hoch - also mindestens so hoch, wie ich es hier noch nie erlebt habe.

"Da unten am Strand ist es heute nur was für Verrückte!", waren die warnenden Worte der Frau gewesen, die ich nach der Uhrzeit gefragt hatte.

'Also genau das Richtige für mich', habe ich gedacht und bin weitergegangen. Und dann war ich Lawrence von Arabien, habe mich durch den Sandsturm am Strand gekämpft und meinen Weg unbeirrt weiter verfolgt. Ihn hatte man damals auch für verrückt gehalten, und später ist er sehr berühmt geworden.

Ich weiß nicht, ob auch ich einmal berühmt werde. Mich quält im Moment viel mehr die Frage, wo ich den Sand lassen soll, den ich mir aus allen Winkeln meines Mundes zusammengelutscht habe. - Solche Probleme hatte Lawrence sicherlich nicht gehabt.
 

anbas

Mitglied
Hallo Gernot,

die Idee hatte ich auch schon, habe sie verworfen, wieder aufgenommen, wieder verworfen usw. Jetzt, wo Du es auch angesprochen hast, habe ich sie - erst mal - wieder aufgenommen :D.

Vielen Dank für Deine Rückmeldung und liebe Grüße

Andreas
 
aufgewachsen am rand eines tagebaus, kenne ich das gefühl von sand in allen ritzen. ein tipp vielleicht: man schluckt ihn! das hilft der verdauung. ;)

lg C.
 

anbas

Mitglied
Hallo eenemenetekel,

hätte ich das früher gewusst, wäre dieser Text nicht entstanden ... :D

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Gruß

Andreas
 



 
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