Satzklammern (Verbklammern) und Lesbarkeit

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die deutsche Sprache verwendet bei der Formulierung von Sätzen sehr oft Verben als Satzklammern.

Verbklammern geben dem Satz eine Struktur und sind typisch für deutsch.

Beispiel:

Ich mache die Tür auf.

Das trennbare Verb "aufmachen" bildet hier die Verbklammer.
Ohne Verbklammer würde der Satz lauten:

"Ich öffne die Tür."

Auch andere Formen bilden Verklammern, biespielsweise die Vergangenheitsformen, Zukunftsformen und Möglichkeitsformen:

Ich habe Brot gegessen.
Ich war in die Stadt gefahren.
Ich werde heute abend essen gehen.
Ich wäre gerne dahin gegangen.

Der Linguist Weinrich geht sogar soweit, dass er behauptet, jedes Verb bilde eine Verbklammer, "auch wenn man das zweite Glied nicht sieht."
http://www.tekom.de/index_neu.jsp?url=/servlet/ControllerGUI?action=voll&id=2871

"Ich öffne die Tür(0)." (0) habe ich hier für das leere Glied geschrieben.

Wenn ich einen beliebigen einfachen Hauptsatz betrachte, gibt es drei Möglichkeiten für ein Satzglied:
1. Es steht vor der Verbklammer: Das trifft (normalerweise, in wohlgeformten Hauptsätzen) für genau ein Satzglied zu. Die konjugierte Verbform steht an zweiter Stelle.
2. Es steht innerhalb der Verbklammer.
Das trifft für die überwiegende Mehrheit der Satzglieder zu, sofern es überhaupt eine Verbklammer gibt.
3. Es steht hinter der Verbklammer.

In vielen Fällen würde das falsch klingen, in einigen umgangssprachlich gefärbt:

"Ich mache auf die Tür" - hier würde man eher eine Untat vermuten, als dass man die Tür aufmacht. Grammatisch ist es falsch.

Hinter die Verbklammer werden vor allem Nebensätze bzw. Gliedsätze gestellt, um die Übersichtlichkeit zu verbessern. Sie können aber auch in die Verbklammer oder vor die Verbklammer gestellt werden.

Weil das ganze rekursiv, also wiederholbar ist, was man am gegenwärtigen Satz, den ich extra dafür bilde, obwohl er nicht gut klingt, erkennen kann, kann man Schachtelsätze, die die Lesbarkeit erschweren, bilden.

Der ganze fette Teil bildet zusammen das erste Satzglied.

Man kann, weil das ganze wiederholbar ist, obwohl es die Lesbarkeit erschwert, Schachtelsätze bilden.


Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Verbklammern dazu beitragen, die Verständlichkeit eines Satzes, sofern es kein Schachtelsatz ist, zu erhöhen. Das wird aber andererseits von einigen auch bestritten, die die Meinung vertreten, besonders, wenn es auf Verständlichkeit und auf das Merken ankomme, solle man Verbklammern vermeiden.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ob die Verbklammer der Lesbarkeit dient, hängt sicher vom konkreten Fall ab. Ausschlag gebend sind dabei sicher Dinge wie Satzlänge, "innere Strukter" (z. B. Zahl der Sinneinheiten, Zahl und Schalchtelungsgrad der Nebensätze und eingeschobenen Attribute) und wie nah an der gesprochenen Sprache sich der Text bewegt.


Wichtig für die Verstehbarkeit ist meiner Erfahrung nach oft nicht so sehr, ob eine Verbklammer benutzt wird (benutzt werden muss), sondern wie lang und strukturreich die Teile sind, die sie umfasst. Es ist nicht selten besser, die von der Grammtik-Logik vorgeschriebene Reihenfolge zu ändern und Teile, die eigentlich in der Klammer stehen müssten, draußen dran zu hängen.
"Alfons hatte diesmal seiner Mutter, die ihn immer auf die Wichtigkeit, eine Pudelmütze zu tragen, hinwies, ja ihn regelrecht nötigte, das Monstrum aufzusetzen, und mit der Schilderung schlimmster Folgen wie Hirnkrebs, abfallenden Ohren und dünner werdenem Haar malträtierte, wobei sie selbst mit Hinweis auf ihre kunstvolle Frisur eher drinnen blieb statt eine Kopfbedeckung aufzusetzen, selbst wenn sie deshalb auf frisches Brot verzichten und die Wurst blank essen musste, getrotzt." – (Mist, ich wollte doch einen Satz schreiben, wo das gar nicht geht, der hier hat ja beinahe was (Witziges). Naja: ) Gerade in Texten, die eher Sachtexte sind oder sich einer solchen Sprache bedienen (wo die Verben ohnehin nicht die Haupt-Informationsträger sind, weil es "keine Handlung" gibt), kommt mir oft unter, dass eine Struktur wie „Alfons hatte diesmal seiner Mutter getrotzt, die ihn …" der Lesbarkeit dienlicher sind.


Was durch Verbklammern ganz sicher beeinflusst wird, ist der Klang – Verbklammern "weichen den Satz auf".
"Ich öffne die Tür." ist nicht nur gehobenere Sprache als "Ich mache die Tür auf.", es klingt auch "härter", unverbrämter, weiter weg vom "Märchenonkel", der sich in die Ohren schmeicheln muss.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Der Klang ist ein sehr interessanter Aspekt. Ich stimme völlig zu, dass die Verbklammer Texte weicher klingen lässt.
Ich denke, dass sie auch hilft, Texten Nuancen zu geben.
"Komm!"
"Komm jetzt!"
"Komm jetzt mit!" (Verbklammer: mitkommen)
"Komm jetzt endlich mit!"

Die deutsche Sprache ist geradezu charakterisiert durch Verbklammern.

Ich denke, dass die Ablehnung der Verbklammern insbesondere in Softwaredokumentation vielleicht daher stammt, dass ein Text schwerer automatisch zu übersetzen ist.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die deutsche Sprache verwendet bei der Formulierung von Sätzen sehr oft Verben als Satzklammern.

Verbklammern geben dem Satz eine Struktur und sind typisch für deutsch.

Beispiel:

Ich mache die Tür auf.

Das trennbare Verb "aufmachen" bildet hier die Verbklammer.
Ohne Verbklammer würde der Satz lauten:

"Ich öffne die Tür."

Auch andere Formen bilden Verbklammern, biespielsweise die Vergangenheitsformen, Zukunftsformen und Möglichkeitsformen:

Ich habe Brot gegessen.
Ich war in die Stadt gefahren.
Ich werde heute abend essen gehen.
Ich wäre gerne dahin gegangen.

Der Linguist Weinrich geht sogar soweit, dass er behauptet, jedes Verb bilde eine Verbklammer, "auch wenn man das zweite Glied nicht sieht."
http://www.tekom.de/index_neu.jsp?url=/servlet/ControllerGUI?action=voll&id=2871

"Ich öffne die Tür(0)." (0) habe ich hier für das leere Glied geschrieben.

Wenn ich einen beliebigen einfachen Hauptsatz betrachte, gibt es drei Möglichkeiten für ein Satzglied:
1. Es steht vor der Verbklammer: Das trifft (normalerweise, in wohlgeformten Hauptsätzen) für genau ein Satzglied zu. Die konjugierte Verbform steht an zweiter Stelle.
2. Es steht innerhalb der Verbklammer.
Das trifft für die überwiegende Mehrheit der Satzglieder zu, sofern es überhaupt eine Verbklammer gibt.
3. Es steht hinter der Verbklammer.

In vielen Fällen würde das falsch klingen, in einigen umgangssprachlich gefärbt:

"Ich mache auf die Tür" - hier würde man eher eine Untat vermuten, als dass man die Tür aufmacht. Grammatisch ist es falsch.

Hinter die Verbklammer werden vor allem Nebensätze bzw. Gliedsätze gestellt, um die Übersichtlichkeit zu verbessern. Sie können aber auch in die Verbklammer oder vor die Verbklammer gestellt werden.

Weil das ganze rekursiv, also wiederholbar ist, was man am gegenwärtigen Satz, den ich extra dafür bilde, obwohl er nicht gut klingt, erkennen kann, kann man Schachtelsätze, die die Lesbarkeit erschweren, bilden.

Der ganze fette Teil bildet zusammen das erste Satzglied.

Man kann, weil das ganze wiederholbar ist, obwohl es die Lesbarkeit erschwert, Schachtelsätze bilden.


Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Verbklammern dazu beitragen, die Verständlichkeit eines Satzes, sofern es kein Schachtelsatz ist, zu erhöhen. Das wird aber andererseits von einigen auch bestritten, die die Meinung vertreten, besonders, wenn es auf Verständlichkeit und auf das Merken ankomme, solle man Verbklammern vermeiden.

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Fassung 1.1: Tippfehler in "Verbklammern" beseitigt
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich habe zwei Stellen festgestellt, in denen Verbklammern besondere Schwierigkeiten bereiten:
1. automatische Übersetzung
2. Deutschlernende haben Schwierigkeiten, die Verbbestandteile als solche zu erkennen.
 



 
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