adrianoeljero
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Schamanenkuckuck
Schamanenkuckuck
Es war einmal ein Kuckuck und ein Schamane. Der Schamane kam jeden Tag in der Früh’ in den Wald, zu dem Platz, an dem der Kuckuck hauste und meditierte an diesem Ort, bis die Sonne aufging. Wenn sich die morgendlichen Strahlen der Welt durch die Baumkronen kämpften, nur um die dünne Haut auf seinem entspannten Gesicht zu erreichen und mit Wärme zu umgeben, dann öffnete er immer seine Augen und wachte aus seinem meditativen Zustand auf. Ein Lächeln fuhr ihm über die Lippen und er sagte:”Ein neuer Morgen, ein neues Leben, eine Wiedergeburt. Ich lasse mich nicht von dir täuschen, Kuckuck, dir und deinen dämonischen Eiern, ich trete dir hier gegenüber und sehe deine wahre Gestalt. Sehe, wer du wirklich bist und lerne jeden Tag erneut, mich selbst zu erkennen, immer wieder von einer anderen Ecke meines Gemüts, einem anderen Aspekt meiner Seele. Nun gehe ich in den Tag hinein, Kuckuck, wir sehen uns am nächsten Morgen.” In diesem Moment zeigte sich der schwarz gefiederte Vogel auf einem niedrigen Ast, wo vorher nur wehende Blätter gewesen waren und neigte seinen Kopf auf die Seite. Er reckte seinen Hals und öffnete den Schnabel:”Mutig bist du, mir so gegenüber zu treten. Aber ich kenne euch Menschen, ich kann sehen, wer lügt und wer die Wahrheit sagt. Denn ich bin die Erkenntnis.”
Der Schamane antwortete nicht darauf und ging aus dem Wald. Nein, ich selbst bin die Erkenntnis, Kuckuck, du bist nur der Schatten, der sich über mein Inneres legen will, aber ich lasse mich nicht von dir täuschen, ich trotze dir.
Am nächsten Tag kam der Schamane wieder und wiederholte seine Meditation am frühen Morgen. Wieder erfüllten ihn die feinen Partikel der sonnigen Wärme, und er öffnete die Augen.
Der Kuckuck flog plötzlich im Sturzflug auf den laubbedeckten Boden zu ihm heran.
“Hier stehe ich nun vor dir, und trotze dir, der du glaubst zu sein. Denn ich bin die Erkenntnis, und sehe die Wahrheit in dir, nicht du, der du glaubst zu sehen, was deine blinden Augen verdecken.”
Der Schamane war mit einem Mal erzürnt und erwiderte:”Nein, ich bin die Erkenntnis, teuflischer Kuckuck. Sie haben es mir erzählt, dir kann man nicht trauen. Du kannst einen dichten Nebel über das eigene Gemüt legen und man wird blind für das Gute in der Welt! Von dir lasse ich mich nicht verwirren. Ich sehe das Wahre, ich weiß, was ist und was nicht.”
Der Kuckuck öffnete wieder den Schnabel und gackerte, wie ein Huhn, “Du Narr. Du lässt dich von den Worten anderer führen? Glaubst ihren Gerüchten und Geschichten? Und mir willst du erzählen, dass du die Erkenntnis bist und mit klarem, sehendem Blick durchs Leben wanderst? Wen lügst du hier an, mich oder dich selbst…”
Verwirrt wich der junge Schamane einen Schritt zurück, “Aber irgendjemandem muss ich doch glauben, wie soll ich denn sonst etwas über die Welt lernen, über die Dinge, die gefährlich sein können und vor denen man sich in Acht nehmen muss.”
Der Kuckuck gluckste und flog zurück auf seinen Ast, dann drehte er sich um und sagte:”Dein Urteil über mich basiert auf Angst. Aber alles, was auf Angst basiert, mein junger Schamane, wird unweigerlich zu mehr Angst führen und damit die Dämonen in deinem Inneren aufleben lassen, denen du versuchst, die Tür zu deinem Herzen zu verwehren. Nicht ich bin es, der dich betrügt, die Angst ist es, der du ein viel zu großes Ohr gegeben hast.”, damit flog er davon und der Schamane rief ihm noch nach, doch vergeblich. Nachdenklich ging er aus dem Wald, nach Hause zu seinem Zelt und bemerkte, dass sich ein schlingendes Unkraut um seine Seele legte, eines, das sich lange Zeit versteckt gehalten hatte und sich nun zeigte. Es schwächte seine Sinne, seine Kraft und Energie, selbst seine Augen vermochten nur noch unklar zu sehen. Sie ließen sich täuschen durch die kleinsten Illusionen des Tages und er spürte, wie die mächtige Angst in ihm auflebte und er sich nicht einmal mehr traute, das Lagerfeuer des Abends anzuzünden. Er versteckte sich in seinem Zelt und sah überall nur noch Gefahr. Jedes kleinste Geräusch war Gefahr, verstärkte die Angst und betäubte seinen Körper. Unruhig schaffte er es, in den Schlaf zu sinken und davonzutreiben, doch immer wieder weckte ihn die Angst, klopfte an sein inneres Fenster und spielte mit ihm, als wäre er nur Knete, die sie formen konnte, wie sie wollte.
Am nächsten Tag traute er sich nicht in den Wald zurück, verzichtete auf die Meditation am morgen und hielt sich auch fern von der Sonne. Er blieb lieber in seinem sicheren Zelt, das ihn vor den Gefahren schützte, die mit eisigen Fingern nach ihm griffen. Nicht einmal essen wollte er, da es verseucht sein konnte, alles wollte ihn umbringen, dachte er, alles. Nur auf Wasser konnte er nicht verzichten, und zum Glück hatte er eine tiefe, runde Schale in seinem Zelt für Notfälle. Die Angst festigte ihren Griff und zwang ihn zu schlafen, sie verführte ihn mit ihren Worten, ihren schmeichelnden “Ruh’ dich aus… die Welt dort draußen ist grausam und gefährlich… leg’ dich in meine Arme… da bist du sicher… da passiert dir nichts…”, doch mit einem Mal öffnete er schlagartig die Augen. Leg’ dich in meine Arme - Das hatte seine Mutter immer gesagt, als es ihm schlecht ergangen war, als er nicht mehr weiter wusste… aber sie war von ihm gegangen… alle waren sie von ihm gegangen… er war der einzig Verbliebene in diesem Zelt, in diesem uralten Stamm, der die Angst nicht überlebt hatte. Plötzlich wurde ihm klar, dass sie auch ihn töten würde, wenn er ihr nicht entkam, wenn er sich nicht aus ihr befreite. Er holte tief Luft und öffnete dann den Eingang seines Zeltes, blickte hinaus in die Welt. Kein Licht, keine Sonne… nur tiefe, breite Wolken lagen verhangen als Decke unter dem ewigen Himmel. Er wagte einen Schritt hinaus und kämpfte gegen die drückende Angst an, gegen ihre unbändige Macht, die ihn betäuben wollte. Doch da war nun etwas anderes, etwas Neues, das sich in seinen Adern breit machte, eine neue Kraft, die er vergessen hatte - Mut. Und mit einem Mal wurde ihm klar, was er tun musste, er musste zurück in den Wald, zum weisen Kuckuck, denn er war es, der diesen Fluch vorausgesagt hatte. Er war der einzige, der ihm helfen konnte. Mutenbrannt lief er aus seinem sicheren Versteck, hinein in den nahen Wald bis zu dem Platz, an dem er jeden Morgen meditiert hatte.
“Kuckuck! Kuckuck! Wo bist du? Ich brauche deinen Rat! Wo bist du?”, doch niemand antwortete ihm. Er schaute sich überall um und suchte auf Zweigen und Boden nach dem kleinen, schwarzfiedrigen Vogel, aber er konnte ihn einfach nicht finden. Die Angst klammerte sich wieder an seine Haut, umfloss ihn mit ihrem grauen Nebel, wie Rauch, der sich drehte und wand, gemächlich seine Spinnennetze über deine Seele schwang. Nein… nein…
Ein lautes Zwitschern ertönte und zerschnitt blitzartig den aufkommenden Nebel der Angst, es ging über in ein rhythmisches Singen, lieblich und unbeschwinglich.
“Kuckuck? Bist du das?”, fragte der junge Schamane, mutig, aber angstbekleidet.
“Du wolltest ja nicht auf mich hören.”, hinter ihm erklang die altbekannte, raue Stimme, der Junge wirbelte herum und starrte den schwarzen Augen des kleinen Vogels auf dem Boden entgegen.
“Und jetzt kommst du zu mir, möchtest, dass ich dir helfe.”
“Ja! Bitte… ich war benebelt von den Lügen der Angst! Sie hatte mich im Griff, ohne, dass ich es selbst bemerkt hatte… verzeih’ mir großer Meister… wie konnte ich nur so blind sein, im Glauben daran, klar sehen zu können…”
“Das ist menschlich, mein junger Lehrling. Du glaubtest, meditieren allein würde dich in die Pfade der Reinheit bringen, zurück zur Blume des Lebens, aber meditieren bedeutet nicht nur, in sich zu gehen und die Liebe zu spüren, es bedeutet auch, die Angst und all ihre Dämonen zu erkennen, zu akzeptieren und schließlich Stück für Stück loszulassen. Aber ihr Menschen habt große Angst vor der Angst, welch’ Ironie. Angst ist nur so stark, wie du sie nährst. Gibst du ihr zu viel Aufmerksamkeit und lauschst du auch nur den kleinsten Flüstertönen ihrer Stimme, dann hat sie dich längst in ihren Bann gezogen und wird bald die ganze Kontrolle über dich einnehmen. Du hast heute etwas ganz Wichtiges gelernt. Den Mut hast du erkannt und ihn gepackt, hast ihn angenommen und aufleben lassen und die Angst ein kleines bisschen zurückgedrängt. Halte an ihm fest, mein junger Schamane, orientiere dich an ihm, er ist dein Weg zur wahren Sicht. Denn die Mutigen leben in einer Sicherheit, die nicht von Angst regiert wird. Die Sicherheit des Mutes ist eine, die zwar jede Sekunde den Tod bringen kann, aber im Gegensatz zur Angst Freiheit und Leben verspricht, während die Angst gewiss ihren Mord an dir vollenden wird, sich durch dein Herz frisst, bis nichts mehr da ist und sie sich genüsslich an dem letzten Atem, den du aushauchst erfreut.”
“Wie konnte ich nur so blind sein…”, erwiderte der Schamane, bedankte sich in einer tiefen Verbeugung vor dem kleinen, weisen Kuckuck. Das war der letzte Tag, an dem er sich von der Angst hatte regieren lassen, stetig lernte er, sie zu erkennen und ein Stück von ihr loszulassen. Völlig befreit sein würde er nie von ihr, denn sie hat ihren Platz in uns, so wie der Mut. Er lernte aber, sie so klein zu halten, wie möglich, ihr Flüstern zu ignorieren und sich in die wärmenden Arme des Mutes und der Liebe hinzugeben.
Schamanenkuckuck
Es war einmal ein Kuckuck und ein Schamane. Der Schamane kam jeden Tag in der Früh’ in den Wald, zu dem Platz, an dem der Kuckuck hauste und meditierte an diesem Ort, bis die Sonne aufging. Wenn sich die morgendlichen Strahlen der Welt durch die Baumkronen kämpften, nur um die dünne Haut auf seinem entspannten Gesicht zu erreichen und mit Wärme zu umgeben, dann öffnete er immer seine Augen und wachte aus seinem meditativen Zustand auf. Ein Lächeln fuhr ihm über die Lippen und er sagte:”Ein neuer Morgen, ein neues Leben, eine Wiedergeburt. Ich lasse mich nicht von dir täuschen, Kuckuck, dir und deinen dämonischen Eiern, ich trete dir hier gegenüber und sehe deine wahre Gestalt. Sehe, wer du wirklich bist und lerne jeden Tag erneut, mich selbst zu erkennen, immer wieder von einer anderen Ecke meines Gemüts, einem anderen Aspekt meiner Seele. Nun gehe ich in den Tag hinein, Kuckuck, wir sehen uns am nächsten Morgen.” In diesem Moment zeigte sich der schwarz gefiederte Vogel auf einem niedrigen Ast, wo vorher nur wehende Blätter gewesen waren und neigte seinen Kopf auf die Seite. Er reckte seinen Hals und öffnete den Schnabel:”Mutig bist du, mir so gegenüber zu treten. Aber ich kenne euch Menschen, ich kann sehen, wer lügt und wer die Wahrheit sagt. Denn ich bin die Erkenntnis.”
Der Schamane antwortete nicht darauf und ging aus dem Wald. Nein, ich selbst bin die Erkenntnis, Kuckuck, du bist nur der Schatten, der sich über mein Inneres legen will, aber ich lasse mich nicht von dir täuschen, ich trotze dir.
Am nächsten Tag kam der Schamane wieder und wiederholte seine Meditation am frühen Morgen. Wieder erfüllten ihn die feinen Partikel der sonnigen Wärme, und er öffnete die Augen.
Der Kuckuck flog plötzlich im Sturzflug auf den laubbedeckten Boden zu ihm heran.
“Hier stehe ich nun vor dir, und trotze dir, der du glaubst zu sein. Denn ich bin die Erkenntnis, und sehe die Wahrheit in dir, nicht du, der du glaubst zu sehen, was deine blinden Augen verdecken.”
Der Schamane war mit einem Mal erzürnt und erwiderte:”Nein, ich bin die Erkenntnis, teuflischer Kuckuck. Sie haben es mir erzählt, dir kann man nicht trauen. Du kannst einen dichten Nebel über das eigene Gemüt legen und man wird blind für das Gute in der Welt! Von dir lasse ich mich nicht verwirren. Ich sehe das Wahre, ich weiß, was ist und was nicht.”
Der Kuckuck öffnete wieder den Schnabel und gackerte, wie ein Huhn, “Du Narr. Du lässt dich von den Worten anderer führen? Glaubst ihren Gerüchten und Geschichten? Und mir willst du erzählen, dass du die Erkenntnis bist und mit klarem, sehendem Blick durchs Leben wanderst? Wen lügst du hier an, mich oder dich selbst…”
Verwirrt wich der junge Schamane einen Schritt zurück, “Aber irgendjemandem muss ich doch glauben, wie soll ich denn sonst etwas über die Welt lernen, über die Dinge, die gefährlich sein können und vor denen man sich in Acht nehmen muss.”
Der Kuckuck gluckste und flog zurück auf seinen Ast, dann drehte er sich um und sagte:”Dein Urteil über mich basiert auf Angst. Aber alles, was auf Angst basiert, mein junger Schamane, wird unweigerlich zu mehr Angst führen und damit die Dämonen in deinem Inneren aufleben lassen, denen du versuchst, die Tür zu deinem Herzen zu verwehren. Nicht ich bin es, der dich betrügt, die Angst ist es, der du ein viel zu großes Ohr gegeben hast.”, damit flog er davon und der Schamane rief ihm noch nach, doch vergeblich. Nachdenklich ging er aus dem Wald, nach Hause zu seinem Zelt und bemerkte, dass sich ein schlingendes Unkraut um seine Seele legte, eines, das sich lange Zeit versteckt gehalten hatte und sich nun zeigte. Es schwächte seine Sinne, seine Kraft und Energie, selbst seine Augen vermochten nur noch unklar zu sehen. Sie ließen sich täuschen durch die kleinsten Illusionen des Tages und er spürte, wie die mächtige Angst in ihm auflebte und er sich nicht einmal mehr traute, das Lagerfeuer des Abends anzuzünden. Er versteckte sich in seinem Zelt und sah überall nur noch Gefahr. Jedes kleinste Geräusch war Gefahr, verstärkte die Angst und betäubte seinen Körper. Unruhig schaffte er es, in den Schlaf zu sinken und davonzutreiben, doch immer wieder weckte ihn die Angst, klopfte an sein inneres Fenster und spielte mit ihm, als wäre er nur Knete, die sie formen konnte, wie sie wollte.
Am nächsten Tag traute er sich nicht in den Wald zurück, verzichtete auf die Meditation am morgen und hielt sich auch fern von der Sonne. Er blieb lieber in seinem sicheren Zelt, das ihn vor den Gefahren schützte, die mit eisigen Fingern nach ihm griffen. Nicht einmal essen wollte er, da es verseucht sein konnte, alles wollte ihn umbringen, dachte er, alles. Nur auf Wasser konnte er nicht verzichten, und zum Glück hatte er eine tiefe, runde Schale in seinem Zelt für Notfälle. Die Angst festigte ihren Griff und zwang ihn zu schlafen, sie verführte ihn mit ihren Worten, ihren schmeichelnden “Ruh’ dich aus… die Welt dort draußen ist grausam und gefährlich… leg’ dich in meine Arme… da bist du sicher… da passiert dir nichts…”, doch mit einem Mal öffnete er schlagartig die Augen. Leg’ dich in meine Arme - Das hatte seine Mutter immer gesagt, als es ihm schlecht ergangen war, als er nicht mehr weiter wusste… aber sie war von ihm gegangen… alle waren sie von ihm gegangen… er war der einzig Verbliebene in diesem Zelt, in diesem uralten Stamm, der die Angst nicht überlebt hatte. Plötzlich wurde ihm klar, dass sie auch ihn töten würde, wenn er ihr nicht entkam, wenn er sich nicht aus ihr befreite. Er holte tief Luft und öffnete dann den Eingang seines Zeltes, blickte hinaus in die Welt. Kein Licht, keine Sonne… nur tiefe, breite Wolken lagen verhangen als Decke unter dem ewigen Himmel. Er wagte einen Schritt hinaus und kämpfte gegen die drückende Angst an, gegen ihre unbändige Macht, die ihn betäuben wollte. Doch da war nun etwas anderes, etwas Neues, das sich in seinen Adern breit machte, eine neue Kraft, die er vergessen hatte - Mut. Und mit einem Mal wurde ihm klar, was er tun musste, er musste zurück in den Wald, zum weisen Kuckuck, denn er war es, der diesen Fluch vorausgesagt hatte. Er war der einzige, der ihm helfen konnte. Mutenbrannt lief er aus seinem sicheren Versteck, hinein in den nahen Wald bis zu dem Platz, an dem er jeden Morgen meditiert hatte.
“Kuckuck! Kuckuck! Wo bist du? Ich brauche deinen Rat! Wo bist du?”, doch niemand antwortete ihm. Er schaute sich überall um und suchte auf Zweigen und Boden nach dem kleinen, schwarzfiedrigen Vogel, aber er konnte ihn einfach nicht finden. Die Angst klammerte sich wieder an seine Haut, umfloss ihn mit ihrem grauen Nebel, wie Rauch, der sich drehte und wand, gemächlich seine Spinnennetze über deine Seele schwang. Nein… nein…
Ein lautes Zwitschern ertönte und zerschnitt blitzartig den aufkommenden Nebel der Angst, es ging über in ein rhythmisches Singen, lieblich und unbeschwinglich.
“Kuckuck? Bist du das?”, fragte der junge Schamane, mutig, aber angstbekleidet.
“Du wolltest ja nicht auf mich hören.”, hinter ihm erklang die altbekannte, raue Stimme, der Junge wirbelte herum und starrte den schwarzen Augen des kleinen Vogels auf dem Boden entgegen.
“Und jetzt kommst du zu mir, möchtest, dass ich dir helfe.”
“Ja! Bitte… ich war benebelt von den Lügen der Angst! Sie hatte mich im Griff, ohne, dass ich es selbst bemerkt hatte… verzeih’ mir großer Meister… wie konnte ich nur so blind sein, im Glauben daran, klar sehen zu können…”
“Das ist menschlich, mein junger Lehrling. Du glaubtest, meditieren allein würde dich in die Pfade der Reinheit bringen, zurück zur Blume des Lebens, aber meditieren bedeutet nicht nur, in sich zu gehen und die Liebe zu spüren, es bedeutet auch, die Angst und all ihre Dämonen zu erkennen, zu akzeptieren und schließlich Stück für Stück loszulassen. Aber ihr Menschen habt große Angst vor der Angst, welch’ Ironie. Angst ist nur so stark, wie du sie nährst. Gibst du ihr zu viel Aufmerksamkeit und lauschst du auch nur den kleinsten Flüstertönen ihrer Stimme, dann hat sie dich längst in ihren Bann gezogen und wird bald die ganze Kontrolle über dich einnehmen. Du hast heute etwas ganz Wichtiges gelernt. Den Mut hast du erkannt und ihn gepackt, hast ihn angenommen und aufleben lassen und die Angst ein kleines bisschen zurückgedrängt. Halte an ihm fest, mein junger Schamane, orientiere dich an ihm, er ist dein Weg zur wahren Sicht. Denn die Mutigen leben in einer Sicherheit, die nicht von Angst regiert wird. Die Sicherheit des Mutes ist eine, die zwar jede Sekunde den Tod bringen kann, aber im Gegensatz zur Angst Freiheit und Leben verspricht, während die Angst gewiss ihren Mord an dir vollenden wird, sich durch dein Herz frisst, bis nichts mehr da ist und sie sich genüsslich an dem letzten Atem, den du aushauchst erfreut.”
“Wie konnte ich nur so blind sein…”, erwiderte der Schamane, bedankte sich in einer tiefen Verbeugung vor dem kleinen, weisen Kuckuck. Das war der letzte Tag, an dem er sich von der Angst hatte regieren lassen, stetig lernte er, sie zu erkennen und ein Stück von ihr loszulassen. Völlig befreit sein würde er nie von ihr, denn sie hat ihren Platz in uns, so wie der Mut. Er lernte aber, sie so klein zu halten, wie möglich, ihr Flüstern zu ignorieren und sich in die wärmenden Arme des Mutes und der Liebe hinzugeben.