Schatten

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derbert

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Schatten

Ein Gefühl von Trauer überkam ihn. Alles erinnerte ihn an sie. Als er die Beziehung beendete, war er nur wütend und dachte sich, dass sie es nicht wert sei, ihr nachzutrauern. Seither waren acht Wochen vergangen und auf einmal kamen die verschütteten Gefühle wieder zum Vorschein. Jetzt mit dem zeitlichen Abstand merkte er, dass er durchaus noch etwas für sie empfand, ja, dass er sie sogar noch liebte.

Es dämmerte. Er stieg in sein Auto und fuhr los. Ohne Ziel vorerst. Dann zog es ihn wie magnetisch an die Stellen zurück, wo er mit ihr schon gewesen war: die Eisdiele, der Mexikaner, die alte Bank im Stadtpark. Und schließlich traf er eine Entscheidung.

Er würde die 130 Kilometer jetzt auf sich nehmen und zu ihr fahren. Warum, wusste er nicht. Er würde auf keinen Fall anschellen. Das brachte nichts mehr. Während der Fahrt liefen im Radio Liebeslieder. Genau das, was er jetzt brauchte. Die Fahrt verging, und ohne auf den Weg oder den Verkehr zu achten, fuhr er gedankenverloren und schweren Herzens in die Nacht.

Je näher er dem Ort kam, an dem sie lebte, desto schmerzhafter wurde es. Wie oft war er diese Strecke schon gefahren? Er bog an der Ampel links ab und parkte den Wagen. Die letzten Meter zu ihrem Haus würde er zu Fuß gehen. Er hatte Angst, aber gleichzeitig auch das Verlangen danach, von Ihr entdeckt zu werden. Jetzt stand er hier im Dunkeln vor ihrem Haus. Wie ein Dieb oder Psychopath, dachte er. In ihren Fenstern im ersten Stockwerk brannte noch Licht.

Was sie wohl jetzt machte? Klar, es ist Freitagabend, hübsch wird sie sich machen zum Ausgehen. Wieder ein Stich in seinem Herzen. Wie schön es doch immer gewesen war, wenn sie gemeinsam ausgingen. Sie verstanden sich gut. Aber jetzt war es zu spät. Sie würde sich mit Ihren Freundinnen wieder auf die Pirsch begeben und eine Menge neuer Leute, und bestimmt auch neue Männer, kennen lernen.

Das Licht erlosch. Schnell versteckte er sich in einem Hauseingang gegenüber und beobachtete Ihre Haustür. Endlich nach fünf Minuten öffnete sich die Tür. Es war allerdings nur eine Nachbarin, die zu dieser späten Stunde Ihren Hund ausführte. Er zündete sich eine Zigarette an. Solange wie er brauchte, diese zu rauchen, würde er noch warten.

Es fiel ihr immer noch schwer, nicht die Schublade der Kommode zu öffnen, in der sein Foto lag, wenn sie daran vorbeiging. Er war ihr Traummann gewesen. Was passiert war, tat ihr unendlich leid. Sie würde es gerne rückgängig machen.

Aber nachdem er sich so stur verhalten hatte, gerieten sie in Streit und hatten beide jegliche Möglichkeit verspielt, vernünftig darüber zu reden. Er hatte ihr klar gemacht, dass es aus und vorbei war.

Manchmal, wenn Sie nachts nicht schlafen konnte, wählte sie seine Nummer, lies es ein- zweimal klingeln, und legte wieder auf.

Nein, so einfach wollte sie jetzt nicht aufgeben. Acht Wochen waren eine lange Zeit. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und wählte seine Nummer. Jetzt oder nie. Heute würde sie mit ihm sprechen. Vielleicht könnten sie sich ja zu einem klärenden Gespräch treffen.

Die Leitung war frei. Sie lies durchschellen bis das Besetztzeichen kam. Die Aufregung wich der Niedergeschlagenheit. Sie schaltete das Licht aus, legte sich ins Bett und weinte sich in den Schlaf. Es war vorbei.

Nachdem er zu Ende geraucht hatte ging er langsam zum Wagen zurück. Sein Herz war schwer. Aus und vorbei, dachte er.
 



 
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