Schatten-Monologe I

cara

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Jetzt rede ich doch. Lange Zeit sah ich davon ab, vielleicht zu lange. Ich weiß nicht, warum, aber die ganze Zeit, als wir uns noch hatten - und auch die, in der ich dir verloren ging und du mich dennoch hattest, in der du bliebst und wiederkamst, als du mir im Traum erschienst - wagte ich nicht zu sprechen. Jetzt haben wir uns wieder, obgleich wir beide verloren sind. Unsere Schatten haben sich - "wie vorher" - auch wenn fast nichts mehr wie vorher ist; mit klarem Blick erkenne ich, auch wenn dein Schatten sich sperrt.
Was mit dir ist, weiß ich nicht, nur dein dunkler Begleiter zeigt sich mir noch. Für mich bist du dein eigener Schatten geworden, der, den du so fürchtest. Was du mir auf Umwegen nahe zu bringen versuchst, ich hätte es dir ins Gesicht sagen können, noch bevor du die erste Silbe äußertest. Und doch sind unsere Spiegel blind geworden. Früher erkannte ich mich in dir, du dich in mir, ungeachtet der Konsequenzen - wir kannten sie ja nicht. Heute verbirgst du dich, und ich habe kaum noch Kraft, mich zu zeigen. Das Schlimmste ist:
Es macht keinen Unterschied mehr. Ob ich nun da bin oder nicht, ich bin nicht mehr relevant. Mein Schatten genügt dir. So wie mir der deine zu genügen hat.
Und ich kann nichts mehr für dich tun - es ist zweifelhaft, ob ich das überhaupt jemals konnte. Nichts, was ich sagen, nichts was ich verschweigen könnte, könnte noch etwas ändern. Was ich unterlasse, macht keinen Unterschied mehr; ebenso wenig wie das, was ich nicht lassen kann. Ich habe kein Gewicht mehr, vielleicht war ich schon immer schwerelos. Ich laste auf dir, federleicht, und dein Schatten bläst die Backen auf, mich zu zerstreuen.

Wirbelweißer Wolkenschwarm
zerstiebt in alle Winde -
nenn mich Pusteblume,
nicht meinen Schatten.
 



 
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