Schattengarten

Balu

Mitglied
"Gelungene Party. Hat sich echt reingehängt, unser Charly. Sind sie ein Geschäftsfreund von ihm?"

Sie stand neben ihm, während ein Zauberkünstler nebst spärlich bekleider Assistentin seine Tricks vorführte. Die Schwüle des Sommertages lag noch immer auf dem Garten. Auf seinem Garten.

Er spürte ihre Nähe, sog ihr leichtes Parfüm auf und seine Augen wanderten zu den Spitzen ihrer Brüste, die sich unter der dünnen Bluse abzeichneten. Während sie sich ihm zuwandte und ihr Glas in seine Richtung hielt, nahm er die feste Rundung ihres Bauches und die Wölbung ihrer Scham wahr, die sich unter den Jeans abzeichneten. Er nahm die Weinflasche vom Boden und schenkte ihr nach. Wie lange hatte einen Frauenkörper nicht mehr so angeschaut?

"Nein, ich bin ein Bruder von Charly."

"Dann sind sie der,,,"

"Nein", unterbrach er sie "der berühmte Bruder steht dort drüben, neben Charly."

"Ich wusste garnicht, dass Charly noch einen Bruder hat."
Der Zauberkünstler hatte ausgezaubert und im Gedränge war sie so dicht an ihn herangeschben worden, dass ihre Schulter seinen Brustkorb berührte. Er roch ihr Haar, fühlte wie sich sein Körper spannte und der Schmerz der Erinnerung durchfuhr ihn wie eine kalte, stählerne Klinge.

"Ich bin selten hier in Deutschland", log er "wir sehen uns nur ab und an."

"Sind sie auch in der Baubranche?" Das Gedränge hatte sich gelegt, aber sie hatte sich nicht von ihm gelöst. Langsam drehte sie sich , und lehnte sich mit dem Rücken an seine Brust. Keiner registrierte sie Beide, jeder war mit sich, mit seiner Wirkung auf die Anderen und mit dem Wunsch nach Leben und Erleben beschäftigt.

"Nur entfernt", log er erneut "ich hab eine Zeit als Planer gewirkt."

"Und jetzt?" Er hörte die Verlegenheit aus ihrer Stimme, fühlte, dass sie das Gespräch erhalten wollte, um das Andere zu unterkühlen.

"Jetzt versuche ich ein Buch zu schreiben." Seine Hände schoben sich auf ihren Bauch und drückten
ihren Körper fester an sich. Er spürte seine Erregung, als sie seinen Druck mit ihren Hinterbacken erwiderte.

"Über was?" fragte sie mit heiserer Stimme.

"Über das Leben." flüsterte er und berührte mit den Lippen ihren Hals, während seine Fingerspitzen auf ihrem Bauch kreisten.

"Komm", flüsterte Sie, nahm seine Hand und zog ihn zum Gartenrand, wo es keine Gartenbeleuchtung gab.

Als ihre Münder sich erstmals trafen zu einem langen Kuss voller Leidenschaft und Verlangen nach mehr, stöhnte sie voller Lust unter seiner fordernden Umarmung.
Seine Lippen wanderten ihren Hals hinab suchten den Weg zu ihren Brüsten. Zitternd öffnete sie die Knöpfe ihrer Bluse während sie ihren Körper lustvoll zurückbog und ihre Scham an ihn presste.

"Ich brauche dich jetzt" stöhnte sie heiser.

Ich brauche dich jetzt, hatte Leonie geflüstert, als er das letzte mal in ihrer Tür stand.

"Bitte verzeih", sagte er mit fast tonloser Stimme und half ihr ungeschickt die Bluse zu schließen.

"Wem wolltest du gerade nicht weh tun?" fragte sie leise.

"Dir und mir", flüsterte er und küsste sie auf die Stirn.
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Sie hatten einen freien Stehtisch gefunden. Er hatte eine neue Flasche Weißwein und Gläser besorgt, während sie am Bufett zwei Teller mit Gegrilltem und Salat beladen hatte.

Sie lächelte, als er die Gläser füllte und dabei verlegen ihrem Blick auswich.
"Wie fühlst du dich gerade, oder möchtest du, dass wir das Sie zurückholen?" Er spürte eine Sanftheit in ihrer Stimme, wie er sie seit vielen Jahren nicht mehr bewusst bei einem Menschen wahrgenommen hatte.
"Nein, es ist in Ordnung so, ich fühle mich gut."

Er fühlte sich nicht gut.

Seit er ihren Bick am Vormittag beim offiziellen Teil im Rathaus aufgefangen hatte, waren sie sich immer wieder nahe gekommen. Zufall? Er glaubte nicht an Zufälle, auch dieses mal nicht.
Er hatte ihre Nähe gesucht, hatte sie dankbar in sich aufgenommen. Er hatte sich dieses Gefühl erlaubt. Und dabei Leonie`s Bild zugelassen in seinem Kopf.

Charly kam auf ihren Tisch zu, immer wieder aufgehalten von Gratulanten und Menschen, die ihm zutranken, die sich seiner Wohlgesonnenheit versicherten.

"Bruderherz, du bist ja noch da ! Ich dachte, du bist schon wieder abgereist."

"Nein Charly, ich wollte deinen guten Wein geniessen und auf deinen Erfolg trinken.
Ehrenbürger der Stadt wirst du bestimmt nur einmal."

Alles Lebendige, was sich in diesem Moment zwischen ihnen bewegt hätte, es wäre zu klirrendem Eis erstarrt." Charly wirkte völlig locker, aber seine Augen wurden für Sekunden zu schmalen Schlitzen.

"Paula !!" Erst jetzte hatte Charly entdeckt, wer da noch am Tisch stand. "Lass dich umarmen, du siehst hinreissend aus! Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Komm, lass uns tanzen, das bist du dem alten Charly schuldig."
Er hatte sie am Ellenbogen gepackt und zog sie bereits in Richtung Musik.

`Ja Carly`, dachte er `wer von den Menschen hier mag wohl nicht in deiner Schuld stehen ?`

Auf sie warten? Wozu ? Sie würde in dieser Nacht nicht mehr an den Tisch zurückkommen
Er füllte sein Glas, leerte es in einem Zug.

Er verließ den Garten durch eine kleine Tür, die er selbst einmal eingebaut hatte.
Von hier waren es nur wenige Minuten bis zur Hütte der Waldarbeiter.
Der Schlüssel hing noch am selben Platz, wie damals. Im Mondlicht erkannte er, dass
sich nichts in der Hütte geändert hatte. Er versuchte sich daran zu erinnern, welches Parfüm Leonie
benutzt hatte.



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Wieder hatte Charly Karola beauftragt, einen Termin mit beiden Brüdern zu vereinbaren. Es war eine seiner subtilen Gesten, mit denen er die Machtverhältnisse immer neu definieren wollte.
Karola war dieser Anruf unangenehm. Sie arbeitete schon seit Bestehen der Firma Ruland für die Brüder und hatte das Drama Szene für Szene miterlebt. Innerlich hatte sie schon tausendmal gekündigt, aüßerlich hatte ihr das Wissen um die Hintergründe ein Jahresgehalt eingetragen, um welches sie mancher Geschäftsführer der Branche beneidet hätte. Sie bot im Gegenzug absolute Loyalität, und war wohl der einzige Mensch bei Ruland, vor dem Charly Respekt hatte.

"Bitte Gregor, ich weiß wie sie es ablehnen, so zu einer Besprechung aufgefordert zu werden, und ich weiß auch wie sehr sie mich verachten, weil ich immer noch für Charly arbeite. Bitte sagen sie zu, lassen sie uns das Spiel mit der persönlichen Aufforderung dieses mal nicht spielen."

"Sie lieben ihn noch immer, Karola. Das macht sie menschlich und deswegen - in Ordnung, Donnerstag morgen. Ist Bertram fit, oder muss er nur mit dem Kopf nicken?"

"Ihr Bruder wird bei der Besprechung dabei sein." Karola vermied es, auf seine sarkastische Bemerkung einzugehen. Er wusste, dass auch sie es als widerwärtig emfand, wie Charly seinen Bruder Bertram als Marionette benutzte.

Seit dem Gartenfest hatte er nicht mehr an den Abend zurückgedacht. Auch die Begegnung mit ihr hatte er aus seinen Gedanken verdrängt. Paula hatte Charly sie genannt. Jetzt hatte er ihr Bild wieder vor Augen, erinnerte sich, wie ihre Blicke sich scheu im Rathaus begegnet waren, wie bei Teenagern fast.
Er dachte an die Umarmung und fühlte Sehnsucht nach ihrem festen, reifen Körper. Für einen wohligen Moment breitete sich Wärme in ihm aus. Charly wollte er nicht fragen, wer diese Paula ist. Aber vielleicht würde Karola ihm weiterhelfen können.

Hatte er diese Paula auch unter Kontrolle, der Baulöwe Karl Ruland? Unter Kontrolle hieß für Charly, dass es ihm gelungen war, genug Informationen zu sammeln, um ein Puzzle komplett zu haben. Keiner, nicht einmal seine Brüder Bertram und Gregor wussten genau, wie er die Puzzleteile sammelte. Eins jedoch wussten sie mit beklemmender Gewissheit. Jedes fertige Puzzle war ein Abhängiger mehr in Charlys Heer, mit dem er die gesamte Baubranche beherrschte. Behinderungen hatte er weder auf Amtsseite noch bei den Konkurrenten zu fürchten.
"Erpressung? Ich brauche nicht erpressen, die Angst davor macht sie alle weich." Mit dieser simplen Formel erreichte Charly nahezu jedes Ziel.

Selbst die Kontrolle über die Brüder hatte er damit erreicht.

Gregor Ruland spürte Übelkeit in sich aufsteigen, bei dem Gedanken, dass Paula von seinem Bruder abhängig sein könnte.

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Er hatte beschlossen, ein Taxi in die Firma zu nehmen. Dadurch konnte er mit dem Hinweis auf den Flugplan die Dauer der Besprechung verkürzen und jeder Art von Abendeinladung entgehen.
Er liebte es, im Hotel zu übernachten. Er hatte keine Nähe zu fürchten, brauchte nur das Nötigste zu sprechen und konnte die Einsamkeit geniessen, ohne die sein Leben für ihn undenkbar geworden war.

Mit Grauen erinnerte er sich an die Letzte Zusammenkunft mit den Brüdern. Er hatte sich überreden lassen, bei Bertram zu übernachten. Dort musste er zusehen, wie sein Bruder in weniger als einer Stunde eine Flasche Whisky leerte und danach völlig hilflos vom Hausmeister und dessen Frau
ausgezogen und ins Bett gebracht wurde. Diese Szene mit dem nackten Bruder, dessen aufgeschwemmter Körper von fremden Menschen gewaschen und versorgt wurde, hatte ihn nächtelang verfolgt und auch die letzte Bindung an Bertram verkümmern lassen.

Auch dieses mal hatten Charly und Leonie ihm angeboten, in der Burgstrasse zu übernachten.
Er hatte wie immer abgelehnt. Nicht wegen Leonie. Sie trug für ihn nur noch den gleichen Namen wie damals. Wenn sie sich sahen und miteinander sprachen, dann mit einer Achtung und Höflichkeit, die ahnen ließ, wie tief Beide ihre Liebe und die leidenschaftlichen Stunden in sich begraben hatten. Einmal war sie ihm nackt am Pool begegnet, weil er nach Charly suchte. Er nahm ihre runden Brüste und das rotbraune Haar auf ihrer Scham wahr, das ihn einst in wundervolle Wahnsinnsmomente getrieben hatte, wenn es nach ihrer Erregung duftete, aber es war ihm, wie die Erinnerung an ein Kindheitserlebnis. Zart, schemenhaft und mit der Sicherheit des Unwiederholbaren, wie man sich eben nur an Kindheitserlebnisse erinnert.
Nachdem Charly ihm das Haus abgekauft hatte, war es ein grauenvoller Akt des Loslassens für Gregor Ruland gewesen. In jener Zeit hatte er begonnen, die Mauern in sich aufzutürmen.

Das Hotelfrühstück war üppig gewesen und er fühlte sich stark genug, den Dingen ins Auge zu sehen. Was hatte Charly angekurbelt, dass er ihn persönlich sehen wollte?

"Guten Morgen Karola, sie sind schön, wie eh und je. Wie gut es doch sein muss, im Hause Ruland zu arbeiten."
"Ach Gregor", Karola sah ihn ernst an "Lassen Sie es bei einem Guten Morgen. Da wenigstens, können sie nichts zwischen den Zeilen verstecken. Kaffee, oder Grauburgunder?" Jetzt waren ihre ernsten Züge einem spöttischen Lächeln gewichen.
Er kniff ein Auge zusammen. "Grauburgunder, Karola." Er genoss diesen kurzen Schlagabtausch mit Charlys Sekretärin immer wieder. Er begegnete ihr mit großem Respekt, weil sie in all den Jahren stets sich und ihrem Wesen treu geblieben war, und Charly war sie auch treu geblieben.
Manchmal glaubte Gregor Ruland, dass sie ein Mensch war, der wirklich liebte, ohne Anspruch und bedingungslos.

Charly begrüßte ihn weder kühl, noch überschwenglich, und Gregor stellte einmal mehr fest, dass sein Bruder nicht der sein konnte, für den alle ihn hielten. Wenngleich Charly sich in der Rolle des eisgekühlten Managers zu gefallen schien, seine Beweggründe für die unzähligen Schachzüge, welche viele Menschen um ihre Nachtruhe brachten, entstammten nicht der Habgier. Charly brauchte einfach immer aufs Neue das Erlebnis, etwas zu bewegen und dabei die Fäden beliebig ziehen zu können.

"Wir können gleich anfangen. ich erwarte noch eine Subunternehmerin, die von Anfang an mit eingebunden sein muss, sonst geht mein Plan nicht auf." Das Lächeln auf Charlys Mund wusste Gregor absolut nicht zu deuten. Wenn es ums Geschäft ging, war Karl Ruland Konzentration und Ernst in der wohl reinsten Ausdrucksform, die er je erlebt hatte.
"Frau Kern ist da", Karola hatte nicht angeklopft, brauchte es mit Sicherheit auch nach all den Jahren nicht mehr.

Gregor Ruland drehte sich zur Tür und stand Paula gegenüber.
Für einen Moment spürte er einen unbändigen Zorn in sich aufsteigen, weil er sofort einen von Charlys taktischen Zügen vermutete.
Auch Paula schien ihn hier nicht erwartet zu haben. Sie schaute ihn sekundenlang entgeistert an, aber das Wiedersehen schien ihr nicht unangenehm zu sein, denn ihre Züge wurden sanft, als sie ihm die Hand reichte. Verwirrt und zugleich freudig erregt erwiderte er ihren festen Händedruck.

"Ich denke, die Herrschaften sind sich bereits bekannt. Gregor, Paula Kern arbeitet seit einiger Zeit als Subunternehmerin für uns. Sie hat ein Ingenieurbüro und macht für uns Aufmaße und statische Berechnungen.

Sie setzten sich an das Kopfende eines nüchternen Besprechungstisches und während Charly die ersten Bilder auf einer Präsentationswand projezierte glitt Gregors Blickzu Paula, die gespannt auf Charly hörte. Ihr grauer Blazer und das schlichte T-shirt darunter betonten ihr ernstes Gesicht.
Die sportliche Frisur gab ihren Hals frei. Er dachte an den Moment, als er den Hals in Charlys Garten berührt hatte und spürte pulsierend die beginnende Erregung.

Charly hatte seinen Blick sofort bemerkt. Sonst reagierte er ärgerlich bis aufbrausend, wenn jemand
ihm nicht mit der gleichen Konzentration folgte, wie Charly sie von sich kannte.
Gregor war erstaunt, als er seine Ausführungen unterbrach und lächelte.
"Ich glaube, Karola lässt nach, wir haben noch keine Getränke."

Als sie versorgt waren, begann er erneut, und jetzt folgten sie ihm gebannt.
"Es geht um etwa vier Millionen Euro", begann Charly ernst.


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Vier Millionen Euro.
Charly`s Worte lagen schwer im Raum.

"Wir werden das neue Schulzentrum Süd bauen", verkündete er schleißlich mit einem fast feierlichen Ton in der Stimme. "Wir werden für Unsere und für die Arbeitskräfte der Zulieferer für lange Zeit gesicherte Arbeitsplätze bieten und wir werden einmal mehr beweisen, dass Ruland immer noch das Beste baut." Charly ließ auf der Leinwand Modellbilder wechseln, die ahnen ließen, um was für eine Dimension es sich bei dem Bauvorhaben drehte. An der Ästhetik der Gebäude erkannte Gregor sofort, dass sie aus Bertrams Feder stammen mussten. Ruland war also seit der ersten Stunde an dem Projekt beteiligt.

"Wo genau?" Gregor wusste, dass es irgendwo ein Problem geben musste, sonst hätte Charly ihn nicht aus der Schweiz herkommen lassen.
"Auf dem Kasernengelände."
"Da, wo die Amis bis letztes Jahr noch ihre Panzer stehen hatten?" Auch Paula Kern schien das Gelände zu kennen und Gregor bemerkte den Eifer, mit dem sie Charlys Worten und Beschreibungen gefolgt war. Ihr Gesicht hatte in den letzten fünfzehn Minuten an Farbe gewonnen. Sie war nicht zufällig hier, der Auftrag war für sie wichtig, das spürte er instinktiv. Und er war sicher, dass Charly es auch wusste, und zwar viel genauer als er.

"Altlasten?" Gregor begann zu ahnen, wie das Gespräch sich entwickeln würde. Nur Paula`s Rolle konnte er sich noch nicht vorstellen.

"Dein Scharfsinn hat sich nicht geändert." Charly schaute anerkennend zu ihm. "Ich hatte schon befürchtet, dass du deinem romantischen Schriftstellerdasein erlegen bist." Gregor überging seine Bemerkung und ging statt dessen zum Angriff über.

"Komm, Karl! Spann uns nicht unnötig auf die Folter! Was weißt du mal wieder, was ein ganzes Heer von Planern und Gutachtern nicht weiß. Wo sind die Millionen versteckt? Welche kleine Sauerei hast du dir wieder ausgedacht?"

Charly schaute zu Paula und lächelte beruhigend.
"Und deine Umgangsmethoden haben sich auch nicht geändert!" Er warf seinem Bruder einen grimmigen Blick zu.
"Gut, dann eben wie gehabt," fuhr er mit vollkommen teinahmslosem Gesicht fort " es geht um die Erdmassen, die abgefahren und auf Spezialdeponien gelagert werden müssen. Die Ausschreibungen weisen über hunderttausend Tonnen kontaminierte Erdmengen aus. Sämtliche Bodenproben waren positiv bis teilweise zwei Meter Tiefe."

"Mit denen du absolut nichts zu tun hast!"

"Absolut unbeteiligt, Gregor. Die haben sich selbst ein Riesenei ins Nest gelegt mit ihrer übertriebenen Vorsicht und der Angst vor dem politischen Gegner. Wir werden dreißigtausend Tonnen Erde abtragen und deponieren, und ein lastenfreies Gelände haben."

"Und hunderttausend abrechnen", meinte Gregor emotionslos "Staatssäckel schüttel dich, Ruland hat Hunger " fügte er leise hinzu.

"Es ist ein Konversionsprojekt, Gregor. Die Gelder sind bewilligt und warten darauf, in die Wirtschaft zu fließen. Stell dir vor, wie sehr die Verantwortlichen leiden müssten, wie sie gar um ihre Existenz fürchteten, wenn ihnen jetzt jemand Fehler nachweisen würde." Charlys Stimme klang ruhig und fast emotionslos, aber in seinen Augen spiegelte sich grenzenlose Verachtung.
Gregor wusste, dass diese Verachtung nicht ihm galt. Charly verachtete alle Menschen, denen Mittelmäßigkeit genug war. Für Ihn war es undenkbar, nicht das Geniale das Überdurchschnittliche anzustreben. Und er fühlte sich dazu berufen, die Unzulänglichkeit und den Mangel an Selbstdisziplin der Menschheit mit seinen Mitteln zu bestrafen.

"Und warum sitze ich hier?" Paula Kern war ihnen aufmerksam gefolgt, aber sie konnte nicht nachvollziehen, warum Charly sie in derart brisante Geheimnisse einweihte.

"Siebzigtausend Tonnen kontaminiertes Erdreich müssen fiktiv bewegt werden. Sie müssen für die
Nachwelt nachvollziehbar abgefahren, eingelagert und teilweise durch lastenfreies Material ersetzt werden. Das muss durch Aufmaße belegt werden, Paula." Während er sprach war ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt.

"Betrug, Karl? In der Dimension? Wenn das schief geht, kann ich mich aufhängen. Du weisst, dass ich von öffentlichen Aufträgen lebe."

"Deswegen Paula, will ich dich im Boot haben. Du genießt Vertrauen an den richtigen Stellen. Niemand wird die Aufmaße anzweifeln, das musst du jetzt ungeprüft glauben. Aber es müssen Aufmaße da sein, und zwar solch perfekte, dass jeder Zweifel im Keim erstickt wird.
Ich will dir helfen und dir weitere Besuche bei diesen Juniorgöttern hinter Bankschreibtischen
ersparen." Charly schaute sie lächelnd an.

Gregor sah, wie Paula verlegen zur Seite schaute. Sie tat ihm leid. Charly´s Worte mussten wie eine
Erpressung bei ihr ankommen. Aber Charly erpresste niemand. Jeder stellte sich freiwillig auf sein Spielfeld, wenn er seine Spielzüge ausführte. Nur Charly`s Wissen um die Schatten und Sorgen seiner Mitmenschen reichte aus, um diese zu beherrschen. Sie fürchteten genau das, was sie an Charly`s Stelle getan hätten. Sie hatten Angst vor ihren eigenen Abgründen.

"Und mein Part?" fragte Gregor, um ihr Raum zu verschaffen. "Du hättest mich nicht nach Deutschland geholt, wenn du nicht etwas Spezielles für mich ausgedacht hättest."

Charly lachte leise. "Bertram hat es geplant, seine Visionen sehen wieder tarumhaft aus. Alle Welt hat ihm, wie immer, aus der Hand gefressen. Aber..."

"Aber kein Schwein ist in der Lage, aus seinen Visionen funktionierende Bauwerke zu konstruieren," unterbrach Gregor ihn "ich soll also wieder mal realisieren, was mein Bruder im Suff
versaut hat!"

"Du sollst dafür sorgen, dass es ein Perfektes Bauwerk wird. Wenn wir die vier Millionen in ganz trockenen Tüchern wissen wollen, darf auf dieser Baustelle nichts dem Zufall überlassen werden.
Gregor, du bist der Beste! Und verdammt nochmal, du wirst es wieder beweisen, dass Perfektion am Bau realisierbar ist. Wieder werden dir alle zu Füßen liegen, die Handwerker, die Behörden und die Presse."

Paula hatte gebannt verfolgt, wie Charly aufgesprungen war und mit welcher ehrlichen Begeisterung er auf den Bruder einredete.

"Vergiss es," antwortete Gregor missmutig " ich habe keine Lust und andere Pläne."


"Drei Jahre, Gregor!" Charly klang beschwörend. "Danach kannst du schreiben. Eine Million plus dein Gehalt als Ingenieur, plus alle Auslagen für Wohnung und Reisekosten. Du hast ausgesorgt nach diesem Projekt!"

"Angenommen, ich lasse mich überreden, das hier mitzumachen," meldete Paula sich "was kommt dabei für mich raus?" Ihre Stimme war jetzt die einer kalkulierenden Geschäftsfrau.

"Das Gleiche, was Gregor bekommt, eine Million plus Spesen."

Paula schaute ihn entgeistert an.
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kein schlechter Einstieg, jedenfalls ab der Besprechung. Die abrupten Kamerawechsel davor sind allerdings ein ziemlich anstrengender Beginn.
Schau'mer mal.

unumwunden entschwunden
 



 
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