Schattenwanderer

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Walther

Mitglied
Schattenwanderer


Man denkt, ich wär ein Nachtschattengewächs.
Man spekuliert auch, dass ich heimlich hex.
Man sieht des Nachts mich um die Häuser wandern.
Im Grau erkennt mans kaum: Ich gleich dann andern.

Und in der frühen Nacht sieht mich der Mond.
Der Sternenhimmel hat mich oft belohnt.
Im Gehen kommt das Rätseln und das Denken,
Man wägt sich selbst, will ruhig Schritte lenken,

Will sich begreifen und den Lauf der Welt.
Man will das Schicksal meistern, das sich stellt.
Man spürt den frischen Wind und die Magie.
Man lässt sich auf sie ein und wächst durch sie.

Ich schau vom Außen auf das eigne Innen
Und will im Schatten mich auf mich besinnen.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Walther,

die erste Strophe lässt mich ein Gespenstergedicht erwarten, dann aber holst Du den Zeigefinger heraus und moralisierst.

Schade denkt
lap
 
Hallo Walther,
wie immer, wenn ein LL-Mitglied so tolle Kritiken von sich gibt, bin ich neugierig, was er selbst so schreibt.
Dieses Gedicht gefällt mir nun gar nicht.
Ich habe vom Außen auf das eigne Innen geschaut,doch nichts entdeckt.

Es grüßt dich
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Liebe Marie-Louise,

es darf Dir gerne nicht gefallen. Im Gegensatz zu Dir sage ich nur, warum mir etwas nicht gefällt.

Schlechte Gefühle gegen andere sollten nicht den Blick für die Realität des eigenen Schaffens verstellen. Bei Dir scheint ein solcher Spaziergang, auf den ich mich allabendlich begebe, dringend nötig.

Es ist eine asymetrische Vorstellung zu diagnostizieren bei Dir zwischen dem, was Du von Deinen Werken hältst - Innensicht -, und dem, was andere von Deinen Werken halten - Außensicht. Eine gute Übung, die auch einem anderen der hier kommentiert Habenden gut täte.

Jedenfalls nützen diese Hervorhebungen - schaut her, er kanns wenigstens genauso schlecht wie ich, was traut er sich eigentlich, mich unerreicht Schreibenden überaupt zu kritisieren - Dir nichts und mir nichts.

Ich bezeichne mich übrigens aus gutem Grund als einen Gelegenheitsdichter - siehe Signatur - und lyrischen Dilettanten. Ich habe nur einen kleinen Vorteil vor Dir: Ich weiß, was ich kann, und daß deshalb die Anerkennung begrenzt sein wird.

Diese Selbsterkenntnis wünsche ich Dir. Und wenn Du regelmäßig ein halbes Stündchen zum Abreagieren spazieren gingst, hätte sie vielleicht eine Chance, bei Dir irgendwann einzutreffen, die Selbsterkenntnis.

Nimm das Gedicht als das, was es ist: Eine Rezeptur, mit sich selbst zurecht zu kommen, eine unter vielen. Daher ist es auch kein weltbewegender Text. Sondern nur 14 gefügte Verse in fünf Hebungen mit einigen anderen kleinen Schmakazien, deren Entdeckung allerdings eine intensivere Beschäftigung mit dem Text nötig machte, als wir heute bereit sind, in irgendetwas Internettisches zu investieren.

Man könnte sie finden, wenn man ihn mitnähme auf diesen Spaziergang und deklamierte. Da ist er nämlich in seiner Grundstruktur auch entstanden.

Es grüßt und wünscht eine frohe und lyrische Woche

der W.
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Walther

Bei Dunkelheit, da wendet sich der Blick nach innen
Bei Dunkelheit, da kann man sich besinnen
Im Dunkel tritt das Innere ins Licht
Im Dunkel stört die grelle Welt uns nicht

Die Nacht ist manchem wie ein Seelenbesen
Die Nacht verzaubert uns mit ihrem Wesen
Doch möchte ich an dieser Stelle munkeln:
Die schwachen Herzen fürchten sich im Dunkeln

Ich bin ganz und gar nicht der Meinung, dass Du moralisierst. Ich finde, es gibt durchaus eine Magie des klaren Gedankens. Eine Magie der Nacht, in der wir nicht mit äusseren Eindrücken "zugeballert" werden und uns auf uns selbst besinnen können.
Mehr noch: Ich habe viel von dieser "Magie", viel Lyrik in Deinen Zeilen gefunden.

LG

Jürgen
 

Walther

Mitglied
Hallo JoteS,

danke für Deine "lyrische" Antwort. Sehr schöne Zeilen. ;)

Um der Ausblendung zu entgehen, noch ein paar Bemerkungen zum Gedicht selbst. Wie Du vorschlugst, habe ich die Form des Sonettes in diesem Beitrag "aufgebrochen". Ich habe mir gestattet, klassische Endreime zu verwenden, also aa bb cc dd usw. Ebenso habe ich die Strophenform anders gesetzt, so daß ein wenig von der Shakespeare'schen "Moral von der Geschicht" im letzten Verspaar - als volle Strophe ausgeprägt - aufscheint.

Ich konnte es allerdings nicht vermeiden :D, daß noch ein paar kleine Besonderheiten enthalten sind. So enden die ersten beiden Verspaare der ersten beiden Strophen auf einer Hebung, die beiden anderen auf einer Senkung. Die dritte Strophe, der erste Teil des doppelten Dreierblocks, hier vierzeilig, kommt zur Unterscheidung mit vier Versen mit abschließender Hebung aus.

Die letzten beiden Strophen wurden wiederum mit Senkungen auf der letzten Silbe versehen. Damit ist hintenrum durch die Brust ins Auge auch in der Architektur des Textes mit anderen Mitteln als den normal üblichen ein Sonett aufgebaut.

In diesem Sinne frohes Schaffen und Dichten wünscht

grüßend

der W.
 

guelle

Mitglied
Hallo Walther,
was du an Marie-Luise geschrieben hast, hat mich deep impressed.
"Nimm das Gedicht als das, was es ist: Eine Rezeptur, mit sich selbst zurecht zu kommen, eine unter vielen."

Das könnte von Nietzsche sein!

guelle
 

Walther

Mitglied
Hallo guelle,

danke für Deinen Eintrag.
Das könnte von Nietzsche sein!
Ganz ehrlich, das ist sicher zuviel des Lobs. Nietzsche ist doch einige Klassen höher aufgestellt, als daß ein Vergleich mit mir gerechtfertigt wäre, aber lieben Dank für diesen Griff in den Dichterolymp. ;)

Dichtung ist für die Schreibenden meist auch konkrete Daseinsbewältigung, und warum sollte man das bestreiten. Wenn andere aus dem Geschriebenen zusätzlich Nutzen ziehen, ist viel geschafft. Mehr will und kann ich mit meinen Mitteln sowieso nicht erreichen.

Liebe Grüße

W.
 
Meiner Meinung nach an Trivialität kaum zu überbieten.
Die Sterne betrachtet und in der Nacht spazieren gegangen sind wir wohl schon alle mal. Die Reimabfolge erinnert mich an einen Betrunkenen der durch die Dunkelheit wankt, und genauso liest es sich auch. Am besten Neufassung!
 

Walther

Mitglied
Hallo Grauerwerwolf,

danke für Deinen Kommentar, den ich gerne gelesen habe, wie jeden Kommentar. Denn diese sind sehr selten hier.

Allerdings ist qualifizierte Textkritik etwas anderes als ein verbaler Rundumschlag wie dieser hier. Es hat am Ende wenig Sinn, wenn man den Dichterkollegen mit zorngetriebenen Allgemeinplätzen bewirft, weil man die vorherige Kritik an einem eigenen Beitrag nicht abkann.

Ich schlage Dir daher vor, daß ich in Zukunft einfach Deine Beiträge ignoniere und Du das mit den meinen auch tust. Dann brauchen wir uns nicht mehr zu sagen, was wir inhaltlich zur Dichtung des jeweils Anderen an gedanklichen Leermengen beitragen können, wenn wir schon wie oben in diesem Kommentar erkenntlich nicht in der Lage sind, eine echte Textkritik zu leisten, weil uns dazu schlicht der Adreßraum fehlt. Oder weil wir nichts anderes empfinden können als die blanke Wut auf den anderen.

Noch ein guter Rat zuletzt: Wer nicht kritikfähig ist, sollte nicht veröffentlichen. Wer aber die Öffentlichkeit sucht, muß manns oder fraus genug sein, das Feedback, und zwar gerade das negative und schmerzliche, ertragen zu können.

In diesem Sinne eine schöne Woche!

Gruß W.
 



 
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