Scherben

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knychen

Mitglied
Scherben

Wir lagen zusammen
meine Brust an deinem Rücken
dein Hintern an meinem Bauch
mein Arm auf deiner Hüfte.

Wir atmeten im Takt und
waren satt von einander.

Mit geschlossenen Lidern schaute ich
weit offenen Auges in die Nacht.
Spürte nicht mehr meinen Arm auf deinem Schenkel
und nicht mehr dich unter meinem Arm.
Wusste nur davon und begann zu vergessen.

Dann sah ich ein Bild.

Aus roter Erde gebrannt lag da eine Tafel
groß wie ein Tisch und
warm wie ein Stein am Feuer.
Linien durchzogen das Bild
fügten sich aneinander
kreuzten sich
endeten am Rand oder im
Nichts.

Ein Relief entstand.

Ich erfühlte es mit der Hand
die ich nicht mehr spürte.
Da lagen zwei Liebende
Brust an Rücken
Hintern an Bauch
sein Arm auf ihrer Hüfte.

Und dann bewegtest du dich:
„Ich muss noch mal auf’s Klo.“

Das Relief bekam Sprünge
Körper lösten sich voneinander
getrennte Linien kreuzten sich
bekamen Zweige und das Bild
zerbarst.
Ohne Klirren stoben die Scherben davon.

’Macht nichts, bringen ja Glück’ dachte ich
und hörte dich im Bad rumoren.

Auch dort zerbrach etwas
doch ich hörte nur das Klirren
und sah kein Bild.
„Scherben bringen Glück“ sagtest du
als du wieder kamst.
 
hui, Knychen,

ein sehr eigenwilliges werk, das nur so vor facettenreichtum sprüht. kaum läßt man sich auf den einen moment,das gegebene bild ein, wird sprunghaft ein neues bild gezeichnet.
ich finde es vertraumt, spannend, ironisch... und... und... und!

nun meine kritische frage...
warum hast du dieses hier nicht als prosatext gepostet... ein wirkliches gedicht ist es nicht nur weil du versucht hast den einzelnen satzabschnitten durch die gliederung mehr ausdruck zu verleihen.


freundliche grüsse heike
 
melusine,

allerdingse...haben stimme wie ochse und kuh wenn sie mache gemeinsam muh...

oha, tut echt weh!

willste die stimme ma hör'n? netter reim, macht spaß einfach mal über anspruchloses zu kichern mel.

güssle heike
 
D

dockanay

Gast
lieber kynchen,

als wären deine worte geschrieben für das vergessen, immer vor dem leben und immer nach dem tod des augenblicks. man müsste verrückt sein und reich, um ein gedicht aus blanker freude zu schreiben. jedes gedicht eine träne, scherben: ich...
nie sind frauen ferner als beim schreiben von gedichten, nie die schreie im kopf zwingender, unter der haut eine bodenlose einsamkeit. immer ist die welt stärker, das leben ärmer als ein gedicht, wenn die seele, dieses körnchen bewusstsein, versteinert hinterm herzen, wenn sie knirscht unter der eisschicht des todes, das lese ich zumindest aus deinen versen...


und jetzt warte ich auf morgen
wenn die sehnsucht zu mir kommt

die dame freiheit, das junge mädchen fantasie

kostbar wie der wein und gratis wie die traurigkeit
mit einer wolke von zweifeln und von schönheit


ein in seiner eigenwilligkeit, seinem rhythmus und auch in seiner tragenden melodie gut gelunges gedicht. ich habe gegen ende schwerer geatmet...

lg dockanay
 

knychen

Mitglied
hallo heike und hallo ismail,
tut mir leid, daß ich so überhaupt nicht auf eure meinung zu diesem gedicht reagiert habe. es lag ja auch sieben monate brach ohne wortmeldung. und erst seit kurzem macht es mir wieder spaß, zu schreiben. weil der kopf leer geräumt werden muss. gern hätte ich auch noch erfahren, WAS zeder da ausgeblendet hat, aber es ist irgendwie nicht erreichbar.
das gedicht entstand nach einer phase des streites, der im endeffekt sehr reinigend war. das zusammengehörigkeitsgefühl, daß dadurch entstanden ist, wollte ich in bilder zwingen. wie es scheint, ist es ein wenig gelungen.
danke für die meinungen. sie helfen, die richtige linie zu finden.
gruß aus berlin. knychen
 
B

bonanza

Gast
sehr sehr schönes bild - das relief zweier liebender.
das innerliche entrücken nach dem akt, nicht wegrücken.

die pointe am schluß ist mir zu gekünstelt.

bon.
 
M

Melusine

Gast
Hallo Knychen,
schön!
Gut, dass Heike das aus den Tiefen der Lupe hervorgeholt hat - ein Prosagedicht, das es wahrhaftig verdient, Beachtung zu finden.
Wunderbar hast du das beschrieben, diesen verzauberten Moment inniger Vertrautheit, zugleich träumerischer Entrücktheit, dann das prosaische Ende, das den träumenden Liebenden wieder auf die Erde zurück holt, zugleich aber auch eine Art von Intimität offenbart, wie sie nur in einer vertrauten Beziehung entsteht.

Den Schluss finde ich zwar nicht gerade gekünstelt, wie bon meint, aber er befriedigt mich auch nicht so recht. Eventuell würde ich die letzte Strophe einfach weglassen, was meinst du?

Ach, und:
"Brust an Rücken
Hintern am Bauch"
- da gefiele mir "Hintern an Bauch" besser. Ist aber nicht wichtig.

LG Mel

(P.S.: Heikes ausgeblendeter Komm. war offenbar irrtümlich hier gepostet, der gehört zu einem anderen Thread.)
 
B

bonanza

Gast
also wenn das nicht gekünstelt ist, dass der frau
im bad ein glas runter fällt, und dann der doofe
satz, den sie sagt: "scherben bringen glück" -
was ist dann manieriert?

bon.
 
M

Melusine

Gast
Na, ich weiß nicht, bon. Es könnte sich meines Erachtens wirklich so zugetragen haben. Sie ist müde, ein bisschen schusselig. Vielleicht denkt sie an den Sex zurück. Oder an den Streit, den Knychen in seinem Kommentar erwähnt.
Worin ich dir beipflichte ist, dass es als Schluss des Gedichts nicht so gut wirkt. Aber manieriert finde ich es nicht.
 

knychen

Mitglied
ihr beiden streithähne.
danke für die diskussion und als ausweg aus der misere biete ich folgende variante an:
wie schon erwähnt (nur halt in dem text nicht) ging da ein streit voraus. mit allem drum und dran. "scherben bringen glück" sagt sie nach dem kommen, wobei das kommen ja auch anders gemeint sein kann. steht aber nur irgendwo zwischen den zeilen.
gruß knychen
 
M

Melusine

Gast
Ooohhh. Daran hatte ich noch garnicht gedacht, knychen. Dann musst du denn Schluss natürlich so stehen lassen! :)

Mel

P.S.: Ich streite ja gar nicht. bon streitet. *gg*
 



 
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