Scherbenhaufen

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Maii.ee

Mitglied
Es läuten die Turmglocken. Ganze Sechsmal ist das dumpfe Glockenläuten vom Marktplatz zu hören. Fu?r Laila ist dies das Zeichen aufzustehen. Es fällt ihr nicht schwer, denn sie war eine weitere Nacht durchgehend wach. Es waren wieder Bauchschmerzen, die sie plagten. Trotzdem lag sie ganz stumm und bewegungslos im Bett. Die einzige Bewegung, die man sah, war das auf und ab Bewegen ihrer Rippen. Manchmal hörte man ihr leises Atmen. Es klang so rein und unschuldig.

Laila schlu?pft in ihre Hausschuhe und schleppt sich vor den Spiegel. Sie schaut sich an, beobachtet jedes kleine Detail an ihrem Körper. Ihr Blick ist so leer und klar wie ein stilles Meer. Alles wirkt so zeitlos.

Doch in ihrem Kopf spielen die Gedanken wieder verru?ckt. Es erscheinen Tausende Bilder von jeglichen Albträumen. Immer wieder sieht sie sich selbst zerbrochen am Boden liegen, als wäre sie ein großer Scherbenhaufen. Zerbrochen an sich selbst. Zerbrochen am ständigen Schweigen.

Laila redet sich ein, dass es ihr gut geht. Doch eigentlich fu?hlt sie sich einsam. So einsam, wie ein einzelner Fels der mitten im Meer herumliegt. Es ist nicht so als hätte Laila niemanden, ihr fällt es nur sehr schwer anderen Menschen ihre Gedanken zu offenbaren. Jedes Mal, wenn sie kurz davor ist, sich jemandem anzuvertrauen, erklingen Stimmen in ihren Kopf. „Sie werden alle falsch von dir denken. Du willst sie doch nicht enttäuschen. Hör auf andere Menschen damit zu belästigen.“

Ihre eigene Angst jemanden zu enttäuschen, bringt sie zum Schweigen. Diese Einsamkeit fu?hrt dazu, dass sie ihren ganzen Kummer in sich hineinfrisst. Doch sie merkt es nicht. Fu?r sie ist es normal ihre Probleme fu?r sich zu behalten und damit klarzukommen. Denn das zeigt fu?r Stärke und wenn niemand von ihren Problemen was weiß, kann sie auch niemanden enttäuschen.
Jedoch gleicht jedes Problem einer einzelnen Glasscherbe. Ihre Oberfläche ist glatt und definiert. Doch ihre Ränder sind grob, unregelmäßig und scharfkantig. Man könnte sich jederzeit an ihr schneiden. Mit jedem Problem, das Leila herunterschluckt, schluckt sie auch eine Scherbe herunter.

Man spu?rt das Kratzen, das sich vom Hals bis in den Magen zieht. Der Schmerz ist gewaltig doch nur von kurzer Dauer. Der Körper ist anfangs noch sehr resistent und stark. Nach einigen Tagen ist schon wieder Platz fu?r ein neues Problem. Doch man sollte wissen, wann genug ist. Denn wenn niemand was unternimmt um die Scherben zu entfernen, bleiben sie im Magen liegen. Der Scherbenhaufen wächst und wächst, so wie Lailas Sorgen und Probleme. Doch wie lange kann Lailas Körper diesen Schmerz aushalten?

Laila muss aus ihrem Pakt des Schweigens ausbrechen. Sie braucht unbedingt Hilfe. Eine normale Person, zum Reden wu?rde schon helfen. Doch Laila ist blind und naiv. Denkt immer noch sie kann alleine mit ihren Problemen umgehen. Glaubt fest daran, alles unter Kontrolle zu haben. Jeder Schmerz, den sie empfindet, ist fu?r sie nur eine Illusion den sie ignorieren muss, damit er verschwindet.

Die Probleme und Sorgen werden immer mehr. Der Scherbenhaufen in ihr wächst. Jede neue Glasscherbe ist noch schwerer, noch schärfer. Ihr Hals trägt zahlreiche Narben und offene Wunden. Ihr Körper hat keine Kraft und Zeit mehr die Wunden zu flicken. Schon einige Adern wurden von den Scherben aufgeschlitzt. Blut fließt hinunter zum Magen, wo sich der ganze Haufen sammelt. Das ganze Blut und die Scherben werden viel zu schwer. Der Körper kann nicht mehr dagegen ankämpfen. Er hat keinen Platz mehr auszuweichen. Er ist kurz davor aufzugeben. Doch Laila guckt sich immer noch im Spiegel an, beobachtet jedes Detail an ihrem Körper. Ihr Blick ist so leer und klar wie ein stilles Meer. Alles wirkt so zeitlos.

Doch plötzlich läuft die Zeit rasend weiter. Lailas Bauch fängt wieder an zu schmerzen. Und es scheint, so als wu?rde in ihr der Haufen zusammenbrechen. Der Magen ist zu beschädigt und schwach, er kann es nicht mehr halten. Die Magenwand reißt auf. Das Blut strömt aus dem Körper, die Scherben fallen auf dem Boden. Der ganze Körper fu?hlt sich an wie ein Höllenfeuer, es brennt und schmerzt. Es ist vorbei, der Kampf war verloren. Die Last der Scherben hat den Körper, sowie den Geist von Laila zerstört. Übrig blieb nur eine leere, zerschlitzte Hu?lle.
Laila fängt an zu schreien, endlich gibt sie eine Reaktion von sich. Ihre Augen sind nun gefu?llt voller Tränen und ihr Atem ist hektisch. Ihre Mutter hört den Schrei und öffnet besorgt die Zimmertu?r.
„Was ist passiert?“, fragt sie.

Und Laila begann endlich zu reden.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Maii.ee, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Ralph Ronneberger

Redakteur in diesem Forum
 

ariel

Mitglied
Hallo Maii.ee,

mir ist eine Kleinigkeit, wohl Tippfehler, in Deinem Text aufgefallen.


Es läuten die Turmglocken. Ganze Sechsmal ist das dumpfe Glockenläuten vom Marktplatz zu hören. Fu?r Laila ist dies das Zeichen aufzustehen. Es fällt ihr nicht schwer, denn sie war eine weitere Nacht durchgehend wach. Es waren wieder Bauchschmerzen, die sie plagten. Trotzdem lag sie ganz stumm und bewegungslos im Bett. Die einzige Bewegung, die man sah, war das auf und ab Bewegen ihrer Rippen. Manchmal hörte man ihr leises Atmen. Es klang so rein und unschuldig.

Laila schlu?pft in ihre Hausschuhe und schleppt sich vor den Spiegel. Sie schaut sich an, beobachtet jedes kleine Detail an ihrem Körper. Ihr Blick ist so leer und klar wie ein stilles Meer. Alles wirkt so zeitlos.

Doch in ihrem Kopf spielen die Gedanken wieder verru?ckt. Es erscheinen Tausende Bilder von jeglichen Albträumen. Immer wieder sieht sie sich selbst zerbrochen am Boden liegen, als wäre sie ein großer Scherbenhaufen. Zerbrochen an sich selbst. Zerbrochen am ständigen Schweigen.

Laila redet sich ein, dass es ihr gut geht. Doch eigentlich fu?hlt sie sich einsam. So einsam, wie ein einzelner Fels der mitten im Meer herumliegt. Es ist nicht so als hätte Laila niemanden, ihr fällt es nur sehr schwer anderen Menschen ihre Gedanken zu offenbaren. Jedes Mal, wenn sie kurz davor ist, sich jemandem anzuvertrauen, erklingen Stimmen in ihren Kopf. „Sie werden alle falsch von dir denken. Du willst sie doch nicht enttäuschen. Hör auf andere Menschen damit zu belästigen.“

Ihre eigene Angst jemanden zu enttäuschen, bringt sie zum Schweigen. Diese Einsamkeit fu?hrt dazu, dass sie ihren ganzen Kummer in sich hineinfrisst. Doch sie merkt es nicht. Fu?r sie ist es normal ihre Probleme fu?r sich zu behalten und damit klarzukommen. Denn das [red]zeigt fu?r Stärke[/red] (vielleicht meinst Du "zeugt von" Stärke ?) und wenn niemand von ihren Problemen was weiß, kann sie auch niemanden enttäuschen.
Jedoch gleicht jedes Problem einer einzelnen Glasscherbe. Ihre Oberfläche ist glatt und definiert. Doch ihre Ränder sind grob, unregelmäßig und scharfkantig. Man könnte sich jederzeit an ihr schneiden. Mit jedem Problem, das Leila herunterschluckt, schluckt sie auch eine Scherbe herunter.

Man spu?rt das Kratzen, das sich vom Hals bis in den Magen zieht. Der Schmerz ist gewaltig doch nur von kurzer Dauer. Der Körper ist anfangs noch sehr resistent und stark. Nach einigen Tagen ist schon wieder Platz fu?r ein neues Problem. Doch man sollte wissen, wann genug ist. Denn wenn niemand was unternimmt um die Scherben zu entfernen, bleiben sie im Magen liegen. Der Scherbenhaufen wächst und wächst, so wie Lailas Sorgen und Probleme. Doch wie lange kann Lailas Körper diesen Schmerz aushalten?

Laila muss aus ihrem Pakt des Schweigens ausbrechen. Sie braucht unbedingt Hilfe. Eine normale Person, zum Reden wu?rde schon helfen. Doch Laila ist blind und naiv. Denkt immer noch sie kann alleine mit ihren Problemen umgehen. Glaubt fest daran, alles unter Kontrolle zu haben. Jeder Schmerz, den sie empfindet, ist fu?r sie nur eine Illusion den sie ignorieren muss, damit er verschwindet.

Die Probleme und Sorgen werden immer mehr. Der Scherbenhaufen in ihr wächst. Jede neue Glasscherbe ist noch schwerer, noch schärfer. Ihr Hals trägt zahlreiche Narben und offene Wunden. Ihr Körper hat keine Kraft und Zeit mehr die Wunden zu flicken. Schon einige Adern wurden von den Scherben aufgeschlitzt. Blut fließt hinunter zum Magen, wo sich der ganze Haufen sammelt. Das ganze Blut und die Scherben werden viel zu schwer. Der Körper kann nicht mehr dagegen ankämpfen. Er hat keinen Platz mehr auszuweichen. Er ist kurz davor aufzugeben. Doch Laila guckt sich immer noch im Spiegel an, beobachtet jedes Detail an ihrem Körper. Ihr Blick ist so leer und klar wie ein stilles Meer. Alles wirkt so zeitlos.

Doch plötzlich läuft die Zeit rasend weiter. Lailas Bauch fängt wieder an zu schmerzen. Und es scheint, so als wu?rde in ihr der Haufen zusammenbrechen. Der Magen ist zu beschädigt und schwach, er kann es nicht mehr halten. Die Magenwand reißt auf. Das Blut strömt aus dem Körper, die Scherben fallen auf dem Boden. Der ganze Körper fu?hlt sich an wie ein Höllenfeuer, es brennt und schmerzt. Es ist vorbei, der Kampf war verloren. Die Last der Scherben hat den Körper, sowie den Geist von Laila zerstört. Übrig blieb nur eine leere, zerschlitzte Hu?lle.
Laila fängt an zu schreien, endlich gibt sie eine Reaktion von sich. Ihre Augen sind nun gefu?llt voller Tränen und ihr Atem ist hektisch. Ihre Mutter hört den Schrei und öffnet besorgt die Zimmertu?r.
„Was ist passiert?“, fragt sie.

Und Laila begann endlich zu reden.
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Mir gefällt, wie Du die Problematik beschreibst.

Viele Grüße
Ariel
 



 
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