Schicksalhafte Begegnung - Teil 1 von 5

visco

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Schicksalhafte Begegnung

Teil 1 von 5​

Das Haus war riesig. Sie stand inmitten der weitläufigen Eingangshalle mit dem schachbrettartigen Fußboden aus schwarzen und weißen Fliesen und sah den breiten Treppenaufgang hinauf, der ebenso bedrohlich wirkte wie der lange Flur, durch den sie gekommen sein mochte, und dessen Ende sich im Dunkel verlor. Gegenüber der mächtige Haupteingang, eingesäumt von zwei hohen Marmorsäulen und mit einem gläsernen Rundbogen als oberem Abschluß. Die Scheiben waren schwarz, als ob eine mondlose Nacht den Blick auf den Himmel verwehrte.

Um sie herum war es völlig still. Das Haus schlief. Sie wandte sich den gigantisch hohen Türen zu und öffnete eine von ihnen. Vorsichtig trat sie in die nur spärlich beleuchtete Umgebung hinaus und sah sich um. Die wenigen Fackeln an den Wänden tauchten das niedrige Gewölbe in ein geisterhaftes Zwielicht, dessen durch moosbewachsene Felsbrocken verengter Gang schon nach wenigen Metern steil hinab ins Höhleninnere führte.

Angestrengt lauschte sie in den Schlund hinein, und ihr war, als vernahm sie das mehrfach überlagerte Echo eines heimlichen Flüsterns, das sich von ihr entfernte, bis es plötzlich vollends verstummte.

Es dauerte eine Weile, bis sich ihre Augen an die geringen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten und sie mit geschärftem Blick nun selbstbewußter ihre Suche aufnehmen konnte. Entschlossen folgte sie dem Gang immer weiter abwärts und auf die Stimmen zu, die sie in letzter Zeit immer häufiger heimsuchten. Im Geiste ließ sie dabei ein hinter ihrem Rücken geführtes, imaginäres Gespräch zwischen Jason und Lydia Revue passieren, bei dem sich diese gegenseitig und äußerst indiskret von Geheimnissen berichteten, die sie jeweils dem anderen anvertraut hatte, um anschließend in schallendes Gelächter auszubrechen.

Ab einer gewissen Tiefe wirkte das bis dahin lehmfarbene Gestein massiver und kompakter. Am Ende des langen Abstiegs blickte sie in die eindrucksvoll große aber menschenleere Halle hinab, deren sandiger Boden gute dreißig Meter tiefer lag. Die Wände waren von Klüften und Spalten überzogen, und aus der Ferne kündigte bereits ein leises Plätschern eine weitere Entdeckung an.

Von oben hatte sie bereits mehrere horizontale Gänge ausmachen können, für die die Halle offenbar den Ausgangspunkt bildete. Unten angekommen stieß sie noch auf weitere, deren glatte Wände Spuren der mechanischen Schleifwirkung des Wassers zeigten. Im hinteren Teil der großen Halle fand sie schließlich den Verursacher des stetigen Plätscherns: einen mächtigen, freistehenden Steinbrunnen, der ein graues Marmorbecken trug. An der nahen Wand loderte eine Fackel gleich neben einer dort eingelassenen Bronzetafel. Neugierig ging sie um den Brunnen herum und las sich mit leiser Stimme deren Aufschrift vor:

Die Sterne stehen vollzählig hoch über dir im Firmament,
Der ans Becken tritt und daraus schöpft sie nur erkennt.
Das ewig wache Geplätscher verrät, daß du bist nicht einsam hier.
Fern im Sternenschimmer gehe ich und bin schon auf dem Weg zu dir.

(Anmerkung: Gedicht angelehnt an "Der alte Brunnen" von Hans Carossa)

Ihre Nackenhaare richteten sich auf, und ein instinktives Unbehagen überkam sie, als ob ihr Innerstes sie warnen wollte.

Irritiert von der rätselhaften Aufschrift wandte sie sich um und blickte nach oben. Zwei in der Höhlenfirste erkennbare parallel verlaufende Klüfte wirkten wie eine Leitlinie für die räumliche Entwicklung der Halle. Teile des Höhlendaches, die zwischen diesen Klüften herabgefallen sein mochten, ließen die ebene Firste einen gleichsam künstlichen Eindruck vermitteln, und vom entfernten Ende schien ein bläulicher Schimmer des Tageslichts hereinzudringen. Sterne vermochte sie jedoch keine auszumachen, auch nichts, das man im übertragenen Sinne dafür hätte halten können.

Also tat sie wie in der Aufschrift geheißen und trat an das große Marmorbecken heran. Sie sah in das darin angesammelte klare Wasser, fuhr mit der flachen Hand hindurch und ließ das kalte Naß langsam aus der hohlen Hand zurück ins Becken fließen. Doch so aufmerksam sie die kleinen Wellen mit dem Blick auch verfolgte, so konnte sie einfach keine ungewöhnlichen Reflektionen darin erkennen. Als auch eine Wiederholung dieses Rituals erfolglos blieb, setzte sie ernüchtert aber auch ein wenig erleichtert ihre Suche nach den rätselhaften Stimmen fort.

Durch den nächstgelegenen Gang gelangte sie nach kurzem Fußmarsch in eine weitere, jedoch deutlich kleinere Halle, in der das Plätschern des entfernten Brunnens durch den vielfachen Wiederhall wie das Rauschen eines unterirdischen Baches klang. Hinter einem engen Spalt linker Hand führte ein weiterer Gang noch tiefer abwärts. Sie lugte vorsichtig hinein und überlegte einen Augenblick, doch dann entschied sie sich, dem eisernen Treppenaufgang zu folgen, der auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs durch eine schmale Kluft in der Hallendecke einen raschen Aufstieg ermöglichte.

Nach dem fünften Absatz hatte sie bereits neunzig Stufen gezählt, und ohne eine Verschnaufpause einzulegen bewältigte sie auch die restlichen steilen Treppen völlig mühelos. Die Wände hatten inzwischen einen sandsteinfarbenen Ton angenommen, und die niedrige Decke der Kammer, in der der Treppenaufgang endete, ließ sie unwillkürlich, wenn auch unnötigerweise den Kopf einziehen. Von draußen drang Tageslicht wie ein gleißend heller Strahl hinein und ließ den sandigen Boden vor dem Ausgang förmlich aufleuchten, so daß sie geblendet die Hand schützend vor die Augen halten mußte, während sie hinaus ins Freie trat.

Dort erwartete sie ein überwältigender Anblick. Blinzelnd sah sie vom Grunde eines schluchtartig tiefen Erdfalles an dessen efeubehängten Felswänden hoch, die sich bis zum Himmel zu erstrecken schienen. Die plötzliche Wärme rief bei ihr eine Gänsehaut hervor, und nach der Kühle im Inneren der Höhle genoß sie das angenehme Kribbeln, das die sommerlich warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut ausgelöst hatten.

Von außen war der etwas tiefer gelegene Zugang zur Kammer kaum zu erkennen. Der sichtbare Teil der halbrunden Öffnung konnte aus einiger Entfernung leicht für den Schatten des darüberliegenden und etwas vorstehenden Felsbrockens gehalten werden.

Angetrieben von einem unbändigen Verlangen setzte sie ihren Weg fort. Sie entschied sich für eine Richtung und folgte dem Verlauf der Schlucht. Dabei ließ sie ihren Blick entlang der malerisch bewachsenen Felsen schweifen, die trotz ihrer Unüberwindbarkeit nicht bedrohlich sondern eher romantisch wirkten.

An der zunehmenden Enge seit der letzten Biegung ließ sich das Ende der Schlucht erahnen. An der engsten Stelle der spitz zusammenlaufenden Felswände, als sie mit ausgestreckten Armen schon beide Wände hätte berühren können, vereinigten sich die massiv steinernen Barrieren in einer meterhohen Steinfalte. Erst bei näherem Hinsehen entdeckte sie darin einen weiteren Eingang zur Höhle. Die Felsspalte war allerdings so schmal, daß sie sich regelrecht hindurchzwängen mußte.

Drinnen war es viel dunkler als sie erwartet hatte. Vorsichtig tastete sie sich an der kalten Felswand entlang, um auf dem abschüssigen Steinboden nicht sofort auszurutschen und schlidderte langsam den sich immer weiter verengenden Gang hinab, der schließlich in einen breiteren mündete, welcher quer zum Zugang verlief. Aus einer Bodenöffnung rechter Hand, die von einem Geländer umgeben war, drang Licht wie aus einem Scheinwerfer aus der Tiefe empor und warf einen fast runden, blassen Fleck an die niedrige Höhlendecke.

In der entgegengesetzten Richtung war erst in einiger Entfernung eine Fackel zu erkennen, die den weiteren Verlauf des Gangs nur erahnen ließ. Neugierig wandte sie sich der Öffnung zu, von der ein dumpfes Summen ausging, um sie näher in Augenschein zu nehmen. Kurzentschlossen kletterte sie über das Geländer und stieg an der innenseitig befestigten Leiter hinab.

Der senkrechte Abstieg endete nach etwa zwanzig Metern in einem Raum, der hell erleuchtet und vollständig weiß gefliest war. Mit seinen Apparaturen und Bildschirmen, deren Summen durch den Schacht nach oben hallte, wirkte er wie eine Art Kontrollraum. Verdutzt war sie an der Leiter stehengeblieben, als sich auch schon eine der beiden blauen Türen öffnete und eine blonde Frau mit weißem Kittel hereinkam, die einen Kaffeebecher in der Hand und eine Mappe mit Unterlagen unter dem Arm geklemmt hielt.

Erschrocken fuhr die Frau zusammen, als sie den Eindringling erblickte, und einige Blätter, die sich aus der unachtsam gehaltenen Mappe gelöst hatten, segelten in verschiedene Richtungen zu Boden.

»Tut mir wirklich leid, ...ich wollte sie nicht erschrecken«, entschuldigte sich Vivian und begann sofort, einige der Blätter vom Boden aufzulesen.

»Zugang nur für Personal!« zitierte die Frau mit verärgerter Stimme, während sie sich hastig der Tasse und der Mappe unter ihrem Arm entledigte. »Haben Sie denn das Schild nicht gesehen?«

»Nein, ... um ehrlich zu sein, ... ich habe kein Schild gesehen«, gab sich Vivian unschuldig und hielt ihr die eingesammelten Blätter hin. »Was ist das hier?« fragte sie dann, während sie sich neugierig umblickte.

»Das ist die Leitstelle Vierzehn, Sektion Alpha, ... und sie sollten überhaupt nicht hier sein«, antwortete die Frau im weißen Kittel schulmeisterhaft und riß ihr die Unterlagen förmlich aus der Hand. »Wie sind Sie eigentlich hier ...?«

Sie beendete ihre Frage nicht, als Vivian wortlos auf die Leiter hinter sich zeigte. Der Gesichtsausdruck der Ärztin oder Wissenschaftlerin verriet, daß sie sich die Antwort auch selber hätte geben können.

»Vivian Bellings«, stellte sich die ungebetene Besucherin dann lächelnd und mit ausgestreckter Hand vor.

»Sehr interessant«, gab die Angesprochene nüchtern zurück und griff in die Außentasche ihres Kittels, um einen flachen, länglichen Gegenstand herauszuholen, der entfernt an eine Fernbedienung erinnerte. »Seien Sie ein artiges Mädchen und bleiben demnächst bitte auf den ausgewiesenen Wegen. In Ordnung?«

Noch ehe Vivian etwas erwidern konnte, um die misteriöse Frau von dem Gebrauch der Steuereinheit in ihrer Hand abzuhalten, hatte diese bereits auf eine der Tasten gedrückt, und im nächsten Moment durchzuckte ein gleißender Lichtblitz den Raum, daß Vivian sich schützend die Hände vor die instinktiv zugekniffenen Augen halten mußte. Bunte Lichtkegel formten sich aus der Helligkeit, tanzten und kreisten um sie herum, bis sie schließlich ihren Körper ergriffen und diesen mit sich rissen.

Sie lehnte sich nicht dagegen auf. Sie wußte aus Erfahrung, daß dieser Vorgang unumkehrbar war, und so unternahm sie erst gar keinen Versuch.

Als sie erwachte, trat die Realität mit bitterer Grausamkeit an die Stelle ihrer Wahrnehmung. Sie war wieder zurück, ganz alleine in ihrer etwa zwei an drei Meter großen Einzelzelle und isoliert von den anderen inhaftierten Frauen, da sie laut Erklärung einer der Sicherheitsbeamten unter Bundes- und nicht unter Bezirksrecht fiel. Sie mußte an Jason denken, dem es zur Zeit wohl ähnlich erging, seit man auch ihn verhaftet hatte, und unweigerlich brach sie in Tränen aus. Keiner von ihnen war in der Lage, dem anderen in dieser Situation beizustehen, obwohl er dessen Unterstützung gerade jetzt am dringendsten gebraucht hätte. Sie redete sich ein, daß sie nun Kraft haben müsse und lenkte sich ab, in dem sie zum x-ten Mal und am ganzen Leibe zitternd die Eisenstäbe und Querverstrebungen ihres Verlieses zählte.


- Ende von Teil 1 -
 

visco

Mitglied
Schicksalhafte Begegnung

Hallo allerseits!

"Nicht schon wieder einer Traumgeschichte!" mögen einige von euch denken, aber so ist es auch gar nicht. Die Geschichte beginnt zwar mit einem Traumerlebnis, aber die eigentliche Handlung (ab Teil 2) ist - sehr zum Leidwesen der Figur "Vivian" - äußerst real. Ihre Ähnlichkeit zu einer vermißten jungen Frau läßt sie zum Opfer einer Intrige werden, zu der sie aufgrund bestimmter Umstände sogar ihre Einwilligung gibt, ohne dabei jedoch die Folgen in vollem Umfang zu bedenken.

Bitte posted eure Meinung! Es ist mir wichtig zu erfahren, was ihr von der Story, dem Schreibstil, etc. haltet.

Viele Grüße,
Viktoria.
 
E

ElsaLaska

Gast
hallo erstmal, visco,

ich muss gestehen, der erste teil trifft meinen geschmack nicht. ich komme mir vor, als sei ich in ein videospiel oder pc-game geraten. das ist mir schon bei so manchen texten passiert, und aus mir selbst nicht ganz bekannten gründen empfinde ich das dann als nicht besonders interessant.
ich schaue aber auf jeden fall nochmal in den zweiten teil rein.
übrigens: tolle kritik zu flammarions "schrecklicher tag".
beste grüsse
elsa
 

visco

Mitglied
Elsas Antwort

Hallo Elsa!

Vielen Dank für deine Antwort. Erst jetzt, wo du es erwähnst, fällt mir die mögliche, wenngleich unbeabsichtigte Assoziation mit einem derzeit in den Kinos laufendem Film auf (hab´ weder das Spiel gespielt noch den Film gesehen).
Möglicherweise ist der Anfang etwas unglücklich gewählt. Er sollte Spannung erzeugen, aber offenbar habe ich das Gegenteil erreicht.
Bei meiner nächsten Geschichte werde ich deinen Hinweis berücksichtigen.

Hoffentlich gefällt dir der Rest der Geschichte besser. Falls nicht, sei so lieb und sag´ mir, woran es gehapert hat.


Vielen Dank für dein Lob zu meiner Kritik an flammarions Beitrag. Ich hoffe aufrichtig, ich habe ihm/ihr nicht zu sehr auf die Füße getreten.

Viele Grüße,
Viktoria.
 
E

ElsaLaska

Gast
hallo visco,

nein, ich fand den anfang nicht besonders spannend, aber das mag ein anderer hier anders empfinden. viel spannender hätte ich es z.b. gefunden, wenn ich gleich erfahren hätte, dass deine heldin im gefängnis sitzt, und plötzlich, allen gitterstäben zum trotz quasi eine mysteriöse expedition startet. dann hätte ich drüber nachgedacht, was das soll und ob es sich nun um einen traum handelt oder eine vision und wieso die heldin sich überhaupt in derart misslichen lagen wiederfindet.
ein erzählstil ist nicht unbedingt schlecht, daran liegt es nicht. ich denke, es ist ein problem des aufbaus. wobei mich sätze wie dieser :
Die Scheiben waren schwarz, als ob eine mondlose Nacht den Blick auf den Himmel verwehrte.
allerdings ein wenig langweilen. dann lass sie doch einfach schwarz sein. die "mondlose nacht" ist doch ziemlich abgegriffen.
unangenehm aufgefallen ist mir auch das gedicht am brunnen. das kannst du meines erachtens so nicht stehenlassen! aber vielleicht hören wir andere stimmen dazu.
ich lese auf jeden fall teil 2, da ich merke, dass du an einer ehrlichen meinung interesse hast.
liebe grüsse
elsa
 

visco

Mitglied
Elsas 2. Antwort

Hallo Elsa!

Natürlich bin ich an einer ehrlichen Meinung interessiert. Alles andere würde mir wohl kaum weiterhelfen.

Bezüglich des Gedichts war mir wichtig, daß die Anspielung auf Hans Carossas "Der Brunnen" überhaupt auffällt; das sollte mithilfe einzelner Elemente erreicht werden.
Während die beiden in der Geschichte verwendeten Zitate auch als solche gekennzeichnet sind, wußte ich mir bei dem Brunnen zunächst nicht anders zu helfen als es deutlich abzusetzen. Ich hätte mir wohl mehr Gedanken darüber machen sollen.
Für deinen Hinweis bin ich entsprechend dankbar und werde umgehend eine Anmerkung als Fußnote ergänzen.
Bitte laß´ mich wissen, falls du der Meinung bist, daß dies nicht genügt.

Auf was genau bezieht sich dein Hinweis: "es ist ein problem des aufbaus"? - Sätze oder Geschichte?

Viele Grüße,
Viktoria.
 

visco

Mitglied
ergänzte Anmerkung

Hallo Elsa!

Statt einer Fußnote habe ich die angesprochene Anmerkung direkt im Anschluß an das Gedicht ergänzt.

Viele Grüße,
Viktoria.
 
E

ElsaLaska

Gast
visco, ich kenne das gedicht nicht,

auch wenn du noch so viele anmerkungen machst:D
mich störten lediglich in zeile 2 und 3 die gezwungen wirkenden wortstellungen, aber vielleicht ist das im original ja auch so....

es geht natürlich um den aufbau. die traumsequenz würde ich nicht als DIREKTE einführung benutzen.
teil 2, den ich mittlerweile gelesen habe, und den ich dort nochmal kritisieren werde, spielt ja im gefängnis und in der hauptsache im gerichtssaal. auch hier könntest du noch in einer vision oder einen tagtraum die ursprünglich anfangs-sequenz einbauen. allerdings berücksichtige bitte meinen derzeitigen wissensstand. ich kann dir natürlich erst konkrete vorschläge machen, wenn ich alles gelesen habe, da ich ja noch nicht weiss,auf was du abzielst.
beste grüsse
elsa
 

visco

Mitglied
"Der alte Brunnen" von Hans Carossa

Hi Elsa!

Da du das Gedicht von Hans Carossa nicht kennst, dachte ich, es interessiert dich vielleicht.
Hier ist es:

Der alte Brunnen

Lösch aus dein Licht und schlaf! Das immer wache
Geplätscher nur vom alten Brunnen tönt.
Wer aber Gast war unter meinem Dache,
Hat sich stets bald an diesen Ton gewöhnt.

Zwar kann es einmal sein, wenn du schon mitten
Im Traume bist, daß Unruh geht ums Haus,
Der Kies beim Brunnen knirscht von harten Tritten,
Das helle Plätschern setzt auf einmal aus,

Und du erwachst, - dann mußt du nicht erschrecken!
Die Sterne stehn vollzählig überm Land,
Und nur ein Wandrer trat ans Marmorbecken,
Der schöpft vom Brunnen mit der hohlen Hand.

Er geht gleich weiter. Und es rauscht wie immer.
O freue dich, du bleibst nicht einsam hier.
Viel Wandrer gehen fern im Sternenschimmer,
Und mancher noch ist auf dem Weg zu dir.
Hans Carossa (1878-1956)


Freue mich schon auf deine Kritik zu einem oder mehreren der anderen Teile. Wäre natürlich super, wenn du Zeit und Lust hättest, das Ganze zu lesen. Immerhin wird erst im Zusammenhang verschiedenes andere klar, denke ich.

Liebe Grüße,
Viktoria.
 

Roberpropp

Mitglied
Carossa-Gedicht

Kleiner Tipp wegen des Gedichtes: Am guenstigsten faehrst du, wenn du die handelnde Person das Gedicht erkennen laesst ("Sie kannte die Zeilen... sie hatte sie etc. usw.). Dann muesstest du allerdings auf das Original zurueckgreifen oder aber die Veraenderungen erklaeren. Was vermutlich sowieso ratsam waere...

Schoenen Tag wuenscht
Robert
 

visco

Mitglied
Roberts Antwort

Hallo Robert!

Hm, so langsam gewinne ich den Eindruck, daß diese gesamte Höhlenszene irgendwie doch keine so gute Idee war. Zumindest ist sie zu lang und an der falschen Stelle (danke, Elsa ;)).
Den Grundgedanken, Vivians späteres Schicksal durch eine etwas unheimliche Vorahnung ankündigen zu lassen, möchte ich dennoch nicht verwerfen. Dabei bietet die Höhle - neben ihrer Symbolik - zwei wichtige Aspekte: zum einen wird auf das Gemälde verwiesen, vor dem die "schicksalhafte Begegnung" stattfindet (vgl. Teil 4, im Museum), und zum anderen steht deren Erforschung für Vivians verzweifelten Versuch, in sich selbst eine Erklärung für das Unbegreifliche zu finden.
Die Höhle alleine macht meiner Ansicht nach aber die Vorahnung nicht deutlich genug. Eine Botschaft, die ohne Zweifel nicht von ihr selber stammt, soll das ermöglichen ("Fern im Sternenschimmer gehe ich und bin schon auf dem Weg zu dir").
Lydia imponiert Vivian mit Zitaten (Jean Paul, Shakespeare), so daß man (hoffentlich unweigerlich) vermutet, daß Vivian auch das Gedicht von Lydia kennt - es allerdings an ihre Verzweiflung angepaßt verfremdet.
(Nur am Rande: Vivians Wiedergabe eines anderen Zitats ist zwar korrekt, nicht jedoch der Zitatgeber, den Lydia ihrer Erinnerung nach mit Jean-Paul "Sartre" bezeichnet haben soll. Es ist unwahrscheinlich, daß jemand, der Shakespeare rezitieren kann, den falschen Zitatgeber nennt.)
Zwei Begriffen in dem Gedicht kommt eine besondere Bedeutung zu: (1) "schöpfen" und (2) "Sternenschimmer". (1) Nur wer den Mut aufbringt, sich der Wahrheit zu stellen, wird sie auch erkennen. (2) Diese Wahrheit beinhaltet allerdings, daß sie nicht zu verhindern ist (die Sterne sind unerreichbar).
Wie du siehst, habe ich mir schon ein Menge dabei gedacht. Leider hat die Umsetzung nicht die gewünschte Wirkung erzielt.
Auf jeden Fall vielen Dank für deine Hinweise.

Viele Grüße,
Viktoria.
 
E

ElsaLaska

Gast
hallo vic,

du hast dir wirklich eine menge dabei gedacht, und das bewerte ich als gut.
allerdings, wenn es nicht ankommt beim leser, hilft alles nichts.
ich werde das ganze jetzt nochmal ausgiebig auf mich wirken lassen.
liebe grüsse
elsa
 

Roberpropp

Mitglied
Ja, da hat Elsa natuerlich voellig Recht: Wenn wir eine "Gebrauchsanweisung" benoetigen, hat die Szene ihre Wirkung verfehlt. Aber vielleicht wird im eigentlichen Roman ja deine Absicht deutlicher?
Eine andere Moeglichkeit waere, auf die Stelle mit dem Zitat (leicht machst du es dir wirklich nicht - ein ziemlich verwickelter Zusammenhang...) ganz zu verzichten und es stattdessen - wie es ja haeufig getan wird - dem Roman sozusagen als "Motto" voranzustellen. Auch damit kannst du den Leser dazu bringen, (evtl. unbewusst) Assoziationen zur spaeteren Handlung herzustellen.

Deine Idee mit der Vorahnung finde ich grundsaetzlich ueberzeugend. Nur gehst du ja eben auf den ersten Seiten eines langen Textes mit dem Leser eine Art Vertrag ein: Das bedeutet, er sollte relativ schnell wissen, auf was er sich einlaesst: Eine wesentlich kuerzere, praegnantere Szene, die sich im folgenden rasch einordnen laesst, waere dafuer womoeglich besser geeignet.

Weiterhin viel Spass beim Bearbeiten wuenscht
Robert.
 

visco

Mitglied
Hi Robert!

Du hast natürlich absolut Recht.
Falls es eine überarbeitete Fassung von »Schicksalhafte Begegnung« geben wird, dann wird sie völlig anders aussehen.

Viele Grüße,
Viktoria.
 



 
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