Schlachtfeld

Muffin

Mitglied
Schlachtfeld

Die freche Morgensonne enthüllte ein seltsames Bild. Ein Schlachtfeld.

Ein letztes Zucken durchfuhr das vom Körper getrennte Bein. Aus einem zerschmetterten Chitinpanzer quillten gelbe Eingeweide. Ameisensäure ätzte sich durch ein erloschenes Facettenauge. Ein loser Fühler bewegte sich im Wind. Den Abhang hinunter rollte ein gelöster Kopf gegen den dazugehörigen Körper. Auf einen kleinen Hügel lag ein lebloser Körper, neben ihm waren sechs Beine aufgestapelt.
Es war still. Jetzt war es still.
Die kleine Sandkuhle war ein verwüstetes Schlachtfeld. So weit das Ameisenauge reichte, war niemand mehr am Leben.
Niemand?
Auf einen Stein saßen zwei Ameisen nebeneinander und sahen auf ihre toten Kameraden hinab.
Die eine war schwarz und die andere rot.
„Nun?“ fragte die Schwarze. Sie war groß und ihre gewaltigen Kauwerkzeuge wiesen daraufhin, dass sie eine Soldatin der Königin war. „Was hat es Dir gebracht?“
„Wir haben Euch besiegt,“ sagte die kleine Rote, die aber nicht minder gefährlich war, weil sie zur Einheit der Artilleristinnen gehörte und mit Ameisensäure schoss.
Die Schwarze lächelte kühl. „Wie Sieger seht Ihr nicht aus.“ Sie gab dem vor ihr liegenden Brustpanzer einen Tritt.
„Willst Du jetzt behaupten Ihr hättet gewonnen?“ fragte die Rote bitter. Ihr Blick schweifte dabei Richtung Horizont.
„Ja, das will ich,“ sagte die Schwarze erbost.
„Ah, ja klar,“ erwiderte die Rote ironisch.
„Wenn Du frech wirst bring ich Dich um,“ höhnte die Schwarze.
„Und warum tust Du das nicht?“ stichelte die Rote zurück.
Die Schwarze zuckte mir drei Paar Schultern.
Eine Weile schwiegen sie sich an, dann sagte die Schwarze:
„Ich hatte Dich gar nicht gefragt, was es Euch gebracht hat, ich fragte was es Dir gebracht hat.“
Die Rote legte den Kopf schief und antwortete ohne den Kopf von Schlachtfeld ab zu wenden.
„Lass mich überlegen: mein gesamtes Volk ist gestorben, nicht nur die Soldaten, sondern auch die Arbeiterinnen, der Ameisenbau ist zerstört und begrub alle Ammen unter sich. Die Königin ist tot oder liegt im Sterben.
Aber mir geht’s prima. Möchtest Du mich nicht vielleicht doch umbringen?“
„Nein danke, ich verzichte,“ sagte die Schwarze seufzend.
„Mein Leben ist ein Trümmerhaufen,“ stellte die rote Ameise fest.
„Ein Schlachtfeld,“ gab die Schwarze zurück.
„Wir werden verhungern nicht wahr?“ fragte die Rote.
„Das scheint mir wahrscheinlich.“
„Es hat uns nichts gebracht, oder?“
„Im Gegenteil!“
„Ja, im Gegenteil!“
„Es war falsch, oder?“
„Zu späte Einsicht, mein Freund.“
„Besser spät als nie...“

Als der Abend kam saßen zwei leere Chitinpanzer neben einander auf einem Stein. Die leeren Facettenaugen auf das Schlachtfeld ihres Lebens gerichtet und die Köpfe an einander gelehnt.
Aber mit einem Lächeln auf den Lippen, weil sie begriffen hatten, worum es wirklich ging.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Muffin,

also die Idee finde ich Klasse! Damit eine richtig gute und sogar mitreißende Geschichte daraus wird, müßtest Du aber noch mal drüber gehen.
Der Einstieg ist dir - finde ich - sehr gut gelungen. (allerdings quillten die Eingeweide nicht - sie quollen)
Im ersten Moment hielt ich die "freche Morgensonne" für unangebracht, weil ich zunächst an ein wirkliches mit menschlichen Gliedmaßen bedecktes Schlachtfeld glaubte. Dann kam der Überaschungseffekt und die "freche" Sonne stimmte wieder.
"Ameisensäure ätzte sich durch ein erloschenes Facettenauge. Ein loser Fühler bewegte sich im Wind."
sehr schön.
"Den Abhang hinunter rollte ein gelöster Kopf gegen den dazugehörigen Körper."
Nicht so ganz gelungen - meine ich.
(Das sind nur Beispiele)

Den Dialog der beiden Überlebenden könntest Du vielleicht noch ein wenig lebendiger gestalten. Aber "Die Schwarze zuckte mir drei Paar Schultern." fand ich herrlich.

Wie gesagt; da kann was richtig Tolles draus werden.

Gruß Ralph
 

Muffin

Mitglied
Hallo Ralph,

danke für Dein Lob! Es freut mich, dass es Dir gefällt.

Deine Verbesserungsvorschläge werde ich beim Berichtigen, berücksichtgen.
Bis auf eines, wo ich Dir leider widersprechen muss. Der Dialog zwischen den beiden Ameise ist absichtlich nicht lebendig, weil alles in der Geschichte tot ist, auch der Dialog :)
Er ist so richtig nebenher geredet, ohne irgendwelche Gefühle dabei als Müdigkeit und Trotz.

Wie auch immer...

Mit nur einem Paar Schultern zuckend

Muffin
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Muffin,

ich habe deine Geschichte nun zum vierten oder fünften Mal gelesen. Wahrscheinlich hast Du - was den Dialog angeht - sogar Recht. Aber ich weiß nicht - irgend etwas scheint da noch zu fehlen. Ich wäre nicht böse, wenn hier andere Leser mal ihre Meinung äußern würden. Außerdem fände ich es schade, wenn der Text so sang- und klanglos auf Seite zwei rutscht.

Gruß Ralph
 

GabiSils

Mitglied
Hm. Haben Ameisen Lippen?

Das aber nur, damit ich auch etwas kritisiert habe. Wenn das "quillten" noch berichtigt ist, ist es top - un der Dialog ist klasse!


Gruß
Gabi
 

Muffin

Mitglied
Nein Ameisen haben natürlich keine Lippen, aber
Lächeln auf den Beißzangen hörte sich so doof an.:)
 



 
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