Schlampe

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amuseme

Mitglied
Vielleicht lag es an ihren billigen Kunstleder Pumps- ein Überbleibsel aus ihrer Kindheit in dem einen Schuhkarton ähnelnden Plattenbau irgendwo in einer heruntergekommenen Vorstadt. Nicht die Schuhe an sich, wohl aber die Worte ihrer Mutter, die an Deichmann wirklich nichts Schlechtes finden konnte. Oder an der dreckigen Art Sex den sie praktizierte, reichlich garniert mit schmutzigen Worten, die ihre Großmutter, sofern sie sie in ihrer Kindheit benutzt hätte dazu gebracht hätte eine ihrer beängstigend wulstigen Augenbrauen nach oben zu ziehen, das damals recht magere Kind ins Bad zu zerren und ihr den Mund mit Seife auszuwaschen. Wann immer Olga in den Augen der alten Frau ungezogen war und das war sie oft, wurde sie Zeuge der unglaublichen Kraft der Kriegsgeneration, die noch Sätze wie:“Eine deutsche Frau schminkt sich nicht!“ in den Mund nahm.

Das Bad glich einer Zelle, die eine Treppe nach unten lag, getrennt von der Gemeinschaftstoilette mit dem rostigen Nagel in der gelblichen Wand an der immer eine Anzahl sorgfältig zurechtgeschnittener Zeitungsblättchen hing, aber da die kleine Olga noch nicht lesen konnte interessierten sie die Ausschnitte als Kind nicht recht und sie verwendete sie nur zum abwischen. Sie war zu klein für die Strippe, die weit über ihr baumelte und oft glotzte sie mit überstreckten Halswirbeln nach oben um die häufig unordentlich übereinander verklemmten Glieder zu betrachten, die sie sich als Halskette wünschte , aber von der Oma wusste sie, dass eine deutsche Frau keinen Schmuck trägt!

Vielleicht lag es auch daran- an ihrer Wohnung, von der sie, wenn sie die knarrende Holztreppe hinunterging an einer ähnlichen Tür vorbei musste wie sie sie im Haus ihrer Großmutter vorfand. Die Klinken an der Klotür auf halber Etage galten mittlerweile wieder als hochmodern. Unten fehlte der Briefkasten, was Olga nicht störte-sie bekam selten Post. Dazwischen wohnte Thomas, ein Kind reicher Eltern mit dem sie geschlafen hatte, kurz nachdem sie einzog.

Brot und Salz hatte er gebracht. Er hatte wohl auch eine Oma gehabt, die ihn mit alten Traditionen vertraut gemacht hatte und dann hatten sie gefickt- er mit seinen Designerschuhen und in den Kniekehlen hängender Hose-sie im Bauarbeiterhemd und zu großer Jogginghose zwischen den Umzugskartons, dem Napf von Olgas alter Katze in der quadratischen Küche auf den abgeplatzten Mosaikfliesen.
Eine Küche die so klein war, dass man sich nicht mehr umdrehen konnte, sobald die Klappe des alten Gasherdes aufstand.
Eine Küche die höher war als breit, denn die Wände ragten über 3 Meter in die Höhe.
Eine Küche ohne wirkliches Tageslicht. Vor dem kleinen Fenster war ein Schacht, der es zwischen der verrußten Hauswand deren Farbe an zertretene Schnecken erinnerte und einem Erker mit einem Engel ohne Nase einzwängte und durch das nur in den frühen Abendstunden etwas „niemandem- zuliebe –Sonnenschein einfiel, der wie über grünste Wiesen kommend jenen letzten Winkel ihrer Welt für ein paar Minuten beschien.

. „Schlampe“ hatte er ihr ins Ohr geflüstert. Ein Wort dass sich sogar die Kinder auf der Straße zuschleuderten, als würden sie Ball spielen. Schlampen begegnete man beinahe alltäglich. Irgendwer, der so bezeichnet wurde ließ sich immer finden. „Ich kriege dabei“…Olga stutzte als würde sie nach Worten suchen.“…einfach keinen hoch!“..erklärte sie dem etwas verdutzten Thomas, setzte sich dabei an die Wand gelehnt und winkelte die Beine an, als würde sie so irgendwas bedecken.

Erst hatte sie geglaubt diese Schlampenfunktionsstörung sei etwas Intellektuelles, oder es läge an mangelnder Erfahrung mit Männern der Dirty-Talk-Fraktion. Wer nur von Tütensuppen lebt, das Gourmet-Menü armer Studenten ,kennt eben kein Steak, oder den richtig gehobenen Sex der Upper-Class in der „Schlampe“ ein Ausdruck höchster Zufriedenheit mit der Frau ist, die einem gerade einen bläst. Vielleicht stimmte auch etwas mit ihrem Körper nicht, dass er sich jeder sexuellen Funktion verweigerte, sobald sie so etwas hörte. Doch eigentlich war Olga körperlich sehr in Ordnung und das Debakel mit der Vokabel kam ihr nicht besonders schlimm vor. Sie wusste wie der Begriff funktioniert, oder funktionieren sollte nur bei ihr tat sich dann eben nichts.

Thomas störte es wahrscheinlich nicht. Seine Unaufgeregtheit machte die Sache für ein paar Wochen sehr angenehm, auch wenn sie schweigend miteinander schliefen weil ihm offenbar andere Worte fehlten.

Falk kam nicht nach Thomas, sondern lief irgendwie nebenher und dann ineinander über ohne dass es auffiel. Zuerst ging sie einfach an Thomas Tür vorbei, ohne sich nochmal umzusehen, ob er dort stand weil sie sich durch das Knarren der Stufen verraten hatte. Dann, nach einer Zeit kam er nicht mehr herunter wenn sie vom Einkaufen kam und unten im Flur sie Hausür zuschlug um ihr mit den Tüten zu helfen. Schließlich begegneten sie sich im Hausflur und der „Neue“ wurde eine Augenverdrehsekunde lang gemustert, bevor Thomas Türe zufiel.

Falk mochte Tütensuppen und sie mochte seine Bauarbeiterhemden. Er fickte sie im Schlafzimmer wie es sich gehörte, nahm sie in allen ihr möglichen Positionen und benutzte schlimme Worte, die er ihr ins Ohr flüsterte wenn sie gefesselt an den Pfosten des alten Bettes ihrer Oma hing . Es interessierte ihn nicht, dass sie sich nicht schminkte und keine teuren Schuhe trug. Er kaufte ihr Modeschmuck der sie an die Kette der Toilettenspülung erinnerte. Nur die „Schlampe“ probierte er nie aus!
 
D

Dominik Klama

Gast
Das ist ziemlich gut.

Und, hey! Nach längerer Zeit habe ich mal wieder ein relativ neues Mitglied entdeckt, wo man richtig Lust drauf kriegt, mehr von dem zu lesen!

Schön wäre es allerdings, wenn der Autor (die Autorin) in einer entspannten Stunde noch mal mit distanziertem Blick über den Text gehen könnte und nach der Kommasetzung sehen.

Ich oute mich mal, "Schlampen"-Vokabel-bezüglich.

Ich selbst gehöre zu der Sorte Männer, in deren Hirnen sich bei hoher sexueller Begeisterung öfters das Wort "Schlampe" einstellt. Das ist eine komische Sache und verstehen kann ich es selber nicht. Zweifellos ist "Schlampe" ein abwertender Begriff. Wer jemanden als "Schlampe" bezeichnet, positioniert sich irgendwo höher auf einer Art "moralischen Leiter" über dem so Bezeichneten. Und bringt zugleich zum Ausdruck, dass er, der Wertende, natürlich keine "Schlampe" sei.

Insofern sollte man schon sehr, sehr vorsichtig sein, das Wort je laut auszusprechen, ganz egal, ob die gemeinte Person dabei anwesend ist oder nicht. Und ich mache das auch nicht. Ich rede nicht über abwesende Menschen und kategorisiere sie als "Schlampen".

Bloß stimmt das alles halt ganz und gar nicht in der Situation der gemeinsamen sexuellen Erregung. (Das "gemeinsam" ist wichtig dabei.) Immer wenn sich da dann dieses Wort in meinem Kopf danach drängt, "ihr" entgegen geschleudert zu werden, bin ich überselig, dass ich sie habe, diese "Schlampe", dass sie die Gnade hat, sich mir hinzugeben.

Dass sie sich mir so hingeben kann, genau das macht sie zur "Schlampe". Offenbar könnte ich mich selbst ihr nicht so hingeben. Darum ist sie die Schlampe und ich bin es nicht.

Ansonsten wäre es aber Quark: Jeder, der mit "Schlampen" schläft, ist ebenso "Schlampe". Jeder, der zu "Nutten" geht, ist eine Nutte. Oder zumindest ein Freier, was bestimmt kein Deut besser ist.

Wann immer es in meinem Kopf "Schlampe" schreit, bin ich zutiefst glücklich mit der Person, mit der ich zusammen bin. Man könnte es mit "Mein Gott, das ist ja der perfekte Sex" übersetzen. Und dennoch, habe ich zu gestehen, schwingt auch da eine Spur Verachtung doch noch mit. Immer noch ist "sie" die "Schlampe" und ich bin es nicht - und also stehe ich ein wenig über "ihr" - und das macht mir Freude.

Okay, also ist es vielleicht ein Zeichen für die etwas pervertierte Struktur meines sexuellen Empfindens, hat irgendwas mit dem in mir schlummernden Sadomasoschismus zu tun.

Jedenfalls könnte man bei mir das Wort "Schlampe" auch mit "danke" übersetzen. Meinetwegen mit: "Danke, dass es jemanden gibt, der sich auf meine etwas pervertierte Sexualstruktur einlassen will."

Mit ist aber klar, dass es Leute gibt, denen kann man in keiner Situation, auch in dieser speziellen nicht, sagen: "Du Schlampe!" Denn sie würden "Du bist schlecht" verstehen. Und das ist genau, was ich nicht (!) sagen will. Oh nein, du bist gut, du bist gut, du bist so gut!

Darum läuft das bei mir öfters so, dass es in solchen Momenten heult vor Lust: "Schlampe! Du verdammte Schlampe!" Laut aber sage ich gar nichts, keinen Ton. Ich würde es gerne sagen. Aber ich kann auch ohne das sein.
 



 
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