Schlangen

Haarkranz

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Schlangen

Schlaflos grübelnd im Bett. Der frühe Morgen nach meinem vierzigsten Geburtstag. Ne gelungene Fete, beste Stimmung. Und, blöde Kuh? frag ich mich. Was ist dir? Etwas fehlt dir, gib’s zu!
Boris! Ich trete ihm sanft in die Seite, einen Augenblick setzt die Schnarchsäge aus, um dann unvermindert fort zu rattern.
Eigentlich stört mich sein Schnarchen nicht. Anderes liegt in der Luft, ein Nebel in dem ich mich herum irre.
Als wir die Gäste empfingen, Liane und Paul gratulierten, stand Boris halb hinter mir. Lianes gratulierende Hand lag in meiner, doch die Frau, Liane, deren Auge ich suchte, war weg. Nicht leiblich, sie stand vor mir, sah mit Augen aus einer anderen Welt durch mich hindurch, tauchte ab in Boris‘ blauen Feuerblick.
Sylvester an der Bar! Wann noch? Liane und Paul gehören zu unseren engsten Freunden. Gelegenheiten verzehrende Blicke zu tauschen, gibt es zuhauf.
Eifersucht, Franka? Primitive Eifersucht? Warum soll er nicht mit Liane flirten, flirtest du nicht? Na also, mach halb lang. Nimm dein Kissen, zieh um auf die Couch, fang dir ne Mütze Schlaf.
Doch der kam nicht. Was kam, waren Bilder von Boris und Liane, in allzu trautem Beieinander, bei allzu vielen Gelegenheiten.
Ich zwang mich Schäfchen zu zählen, 12X17 zu multiplizieren, an unser Segelboot Projekt zu denken. Segelboot Projekt? Mit Paul und Liane, von Travemünde nach Helsinki über die Ostsee. O nein! Doch, Franka, ist gebucht. Im Juli geht‘s los, keine Rede mehr von Projekt.
Panik! Meine Vorfreude auf das Fest. Die wilde Nacht mit Boris, die meine Ängste vor der großen Vier lachhaft machten. War das gestern? Was jetzt? War Liane seine Geliebte? Schlimmer, war mein Boris Lianes Geliebter?
Diese gemeine, hinterhältige Schlange, wirklich vertraut hab ich ihr nie!
Mich an Paul ranmachen geht nicht, kann nicht mit Paul. Wie krieg ich das in den Griff? Boris fragen: Hast du was mit Liane? Der stellt sich dumm, sollte es so sein. Die Schlange vergraulen, einen Streit vom Zaun brechen, sie dabei mies aussehen lassen. Müsste ich geschickt anstellen, der Segeltörn wäre perdu.
Oder auch nicht. Was ist, Boris sagt, du hast Krach mit Liane. Ich segle, hab mich das ganze Jahr drauf gefreut, bezahlt ist sowieso.
Horror, aber möglich. Um Gottes Willen. Vielleicht mach ich mir was vor, bin überreizt, war ne stressige Woche, mein Perfektionsdrang. Wie oft soll ich dir sagen, lass Fünfe gerade sein, Boris‘ stehende Rede. Könnt ich doch schlafen!

Wir sind unterwegs! Blauer Himmel, sanfte Brise. Das Gluckern der Wellen. Liane und ich liegen in der Sonne, lassen uns nahtlos bräunen. Boris und Paul sorgen für Fahrt. Eigentlich sind Boris und ich, die erfahrenen Skipper. Paul, unser Smutje, Liane Mädchen für alles. Doch heute ist Frauentag.
Ich vergleiche mich mit ihr. Mein Fleisch ist fester, mein Busen straffer. Was hat mein Liebster, an ihr gefressen? Einen Narren, der Narr. Wenn es denn so ist. Ich bin hellwach, immer alert. Sie hungert nach seinem Blick, ich lasse sie nicht aus den Augen. Sie leidet, kann es ihr nicht verdenken, sollte sie meinen Liebsten lieben. Jede Nacht such ich ihn heim. Weiß, was er mag. Lasse ihn seufzen, stöhnen, schreien. Stelle mir vor, wie sie wach liegt, sich vor Sehnsucht krümmt, nach ihrem Liebhaber in meinen Armen.
Helsinki war toll. Auf der Rückfahrt wollten wir Tallin mitnehmen, aber Liane bockte. Sie will nach Hause, ist ihr alles zu eng auf dem Boot. Keine Minute allein, das hält sie nicht aus. Selbst auf dem Clo sei man nicht privat.
Ich weiß, wo ihr Schuh drückt. Boris und ich sind wieder ganz eins. Muss ihn nicht animieren, von mir zu kosten. Flitterwochen, dieser Segeltörn wurde unsere zweite Hochzeitsreise. Paul und Liane kamen am Rande vor.
Noch zwanzig Stunden bis Travemünde. Das Wetter meint es nicht gut mit uns. Ich halte Kurs an der Pinne. Boris mit Liane und Paul an den Leinen. Wird schwierig, Liane meutert. Sie und Paul schufteten, während wir uns schonten, schreit sie beim Essen. Paul beruhigt sie. In Boris Augen glimmt ein böses Licht.
Es wird stockfinster, der Sturm heult, wir fahren ohne Takelage. Boris dreht den Bug mit dem Motor in den Wind. Wir schießen die Wellenberge hoch, stürzen tief in die Täler. Liane und Paul flüchten unter Deck. Ich hocke bei Boris an der Pinne, stemme mich mit ihm, gegen den Ruderdruck.
Gegen Morgen flaut der Sturm ab. Segel setzen, schreit Boris. Paul, grün im Gesicht schleppt sich an Deck, hilft mir beim klarmachen. Bald fahren wir vor flottem Wind auf Travemünde zu. Bevor es Nacht wird, sind wir im Hafen.
Liane packt mit steinernem Gesicht, wirft Paul, der am Kai steht, ihre Klamotten runter. Der guckt Boris an, zuckt die Schultern. Liane klettert an Land, zieht ab ohne Gruß.
Ich muss an mich halten, um nicht loszusingen. O Schlange!
 



 
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